Inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz der Frei­en Lin­ken Prag 2022

Bericht über die Kon­fe­renz vom 3. bis 4. September

Inhalts­ver­zeich­nis

Sek­ti­on I: Glo­ba­le Ana­ly­se des Kapi­ta­lis­mus und Imperialismus

Kees van der Pijl, Ams­ter­dam: Kon­ter­re­vo­lu­ti­on und Revolte

Fla­via, Assem­blea Mili­tan­te, Ita­li­en: Die Agen­da und Stra­te­gie des Kapi­ta­lis­mus – per­ma­nen­te Krise

Sek­ti­on II: Agen­da und Stra­te­gie des Kapitals

Red Kahi­na: Die Belagerung

mal­com. z: meist­be­kannt-unbe­kannt: pop­kult der unter­tä­nig­ma­chung als mega-stra­te­gie des welt­im­pe­ria­lis­mus seit 1945, auf­klä­re­ri­sche ana­ly­se, wider­stän­di­ge ant­wor­ten. falls man sich traut

Lel­lo, Assem­blea Mili­tan­te, Ita­li­en: Zen­tra­li­sie­rung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel, sozia­ler Bezie­hun­gen und Staats­len­kung zur Ret­tung des Kapi­tals als Ziel des Pandemiemanagements

Sek­ti­on III: Berich­te zur Situa­ti­on in ein­zel­nen Ländern

Kees van der Pijl, Ams­ter­dam: Die Situa­ti­on in den Niederlanden

Wal­ter, Freie Lin­ke Öster­reich (FLOE): Die Situa­ti­on in Österreich

Jan Mül­ler, Freie Lin­ke Zukunft, Deutsch­land: Die Situa­ti­on in Deutschland

Lud­wig Schuldt, Freie Lin­ke Hal­le: Die Situa­ti­on in Ostdeutschland

Sek­ti­on IV: Stra­te­gi­sche und tak­ti­sche Themen

Jean-Marie Jaco­by: Die Situa­ti­on in Luxem­burg unter dem Aspekt stra­te­gi­scher Fragen

San­dra Gabri­el, Freie Lin­ke Hal­le: Stra­te­gien für einen Systemwechsel

Fabio, SOL Cobas, Ita­li­en: Zu den aktu­el­len Kämp­fen der Basis­ge­werk­schaft SOL Cobas

Sek­ti­on V: Abschlussdiskussion

Pres­se und wei­ter­füh­ren­de Links

Sek­ti­on I: Glo­ba­le Ana­ly­se des Kapi­ta­lis­mus und Imperialismus

Kees van der Pijl, Ams­ter­dam: Kon­ter­re­vo­lu­ti­on und Revolte

Der mit dem Coro­na-Virus begrün­de­te Aus­nah­me­zu­stand sei, so die zen­tra­le The­se, eine von den west­li­chen Olig­ar­chen und ihren Orga­ni­sa­tio­nen vor­an­ge­trie­be­ne prä­ven­ti­ve Kon­ter­re­vo­lu­ti­on in einer Welt in Revol­te. Fol­gen­de Ereig­nis­se nach der gro­ßen Welt­wirt­schafts­kri­se von 2007/08 sprä­chen dafür. Die Wel­le von star­ken die Herr­schen­den beun­ru­hi­gen­den Mas­sen­pro­tes­ten vom „Ara­bi­schen Früh­ling“ 2011 über Pro­tes­te gegen die har­te Austeri­täts­po­li­tik der EU in Grie­chen­land, Spa­ni­en und Por­tu­gal, die Bewe­gung Occu­py Wall­street in den USA, die Gelb­wes­ten in Frank­reich bis hin zum Auf­tre­ten von Isla­mis­ten und Rechtspopulisten.

Die­se und ande­re Pro­tes­te wären im März 2020 unter dem Vor­wand des Coro­na­vi­rus durch den glo­ba­len Aus­nah­me­zu­stand alle­samt still­ge­legt wor­den. Da auch nur gerin­ge Zuge­ständ­nis­se an die Arbei­ter für die west­li­che Kapi­ta­lis­ten­klas­se nicht mehr in Fra­ge kämen, blie­be nur das Regie­ren mit­tels Angst­ma­che. Die Bour­geoi­sie stüt­ze sich dabei unter ande­rem auf die For­schun­gen des US-Poli­to­lo­gen Phil­ip Zeli­kow, der auch Lei­ter der 9/11-Kom­mis­si­on und Bera­ter des Außen­mi­nis­te­ri­ums unter Geor­ge W. Bush war.

Des­sen Mei­nung nach wür­de Poli­tik um bestimm­te öffent­li­che Mythen her­um auf­ge­baut. Die­se Mythen müss­ten tat­säch­lich nicht wahr sein. Ent­schei­dend sei, dass sie den Men­schen durch scho­ckie­ren­de, Angst und Panik erzeu­gen­de Ereig­nis­se mit prä­gen­der Wir­kung ein­ge­brannt wür­den. Die im World Eco­no­mic Forum ver­sam­mel­te Kapi­ta­le­li­te nut­ze die­sen Aus­nah­me­zu­stand im Sin­ne der Schock­stra­te­gie, wie sie von Nao­mi Klein defi­niert wur­de, um den Gre­at Reset, den gro­ßen Neu­start vor­an­zu­trei­ben. Nach allem, was wir von ihm wis­sen kön­nen, so Kees van der Pijl, han­de­le es sich um eine neue Form des Kapi­ta­lis­mus mit einer mas­siv ver­schärf­ten Aus­beu­tung und Total­über­wa­chung. Als huma­nis­ti­sche Alter­na­ti­ve blie­be nur der Sozia­lis­mus mit einer ver­bes­ser­ten Form der Plan­wirt­schaft, für die wegen der Fort­schrit­te der Com­pu­ter­tech­nik und des Inter­net bes­se­re Vor­aus­set­zun­gen exis­tier­ten als zu Zei­ten des „Staats­so­zia­lis­mus“.

Bei der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on wur­de die Ver­wen­dung von Begrif­fen wie Staats­so­zia­lis­mus als dif­fa­mie­rend kri­ti­siert. Des Wei­te­ren ging es um die Rol­le von Schat­ten­ban­ken wie Black­rock, mög­li­che Dif­fe­ren­zen zwi­schen US- und deut­schem Kapi­tal und die his­to­ri­sche Mis­si­on der Arbei­ter­klas­se in Bezug auf die von Kees ange­spro­che­ne Bewusst­seins­klas­se „class of consciousness“.

Der Vor­trag ist als Video ver­füg­bar: https://​ody​see​.com/​@​f​r​e​i​e​l​i​n​k​e​z​u​k​u​n​f​t​:​4​/​K​e​e​s​-​v​a​n​-​d​e​r​-​P​ijl — Konterrevolution-und-Revolte:c

Fla­via, Assem­blea Mili­tan­te, Ita­li­en: Die Agen­da und Stra­te­gie des Kapi­ta­lis­mus – per­ma­nen­te Krise

Von einer ein­heit­li­chen Agen­da des Welt­ka­pi­ta­lis­mus kön­ne nicht die Rede sein. Aller­dings gäbe es – trotz par­ti­el­ler Kon­flik­te – eine Gemein­sam­keit und Kon­ver­genz von Inter­es­sen, beson­ders im Wes­ten. In Folge der Kri­se von 2008 sähen wir unter dem Deck­man­tel stets neu kon­stru­ier­ter Kri­sen und Not­stän­de eine kon­stan­te Poli­tik der Kon­sum­re­duk­ti­on, des Sozi­al­ab­baus, poli­ti­scher Dis­zi­pli­nie­rung und Ent­völ­ke­rung (die mRNA-Stof­fe könn­ten, spe­ku­liert sie, ein Expe­ri­ment in die­ser Rich­tung dar­stel­len, v.a. hin­sicht­lich mög­li­cher Mas­sen­ste­ri­li­sa­ti­on). Wir hät­ten es nicht mit einer zykli­schen Kri­se des Kapi­ta­lis­mus, son­dern mit einer sys­te­mi­schen zu tun, auf die der Wes­ten auf mul­ti­pler Ebe­ne (finan­zi­ell, wirt­schaft­lich, mili­tä­risch, sozi­al, sani­tär, Umwelt, poli­tisch) reagie­re und die eine Ver­schär­fung des Impe­ria­lis­mus nach sich zie­he, um die mal­thu­sia­ni­sche Poli­tik mit einem welt­wei­ten Raub­zug und inten­si­vier­ter Aus­beu­tung (auch „daheim“) als per­ma­nent auto­ri­tär zu mana­gen­de Kri­se zu konsolidieren. 

Des­halb die auto­ri­tä­re Wen­de im Wes­ten und die Aggres­si­on gegen Chi­na und Russ­land. Dies füh­re not­wen­dig auch zu inne­ren Span­nun­gen, die mit den kon­stru­ier­ten Not­stän­den und Über­wa­chungs­ar­chi­tek­tu­ren unter Kon­trol­le gehal­ten wer­den sol­len. Ita­li­en stel­le dies­be­züg­lich ein Expe­ri­men­tier­feld dar. Vie­le der repres­si­ven Maß­nah­men („lock­down“, digi­ta­le ID, Ratio­nie­rung, Bür­ger­geld, usw.) wären in Ita­li­en zuerst erprobt wor­den, bevor sie anders­wo Anwen­dung fan­den. Die Faschis­mus­fra­ge wür­de inner­halb der oppo­si­tio­nel­len Lin­ken heiß dis­ku­tiert. Fla­via sieht einen wesent­li­chen Unter­schied zu frü­her in der Demo­bi­li­sie­rung, in der poli­ti­schen und sozia­len Pas­si­vi­sie­rung der Mas­se, der ein apo­li­ti­scher, tech­no­kra­ti­scher Staat korrespondiere.

Fer­ner geht Fla­via auf die damals noch anste­hen­den Wah­len auf dem Stie­fel ein, sieht auf dem Wahl­zet­tel nur Schat­tie­run­gen ein und der­sel­ben Ten­denz, ein­zig die Sou­ve­rä­nis­ten“ könn­ten etwas Far­be ins Grau brin­gen. Sie stellt fest, dass der Wider­stand gegen die Coro­na-Poli­tik nicht von der extre­men Rech­ten über­nom­men wer­den konn­te. Die Assem­blea Mili­tan­te stel­le ein Ver­such dar, die lin­ken Kräf­te im Wider­stand zu koor­di­nie­ren und Auf­klä­rungs­ar­beit über die Ver­hält­nis­se zu unter­neh­men. Für den Herbst sieht sie die Auf­ga­be dar­in, die Volks­kom­mit­tees gegen den Green Pass in sol­che „gegen Not­stän­de, Opfer und Krie­ge“ zu trans­for­mie­ren. Dem inter­na­tio­na­len Tref­fen in Prag misst Fla­via eine hohe Bedeu­tung bei, obwohl es sich um eines zwi­schen ver­schwin­dend klei­nen Min­der­hei­ten in unse­ren Län­dern han­de­le. Sie erhoffe sich durch inter­na­tio­na­len Aus­tausch Fort­schrit­te in der Ana­ly­se und beim Ent­wi­ckeln von ein­heit­li­chen Praktiken.

Der Vor­trag wur­de auch in der Mag­Ma publi­ziert: https://​mag​ma​-maga​zin​.su/​2​0​2​2​/​1​0​/​f​l​a​v​i​a​-​v​o​n​-​d​e​r​-​a​s​s​e​m​b​l​e​a​-​m​i​l​i​t​a​n​t​e​/​d​a​u​e​r​k​r​i​s​e​-​k​a​p​i​t​a​l​i​s​m​u​s​-​k​a​p​i​t​a​l​i​n​t​e​r​e​s​s​en/

Sek­ti­on II: Agen­da und Stra­te­gie des Kapitals

Red Kahi­na: Die Bela­ge­rung

Red Kahi­na bespricht die Bela­ge­rung der gesam­ten Mensch­heit durch die welt­weit herr­schen­den Klas­sen. Sie skiz­ziert den Klas­sen­krieg seit 1991, um bes­ser zu ver­ste­hen, was wir der­zeit mit dem jüngs­ten Angriff durch den repres­si­ven Covid-Schwin­del erle­ben. Sie ana­ly­siert die Stra­te­gien des Scheindis­sens und der Schein­erklä­run­gen, mit denen ver­sucht wird, eine Renais­sance einer welt­wei­ten kom­mu­nis­ti­schen Bewe­gung zu ver­hin­dern, die sie im Moment für sehr mög­lich hält. Sie ord­net die für uns im Wes­ten so bru­ta­len Zwangs­maß­nah­men unter dem Pan­de­mie­deck­man­tel mit­tels der Vor­ge­schich­te der letz­ten drei Deka­den ein und stellt dar, dass die Poli­tik der Ver­ar­mung und Ver­skla­vung der Mas­sen kein neu­es Phä­no­men sei, son­dern eine Stei­ge­rung einer bereits lan­ge sicht­ba­ren Kon­ti­nui­tät in der Stra­te­gie der Herr­schen­den dar­stel­le. Ein­zel­ne Aspek­te der­sel­ben wer­den unter vie­ler­lei Per­spek­ti­ven besprochen.

Der Vor­trag ist als Video in zwei Tei­len ver­füg­bar: https://​ody​see​.com/​@​f​r​e​i​e​l​i​n​k​e​z​u​k​u​n​f​t​:​4​/​R​e​d​-​K​a​h​ina — The-Siege:4 https://​ody​see​.com/​@​f​r​e​i​e​l​i​n​k​e​z​u​k​u​n​f​t​:​4​/​R​e​d​-​K​a​h​ina — Summing-up-The-Siege:c

mal­com. z: meist­be­kannt-unbe­kannt: pop­kult der unter­tä­nig­ma­chung als mega-stra­te­gie des welt­im­pe­ria­lis­mus seit 1945, auf­klä­re­ri­sche ana­ly­se, wider­stän­di­ge ant­wor­ten. falls man sich traut.

Der Vor­trag ver­steht sich nicht in Kon­kur­renz zum mar­xis­ti­schen Ansatz, viel­mehr sei die­ser unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung zum Ver­ständ­nis der Coro­na-Insze­nie­rung, son­dern will durch eine Ana­ly­se der Pro­pa­gan­da­mit­tel, von Wor­ten über Musik wie Muschi­ra­sur bis zum Tat­too, einen Erklä­rungs­an­satz lie­fern, wie moder­ne Pro­pa­gan­da funk­tio­niert. Dies zu erken­nen sei gera­de für Kom­mu­nis­ten Vor­aus­set­zung, um über­haupt hin­ter die Manö­ver der Herr­schen­den stei­gen zu kön­nen. Die Blind­heit in die­ses Fra­gen hält Mal­colm für eine mög­li­che Erklä­rung des Schei­terns der Lin­ken beim The­ma „Coro­na“.

In einem Par­force­ritt ver­schafft er dem Publi­kum einen Über­blick und Abriss durch sein Gesamt­werk, das sich vor allem um Sprach­kri­tik als Ideo­lo­gie­kri­tik dreht. Als ent­eig­ne­ter DDR-Bür­ger, aus­ge­stat­tet mit der ent­spre­chen­den Bil­dung und Per­spek­ti­ve, gelingt ihm eine so anders­wo nicht zu fin­den­de Kri­tik der West-Pro­pa­gan­da und ihrer Tech­ni­ken, die, so die The­se, als Amal­gam der Nazi­ju­gend­kul­tur mit ame­ri­ka­ni­schem Kom­merz­kult zu ver­ste­hen sei. Die Fra­ge, ob die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land faschis­tisch sei wird erör­tert und anhand eines Ver­gleich der Anne­xi­on der DDR mit den Anne­xio­nen des Hit­ler­fa­schis­mus nach die­sem Ver­gleichs­kri­te­ri­um bejaht.

Zum Schluss for­mu­liert malcolm in Anbe­tracht der ille­ga­len Anne­xi­on der DDR und der beim Anschluss durch­ge­führ­ten Men­schen­rechts­ver­bre­chen den Vor­schlag, eine kom­mis­sa­ri­sche Regie­rung der DDR ein­zu­set­zen. Dies hät­te unter ande­rem den Vor­teil, dass man sich das unde­mo­kra­ti­sche Wahl­thea­ter, indem man die Bour­geoi­sie ohne­hin kaum schla­gen kön­ne, spa­ren könne.

Der Vor­trag ist als Video ver­füg­bar: https://odysee.com/@freielinkezukunft:4/Malcolm‑Z — Der-wei%C3%9Fe-Nigger-aus-Deutsch-Nordost:2

Lel­lo, Assem­blea Mili­tan­te, Ita­li­en: Zen­tra­li­sie­rung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel, sozia­ler Bezie­hun­gen und Staats­len­kung zur Ret­tung des Kapi­tals als Ziel des Pan­de­mie­ma­nage­ments

Die herr­schen­de Klas­se reagier­te nicht auf ein kon­tin­gen­tes Natur­er­eig­nis und ihre Aktio­nen ent­spran­gen kei­nem ver­rück­ten Ver­schwö­rung eines Des­po­ten, so Lel­lo. Viel­mehr stell­ten die unter dem Deck­man­tel der Pan­de­mie durch­ge­führ­ten Poli­ti­ken geziel­te Ant­wort auf Pro­blem­la­gen dar, die aus der his­to­ri­schen Akku­mu­la­ti­ons­kri­se des Kapi­ta­lis­mus resul­tier­ten. Seit 2008 dro­he eine die Welt­wirt­schaft in den Abgrund rei­ßen­de Ent­wer­tung des Finanz­ka­pi­tals, dem es nicht mehr gelän­ge sich in leben­di­ger Arbeit zu rea­li­sie­ren. Um zwi­schen der Skyl­la einer Rezen­si­on und der Cha­ryb­dis einer Infla­ti­ons­kri­se hin­durch zu manö­vrie­ren, so die The­se, nahm die Ant­wort der Herr­schen­den die Form der Pro­duk­ti­ons­dros­se­lung mit­tels „Lock­downs“ an. Sie wur­de flan­kiert von einer Sta­bi­li­sie­rung der Finanz­märk­te durch die Schul­den­auf­nah­me der Zen­tral­ban­ken und der prä­ven­ti­ven Auf­stands­be­kämp­fung durch strik­te Kon­trol­le der Bewe­gung der Bevöl­ke­rung. Es sei damit zwar zunächst gelun­gen, den Kol­laps auf­zu­schie­ben, doch im Zuge des nächs­ten Not­stan­des Ukrai­ne stel­le sich das Pro­blem der Rezen­si­on wie der Infla­ti­on mit noch mehr Virulenz.

Die welt­wei­ten Kämp­fe gegen die Dis­zi­pli­nie­rungs­maß­nah­men unter dem Coro­naschlei­er inter­pre­tier­te Lel­lo als einen ech­ten Bruch zwi­schen den Absich­ten der Herr­schen­den und den aus­ge­beu­te­ten Klas­sen. Ein Neu­start eines nor­ma­len Akku­mu­la­ti­ons­zy­klus sei nicht zu erwar­ten, so der Genos­se der Assem­blea Mili­tan­te. Viel­mehr müs­se man von einer Wie­der­ho­lung der Kri­se und immer stär­ke­ren des­po­ti­schen Gegen­maß­nah­men der Kapi­tal­sei­te rech­nen. Zu erwar­ten sei eine wei­tere Dis­zi­pli­nie­rung im Inne­ren und ein aggres­si­ves Auf­tre­ten nach außen gegen Russ­land und Chi­na, um sowohl Roh­stof­fe zu sicher als auch inter­na­tio­na­le Wert­schöp­fungs­ket­ten gegen auf­stre­ben­de Kon­kur­ren­ten unter eige­ne Kon­trol­le zu bekom­men. Die Ver­ar­mungs­po­li­tik wür­de dies­mal mit Kriegs­pro­pa­gan­da befeuert. 

Die klas­sen­kämp­fe­ri­sche Lin­ke müs­se hier Chi­na und Russ­land zur Sei­te ste­hen, deren Poli­tik zwar eine bür­ger­li­che sei, deren Pro­le­ta­ri­at jedoch im Zuge die­ser inter­ka­pi­ta­lis­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen den Preis für sei­ne Anstren­gun­gen ein­for­dern kön­ne. Letzt­lich, so Lel­lo, behiel­ten die wesent­li­chen Ein­sich­ten von Marx, Lenin und Bord­i­ga ihre Gül­tig­keit und sei­en unab­ding­bar für das Ver­ständ­nis der Gegen­wart, v.a. für die zuneh­men­de Schwie­rig­keit des Kapi­tals, Pro­fi­te zu rea­li­sie­ren, die durch Auto­ma­ti­sie­rung und immer höhe­re Antei­le an fixem Kapi­tal ohne­hin nicht klei­ner würde. Des­halb, durch den Auf­schub der Pro­fit­rea­li­sa­ti­on in die Zukunft, sei das Finanz­ka­pi­tal in so enger Bezie­hung zum pro­duk­ti­ven Kapi­tal, das eine Kri­se ers­terens not­wen­dig eine letz­ter­ens bedin­ge. Die tie­fe Akku­mu­la­ti­ons­kri­se des Kapi­tals sei die Ursa­che für die „tota­li­tä­re“ Aus­deh­nung bei der Suche nach Mehr­wert­ab­sorb­ti­on aus allen Lebens­be­reichen und der eigent­li­che Grund für die tota­li­tä­re Ten­denz heu­ti­ger Gesell­schaf­ten. Auch des­halb füh­re das Pro­le­ta­ri­at heu­te nicht nur den Kampf um die eige­ne Befrei­ung, son­dern den um die der gesam­ten Mensch­heit. Der Wider­stand gegen die­sen inva­si­ven tota­li­tä­ren Kapi­ta­lis­mus kön­ne letzt­lich selbst nur total sein, indem er gegen die Mecha­nis­men des­sel­ben in ihrer Ganz­heit kämp­fe. Die Aus­ein­an­der­set­zung blei­be schließ­lich die zwi­schen Kapi­ta­lis­mus und Kom­mu­nis­mus. Ein dazwi­schen gäbe es nicht mehr, schließt der Genos­se der Assem­blea Mili­tan­te aus Italien.

Sek­ti­on III: Berich­te zur Situa­ti­on in ein­zel­nen Ländern

Kees van der Pijl, Ams­ter­dam: Die Situa­ti­on in den Niederlanden

Kees van der Pijl berich­tet über den Wider­stand gegen den „Lock­down“ in den Nie­der­lan­den sowie die Bru­ta­li­tät der Poli­zei bei Pro­tes­ten. Gegen­wär­tig erle­be das Land gro­ße Pro­tes­te der Land­wir­te, denen der Staat auf­grund einer EU-Ver­ord­nung den Ein­satz von Dün­ge­mit­teln vor allem in der Nähe von Natur­schutz­ge­bie­ten ver­bie­ten will. Bis zu einem Drit­tel der Bau­ern müss­ten auf­ge­ben, wenn die Plä­ne durch­ge­setzt wer­den. Die­ses kön­ne sich dann das Groß­ka­pi­tal bil­lig unter den Nagel rei­ßen und den Gre­at Reset im Agrar­be­reich for­cie­ren. Es sei unter Umstän­den ein schar­fer Rück­gang der Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on in den Nie­der­lan­den und ganz Euro­pa zu erwar­ten, soll­ten die Bau­ern die Kämp­fe ver­lie­ren. Aller­dings gibt sich Kees durch­aus opti­mis­tisch, dass die Bau­ern­pro­tes­te, gestärkt durch den Rück­halt der Pro­test­be­we­gung gegen die Coro­na-Poli­tik, das neo­li­be­ra­le Regime in Den Haag umwer­fen könnten.

Wal­ter, Freie Lin­ke Öster­reich (FLOE): Die Situa­ti­on in Österreich

Öster­reich, so berich­tet der Ver­tre­ter der dor­ti­gen Frei­en Lin­ken, sei ein Test­la­bor für den Gre­at Reset. NGOs, SPÖ, Grü­ne und lin­ke Grup­pen waren für Lock­downs und Impf­plicht. Als Reak­ti­on sei die größ­te sozia­le Bewe­gung seit dem von der KPÖ initi­ier­ten Gene­ral­streik 1950 enstan­den. Mehr als 100.000 Men­schen demons­trier­ten wöchent­lich im Novem­ber und Dezem­ber 2021 sowie im Janu­ar 2022 in Wien, hin­zu kamen sehr gro­ße Pro­tes­te in ande­ren Städ­ten, führt Wal­ter aus. Den­noch hät­te es im Ver­gleich etwa zu Deutsch­land, Ita­li­en oder Frank­reich kaum Repres­sio­nen gege­ben. Dies kön­ne dar­auf zurück­ge­führt wer­den, dass ers­tens mit der FPÖ eine star­ke par­la­men­ta­ri­sche Par­tei als Schutz­macht der Bewe­gung auf­trat und zwei­tens, dass die Regie­rungs­par­tei­en stark mit sich sel­ber beschäf­tigt gewe­sen seien.

Die Freie Lin­ke Öster­reich näh­me an vie­len Groß­de­mons­tra­tio­nen in Wien teil und stell­te mit ande­ren lin­ken Bünd­nisspart­nern eige­ne Ver­an­stal­tun­gen auf die Bei­ne. Gene­rell wer­de der Pro­test stark von rech­ten und bür­ger­li­chen Grup­pen und Par­tei­en wie der FPÖ oder der aus der Bewe­gung ent­stan­de­nen bür­ger­li­chen Par­tei „Men­schen, Frei­heit, Grund­rech­te“ (MFG) beein­flusst. Es sei bis­her nur in gerin­gen Aus­ma­ße gelun­gen, deren Hege­mo­nie zu durch­bre­chen. Als größ­ten Erfolg der Pro­tes­te und Nie­der­la­ge der Regie­rung sieht Wal­ter die Abschaf­fung der Impf­plicht im Juni 2022. Beson­ders hebt er her­vor, dass die Mas­sen­pro­tes­te vie­le Bür­ger erst­ma­lig poli­ti­siert hät­ten, was für die kom­men­den Jah­re Anlass zur Hoff­nung auf eine tie­fe gesell­schaft­li­che Oppo­si­ti­on gegen­über den Ver­fech­tern der bis­he­ri­gen Poli­tik­li­nie begründe.

Fer­ner sei das Ver­trau­en in die Poli­tik zutiefst ram­po­niert. Dies zei­ge sich u.a. dar­an, dass es vier par­tei­lo­sen Kan­di­da­ten gelun­gen ist, die für die Teil­nah­me an der Bun­des­prä­si­den­ten­wahl not­wen­di­gen 6.000 Unter­stüt­zer­un­ter­schrif­ten zu sam­meln. Wei­ter ging der Ver­tre­ter der FLOE auf den sich abzeich­nen­den Ver­fall der tra­di­tio­nel­len libe­ral-kon­ser­va­ti­ven Regie­rungs­par­tei ÖVP ein, was aller­dings die Gefahr von Rot-Grün erhö­he. Alle die­se Par­tei­en sind für die Russland-Sanktionen.

Er schließt mit eini­gen Punk­ten zur FLOE und ihren Akti­vi­tä­ten: Die Freie Lin­ke Öster­reich hat den Par­tei­sta­tus erwor­ben. Zunächst aller­dings eher aus recht­li­chen und orga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den. Eine Wahl­teil­nah­me sei momen­tan nicht auf der Tages­ord­nung. Sie koope­riert mit der Roten Fah­ne und der Akti­on „Demo­kra­tie und Grund­rech­te“. Die FLOE hat einen Ver­an­stal­tungs­raum und nutzt die­sen ent­spre­chend. Mit dem Roten Phoe­nix“ hat sie ein eige­nes Publi­ka­ti­ons­or­gan. Der Schwer­punkt der zukünf­ti­gen Arbeit sol­le das The­ma Frie­den mit Russ­land werden.

Jan Mül­ler, Freie Lin­ke Zukunft, Deutsch­land: Die Situa­ti­on in Deutschland

Der Vor­trag fass­te für die inter­na­tio­na­len Gäs­te die wich­tigs­ten Ereig­nis­se der letz­ten bei­den Jahre in Deutsch­land zusam­men. Er infor­miert über die bei­den „Lock­downs“ vom 22. März bis 15. Juni 2020 sowie vom 1. Novem­ber 2020 bis zum Juni 2021. Letz­te­rer sei einer der här­tes­ten der Welt gewe­sen. Er geht auf die Anfän­ge der Pro­test­be­we­gung am 28. März 2020 in Ber­lin, wo Anselm Lenz, Hen­drik Soden­kamp und Bats­eba N’Diaye vor der Volks­büh­ne Exem­pla­re des Grund­ge­set­zes (pro­vi­so­ri­sche Ver­fas­sung der BRD) ver­teil­ten und dafür von der Poli­zei gejagt wur­den. Dann auf die Aus­wei­tung der Pro­tes­te im Mai mit der Demons­tra­ti­on in Stutt­gart am 16. Mai mit 25.000 Teil­neh­mern als Höhe­punkt und den Spreng­stoff­an­schlag auf Ver­an­stal­tungs­tech­nik von Micha­el Ball­weg, dem Grün­der der anfäng­lich maß­ge­ben­den Quer­den­ker­be­we­gung, mit einem Sachschan­den von 200.000 Euro, in des­sen Fol­ge die Serie der Demons­tra­tio­nen zunächst abbrach.

Er fährt fort mit den Groß­de­mons­tra­tio­nen am 1. und 29. August 2020 in Ber­lin mit meh­re­ren hun­dert­tau­sen­den Teil­neh­mern, infor­miert über bru­ta­le Poli­zei­ge­walt beim Zer­streu­en der Demons­tran­ten am 29. August und das dar­auf­fol­gen­de Ende grö­ße­rer Demons­tra­tio­nen bis zum Herbst 2021, die wegen der enor­men Repres­si­on und beson­ders will­kür­li­che „Hygie­ne­vor­schrif­ten“ de fac­to ver­bo­ten gewe­sen sei­en. Wer trotz­dem demons­trier­te, sei regel­mä­ßig von der Poli­zei ein­ge­kes­selt und mit Buß­gel­dern über­zo­gen wor­den. Die von Kanz­ler Scholz mit den Wor­ten „wir ken­nen kei­ne roten Lini­en“ mehr ange­kün­dig­te neue Gang­art inklu­si­ve Impf­pflicht, so berich­tet Jan wei­ter, führ­te zu gro­ßer Empö­rung in Land und zu mas­si­ven Demons­tra­tio­nen. In der Zeit zwi­schen Novem­ber 2021 und März 2022 sei es fast in jeder Stadt mon­tags zu Demons­tra­tio­nen gekom­men. Im Dezem­ber 2021, sowie im Janu­ar und Febru­ar 2022 gin­gen jeden Mon­tag zwi­schen 300.000 und 500.000 Men­schen auf die Stra­ße. Letzt­lich hät­ten auch die Pro­tes­te die Impf­pflicht verhindert.

Schließ­lich fass­te Jan Mül­ler noch die gegen­wär­ti­ge Lage zusam­men mit dem Schwer­punkt auf den Russ­land­sank­tio­nen und ihren Fol­gen. Die­se wür­den zu einer mas­si­ven Ver­ar­mung und einer Zer­stö­rung unse­rer Lebens­grund­la­gen füh­ren. Bis­her habe sich, zumin­dest in West­deutsch­land, noch kei­ne Pro­test­be­we­gung ver­gleich­bar mit der­je­ni­gen gegen den Coro­na-Aus­nah­me­zu­stand ent­wi­ckelt. Rich­ti­ge und vor allem in Ost­deutsch­land vor­ge­brach­te For­de­run­gen wie die Inbe­trieb­nah­me von Nord­stream 2 wür­den Jan Mül­ler zufol­ge bald dar­an schei­tern, dass Russ­land sei­ne Ener­gie­res­sour­cen nach Osten umlenke.

Deutsch­land müs­se sich, wöl­le es ein Indus­trie­land blei­ben, auf sei­ne eige­nen Res­sour­cen ver­las­sen. Immer­hin lager­ten hier gro­ße Bestän­de an Stein- und Braun­koh­le, Erd­gas, das mit­tels Frack­ing gewon­nen wer­den kann und sogar Uran. An dem Neu­bau von Kern­kraft­wer­ken füh­re damit kein Weg vor­bei, posi­tio­niert sich Jan in der Ener­gie­de­bat­te inner­halb der Frei­en Lin­ken Zukunft. In der nach­fol­gen­den Dis­kus­si­on wur­de die The­se auf­ge­stellt, dass eine deut­sche Che­mie­in­dus­trie auf der Basis der Koh­le­che­mie inter­na­tio­nal nicht kon­kur­renz­fä­hig wäre. Jan Mül­ler ent­geg­ne­te, dass neue Reak­tor­tech­no­lo­gien wie der Dual-Flu­id-Reak­tor als Ener­gie­quel­le für die­se Pro­zes­se genutzt wer­den könn­ten. Dann sähe die Fra­ge der Kon­kur­renz­fä­hig­keit ganz anders aus. Dass dies kei­ne kurz­fris­ti­ge Lösung sei, dar­in war man sich einig.

Lud­wig Schuldt, Freie Lin­ke Hal­le: Die Situa­ti­on in Ostdeutschland

Der Vor­tra­gen­de berich­tet über sei­ne Unzu­frie­den­heit mit der Bewe­gung Hal­le“, deren ab Novem­ber 2020 ver­an­stal­te­ten wöchent­li­che Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen immer stär­ker ins Eso­te­ri­sche abge­glit­ten sei­en und er sich aus die­sem Grund auf­mach­te lie­ber die klei­ne FL in Hal­le mit auf­zu­bau­en, die mit den 500 Akti­ven der Bewe­gung Hal­le frei­lich nicht kon­kur­rie­ren kön­ne. Die dor­ti­gen The­men sei­en nach wie vor die ein­rich­tungs­be­zo­ge­ne Impf­pflicht, aber zuneh­mend die Russ­land­sank­tio­nen und ihre Folgen.

In der Frei­en Lin­ken als auch gene­rell bei den Demons­tra­tio­nen sei die Ein­sicht weit ver­brei­tet, dass wir ein neu­es Sys­tem bräuch­ten. Aller­dings bedeu­te Sys­tem­kri­tik in den Augen des Staa­tes inzwi­schen eine ver­fas­sungs­schutz­re­le­van­te Dele­gi­ti­mie­rung des Staa­tes. Die meis­ten Teil­neh­mer der Demons­tra­tio­nen bezeich­ne­ten sich als unpo­li­tisch, als weder links noch rechts: Wobei links für sie die neo­li­be­ra­le Anti­fa, rechts aber Nazis wie Sven Lie­big sei­en. In der eher anar­chis­tisch gepräg­ten FL Hal­le wür­den ver­brei­te­te Rufe nach einem für­sorg­li­chen Staat auf Skep­sis sto­ßen. Die Ansicht sei ver­brei­tet, dass weder der Kapi­ta­lis­mus noch der Sozia­lis­mus funk­tio­nie­re. Letz­te­res näh­men sogar vor allem vie­le in der DDR sozia­li­sier­te Bür­ger inzwi­schen als gege­ben an. In der FL Hal­le wür­de der Staat per se als Macht­in­stru­ment gese­hen, ob der Bour­geoi­sie oder Par­tei­bü­ro­kra­tie und des­halb trotz offen­sicht­li­cher Unter­schie­de abge­lehnt. Erin­nert wird an Mar­xens Dik­tum vom abster­ben­den Staat.

Auch auf die Fra­ge der Eigen­tums­ver­hält­nis­se und Plan­wirt­schaft mit einem län­ge­ren Exkurs zur Adap­ti­on der Ver­flech­tungs­bi­lan­zen durch Chi­na ein­ge­gan­gen. Gene­rell sei die­se dis­kre­di­tiert, der Kapi­ta­lis­mus aber auch, resü­miert der Refe­rent die völ­li­ge Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit der Demons­tran­ten in die­sen Fra­gen. Dann wird die pro­ble­ma­ti­sche Rol­le des Ein­flus­ses rech­ter Netz­wer­ke inner­halb der Pro­test­be­we­gung im Osten bespro­chen. Rech­te Netz­wer­ke wur­den in Jahr­zehn­ten auf­ge­baut und dem­entspre­chend kön­nen sie ihren Ein­fluss gel­tend machen, wird berich­tet. Dies funk­tio­nie­re auch, weil der Frust der Bür­ger im Osten der­ma­ßen enorm sei, dass es ihnen egal sei, ob auf der Büh­ne ein Nazi oder Kom­mu­nist stün­de. Haupt­sa­che ihr Pro­test kön­ne arti­ku­liert werden.

Ange­sichts des gro­ßen Ein­flus­ses der Rech­ten dür­fe die FL nicht den Feh­ler machen, mit dem bür­ger­li­chen Teil der Pro­test­be­we­gung zu bre­chen. Ziel kön­ne es momen­tan nur sein, eine Ver­ein­nah­mung der Mitte durch Rechts­au­ßen zu ver­hin­dern, indem man sich um Ein­fluss auf die Mit­te bemü­he. Bis­her sei es der FL Hal­le gelun­gen durch ihre Prä­senz weit rechts ste­hen­de Ver­ei­nah­mungs­ver­su­che zu kon­ter­ka­rie­ren, was aber nur eine Moment­auf­nah­me dar­stel­le, die Lage sei gene­rell nicht leicht für klei­ne lin­ke Grup­pen ohne gro­ße Struk­tu­ren. Die Abwe­sen­heit der Lin­ken, die das Coro­na­nar­ra­tiv mit­trü­gen, fal­le im Osten also beson­ders nega­tiv ins Gewicht, wird spä­ter in der Dis­kus­si­on konstatiert.

Sek­ti­on IV: Stra­te­gi­sche und tak­ti­sche Themen

Jean-Marie Jaco­by: Die Situa­ti­on in Luxem­burg unter dem Aspekt stra­te­gi­scher Fragen

Jean-Marie Jaco­by berich­tet über den Luxem­bur­ger Wider­stand gegen die Coro­na-Dik­ta­tur, der unter dem Namen „Polo­nai­se Solidaire/​Saturday for Liber­ty“ agiert und sei­ne dor­ti­ge Rol­le als Kom­mu­nist und Ver­ant­wort­li­cher für die inzwi­schen schon über 90 Samstangs­de­mons­tra­tio­nen gegen die Coro­na-Dik­ta­tur. Er ver­webt die­se Schil­de­run­gen gezielt mit stra­te­gi­schen Über­le­gun­gen. So hät­te man in Luxem­burg von Beginn an nicht die pazi­fis­ti­sche Hal­tung der Quer­den­ker ein­ge­nom­men, son­dern von vor­ne her­ein signa­li­siert, dass man auf Gewalt mit Gegen­wehr reagie­ren wer­de. Als Resul­tat hät­te man, anders als die Demons­tran­ten in Deutsch­land, kei­ne Gewalt von­sei­ten der Poli­zei erlebt. Ein­zig auf unan­ge­mel­de­ten Demons­tra­tio­nen von ande­ren Grup­pen habe die Poli­zei Gewalt ange­wandt, wobei aller­dings bel­gi­sche Ein­hei­ten mit im Spiel waren.

Beson­ders hebt er die Rol­le inter­na­tio­na­ler Rechts­kon­ven­tio­nen, wie die der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on des Euro­pa­rats oder den Inter­na­tio­na­len Pakt über bür­ger­li­che und poli­ti­sche Rech­te, her­vor und plä­diert für den par­la­men­ta­ri­schen Weg – als eines unter vie­len aus­zu­schöp­fen­den Mit­teln – als Büh­ne für eine ihre Macht auf der Stra­ße mani­fes­tie­ren­de Bewe­gung. Hin­sicht­lich der Ver­gleich­bar­keit des Heu­te mit dem Frü­her merkt er an: Die Leh­re des 2. Welt­krie­ges sei nicht, dass man kei­ne Juden umbrin­gen dür­fe, son­dern dass man kei­nen Men­schen umbrin­gen darf. Sobald eine Men­schen­grup­pe als Sün­den­bock für alles hin­hal­ten muss, gilt es sich gegen den Staat zu stel­len. Jean-Marie plä­diert dafür den Geg­ner ein­deu­tig zu iden­ti­fi­zie­ren und zu benen­nen und for­dert auf, das Dik­tat des Kapi­tals als finanz­ka­pi­ta­lis­ti­sche Dik­ta­tur zu beenden.

Dann berich­tet er über die Par­tei­grün­dung von „Mir d’Vol­lek“ (Wir, das Volk) in Luxem­burg, über Angrif­fe auf die Demons­tra­tio­nen der Polo­nai­se Solidai­re im Bezug auf die Ukraine­po­li­tik. Er hält For­de­run­gen für das Ende der Russ­land­sank­tio­nen für das Gebot der Stun­de. Denn sie sei­en die Ursa­che für die Infla­ti­ons­ex­plo­si­on. Gene­rell begrün­det er er sei­ne Haupt­lo­sung Direk­te Demo­kra­tie in Poli­tik und Wirt­schaft“ und inwie­fern sie über die bür­ger­li­chen Kräf­te hin­aus gin­ge, indem sie die Demo­kra­ti­sie­rung der Wirt­schaft als Ent­schei­dungs­zen­trum ein­for­de­re und damit gleich­wohl mehr Akzep­tanz erfüh­re, als wenn er die­se For­de­rung in mar­xis­tisch-leni­nis­ti­schem Voka­bu­lar äuße­re, wie­wohl das­sel­be gemeint sei: aber auf die Ver­pa­ckung käme es in der Agi­ta­ti­on eben auch an. Dass er offen als Kom­mu­nist auf­tritt, hätte nicht zur Fol­ge, dass sich Demons­tran­ten aus dem von ihm mit­ko­or­di­nier­ten Pro­test ent­fern­ten. Er erin­nert zum Schluss die Audi­enz, dass es an der Zeit sei, den Kapi­ta­lis­mus wie einst die Skla­ven­hal­ter­ge­sell­schaft zu beer­di­gen und schließt mit einem ent­schlos­se­nen „ven­ce­re­mos“!

Der Vor­trag ist als Video ver­füg­bar: https://​ody​see​.com/​@​f​r​e​i​e​l​i​n​k​e​z​u​k​u​n​f​t​:​4​/​J​e​a​n​-​M​a​r​i​e​-​J​a​c​oby – Situation-in-Luxemburg:b

San­dra Gabri­el, Freie Lin­ke Hal­le: Stra­te­gien für einen Systemwechsel

Der Vor­trag beginnt bei der 68er-Bewe­gung. Anhand ihres Mot­tos Wer dage­gen ist, ist dabei“, the­ma­ti­siert San­dra den Aspekt der Poli­ti­sie­rung und Radi­ka­li­sie­rung durch das Pro­tes­tie­ren selbst am Bei­spiel von Bom­mi Bau­mann und dem Viet­nam­krieg. Damit und mit der Maxi­me Rudi Dutsch­kes, er wol­le den Men­schen ändern, spannt sie den Bogen ins Heu­te, wo die mit Staat und Kapi­tal kol­la­bo­rie­ren­de Main­stream­lin­ke in ihrem eli­tä­ren Sno­bis­mus nur noch Hohn und Spott für all­die­je­ni­gen übrig hat, die nicht schon per­fek­te Men­schen wie sie selbst sei­en. Nach der Wen­de von 1989, so San­dra, wären rech­te Struk­tu­ren mit Hil­fe der BRD bewusst auf­ge­baut und ali­men­tiert wor­den, um die DDR-Bevöl­ke­rung kleinzuhalten.

Eini­ge Jah­re spä­ter wären dann kon­trol­lier­te pseuo-lin­ke Struk­tu­ren auf­ge­baut und ali­men­tiert wor­den, um Tei­le der Bevöl­ke­rung gegen­ein­an­der zu het­zen. Die­se Tak­tik wür­de seit 2020 ver­stärkt ange­wandt, führt sie aus. Die lin­ken, vom Staat ali­men­tier­ten Ver­ei­ne wür­den durch Kon­takt­schuld­kon­struk­te die Pro­tes­te gegen den Aus­nah­me­zu­stand gezielt dis­kre­di­tie­ren. Dabei bezö­gen sie sich auf bekann­te Neo­na­zis, die ihrer­seits von staat­li­chen Struk­tu­ren auf­ge­baut wor­den wären. Der Staat prak­ti­zie­re also nicht nur eine geziel­te Dif­fa­mie­rungs­kam­pa­gne, son­dern sor­ge aktiv selbst dafür, mit­tels des skiz­zier­ten Mecha­nis­mus die­se zu unter­füt­tern. Kom­me etwa nur ein durch sel­be Medi­en bekannt gemach­ter Nazi auf eine Demons­tra­ti­on von meh­re­ren Tau­send Teil­neh­mern, wür­den die­se selbst ent­we­der gleich zu Nazis sti­li­siert, auf jeden Fall aber wird über den Nazis berich­tet und nicht die Anlie­gen tau­sen­der Demonstranten.

Die Pro­tes­te gegen die Coro­na-Maß­nah­men, kon­sta­tiert San­dra, wür­den von Lin­ken nicht unter­stützt, son­dern kon­form mit den For­de­run­gen aller Main­stream­m­e­di­en rabi­at bekämpft. Zögen sich lin­ke Kräf­te zurück, gewän­nen die fal­schen: Auto­ri­tät, Unfrei­heit, das Kapi­tal. Beim Gezi-Auf­stand in der Tür­kei sei­en zehn­tau­sen­de Natio­na­lis­ten dabei gewe­sen. Den­noch wäre nie­mand von den lin­ken tür­ki­schen und kur­di­schen Par­tei­en auf die Idee gekom­men, des­halb dort nicht auf­zu­tau­chen. Sie mobi­li­sier­ten gera­de dort­hin mit lin­ken For­de­run­gen und gaben die Paro­le aus: Das ist unser Pro­test. Schließ­lich, so San­dra, präg­ten sie ihn und gewan­nen die Deutungshoheit.

Die hie­si­ge Lin­ke habe nicht nur jeden Kampf um eine bes­se­re Gesell­schaft auf­ge­ge­ben, sie wol­le unter Ver­weis auf Kon­takt­schuld­kon­struk­te aus dem Innen­mi­nis­te­ri­um alle ande­ren dazu zwin­gen, eben­falls zu kapi­tu­lie­ren. Mit Men­schen zu reden, die nicht den eige­nen hohen mora­li­schen Ansprü­chen genüg­ten, gel­te als ver­werf­lich. Die Lin­ke gel­te des­halb land­auf land­ab inzwi­schen als loy­al gegen­über den Herr­schen­den und als Teil der Eli­te. Was die nor­ma­len Men­schen eine, sei der Wunsch nach einer Sys­tem­ver­än­de­rung. Ent­spre­chen­de For­de­run­gen auf Demos wür­den regel­mä­ßig mit gro­ßem Bei­fall begrüßt. Es läge an uns, uns an die Spit­ze zu stel­len und dort die Inter­es­sen unse­rer Klas­se zu ver­tre­ten. Ernst Thäl­mann, Rosa Luxem­burg und Rudi Dutsch­ke wür­den heu­te eben­falls gegen das Coro­na-Regime demons­trie­ren, gibt sich San­dra sicher.

In der Dis­kus­si­on ging es zunächst um die Rol­le Rudi Dutsch­kes: War er ein Reak­tio­när oder nicht? Wie ist die Frank­fur­ter Schu­le ein­zu­schät­zen? Die For­de­rung in bür­ger­li­chen Bewe­gun­gen für eige­ne Posi­tio­nen zu wer­ben bzw. sie zu ver­brei­ten, wird arti­ku­liert. Die Auf­for­de­rung an die Spit­ze der Bewe­gung zu gehen wird dis­ku­tiert und im Grun­de von allen begrüßt.

Fabio, SOL Cobas, Ita­li­en: Zu den aktu­el­len Kämp­fen der Basis­ge­werk­schaft SOL Cobas

Zunächst wird über die Ent­ste­hung der Gewerk­schaft Sl. Cobas 2008 berich­tet. Die­se und ihr klas­sen­kämp­fe­ri­scher, gegen Staats­ras­sis­mus gerich­te­te Kurs ent­stand aus den Arbeits­kämp­fen des vor­wie­gend migran­ti­schen Pro­le­ta­ri­ats im Logis­tik­sek­tor. Vor allem in Nord­ita­li­en gelang es durch die Orga­ni­siert­heit der Arbei­ter ein neu­es Kräf­te­ver­hält­nis gegen­über den mul­ti­na­tio­na­len Fir­men zu eta­blie­ren. Die Sl. Cobas ist eine kämp­fe­ri­sche, offen revo­lu­tio­nä­re Gewerk­schaft, die unab­hän­gig von regie­rungs­na­hen Gewerk­schaf­ten ist. Die SOL Cobas geht aus 2016 ent­stan­den Spal­tung aus der Sl. Cobas her­vor. Die von den meis­ten Gewerk­schaf­ten wie lin­ken Grup­pen und Par­tei­en nicht kon­tes­tier­te Ein­füh­rung des Green-Pass-Regimes in Ita­li­en und die Zustim­mung mar­kie­re ein „Water­loo-Moment“ für die klas­sen­kämp­fe­ri­sche (ant­ago­nis­ti­sche) Lin­ke. In die­se Bre­sche schlug SOL Cobas zunächst durch die indi­vi­du­el­le Teil­nah­me an den Mas­sen­pro­tes­ten gegen Zwangs­imp­fung und Green-Pass, spä­ter dann zeig­te sie als Orga­ni­sa­ti­on vor allem in der Lom­bar­dei und Kam­pa­ni­en Prä­senz auf den Pro­tes­ten und warb für drei lan­des­wei­te Streiks.

Fabio geht auf die weit­ge­hend poli­ti­sche Neu­tra­li­tät der Arbei­ter­klas­se ein und macht dafür die Füh­rer der gro­ßen Gewerk­schaf­ten und ihren Kurs der Klas­sen­kol­la­bo­ra­ti­on dafür wie für den Man­gel an poli­ti­schem Bewusst­sein der Arbei­ter­schaft ver­ant­wort­lich. Er sieht Anzei­chen dafür, dass der welt­wei­te Wider­stand gegen die Coro­na-Dik­ta­tur im Zuge des Ukrai­ne­kriegs das Poten­ti­al hat zu einer anti­im­pe­ria­lis­ti­sche Bewe­gung zu wach­sen. Die Wider­sprü­che und Rei­bun­gen wer­den zuneh­men, neue Kon­stel­la­tio­nen des Klas­sen­kamp­fes und his­to­ri­sche Mög­lich­kei­ten sich dar­aus erge­ben, so Fabio, der damit schließt, dass uns als revo­lu­tio­nä­rer Lin­ken die schwe­re Bür­de zukä­me, den Mas­sen­pro­test in theo­re­ti­scher, orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­sicht eine Per­spek­ti­ve auf­zu­zei­gen. Dazu müs­se ers­tens der poli­ti­sche Kampf mit dem wirt­schaft­li­chen ver­schränkt sowie zwei­tens die Zen­tra­li­tät der revo­lu­tio­nä­ren mar­xis­ti­schen Pro­gram­ma­tik her­vor­ge­ho­ben wer­den. Drit­tens müs­se ein inter­na­tio­na­les Netz­werk basie­rend auf ange­deu­te­ten pro­gram­ma­ti­schen Ele­men­ten auf­ge­baut wer­den, wozu die hie­si­ge Kon­fe­renz einen ers­ten wich­ti­gen Schritt markiere.

Der gesam­te Bei­trag ist hier nach­zu­le­sen: https://​mag​ma​-maga​zin​.su/​2​0​2​2​/​1​0​/​f​a​b​i​o​-​v​o​n​-​d​e​r​-​a​s​s​e​m​b​l​e​a​-​m​i​l​i​t​a​n​t​e​/​k​a​e​m​p​f​e​-​b​a​s​i​s​g​e​w​e​r​k​s​c​h​a​f​t​-​s​o​l​-​c​o​b​as/

Sek­ti­on V: Abschlussdiskussion

In der Abschluss­dis­kus­si­on herrsch­te Einig­keit dar­über, dass die in Prag getä­tig­ten ers­ten Schrit­te zu einer inter­na­tio­na­len Ver­net­zung lin­ker Grup­pen, die sich gegen den Coro­na-Coup der herr­schen­den Klas­se gestellt und nicht mit die­ser kol­la­bo­riert haben, unbe­dingt fort­ge­setzt wer­den müs­se. Man beschloss dazu die wei­te­ren not­wen­di­gen Schrit­te zu unter­neh­men und die Moda­li­tä­ten in bal­di­gen Anschluss­tref­fen wei­ter aus­zu­ar­bei­ten. Die Kon­fe­renz wur­de beschlos­sen durch das Sin­gen der Internationale.

Pres­se und wei­ter­füh­ren­de Links:

RT Deutsch berich­te­te in zwei Arti­keln über die­se Kon­fe­renz (Teil I und Teil II).

Links zu Sei­ten und Tex­ten eini­ger teil­neh­men­der Gruppen:

Assem­blea Mili­tan­te (Ita­li­en), Freie Lin­ke, Freie Lin­ke Öster­reich (FLOE), Freie Lin­ke Zukunft, Frai Lénk Zukunft Lët­ze­buerg, Freie Lin­ke West Akti­on, SOL Cobas (Ita­li­en), Mag­Ma (Maga­zin des Netz­werks Lin­ker Widerstand)

Bericht als PDF: Bericht über die Inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz der Frei­en Lin­ken Prag