Die Spra­che der Herr­schaft – und der Ohn­macht Lek­ti­on 36: Ost­mu­sik und Ost­rock (Ost­wör­ter V)

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Mag­Ma legt hier­mit die seit 2012 als Video vor­lie­gen­den und basie­rend auf Über­le­gun­gen von Anfang der 90er Jah­re ent­stan­den Lek­tio­nen zur »Spra­che der Herr­schaft und der Ohn­macht« von malcom.z vor. Nicht alle ursprüng­lich als Video­pod­cast ver­fass­ten Lek­tio­nen eig­nen sich zur schrift­li­chen Ver­öf­fent­li­chung. Daher die Lücken in der Num­me­rie­rung. Vie­le Lek­tio­nen ver­wei­sen auf ande­re und zum bes­se­ren Ver­ständ­nis der The­sen emp­fiehlt es sich die Lek­tio­nen nicht iso­liert zu betrachten.

Lek­ti­on 18: Ein­fahrt frei! Der tag­täg­li­che Ari­sie­rungs- Ghetto-Terror

Lek­ti­on 19: Indi­rek­te Behaup­tun­gen und Beweise

Lek­ti­on 20: Die Wei­ber wer­den gefickt, die Ker­le krie­gen die Eier abgeschnitten

Lek­ti­on 21: RECHT: DAS Recht, (DIE) Rech­te / EIN Recht / MEI­NE Rech­te / MEIN Recht, recht – rechts

Lek­ti­on 22: »Ras­sen­theo­rie« und »Tota­li­ta­ris­mus­theo­rie«

Lek­ti­on 23: Natür­li­cher Tod – Frei­tod – Selbst­mord – Schuldeingeständnis

Lek­ti­on 24 – 1: Der Stäh­ler­ne – als Antichrist

Lek­ti­on 24 – 2: Der Stäh­ler­ne – von Trotz­ki über Goeb­bels und Wlas­sow zu Chruschtschow

Lek­ti­on 24 – 3: Der Stäh­ler­ne – Katyn

Lek­ti­on 25: Der soge­nann­te Stalinismus

Lek­ti­on 26: Der soge­nann­te Popu­lis­mus und/​oder Rechtspopulismus

Lek­ti­on 28: AusländerhaSS

Lek­ti­on 29: Verschwörungstheorie

Lek­ti­on 30: Lügen­pres­se halt die Fresse

Lek­ti­on 31: Poli­ti­scher Analphabetismus

Lek­ti­on 32: Ost­deutsch­land (Ost­wör­ter I)

Lek­ti­on 33: Die Ost­deut­schen (Ost­wör­ter II)

Lek­ti­on 35: Ost­al­gie (Ost­wör­ter IV)

Lek­ti­on 36: Ost­mu­sik und Ost­rock (Ost­wör­ter V)

Lek­ti­on 36: Ost­mu­sik und Ost­rock (Ost­wör­ter V)

Die nächs­te Anwen­dung der drei Buch­sta­ben »O‑S-T« fin­den wir in »Ost­mu­sik«. Das eben­falls oft ver­wen­det wird. Aller­dings nicht oder sehr sel­ten medi­en­öf­fent­lich. Es ist eher eine umgangs­sprach­li­che Ablei­tung aus dem medi­en- und poli­ti­k­öf­fent­li­chen »Ost­deutsch­land« und »die Ost­deut­schen«. Die Musik derer, die in »Ost­deutsch­land« hau­sen wird dann logi­scher­wei­se als Ost­mu­sik erzählt, auch wenn das die Medi­en gar nicht so drin­gend vor­ge­ben. Schon des­halb nicht, weil sie die­se Musik bis auf weni­ger Aus­nah­me gar nicht spie­len. Und dann zumeist die­se Benen­nung im all­ge­mei­nen umge­hen, ver­mei­den. Aller­dings auch weil die Ein­tei­lun­gen der in den Medi­en gespiel­ten Musik immer weni­ger ange­sagt wird. Die­sem Wort fol­gen wei­te­re Wör­ter die­ses Bereichs wie Ost­rock und Ostmugge …

Schon bei dem Wort »Ost­deutsch­land« ist es ja, wie in Lek­ti­on 32 gezeigt, eini­ger­ma­ßen irre, daß die Städ­te Wis­mar, Mag­de­burg, Erfurt und etli­che ande­re ost­deutsch sein sol­len, wäh­rend Hof, Nürn­berg, Mün­chen angeb­lich west­deutsch sind. Bei »Ost­mu­sik« geht es noch irrer zu: Polen und Ruß­land sind öst­li­cher gele­gen als das DDR-Ter­ri­to­ri­um, wie die gesam­te Sowjet­uni­on es war. Dort gibt es auch Musik. Musik, die von dort kommt, wird aber nicht und nie als Ost­mu­sik gedacht und ist also mit die­sem Wort auch nicht gemeint. Wie die Herr­schen­den und Sen­den­den für die­se Musi­ken schon des­halb kein Wort brau­chen, weil die noch weni­ger gesen­det wird als die der DDR. Denn nor­ma­ler­wei­se brau­chen die Men­schen kei­ne Wör­ter für Gegen­stän­de und Umstän­de, Pro­zes­se und Gefüh­le etc., die es nicht gibt. Frei­lich gibt es mit Reli­gi­on, West­welt­po­li­ti­ken und Pro­pa­gan­da in der Neu­zeit immer mehr und wir­kungs­mäch­ti­ge­re Ausnahmen.

Der von den Besat­zern und Ari­sieu­ren der DDR-Schall­plat­ten­fir­ma VEB Deut­sche Schall­plat­ten in den 1990ern ein­ge­setz­te Ami­ga-Label-Ver­ant­wort­li­che, Jörg Stem­pel, hat mir 1997, also im Jahr 2023 schon vor 25 Jah­ren erzählt, daß man ihm in einer Stutt­gar­ter Radio­sta­ti­on gesagt habe: »Ost­mu­sik spie­len wir nicht«.

Er war näm­lich mit sei­nem Ami­ga-Köf­fer­chen durch die Brd gereist, um das Bes­te vom bes­ten Deut­schen, näm­lich aus der DDR, über­haupt erst ein­mal dort bekannt zu machen. Die­ser Absa­ge-Satz macht nun deut­lich, was seit 1990 gene­rell galt, heu­te gilt und doch fast nie­mand weiß: Die Brd-Ari­er hat­ten ein­fach das goeb­bel­sche »jüdisch« durch das kohl­sche-brandt­sche-schrö­der­sche-lafo­sche-mer­kel­sche usw. »ost­deutsch« ersetzt. »Ost­deutsch« ist das Label für die Musik, die nicht öffent­lich gespielt wird. Als Ersatz­wort für »ver­bo­ten«. Schon gar nicht darf es auf Gez-Ticket gesen­det wer­den. Das war eben 1933 – 1945 neben dem Label »kom­mu­nis­tisch« und »arbei­ter­be­wegt« das Label »jüdisch«. So »wie­der­ver­ei­nigt« geht es seit 1990 zu! Nun also schon seit 33 Jah­ren. Daß die DDR-Bür­ger, die Musi­ker wie die Hörer ein Men­schen-Recht auf Scha­dens­er­satz haben, darf der Unter­tan nicht den­ken. Also wird es in kei­nem Medi­um, in kei­ne »par­tei­na­hen Stif­tung«, in kei­nem Diä­ten-Laber-Puff gesagt.

Wie zu Adolfs Zei­ten ging und geht es also seit 1949 nicht um eine musi­ka­li­sche oder sons­ti­ge Qua­li­tät, schon gar nicht um »gesamt­deutsch« oder »wie­der­ver­ei­nigt«. Son­dern um arisch einer­seits und jüdisch, kom­mu­nis­tisch, arbei­ter­be­wegt oder »ost­deutsch« ande­rer­seits. Und dem »Ost­deut­schen« wie damals dem »Jüdi­schen« wird a prio­ri Sen­de- und Auf­füh­rungs-Qua­li­tät ab- bzw. gar nicht erst zuge­spro­chen. Der Unter­schied ist nun der, daß die Ori­gi­nal-Nazis bis 1945 weni­ger ver­lo­gen waren und das öffent­lich ange­sagt haben. Also daß sie Jüdi­sches nicht sen­den. Wäh­rend die heu­ti­gen LÜG­NER öffent­lich von »Wie­der­ver­ei­ni­gung« labern. Aber die Musik der angeb­lich Wie­der­ver­ei­nig­ten nie und nir­gends ganz nor­mal senden.

Wenn man sich nun ein­mal anschaut, was mit dem Label »Ost­rock« gespielt, ange­prie­sen oder auch pro­pa­gan­dis­tisch nie­der­ge­macht wird, dann wird es noch ein wenig kon­kre­ter. Die Rock-Musik, die seit 1990 auf dem Ter­ri­to­ri­um der DDR pro­du­ziert wird, die erfolg­rei­che wie die unbe­kann­te, heißt nor­ma­ler­wei­se eben nicht und nie Ost­rock oder Ost­mu­sik. Denn sie soll ja ver­kauft wer­den, wenn die Musi­zie­ren­den bei einer grö­ße­ren Plat­ten­fir­ma sind. Und auch West-Musi­ker, die sich bil­ligst ein­kau­fen in das geraub­te Volks­ei­gen­tum wie ab 1939 die Deut­schen, die einen Erbau­ern­hof im besetz­ten Polen über­nom­men haben, wol­len nicht unter »ost« sub­su­miert wer­den. Denn das wäre ja verkaufsschädigend.

Also ist auch hier »ost« kein geo­gra­phi­scher Anzei­ger, son­dern ein poli­ti­sches Ersatz­wort, um einen poli­ti­schen Sach­ver­halt zu ver­de­cken. Clue­so? Zoell­ner? Puten­sen? Rosen­stolz? Sil­ly? Alle nicht Ost­rock. Obwohl doch die Him­mels­rich­tun­gen nicht umbe­nannt wur­den mit der Macht­er­grei­fung der Adolf-End­sieg-Staats-Nazis auf DDR-Ter­ri­to­ri­um. Und die Pro­duk­ti­ons­or­te zum Teil die sel­ben sind. In der Nal­e­pa­stra­ße wur­de auch nach 1990 Musik pro­du­ziert. Aber nie Ost­rock oder Ost­mu­sik. Soweit bekannt. Wo bis 1989 Rock- und ande­re Musik pro­du­ziert wur­de, die heu­te »Ost­rock« und »Ost­mu­sik« genannt wird.

Wenn wir uns nun die heu­te »Ost­mu­sik« genann­te Musik anschau­en, die bis 1989/1990 in der DDR pro­du­ziert wur­de, dann sind weder die soge­nann­ten neu­en Bands vom Ende der 1980er »Ost­rock«, noch die DDR-Blues­bands. Egal ob »Enger­ling« oder Jür­gen Kehrt. Die heu­te auch kein Sen­der spielt. Aber auch Ren­ft und Bartsch und Hol­ger Bie­ge und Vero­ni­ka Fischer und schon gar nicht die mit Anna Loos für eini­ge Jah­re noch ein­mal super erfolg­rei­chen Sil­ly wer­den heut­zu­ta­ge von den Staats-Pfaf­fen-Com­merz-Medi­en unter Ost­rock sub­su­miert. Denn die Ton­trä­ger soll­ten ver­kauft und die Musi­ker gebucht wer­den. Aber auch nicht oder kaum im pri­va­ten Sprach­ge­brauch. Denn die Sil­lys rei­sen ja auf dem poli­ti­schen Ticket der Anna Loos und des Jan-Josef Lie­fers, und zwar auf Erfolgs­kurs und im Pro­gramm eines Major-Labels. Und da das Label »Ost­rock« das Nicht-Sen­de-Label ist, darf es für Sil­ly eben nicht gel­ten. Übrig blei­ben als »Ost­ro­cker« die erfolg­reichs­ten DDR-Rock­bands: Puh­dys, City, Karat, Lift, Stern Mei­ßen, Elek­tra, die unter das Label »Ost­rock« gepreßt wer­den. Ob sie wol­len oder nicht. Also die­je­ni­gen mit hohen LP-Auf­la­gen in der DDR. Die also die Natio­nal­kul­tur der DDR wesent­lich mit­ge­prägt haben und des­halb in den Pfaf­fen­sen­dern regel­mä­ßig nicht nor­mal­pro­gramm­ge­sen­det wer­den dür­fen. Mit wenigs­ten Aus­nah­men. Wie die Musik von Juden 1933 – 1945 im Reichs­rund­funk des Joseph Goeb­bels nicht gesen­det wur­de. Auch wenn die DDR-Musi­ker wegen der Treue des DDR-Publi­kums seit Jahr­zehn­ten pri­vi­le­giert sind; nor­mal­pro­gramm­ge­sen­det wer­den sie trotz­dem nicht.

Daß schon die SS-Nazis in Ausch­witz Juden pri­vi­le­gier­ten, weil sie Musik machen konn­ten, wird hier immer zu erwäh­nen »ver­ges­sen«. Das taten sie nicht, weil die Nazis Musik machen­de Juden lieb­ten. Son­dern weil man Juden bes­ser beherr­schen, ver­wal­ten und nach Belie­ben und ruhigst ver­nich­ten konn­te, wenn man sie mit Musik in Rich­tung der Gas­kam­mern mar­schie­ren ließ … Und da flog man kei­ne ari­schen Musi­ker aus Ber­lin ein, was unge­woll­te Mit­wis­ser­schaft erzeugt hät­te, son­dern nahm man in Ausch­witz halt eini­ge der Juden, die schon da waren. Wie im Anschluß­ge­biet eben DDR-ler die Musik zur Beru­hi­gung, Ver­ohn­mäch­ti­gung, Ver­nich­tung ihrer Lands­leu­te auf­spie­len dür­fen. Und dafür dann pri­vi­le­giert leben dür­fen. Solan­ge sie nicht die Wahr­heit sagen.

Die­se heu­te Ost­mu­sik oder Ost­rock genann­te Musik aber hieß auch in den Brd-TV- und Rund­funk­sen­dun­gen und ‑Publi­ka­tio­nen bis 1989 selbst­ver­ständ­lich: DDR-Rock­mu­sik. Die Künst­ler waren DDR-Künst­ler und nicht ost­deut­sche. Und tat­säch­lich ist der Ort der Ent­ste­hung, das Land ihrer Sen­dung und – mal mehr, mal weni­ger – ihrer Wert­schät­zung die Deut­sche Demo­kra­ti­sche Repu­blik. Wie das Sen­de­pro­gramm vom DT64 aus­wies. Wie auch der Grund ihrer Äch­tung genau durch die­se staat­li­che Her­kunft bedingt ist und nicht durch die jewei­li­ge »ost­deut­sche« Land­schaft oder Stadt. Und also in einem engen Zusam­men­hang steht mit der Anti-DDR-Nost­al­gie- bzw. Ost­al­gie-Kam­pa­gne ab 1990.

Wie anders­wo schon gezeigt, müß­te ja ansons­ten heu­te in Erfurt oder Ber­lin oder bei Greifs­wald pro­du­zier­te Musik auch Ost­mu­sik oder Ost­rock genannt wer­den. Sei die Her­kunfts­re­gi­on oder Gegend nun die Bör­de, das Elb­tal, die Ost­see­land­schaft bei Ros­tock oder die Müg­gel­see-Nähe von DDR-Rock­hausen. Und Musik aus War­schau, Kra­kow, Prag und Mos­kau sowieso.

Und so erklärt sich auch, daß es Zwangs-Gez-Sen­der bzw. ‑Pro­gram­me für Aus­län­der gibt, daß Tür­ken und Afri­ka­ner ihre Musik auf Gez-Ticket hören kön­nen und die tür­ki­schen und afri­ka­ni­schen Kom­po­nis­ten und Tex­ter Tan­tie­men aus den Gez-Töpf­chen erhal­ten kön­nen. Zum Bei­spiel das Pro­gramm »Funk­haus Euro­pa«, wo meis­tens Mens­trua­ti­ons­hin­ter­gründ­le­rin­nen mode­rie­ren und die zumeist männ­li­chen Musi­ker-Exo­ten sprach­lich anhim­meln dür­fen. Wäh­rend es seit 1990 kei­ner­lei Sen­der für DDR-Musik gibt und nicht zuletzt die Umbe­nen­nung von DDR in »Ost« dafür sorg­te und sorgt, daß nicht ein­mal die Musi­ker sich jemals pro­tes­tie­rend haben hören las­sen. Ihre Rech­te und die ihres Publi­kums ein­zu­kla­gen. Was zu Zei­ten des öster­rei­chi­schen Kanz­lers inner­halb des Deut­schen Rei­ches auch kein Jude jemals gekonnt hat. Ganz am Anfang der Kolo­ni­sie­rung der DDR gab es aller­dings Pro­tes­te der DT64-Hörer gegen die Abschal­tung des Sen­ders und sei­ne Ver­ban­nung auf Mit­tel­wel­le. Oder war es die kur­ze Wel­le? Aber auch die­ses Pro­gramm wur­de kon­se­quent ver­west­licht und amisiert.

Wir DDR-Bür­ger ste­hen weit unter dem Tür­ken und auch unter dem gemei­nen Afri­ka­ner. Sie haben Sen­der, die ihre Musik spie­len, wir nicht. Sie haben GEZ-Sen­der zu ihren Guns­ten. Wir DDR-Bür­ger dür­fen GEZ zahlen.

Bild: Kon­zert­pla­kat »Ost­rock«(Jörg Kan­tel CC BY-NC-ND 2.0)

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