Vorbemerkung: Die »Freie Linke Zukunft« ist Resultat eines Klärungsvorganges, der nach außen den Eindruck einer Spaltung erwecken konnte. Dieser Vorgang wird durch nachfolgenden auf Telegram erschienenen Text dokumentiert. Dieser markiert somit die Weiterentwicklung der »Freien Linken« zur »Freien Linken Zukunft«.
Zum einjährigen Bestehen des Kanals und Chats Freie Linke. Zur Freien Linken und ihrer Zukunft
Am 2. Oktober 2020 wurde auf Telegram der »Kanal Freie Linke (Widerstand gegen autoritären Corona‐Kapitalismus)« und der dazugehörige Chat mit folgendem Ziel gegründet:
[…] Linke aller Couleur wie religiöse Sozialisten oder humanistische Freigeister zu versammeln und um eine linke Perspektive auf die autoritäre (bis protofaschistische) Wende in Deutschland und der Welt mit Ihnen/Euch zu entwickeln, entsprechende Links zu teilen, vor allem aber um der gefühlten ›Heimatlosigkeit‹ von linken Kritikern der Notstandsmaßnahmen entgegen zu wirken, deren Organisationen oft den Regierungskurs und die Interessen der Herrschenden stützen (statt zu stürzen). (https://t.me/freielinke/4)
1) Kurzes zum Gründer und den falschen kursierenden Gründungsmythen
Heutzutage kursiert die Behauptung, dass die Freie Linke entweder direkt von Querdenkern gegründet wurde oder sich als linker Flügel von Querdenken herausgebildet habe. Beides ist falsch. Der Gründer, Kommunist, hat sich seit März gegen die bekannten Entwicklungen engagiert. Er traf in seiner Stadt sehr früh im Jahr 2020 auf eine marxistisch‐leninistische Gruppierung, die gegen den Abbau der Freiheitsrechte und die Notstandsmaßnahmen anging, und beteiligte sich zunächst an dieser, bevor die kleine Gruppierung leider von der Bildfläche verschwand. Wobei sich deren übergeordnete Organisation langsam dem Narrativ der Herrschenden anschloss. Monatelang dann wieder allein im Betrieb und in der Gegend aktiv, scheute sich der Gründer vor einer Teilnahme an den lokalen »Hygienespaziergängen«, aus denen dann die Querdenker und andere Gruppen hervorgingen, und zwar wegen eindeutig dubioser, nationalistischer und reaktionärer aufgeschnappter Redeinhalte und dergleichen.
Nachdem sich nun also in sieben Monaten nicht nur kein Widerstand von links abzeichnete, der angesprochene zaghafte leider einging, war es aus schierer Verzweiflung, dass sich der Genosse zum Erstellen in Rede stehenden Kanals und Chats aufmachte. Dort wurden vor allem die spärlichen Beiträge linker Maßnahmenkritiker gepostet, kommentiert und diskutiert.
Bereits Ende November besaß der Chat circa an die 200 Mitglieder, von denen sich einige dann im Dezember auch jenseits von Telegram zu vernetzen begannen.
Während so ein Treffen stattfand, schlug jemand in einem internen Chat vor, dass ein Aufruf an der Zeit sei. Dies stieß auf allgemeine Zustimmung. Die paar Genossen, die auf einem dieser Treffen anwesend waren, von denen manche sich heute gerne als Initiatoren oder Gründer der Freien Linken stilisieren, griffen die Idee auf und formulierten zusammen einen ersten kurzen Text. Dieser Text wurde aber nicht der Aufruf, der dann am 1.1.2021 veröffentlicht wurde (https://t.me/freielinke/744). Lediglich ein paar Formulierungen finden sich im eigentlichen Aufruf wieder, der ein wirkliches Kollektivprodukt ist, nämlich eine Kompilation von mehreren verschiedenen Vorschlägen. Er trägt dennoch die Handschrift von seinen dem Anarchismus zuneigenden Verfassern, einem Genossen und einer Genossin, was auch das strömungsübergreifende auf eine linke Einheitsfront abzielende Motiv der Freien Linken nochmals unterstreicht. Die beiden Genossen werden nicht als Initiatoren oder Gründer der Freien Linken angesehen. Letztlich spricht das für sie wie für den kollektiven Charakter und die gute Zusammenarbeit von Marxisten und Anarchisten.
2) Kursorisches zum Namen »Freie Linke«
Hinter der Namenswahl standen zwei auf den ersten Blick verschiedene, auf den zweiten Blick allerdings zusammenhängende Gründe. Der erste und augenscheinlichste ist mit Sicherheit die Entgegensetzung zu einer Linken, die sich auf Seiten der Unterdrücker und damit der Unfreiheit geschlagen hatte und hat. Der zweite Grund für den Namen, der für den Namensgeber überdies eine Tautologie darstellt, liegt darin, den Zusammenhang zwischen der Idee der Freiheit und der des Sozialismus herauszustellen.
Solange es Ausbeutung, Unterdrückung, Patriarchat, Krieg, Hunger, Lohnabhängigkeit und Arbeitslosigkeit gibt, solange kann von Freiheit nicht die Rede sein. Nur wenn die Freiheit für alle materiell gesichert ist und die Freiheit von Zwang etabliert ist, nur dann kann ein positiver Freiheitsbegriff sich materialisieren, der die freie Entwicklung des Potentials eines jeden Individuums zum Ziel hat, wo Freiheit nicht gegen den anderen behauptet werden muss, sondern die Freiheit der anderen erst Bedingung der eigenen wird.
Noch dazu bestand ein langfristig angelegtes Motiv für die Namenswahl darin, die Kopplung des Freiheitsbegriffs an den Kapitalismus der antikommunistischen kapitalistischen Propaganda aufzubrechen und die Notwendigkeit zu betonen, endlich den Antikommunismus aus den Köpfen zu vertreiben, der auf ideologischer Ebene das allergrößte Hindernis bei der echten und substanziellen Befreiung der Menschheit, der Völker und Individuen ist, das es dringend zu beseitigen gilt. Leider wirkte der Name auch für Antikommunisten anziehend, die sich folglich auch in der FL gesammelt haben, dazu später mehr.
3) Zur Entwicklung seit dem Aufruf und zur Spaltung
Die Verbreitung des Aufrufs an verschiedene alternative Medien, vor allem aber seine Veröffentlichung auf Norbert Härings Blog, führte ab Januar 2021 zu einem starken Anstieg an Mitgliedern in dem Telegramchat und den entsprechenden Lokalgruppen. Erste Gruppierungen sammelten sich in den Metropolen Berlin und Frankfurt, aber auch anderswo. Vor allem die Berliner Gruppe trug durch medienwirksame Auftritte rasch sehr positiv zum Bekanntwerden der FL bei. In Nordrhein‐Westfalen und Hessen sowie in Halle bildeten sich wie anderswo lokale Gruppen. Ebenso in Bayern. Auch in Österreich gibt es die Freie Linke. Besonders hervorzuheben ist allerdings die Schweiz. Während die FL Deutschland seit dem Sommer stagniert und sich gespalten hat, wächst und gedeiht die FL Schweiz nach wie vor, sowohl auf Telegram als auch organisatorisch und auf der Straße.
Die Teilnahme an vielen Demos aus dem Umfeld der Demokratiebewegung führte dazu, dass sich die Freie Linke vor allem aus diesem Milieu rekrutierte, wobei auch die erhöhte mediale Aufmerksamkeit viele anlockte, die enttäuscht vom Versagen und Verrat im Grunde aller linken Organisationen waren. Auch der Freie Funken als Publikation der Freien Linken, der praktisch ad hoc entstand und schnell eine große Leserschaft gewann, trug viel zum Gedeihen der FL bei. Leider wurde die Redaktion im Zuge der Spaltung vom Inhaber der Domain abserviert. Über den Zustand des Freien Funkens seitdem kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Doch zurück zur Freien Linken. Im Aufruf bestimmte sich die Freie Linke als strömungsübergreifende Linke:
Die Freie Linke will eine breite, vereinte und strömungsübergreifende Bewegung ins Leben rufen, sich dezentral und von unten organisieren, um eine mit echter Solidarität erfüllte Erneuerung der emanzipatorischen Bewegung zum Keimen zu bringen.
Weiter gab sie sich folgendes Selbstverständnis:
Als Linke betrachten wir folgende Werte und Grundsätze als nicht verhandelbar:
• Alle Menschen sind gleichwertig und haben die gleichen unveräußerlichen Grundrechte!
• Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung etc. lehnen wir ab!
• Uns eint das Ziel der Errichtung einer freien, demokratischen und gerechten Gesellschaft und der Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen! (https://t.me/freielinke/744)
Was allerdings passierte und worin bereits der Keim der Spaltung der Freien Linken lag, war eine gewisse wohlwollende Kulanz und Offenheit gegenüber der in der Demokratiebewegung nicht selten anzutreffenden »Weder-Rechts-Noch-Links«-Mentalität, die sich dann durchaus nicht überraschend öfter als doch rechts statt links entpuppte. Man dachte jedoch, dass es durchaus möglich sei sich einen gewissen Anteil dieser Fraktion einzuverleiben – in der Hoffnung diese durch Überzeugungsarbeit doch von linken Ideen zu überzeugen, zumal dem Umstand Rechnung getragen werden muss, dass die antikommunistische bürgerlich‐proimperialistische Propaganda leider ganze Arbeit geleistet hat, die zurückzudrehen man sich als linke Sammlungsbewegung auch vornehmen muss, gerade mit einem interventionistischen Ansatz in die Demokratiebewegung.
Es zeigte sich, dass das Konzept einer strömungsübergreifenden Linken angesichts der angesprochenen wenig rigorosen Aufnahmepraxis zu Missverständnissen führte, zumal manch einer entweder das strömungsübergreifend als offen für Nicht‐Linke oder gleich das Linke auf sehr diffuse Weise interpretierte. Schnell beherrschten deshalb eigentlich, so mag man meinen, überflüssige Diskussionen darüber, wie »links« zu verstehen sei, die Chats. Auch der Situation geschuldet, dass persönliche Treffen und Diskussionen nicht möglich waren, kam es nicht zu der Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses über die Adjektive »frei« und »links«. Der Zulauf war groß, ohne dass die Freie Linke alle interessierten Personen ideologisch einbinden konnte. Stattdessen gab es zu viele Meinungsaustausche, die schnell in Richtung persönlicher Angriffe abglitten und oft von mangelnder Bereitschaft geprägt waren, einen politischen Standpunkt einzunehmen. Von vielen wurde die FL beinahe als eine Art von Ersatzfamilie gesehen, als ein Bund von Personen statt eines politischen Projekts. Vor diesem Hintergrund wirkte der Ansatz einer führenden Person, ohne jegliche analytische Grundlage drei Strömungen innerhalb der FL zu postulieren (isolationistisch, interventionistisch, Lechts‐Rinks) wie ein Sprengsatz. Es wurden dann verstärkt gegenseitige Schuldzuweisungen kolportiert, nicht die richtige Strömung zu vertreten, statt zu versuchen ein differenziert gemeinsam ausgearbeitetes Selbstverständnis zu entwickeln und eindeutig nicht‐linke Personen auszuschließen. Dies führte zur Paralyse und Spaltung der Freien Linken.
Die Spaltung war durch die arglose Aufnahmepolitik und die große Toleranz vonseiten der Marxisten und auch Anarchisten im Grunde von Beginn an absehbar. Es war im Nachhinein völlig naiv zu glauben, dass diese Leute schnell von ihren derart fest verdrahteten rechten antikommunistischen Überzeugungen lassen würden. Ein für alle Mal: Antikommunismus ist rechts! Darunter verstehen wir die grundsätzliche und undifferenzierte Ablehnung des realen Sozialismus, dessen Schmähung als totalitär und als vergleichbar mit dem Faschismus. Damit meinen wir nicht, dass es am realen Sozialismus nichts zu kritisieren gäbe. Selbstverständlich gibt es auch innerhalb der mit diesem Schreiben ausgerufenen Freien Linken Zukunft unterschiedliche Ansichten zur verflossenen Sowjetunion. Wir denken aber, dass der neoliberale Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte bedeuten kann. Wer aber eine neue Gesellschaft will, muss aus den Erfolgen und Fehlern des ersten Sozialismusversuchs lernen und darf ihn nicht in Bausch und Bogen verdammen.
Die allzu dumme, unwissenschaftliche und krude Totalitarismus‐Propaganda hat einen geistigen Kahlschlag in der Arbeiterklasse und darüber hinaus angerichtet, das historische Bewusstsein der Lohnabhängigen kurz und klein gehackt – eine Brache hinterlassen, in der so lange rechte, das heißt neoliberale und schlimmere Ideologeme eingesickert sind, dass dort nicht mal mehr Gras zu wachsen scheint; zumindest auf die Schnelle.
Um langfristige Strategien gegen die herrschende Ideologie zu entwickeln und intelligente und effektive Aufklärung zu betreiben, muss oder müsste die Freie Linke zunächst selbst als linke Organisation gefestigt sein und Strukturen entwickelt haben. Von einer Organisation konnte und kann kaum die Rede sein. Wir haben den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht, die Aufgaben einer politischen Organisation uns aufgebürdet, ohne einen rudimentären Grad an Organisierung zu besitzen. Womöglich wollten wir zu viel auf einmal: alle maßnahmenkritische Linke sammeln und zugleich so etwas wie eine Erneuerung einer Linken anstreben, die sich nicht von Kapitalisten kaufen lässt, was bitter nötig ist, nach den Wahlen neulich umso mehr. Vielleicht ist hier weniger mehr. Beantworten müssen die Frage alle aktiv Beteiligten.
Kurzum: es wurde versäumt dieses Problem, das sich spätestens seit dem März weder leugnen noch verdrängen, frühzeitig zu lösen. So schaukelte es sich monatelang auf, sodass irgendwann die Spaltung unabdingbar war, um überhaupt das Fortbestehen einer so dringend notwendigen linken maßnahmenkritischen Bewegung weiter zu ermöglichen.
Klar scheint, dass der Aufbau einer linken Organisation zum Scheitern verurteilt ist, wenn schon von Beginn das linke Profil verlustig zu gehen droht. Deshalb ist eine Häutung der Freien Linken zwingend erforderlich. Die Spaltung war zwar auf dem persönlichen Niveau unangenehm, auf dem politischen jedoch unvermeidlich.
4) Die Zukunft der Freien Linken
Eine strömungsübergreifende Linke, die kein klares linkes Profil entwickelt, es nicht eindeutig schafft, sich weit links von der Basis oder Querdenken zu profilieren, hat keine objektive Daseinsberechtigung. Links kann nur antikapitalistisch bedeuteten. Das mag zwar durch die jahrzehntelange ideologische und politische Rechtsverschiebung vor allem der nominell linken Parteien – wie SPD, die Linke oder teils auch die Grünen, aber auch der DKP – keine Selbstverständlichkeit sein, im realen Sinne und in der historischen Kontinuität mit der Arbeiterbewegung kann es aber nur der antikapitalistische Konsens sein, der das stabile und klare Fundament einer strömungsübergreifenden Linken legen kann.
Deshalb hat sich der Teil der Freien Linken, der nach wie vor am Gründungsaufruf festhält und nach wie vor eine strömungsübergreifende klar linke Struktur zur Vernetzung maßnahmenkritischer Linker anbieten will, dazu entschlossen der Verwirrung mit dem Namenszusatz »Zukunft« entgegenzutreten und die Freie Linke in die »Freie Linke Zukunft« umzubenennen.
5) Die Freie Linke Zukunft
Die Freie Linke Zukunft bekennt sich nach wie vor zum Gründungsaufruf der Freien Linken und ist als der Teil, der das Strömungsübergreifende wie das Linke ernst meint, ohnehin im Einklang mit dem originären Aufruf. Anders als die Abspaltung toleriert er keine rechten und reaktionären Elemente.
Das Ziel der Freien Linken Zukunft ist eine freie linke Zukunft.
Die Freie Linke Zukunft ist Teil des »Netzwerks Linker Widerstand«. Dieses besteht aus verschiedenen maßnahmenkritischen Gruppen und Grüppchen aus dem deutschen Sprachraum. Aufgabe des Netzwerkes ist es zunächst, eine Infrastruktur in Form einer Webseite mit Publikationsmöglichkeiten bereit zu stellen. Die Webseite wird in den nächsten Tagen online gehen.
Auf ihr sollen sich diese Gruppen austauschen und vernetzen und die Diskussion über den Coronakapitalismus und den möglicherweise kommenden Klimalockdown weiterführen. Ziel ist es sowohl in eine hoffentlich wiederauflebende Protestbewegung zu intervenieren, um die Menschen von der Sinnhaftigkeit linker Positionen zu überzeugen, aber auch den Genossinnen und Genossen aus linken Zusammenhängen, die die linke Sache an den Klassenfeind verraten und verkauft haben, eine Anlaufstelle zu bieten und auch dort Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn die Linke muss den Protest und Widerstand gegen den Coronakapitalismus mit seinen protofaschistischen Tendenzen zu dem ihrigen machen. Dazu gibt es sie schließlich. Deshalb ruft die Freie Linke Zukunft alle Linken dazu auf, gemeinsam mit uns und im Netzwerk Linker Widerstand für eine freie linke Zukunft zu kämpfen.
Die Freie Linke Zukunft am 2. Oktober 2021