Lektion 9: Arbeitgeber – Arbeitnehmer
Lektion 10: Rätselhafte Herzinfarkte
Lektion 11: Altkanzler, Altbundespräsident, Alteigentümer & Diktatur
Lektion 18: Einfahrt frei! Der tagtägliche Arisierungs‐ Ghetto‐Terror
Lektion 19: Indirekte Behauptungen und Beweise
Lektion 20: Die Weiber werden gefickt, die Kerle kriegen die Eier abgeschnitten
Lektion 21: RECHT: DAS Recht, (DIE) Rechte /EIN Recht /MEINE Rechte /MEIN Recht, recht – rechts
Lektion 22: »Rassentheorie« und »Totalitarismustheorie«
Lektion 23: Natürlicher Tod – Freitod – Selbstmord – Schuldeingeständnis
Lektion 24 – 1: Der Stählerne – als Antichrist
Lektion 24 – 2: Der Stählerne – von Trotzki über Goebbels und Wlassow zu Chruschtschow
Lektion 24 – 3: Der Stählerne – Katyn
Lektion 25: Der sogenannte Stalinismus
Lektion 26: Der sogenannte Populismus und/oder Rechtspopulismus
Lektion 29: Verschwörungstheorie
Lektion 24 – 2: Der Stählerne – von Trotzki über Goebbels und Wlassow zu Chruschtschow
Die dreiteilige Lektion 24 gilt dem fünfteiligen Buch Der Stählerne und dessen Erklärung beziehungsweise einer Einführung. Siehe gern auch: http://lexikon.wikidot.com/der-staehlerne
Was den Stählernen von vielen Zeitgenossen und späteren Führern unterschied und was als Postitiv‐Qualitäts‐ und Unterscheidungsmerkmal nie in den anti-»stalinschen« Diskursen auch nur erwähnt werden darf: ER SCHRIEB!
Also selbst. Also nicht – wie heutige Popstars aller Bereiche, lediglich seinen Namen auf Autogrammpostkarten. Sondern in der Parteipresse und später auch als Oberster Befehlshaber der Roten Armee. Während des Großen Vaterländischen Kriegs z. B. Waffengebrauchsrichtlinien… Und jede Menge Tagesbefehle sowieso. In den Zeiten vor dem Fernsehen wurden die Revolutionsführer populär und erwarben sich das Vertrauen der Arbeitsschaft und der Revolutionäre und vieler Menschen darüber hinaus vor allem mittels Artikel‐ und Buchveröffentlichungen. Die sie selbst schreiben mußten; Ghostwriter gab es damals in diesen Regionen des Gesellschaftlichen nicht.
Trotzki schrieb auch. Aber im Vergleich zu Lenin und Stalin war und ist bei ihm nicht allzu viel, womit man ihn preisen könnte. Womit er den beiden erstgenannten halbwegs das Wasser reichen könnte. Umso mehr müßte eigentlich auffallen, daß und wie weniges von Trotzki mit Wichtigkeit aufgeblasen wird, während die riesige stalinsche Gesamtausgabe gleichzeitig unter den Propaganda‐Tisch fällt.
In der militärischen Verteidigung der Revolution gegen die Weißen, die abtrünnigen Polen, gegen die Interventen, die zwar unter Ausnutzung der Schwäche der Revolutionäre und mit Betreiben durch die Deutschen zur Abtrennung Polens, der baltischen Territorien und großer westukrainischer und westbelarussischer Territorien führte, doch aber auch zur Zurück‐Gewinnung der territorialen Integrität des größten Staats der Erde, erwarb sich der Stählerne seine Epauletten als militärischer Führer und eben auch seinen Ehrennamen: Der Stählerne.
Allerdings ist den Deutsch‐Muttersprachlern, die über keine oder wenig Russisch‐Kenntnisse verfügen, normalerweise nicht klar, daß der Name Stalin vom russischen Wort für Stahl abgeleitet ist. Denn im Russischen gibt es kein »H«. Also sehen die beiden Wörter einander zu unähnlich.
Der Stählerne wurde Josef Wissarionowitsch ob seiner Verdienste u. a. um die Verteidigung der Wolga‐Stadt Zarizyn, die in Erinnerung seines Verteidigungsbeitrags dann in »Stalingrad« umbenannt wurde. Daß die Stadt, die seinen Namen trug, irgend wann einmal ihm zu Ehren umbenannt worden war, darf der Deutschtrotteluntertan gerade noch wissen, nämlich zu dem Zweck, ihm den sogenannten Personenkult zu »beweisen«, ihm diesen plausibel zu machen. Warum aber diese Stadt diesen Namen trug, welchen Verteidigungsbeitrag der Stählerne geleistet hat gegen die Interventionisten und Vaterlandsverräter, darf der westweltliche Untertan kaum noch wissen. Auch nicht, wie viele Städte in der Sowjetunion die Namen russisch‐sowjetischer Revolutionäre und Humanisten erhielten. Und daß das nicht mehr und nicht weniger als ein Zeichen der neuen Zeiten und neuen Gerechtigkeit war, darf er schon gar nicht denken: Bis dahin waren Städte nach Zaren und sonstigem adeligem Geschmack benannt. Ob Peter oder Katharina, ob Zarentum oder Wladimir. Und so ergibt sich auch hinsichtlich der militärischen Verdienste die selbe erzählerische Asymmetrie zugunsten Trotzkis: Während die Pro‐Trotzki‐Propaganda nicht müde wird, einerseits die Verdienste Trotzkis um die Schaffung der Roten Armee zu würdigen, um gleichzeitig die angeblichen Verbrechen dieser Armee Stalin anzulasten und dabei Lenin fast völlig herauszuhalten, kommt Stalin als Armeeführer und Militärbefehlshaber dieser Zeit gar nicht erst vor. Um die Legitimität des Nachfolgers Trotzki plausibel zu machen.
Wie auch die in den 1950ern eingeführte Erzählung, die Benennung von Orten nach Revolutionären zu deren Lebzeiten – hauptdenunziatorisch mit »Stalingrad« plausibel gemacht – sei stalinistisch, nicht die Frage erlaubte: Wann wurde und warum eigentlich die US‐Hauptstadt Washington benannt? Anstatt diese Frage zu beantworten wurde in Berlin, Hauptstadt der DDR, z. B. das Walter‐Ulbricht‐Stadion in Berlin umbenannt. Die Honecker‐Leute hatten sich dem westlichen Propaganda‐Druck gebeugt. Waren aber nicht die Propaganda‐Unterwerfungs‐Hauptschuldigen, die saßen in Moskau, und gegen deren Diktate konnten die deutschen Einheitsparteiler den Anti-»Stalinismus« nicht ignorieren. Und wie nach dem Sturz der Stalindenkmäler auch die Lenindenkmäler umgestürzt und Leninstraßen und ‑Plätze umbenannt wurden, und wenn 20 bis 30 Jahre dazwischen lagen – in Berlin war das dann Anfang der 1990er auf Diktat der Besatzer fällig, die Anwohner und DDR‐Berliner mochten das Kunstwerk -, so verschwand das »Stadion der Weltjugend«, das dereinst das Walter‐Ulbricht‐Stadion gewesen war, nach dem Anschluß der DDR nach den hitlerschen Polit‐Szenarien von 1938 ebenfalls. Sowohl als Ort wie der Name. Heute ist dort die Geheimdienst‐Zentrale der Besatzer.
Wenn der sogenannte Personenkult erzählt wird, müssen dieser Fakt und diese Zusammenhänge selbstverständlich verschwiegen werden. Deshalb wurde nie die Frage beantwortet, ja nicht einmal öffentlich gestellt, warum die Benennung Stalingrads nach seinem siegreichen Verteidiger Personenkult gewesen sei, nicht aber die Namen Leningrad und Washington, Kaliningrad, Gorki. Oder Sankt Petersburg. Und wie sieht es mit der Helmut‐Schmidt‐Universität in Hamburg aus? Und was schlimm daran sei, daß der Sieger im Kampf im eine Stadt von ihren Bürgern derart geehrt wurde. Und warum der Personenkult um Adenauer, Elisabeth und Diana, Brandt, Schmidt‐Schnauze, Clinton, den Microsoft‐ und Apple‐Begründer, Mick Jagger und Udo L. öffentlich nicht so heißen dürfen, soll auch niemand wissen. Und daß die Korrektur des »personenkultigen« Namens Leningrad mittels Kult um den Zaren Peter geschah, fällt auch gar nicht erst auf oder ein. Mir ist keine Stadt bekannt, um die Trotzki sich so verdient gemacht hätte, daß sie nach ihm benannt wurde.
Kurz und schlecht: Weil Stalin der langjährig‐erfolgreichste sozialistisch‐kommunistische Revolutionär aller Zeiten war, deswegen und aus keinem anderen Grund hat er das heutige Image. Er wird nicht schwarzerzählt, weil er der behauptete schlimmste Massenmörder und Verbrecher gewesen ist, vielmehr muß er als Verbrecher erzählt werden, weil die Weltherrschaftskrieger dermaßen viel Dreck am Stecken und Blut und Schandtaten in ihren Annalen haben und ihn nicht zuletzt deshalb so böse gezeichnet haben wollen. Zur nachträglichen Vernichtung ihres Vernichters, zur Umschreibung der Geschichte vom Sieg der Gerechten. Zur Plausibelmachung des angemaßten Rechts der westweltlichen Endsiegers, den Staat zu vernichten, der sich unter seiner Führung dermaßen erfolgreich entwickelt und unter seinem Obersten Befehl verteidigt hat. Denn für eine solche tagtägliche Verdammung über nun schon weit über ein halbes Jahrhundert hinweg muß man Gründe angeben. Indem sein Beitrag zum Werden und Wachsen und Kämpfen und Überleben in ein Verbrechen umgedichtet wurde, schlug und schlägt das braune Regime mindestens zwei braune Fliegen mit einer goebbelschen Klappe: Die vergangenen Siege der Revolutionäre werden mies‐ und unkenntlich und vergessen gemacht und zukünftigen wird vorgebeugt. Der totale Endsieg über den Sieger.
Fidel Castro hat die cubanische Revolution zwar länger geführt, und seine Verdienste sind hoch zu loben, und zwar auch und nicht zuletzt nach den neutralen Regeln der UN‐Menschenrechtsdeklaration, aber er hat nicht mit seinen Kampfgefährten und Genossen als Oberster Befehlshaber die größte Armee des Weltimperialismus zerschmettert, und analoges gilt für Mao und andere.
Die Krux und Effektivität dieser Negativ‐Zerrbild‐Propaganda ergibt sich vor allem daraus, daß sein Nachfolger Nikita Sergejewitsch Chruschtschow dieses Bild zwar nicht in die Welt gesetzt, aber übernommen und als das seine ausgegeben hat. Freilich ohne zu sagen, daß es das Feindbild der Nazis war, er hat es, denke ich, wahrscheinlich nicht einmal gewußt. Und Nikita hat damit die revolutionär oder auch nur fortschrittlich eingestellten Menschen dieser Welt in ein Dilemma geredet und geführt. Sich entscheiden zu müssen zwischen der Wahrheit und der »Wahrheit«. Zwischen dem, was wahr ist, weil es so war, und dem was »wahr« sein mußte, weil es der oberste Hierarch sagte und man sich selbst ins Abseits stellte, wenn man die eine Wahrheit höher stellt, als die andere »Wahrheit«. Ein wirkliches Dilemma für jeden, der seinerzeit für die Revolution und den Sozialismus war und für diesen eintreten wollte. Eine Entscheidung, an der so viele verzagt und gescheitert sind. Und letztlich das ganze Projekt. Ein ewiges Problem des Herdentiers, des zoon politicon Mensch überhaupt.
Immer mehr aufrechte Humanisten erkennen seit Jahren und Jahrzehnten Menschheits‐Irrweg und ‑Sackgase der anti-»stalinischen« Falscherzählung; Menschen innerhalb marxistischer Diskurshorizonte nennen es Revisionismus. Dieses Wort aber ist zu schwach angesichts der in dem Buch Der Stählerne vorgestellten und vom Regime allerhöchsttabuisierten Erkenntnis, daß Nikita 1956 auf dem XX. Parteitag nachredete, was Adolf Hitlers SS zwölf (= 1000) Jahre zuvor einen Vorredner propaganda‐schwafeln ließ: Den Massenmörder‐General Wlassow in Prag, und zwar im Jahr 1944. Seine antistalinsche Vom-Tyrannen-»Befreiungs«-Rede ist in dem erwähnten Buch Der Stählerne ebenfalls dokumentiert und kommentiert.
Nach dem Ende des Massenmordens wurde Wlassow auch für diese Rede und deren Ideologie gerechterweise hingerichtet. Was zwar nicht als ein konkretes Stalin‐Verbrechen mehr erzählt wird, aber Wlassow ist einer der Millionen, die Stalin angeblich umgebracht hat. Obwohl jeder auch nur ein wenig historisch Gebildete weiß, daß keiner der sowjetischen Militärrichter im Sommer 1945 einen Stalin‐Befehl für das Todesurteil gebraucht hat. Zwölf Jahre später hatte diese Nazi‐Ideologie die Führung der Partei und Union längst infiziert. Was die westliche Weltherrschaft dem Chruschtschow heute noch dankt. Indem sie seine politische Willkür, seine sowjetschädlichen Eskapaden, seine Polit‐Clown‐Show, seine Wirtschafts‐Desaster‐Politik in einem geradezu mild‐warmen Licht erscheinen läßt.
Lektion 24 – 2 als Video: