Sebastian Bahlo von den Freidenkern hielt am 20. April 2024 einen Vortrag mit dem Titel »Zeitenwende – Krise des Imperialismus«. Obwohl er darin auch viele sinnvolle und richtige Dinge sagt, sind seine zentralen Thesen meiner Meinung nach ein Beleg für die heillose Verwirrung, die gegenwärtig innerhalb der Freidenker, einem der letzten marxistischen Verbände Deutschlands herrscht.
Ausgangspunkt seiner Ausführungen ist Lenins These der Arbeiteraristokratie, die hier en passant auf die gesamte westliche Arbeiterklasse ausgedehnt wird. Bahlo sagte, dass als Ergebnis des zweiten Weltkrieges der Imperialismus unter Führung der USA geeint wurde. Durch Kontrolle der globalen Warenflüsse erlangte der Imperialismus einen großen Machtzuwachs, was es ermöglichte, die Arbeiterklasse im Westen zu bestechen. Bahlo zitiert in diesem Zusammenhang aus einem von Lenin angeführten Brief von Engels an Kautsky vom 12. September 1882, wonach die Arbeiter vom englischen Weltmarkts‐ und Kolonialmonopol flott mit zehren.1
Bahlo dehnt wie gesagt diese Aussage auf die komplette Arbeiterklasse im gesamten Westen aus. Damit kann er sich gerade nicht auf Lenin berufen, der an zahlreichen Stellen immer nur von bestimmten Gruppen oder Schichten des Proletariats spricht, die bestochen wurden, niemals vom Proletariat in seiner Gesamtheit. Polemische Überspitzungen in Privatbriefen von Marx und Engels hat Lenin zwar zitiert, aber nicht übernommen.
Bei der Arbeiteraristokratie ist entweder an Vorarbeiter und Meister zu denken oder an bestimmte Branchen wie die Metallindustrie, wo die Arbeiter besser bezahlt werden als im Durchschnitt. Letzteres hat sich historisch nicht bestätigt. Trotz einer geringfügig besseren Bezahlung bildeten zum Beispiel in Russland die Metallarbeiter der riesigen Putilow‐Werke in Petrograd die Kerngruppe des Proletariats und ihr Streik trug im Februar 1917 wesentlich zum Sturz des Zaren bei. Auch in Deutschland bildeten die Arbeiter der Berliner Metallbetriebe im Ersten Weltkrieg die Vorhut der Arbeiterklasse.
Überhaupt dürfte der Vorteil, den Arbeiter bis 1945 aus dem Kolonialismus gezogen haben, im Vergleich zu den gigantischen Profiten der Kapitalisten minimal gewesen sein.
Kann man aber den Massenwohlstand der Arbeiterklasse nach dem zweiten Weltkrieg ausschließlich mit einer Bestechung erklären, die aus kolonialen beziehungsweise neokolonialen Surplusprofiten gezahlt wurde?
Meiner Meinung nach geht diese These in mehrerer Hinsicht in die Irre. Zunächst einmal änderte sich mit dem kapitalistischen Aufschwung nach 1945 die Herkunft der Surplusprofite. Solche Profite aus Kolonien und Halbkolonien verloren an Bedeutung. Wichtiger wurden Surplusprofite aus technologischen Renten. Technologische Renten können erzielt werden, wenn es Unternehmen gelingt, die Marktpreise von neu entwickelten Produkten weit über ihren Kostpreisen festzusetzen. Dies ist in der Regel dann möglich, wenn sie in der Lage sind, sich eine – zumindest zeitweilige – Monopolstellung für ihre neu entwickelten Produkte zu sichern. Dies kann dadurch geschehen, in dem ein Produkt als erstes auf den Markt gebracht wird. Diese Surplusprofite werden wesentlich innerhalb der entwickelten Länder realisiert und fallen in den technisch am weitesten fortgeschrittenen Branchen an, zum Beispiel nach 1945 im Bereich der Computer‐ und Halbleiterindustrie, der chemischen Industrie und in bestimmten Bereichen des Maschinenbaues.
Durch die Konkurrenz mit dem Sozialismus sahen sich die Kapitalisten gezwungen, größere Lohnerhöhungen zu gewähren, als sie es sonst getan hätten. Heute ist es unvorstellbar, aber zwischen dem Sozialismus und dem Kapitalismus fand ein Wettlauf um den höchsten Lebensstandard statt. Chruschtschow verkünde zum Beispiel 1960, die Sowjetbürger würden 1980 im Kommunismus leben, was ja bekanntlich einen materiellen Überfluss an Konsumgütern voraussetzt. Einem vergleichbaren Ziel diente der 1959 in der DDR verabschiedete Siebenjahresplan. Damit sollte der westdeutsche Pro‐Kopf‐Verbrauch bei den Konsumgütern und Lebensmitteln nicht nur eingeholt, sondern sogar überholt werden.
Der Westen musste darauf reagieren. Den Kapitalisten gelang es gewissermaßen, aus der Not eine Tugend zu machen. Denn je mehr die Arbeiter verdienten, umso eher konnten sie kapitalistisch hergestellte Waren kaufen. Damit wurde die allgemeine Krise des Kapitalismus überwunden und er trat für mehrere Jahrzehnte erneut in eine Prosperitätsphase ein.2
Die Herstellung von dauerhaften Konsumgütern, insbesondere von Automobilen, wurde zur Leitindustrie des Spätkapitalismus, also des Kapitalismus zwischen 1945 und 1989. Dabei konnte er auf Erfahrungen in den USA zurückgreifen. In dieser ehemaligen Siedlerkolonie waren die Löhne wegen des relativen Mangels an Arbeitskräften immer schon höher als in anderen Ländern. Henry Ford verfolgte bereits in den 1920er Jahren das Ziel, dass seine Arbeiter die von ihnen hergestellten Automobile auch kaufen konnten.
Nach der welthistorischen Niederlage des Sozialismus 1989 sahen die Kapitalisten für weitere Konzessionen an die Arbeiterklasse keinen Grund mehr. Mit einem Schlag strömten mehr als eine Milliarden Menschen auf den globalen Arbeitsmarkt. Viele von ihnen waren gut ausgebildet, aber in der verzweifelten Situation, um jeden Preis Arbeit annehmen zu müssen. Das waren natürlich paradiesische Zeiten für die Kapitalisten, aber die Hölle für Arbeiter.
Die Kapitalisten gingen immer mehr dazu über, durchaus auch anspruchsvolle Industrieproduktionen zunächst nach Osteuropa, dann aber zunehmend nach China und andere Länder der Dritten Welt zu verlagern. Arbeit war insbesondere in China eine lange Zeit spottbillig. Mit Verlagerungsdrohungen konnten die Kapitalisten auch hierzulande »Lohndisziplin« erzwingen. Lohnerhöhungen über der Inflationsrate waren nicht mehr durchsetzbar. Im Zusammenhang mit einer Welle des Sozialabbaus entstand auch im Westen ein riesiger Niedriglohnsektor.
Bahlo stellt apodiktisch fest, wir befänden uns in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, was sich meiner Meinung nach angesichts der welthistorischen Niederlage des Sozialismus 1989 kaum aufrechterhalten lässt.
Andererseits glaubt er, der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit hätte sich sowohl in den Industrie‐ wie auch in den Entwicklungsländern deantagonisiert. Aber der antagonistische Charakter des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit ergibt sich aus der Stellung dieser Klassen im Produktionsprozess. Er kann demnach nicht deantagonisiert werden und zwar auch dann nicht, wenn das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse – wie nach 1989 geschehen – stark zurückgeht.
Aus der Stellung der Kapitalisten im Produktionsprozess folgt, dass sie gesetzmäßig immer versuchen werden, die Arbeiter maximal auszubeuten und die politische Herrschaft an sich zu reißen. Das gilt selbstverständlich auch für die chinesischen Kapitalisten und Milliardäre. Kapitalisten können in ihrem Heißhunger nach Mehrwert allenfalls durch äußere Umstände gebremst werden. Das geschah zum Beispiel im Westen zwischen 1945 und 1989 durch die Konkurrenz des sozialistischen Lagers. Das geschieht gegenwärtig auch in Russland und China, wo durch Angriffe des Westens die Staatlichkeit dieser Länder in Gefahr ist. Demnach ist auch ihre Existenz als Klasse in Gefahr. Im Falle eines Sieges des Westens besteht durchaus die Gefahr ihrer Enteignung zugunsten der westlichen Kapitalisten. Unter diesen Umständen mögen sie vorerst die Herrschaft einer kommunistischen Partei in China beziehungsweise eines scheinbar über den Klassen schwebenden Präsidenten in Russland akzeptieren. Dauerhaft wird sich dieser Zustand aber nicht konservieren lassen. Spätestens im hypothetischen Fall eines Sieges von China über den Westen stellt sich dann die Frage nach der politischen Macht erneut ‑und zwar in aller Schärfe.
Im Übrigen sind sogar die steigenden Löhne in China ein Resultat von massenhaft auftretenden, teils militanten Streiks, die besonders in den 00er Jahren China zum streikfreudigsten Land der Welt gemacht haben.
Von einer Interessengemeinschaft der Kapitalisten mit der Arbeiterklasse kann demnach auch in Entwicklungsländern nicht die Rede sein. Die alte Bourgeoisie Chinas zum Beispiel war offen konterrevolutionär und musste wegen massenhafter Sabotage des Aufbaus in den 50er Jahren enteignet werden. Die neue Bourgeoisie entstand in Keimform in den 80er Jahren und massenhaft in den 90er Jahren. Ihre reine Existenz ist Resultat der allgemeinen Krise des Sozialismus beziehungsweise des Sieges der globalen Konterrevolution 1989. Zwar blieb in China die Macht der Kommunistischen Partei erhalten, aber aufgrund des Zusammenbruchs des sozialistischen Lagers sah sich die chinesische Führung gezwungen, die eigene Arbeiterklasse dem internationalen Kapital zur Ausbeutung anzubieten.3
Der chinesische Kapitalexport ist beachtlich. Er betrug im Jahr 2020 2,3 Billionen Dollar. Es ist nicht ersichtlich, warum China angesichts dieser gigantischen Summe nicht als imperialistisches Land gelten sollte. Die neue Seidenstraße, die Belt and Road Initiative, dient ja dazu, überschüssiges chinesisches Kapital im Ausland anzulegen. Wie schon vor 1945 gibt es auf der Welt wieder mehrere imperialistische Pole. Einerseits der um die USA gescharte Westen, andererseits China, Russland und viele Länder der Dritten Welt.
Bedeutet das nun, dass Sozialisten Äquidistanz zwischen den beiden Blöcken halten sollten? Keineswegs. Die unter dem Schlagwort Great Reset zusammengefassten Pläne der westlichen Milliardäre sowohl gegen die eigene Bevölkerung wie auch gegen die Länder des gegnerischen Blocks sind so monströs, dass die Menschheit bei einem Sieg Chinas und Russlands wesentlich besser dran wäre. Unter dem Great Reset wird ein Programm verstanden, mit dem die westlichen Milliardäre die Allgemeine Krise des Kapitalismus überwinden wollen. Sie beinhalten: Radikale Verarmung der Massen, Plünderung der Gesellschaften, psychologische Kriegsführung gegen die eigene Bevölkerung, Kriege gegen Russland und China, Bevölkerungsreduktion und schließlich göttergleiche unmittelbare Herrschaft dieser Milliardäre. Demgegenüber wollen die Kapitalisten Russlands und Chinas nur eine »normale« kapitalistische Ausbeutung realisieren.4
Besonders widersprüchlich werden Bahlos Ausführungen im letzten Teil seines Vortrags. Er stellt fest, dass die allgemeine Krise des Imperialismus und das erstarken seiner Antagonisten zu einem Wohlstandsverlust für die Massen der westlichen Welt – »der goldenen Milliarde« laut Putin – führt. Beim Kampf gegen diesen Wohlstandsverlust sei ein objektives, bewusstes Klassenbündnis zwischen Kapital und Arbeit notwendig.
Weiter oben hat Bahlo jedoch ausgeführt, dass der Massenwohlstand im Westen das Resultat der Bestechung der Arbeiterklasse durch Surplusprofite sei, die Kapitalisten in der übrigen Welt realisieren. Wenn dem so ist, müssten diese Surplusprofite aufrechterhalten werden. Damit das passieren kann, müssten Russland und China besiegt werden. Daraus folgt logisch ein Bündnis der Arbeiterklasse mit den Kiesewetters und Strack‐Zimmermanns, die den Krieg nach Moskau tragen wollen. Ein solches Bündnis existiert im Übrigen schon, hat doch die Gewerkschaft Verdi die Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen. Diese eigentlich naheliegende Schlussfolgerung zieht Bahlo aus seiner Theorie der Arbeiteraristokratie allerdings nicht.
Selbst wenn wir diesen Widerspruch unberücksichtigt lassen, stellt sich die Frage, wie die von Bahlo geforderte Zusammenarbeit der Freidenker mit den Wählern der AfD konkret aussehen soll. Hinter der AfD steht keine soziale Bewegung. Gewählt wird sie vor allem von Menschen, die mit dem desaströsen Kurs der Ampel unzufrieden sind. Längst nicht alle haben ein gefestigt konservatives Weltbild. Vorfeldorganisation der AfD mit Bewegungscharakter wie die Freien Sachsen oder die Junge Alternative sind vergleichsweise schwach. Hinzu kommt: Eine extrem wichtige Konstante der AfD ist ihr Antikommunismus. In jedem zweiten Satz hetzen AfD‐Politiker gegen den Sozialismus. Wie wollen sozialistische Freidenker in einem solchen Umfeld wirken?
Vertreter der AfD sagen sinnvolle Dinge zum Klimawahn, zur desaströsen Energiepolitik, zum Ukrainekrieg, zur Coronahysterie, zur Massenmigration, zum Genderwahn und so weiter. Aber diese Partei ist, genauso wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einer idealisierten kapitalistischen Vergangenheit verhaftet, die sich kaum wird wiederherstellen lassen. Die Beispiele USA, Italien, Ungarn und Polen zeigen, dass sich die Politik von Rechtspopulisten an der Macht kaum vom Mainstream unterscheidet. Bestenfalls könnten die schlimmsten Auswirkungen des vom World Economic Forum vorangetriebenen Great Reset etwas abgemildert werden. Eine grundlegend andere Politik betreiben sie nicht.
Eine Alternative kann ich allerdings auch nicht anbieten. Dagmar Henn hat wahrscheinlich recht, wenn sie sagt, dass die Repression im Westen inzwischen viel zu stark ist, um ein grundsätzliches Umsteuern noch zu ermöglichen.
Bahlo kommt meiner Meinung nach zu den hier dargestellten falschen Schlussfolgerungen, weil bei ihm und seiner Richtung die theoretische Entwicklung bei Lenins Imperialismusschrift endet. Neuere marxistische Untersuchungen wie Mandels Theorie der Langen Wellen oder die umfangreiche marxistische Literatur zum Neoliberalismus sind ihm scheinbar nicht bekannt.
Quellen
Sebastian Bahlo – Zeitenwende: Krise des Imperialismus. Vortrag am 20.04.2024, im Internet: https://www.youtube.com/watch?v=gnAOld9fH‑k, abgerufen am 03.05.2024
1 Vgl. Lenin Werke 22, Berlin 1970, S. 288f
2 Ausführliche Darstellung des Spätkapitalismus in Jan Müller: Imperialismus und Great Reset, 2023, Kapitel 4, im Internet: https://magma-magazin.su/broschueren/jan-mueller-imperialismus-und-great-reset/, abgerufen am 03.05.2024
3 Vgl. Jan Müller: China ein langer Weg – Wohin?, 2022, Kapitel 7, 12 und 16. Im Internet: https://magma-magazin.su/broschueren/china-ein-langer-weg-wohin/, abgerufen am 03.05.2024
4 Details zum Great Reset mit zahlreichen Quellen in Jan Müller: Imperialismus und Great Reset, 2023, Kapitel 6, im Internet: https://magma-magazin.su/broschueren/jan-mueller-imperialismus-und-great-reset/, abgerufen am 03.05.2024
Bild: Blick in den Konferenzsaal. Im Präsidium v.l.n.r.: Dr. Manfred Sohn, Klaus Hartmann, Sebastian Bahlo, Dr. Wolfgang Beck. Rechts mit Gitarre: Ernesto Schwarz (Foto: Ralf Lux https://www.freidenker.org/)
China ist ein streikfreudiges Land. Leider wird hier unterschlagen daß die CPC stets in den Gewerkschaften vertreten ist und und sie es ist die zu Streiks aufruft, auch in staatlichen Betrieben. Die Parteiführung fordert gar auf das fortzuführen.
Die Werktätigen der ausbeutenden Länder haben sehr wohl auch profitiert, auch wenn das vergleichsweise nur Almosen sind. Man braucht nur die Löhne mit denen der ausgebeutenden Länder zu vergleichen. Daß sich das in den letzten Jahren ändert, dank Niedriglöhnen, ist kein Widerspruch, sondern zeigt daß Bahlo recht hat..
Die Zusammenarbeit mit der AFD kann sich nur auf einzelne Punkte beschränken, sollte also die AFD für Volksentscheide stimmen so kann es keinen plausiblen Grund geben das abzulehnen oder neutral abzustimmen.
Jan Müller nach Fehlern von anderen, interpretiert zuviel in etwas hinein, übersieht aber das eigene Brett vor seinem Kopf.
Beim Rauswurf der französischen Armee aus dem Niger wurde bekannt, daß bis dahin Frankreich 0,80 € pro Kilo Uran an den Staat bezahlt hat, obwohl der Weltmarktpreis zwischen 80 und 100 US‐Dollar das Pfund geschwankt hat. Seither muß Frankreich den Weltmarktpreis zahlen, nicht mehr den alten Kolonialpreis.
Keine Ahnung, ob das Jan Müller entgangen ist, muß aber fast so sein, denn sonst könnte er nicht so leicht behaupten, Surplusgewinne aus dem Kolonialismus und Neokolonialismus seien minimal.
Hinzu kommt, daß die Verhinderung von Industrialisierung ganz besonders die Länder Afrikas zu reinen Rohstofflieferanten degradiert hat, was diese glücklicherweise jetzt abstellen wollen. Dazu wird auch der EU‐AKP Vertrag (mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik) wesentlich anders werden müssen, da dieser zollfreien Import nur erlaubt für Rohstoffe (egal ob aus der Landwirtschaft oder dem Boden), nicht aber für Verarbeitetes. Genau das ist auch der Grund, warum die EU die Beziehungen zu den Militärregierungen im Sahel, hinter denen die lokale Bevölkerung steht, stillgelegt hat. Die haben nämlich drei Ziele als wesentlich ausgerufen: Selbstversorgung bei Lebensmittel, Verarbeitung und Industrialisierung, kostenloses, verbessertes Bildungssystem von der Grundschule bis zur Uni. Es sind die richtigen Ziele.
Noch eine Bemerkung zu den Kapitalexporten Chinas, die Jan Müller mit der KKE zu Imperialisten erklärt. Es handelt sich dabei um ein Losschlagen der angehäuften Dollar‐Reserven, indem die ausgegeben werden für den Kauf von Sinnvollem. Das geschieht nicht zur Rettung der Couponschneider als Ausgleich zur fallenden Profitrate. Wobei es mir piepschnurzegal ist, was der Papi der 4. Internationale der 70er im 20. Jh. dazu geschrieben hat.
Ein einziges Beispiel, von dem noch nicht einmal sicher ist, ob es so überhaupt stimmt, wird als Beleg dafür angeführt, dass die Theorie des Surplusprofits durch technologische Renten falsch sei. Das ist theoretisch und inhaltlich abwegig. Um sie zu falsifizieren müsste man selbstverständlich die Relationen der beiden Quellen des Surplusprofits angeben. Das ist empirisch natürlich schwierig, weil er verschleiert wird. Aber die Börsen haben High‐Tech Firmen nicht erst in den letzten Jahrzehnten sehr hoch bewertet, deutlich höher als Rohstoffkonzerne, was zumindest ein vager Hinweis darauf ist, dass diese Theorie nicht ganz falsch sein kann.
Selbst wenn deine Aussagen zu China stimmt, spricht das nicht gegen den imperialistischen Charakter Chinas. US‐Amerikanische Schatzbriefe einerseits und Investitionen in Rohstoffgewinnung und Verkehrsverbindungen andererseits sind nur zwei Formen des aus chinesischen Arbeitern gepressten Profits.
Bedauerlicherweise bestätigt dieses Posting meine Aussage im obigen Artikel, dass Stalinisten theoretisch steril sind, weil sie alle marxistische Literatur nach Lenin und Stalin nicht mehr zur Kenntnis nehmen, zu ihrem eigenen Schaden!
»Diese Surplusprofite werden wesentlich innerhalb der entwickelten Länder realisiert und fallen in den technisch am weitesten fortgeschrittenen Branchen an …«
Wenn die Surplusprofite nicht aus Makulaturgeld bestehen, sondern Wert‐basiert sein sollen, stellt sich die Frage nach der Quelle des Werts. Diese muss nicht unbedingt dieselbe Quelle sein, aus der das Geld kommt.
Geht man davon aus, dass »Surplusprofit« heißt: beim Warenverkauf eine Geldmenge einheimsen, die über dem Wert der verkauften Waren liegt, gibt es grob zwei Möglichkeiten:
(a) Die Wertquelle der Suplusprofite liegt innerhalb der entwickelten Länder. Das bedeutet, dass andere Kapitale dieser Länder beim Warenverkauf eine Geldmenge einheimsen, die unter dem Wert der verkauften Waren liegt. Das öffnet eine Schere innerhalb der entwickelten Länder zwischen technisch am weitesten fortgeschrittenen Branchen und den anderen Branchen.
(b) Die Wertquelle der Suplusprofite liegt nicht innerhalb der entwickelten Länder. Das bedeutet, dass der »Surplusprofit durch technologische Renten« eine Form der gehabten imperialistischen Ausbeutung ist mit sich öffnender Schere zwischen fortgeschrittenen und weniger fortgeschrittenen Ländern.
Ob (a) oder (b) lässt sich empirisch prüfen. Ich würde ganz grob sagen, dass wir bis zum »Anbruch des Neoliberalismus« als Lohnabhängige in der BRD am »Surplusprofit durch technologische Renten« partizipieren konnten, indem unsere Gewerkschaftskämpfe was brachten. Bis dahin galt demnach (b). Der »Anbruch des Neoliberalismus« zeigte an, dass (b) nicht mehr so gut klappte.
Natürlich stammt der Surplusprofit aus technologischen Renten aus den entwickelten Län‐dern, insbesondere den nichtmonopolistischen Sektoren der Wirtschaft. Die Surplusprofite aus technologischen Renten sind ein Spezialfall des Monopolprofits und demnach nichts besonders Ungewöhnliches.
Wieso du zur Schlussfolgerung gelangst, die Surplusprofit müssten per se aus nicht entwickelten Länder kommen, ist mir völlig unbegreiflich. Die einzige ersichtliche Begründung ist, dass bis 1989 auch im Westen die Löhne gestiegen sind. Durch diese Argumentation wird der umstrittene Fakt, also die hauptsächliche Herkunft des Surplusprofits aus Entwicklungslän‐dern bereits als existent vorausgesetzt.
Im Übrigen wird dieses Thema in den Kapiteln 3 und 4 von Imperialismus und Grest Reset ausführlich erläutert.
Surplusprofite bedeuten, dass andere Kapitale unter Wert verkaufen. Daraus resultieren Lohn‐ und/oder Profitsenkungen. Wenn lange Zeit die Lohnniveaus in nicht‐monopolistischen Wirtschaftszweigen mit denen monopolistischer Wirtschaftszeige mithalten konnten und die mittelständische Wirtschaft nicht pleite ging oder auch, wenn es lange Zeit keinen ausgesprochenen Niedriglohnsektor gab, in dem ein Drittel der Arbeitskräfte unter seinem zur Reproduktion nötigen Wert bezahlt wird, deutet das darauf hin, dass der zur Ermöglichung der Surplusprofite nötige Unterwertverkauf hauptsächlich woanders stattfand.
Bei Punkt.Preradovic ist ein Interview mit einem »Freidenker« aus Österreich (Bilik?) zu sehen. Ziemlich billige und maue Ausrede warum man so lange beim Coronawahn mitgemacht hatte. Und was ist daran »frei denken« wenn man sich die marxistische Ideologiebrille, sprich: Scheuklappen, ganz, ganz fest vor die Augen schnallt und nichts mehr anderes sehen will bzw. kann?
Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Wie kann ein Format, das sich als »Magazin für die Masse« versteht, sich mit solchem Streit um des Kaisers Bart beschäftigen? Das sind Themen, die heute hundert Jahre vorbei sind. Aber das ist bezeichnend für solche linken Intellektuellen, die die Wirklichkeit nicht verstehen und sich deshalb lieber in Theorienstreitereien in der Interpretation der Vergangenheit vertiefen und sich darüber in die Haare bekommen. Das ist schlichtweg lächerlich. Glaubt Ihr allen Ernstes, dass das die Masse interessiert, für das sich dieses Magazin einzusetzen vorgibt. die Verwirrung ist nicht nur bei den Freidenkern. Sie herrscht auch bei jenen, die sich als Forum der Massen ausgeben glauben zu können. Der Masse gehen solche Diskussionen am A. vorbei. Das ist intellektuelle Selbstbefriedigung und sonst nix, ausgedrückt in einer Seminarsprache, die die Masse abschreckt.
Wenn mein Notebook nicht anspringt, frage ich: Woran liegt es? Von der Antwort hängen die Lösungen ab. Die Antwort könnte aber schon haarig sein.
Hier geht es meiner Meinung nach um die Frage: Wieso funktioniert der westliche Laden so schlecht? Weil das politische Führungspersonal bescheuert ist? –> andere wählen. Weil im Hintergrund böse Mächte agieren? –> beten und eventuell andere wählen. Weil das Kapital geizig ist? –> Gewerkschaftskampf. Weil der Kapitalismus an seiner eigenen Funktionsweise aufläuft? –> die Funktionsweise gewisser wirtschaftlicher Aktivitäten ändern