Exkur­se zur aktu­el­len Impe­ria­lis­mus­de­bat­te (Impe­ria­lis­mus und Gre­at Reset Teil 8)

Lese­zeit11 min

Dies ist der sech­zehn­te Teil einer mehr­tei­li­gen Serie von Jan Mül­ler zur aktu­el­len Impe­ria­lis­mus­de­bat­te in der kom­mu­nis­ti­schen Bewe­gung. Sie beinhal­tet fol­gen­de­ne Teile:

1. Ein­lei­tung & Marx­sche Methode

2. Klas­si­scher Impe­ria­lis­mus (1895 – 1945)

3. Der Spät­ka­pi­ta­lis­mus (1945 – 1989)

4. Die expan­si­ve Pha­se des neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus (1989 – 2007)

5. Der Neo­li­be­ra­lis­mus in der Kri­se (seit 2007)

6. Chi­nas Auf­stieg und der Abstieg des Wes­tens (bis 2020)

7. Eine vier­te impe­ria­lis­ti­sche Epoche?

7.1 Der Gre­at Reset

7.2 Die Kli­ma-Hys­te­rie von 2019 als Vorspiel

7.3 Die Coro­na-Hys­te­rie von 2020 bis 2022

7.4 Der Drit­te Weltkrieg

7.4.1 Der Ukrai­ni­sche Kriegs­schau­platz 2022

7.4.2 Der Wirt­schafts­krieg gegen Russland

7.4.3 Der Wirt­schafts­krieg der USA gegen Deutsch­land und Europa

7.4.4. Kli­ma­lock­down und Gre­at Reset

7.4.5. Faschis­mus in der Ukrai­ne, Demo­kra­tie­ab­bau im Westen

7.4.6. Umbruch in der Weltwirtschaft

7.4.7. Die Eska­la­ti­on des Krieges

8. Exkur­se zur aktu­el­len Imperialismusdebatte

9. Per­spek­ti­ven des Sozia­lis­mus auf der Erde

Die Serie kann als Bro­schü­re im PDF- und Epub­for­mat frei her­un­ter­ge­la­den werden.

Impe­ria­lis­mus und Gre­at Reset Teil 8: Zur aktu­el­len Ultra- und Imperialismusdebatte

8.1 Exkurs 1: Die Dis­kus­si­on um den Cha­rak­ter Russ­lands inner­halb der KO

Inner­halb der Kom­mu­nis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on KO, einer klei­nen kom­mu­nis­ti­schen Grup­pe, kam es anläss­lich des Russ­land-Ukrai­ne-Krie­ges zu Dis­kus­sio­nen um den Cha­rak­ter Russ­lands und des Impe­ria­lis­mus all­ge­mein, die Anlass die­ser Arti­kel­se­rie waren.

Eine Rich­tung, ver­tre­ten durch Tha­na­sis Spa­ni­dis und inter­na­tio­nal durch die KKE behaup­tet, es han­de­le sich beim Krieg in der Ukrai­ne um einen rein impe­ria­lis­ti­schen Krieg, der von bei­den Sei­ten zuguns­ten von Kapi­tal­in­ter­es­sen geführt wer­de. Die ande­re Strö­mung geht davon aus, dass Russ­land einen gerech­ten Ver­tei­di­gungs­krieg führe.

Spa­ni­dis und Co. ver­tre­ten die The­se, dass sich das Mono­pol­ka­pi­tal in allen Län­dern durch­ge­setzt habe und sie dem­nach alle als impe­ria­lis­tisch zu bezeich­nen sei­en. Eine beson­de­re Qua­li­tät der Kapi­tal­kon­zen­tra­ti­on durch Schat­ten­ban­ken wie Black­rock sieht er nicht. Ihre Macht wür­de über­schätzt, schreibt er:

Die letzt­end­li­che Ver­fü­gungs­ge­walt liegt nicht bei Black­Rock, son­dern einer­seits bei den Eigen­tü­mern die­ses Kapi­tals, an die auch der abso­lu­te Groß­teil der Ren­di­ten zurück­fließt und and­rer­seits bei insti­tu­tio­nel­len Anle­gern und Ban­ken, die das bereits gesam­mel­te Kapi­tal über Black­Rock anle­gen. Eigen­tü­mer blei­ben wei­ter­hin Men­schen mit Namen und Adres­sen (auch wenn die­se auf­grund der Geheim­nis­tue­rei eines Teils der Kapi­ta­lis­ten­klas­se nicht immer in Erfah­rung zu brin­gen sind). Es sind also in der Regel nicht anony­me, unper­sön­li­che Insti­tu­tio­nen, die sich den gewal­ti­gen, von der glo­ba­len Arbei­ter­klas­se pro­du­zier­ten Reich­tum aneig­nen, son­dern die Mil­lio­nä­re, Mul­ti­mil­lio­nä­re und Mil­li­ar­dä­re die­ser Welt.[1]

Sicher­lich ist Black­rock nur ein Dienst­leis­ter für die weni­gen Mul­ti­mil­li­ar­dä­re wie Gates und Bezos. Das ändert aber nichts dar­an, dass die Schat­ten­ban­ken durch ver­schie­de­ne Mecha­nis­men, die in Teil 5 die­ser Arti­kel­se­rie beschrie­ben wur­den, einen beträcht­li­chen Ein­fluss auf die Welt­wirt­schaft erlangt haben. Dies vor allem durch Black­rocks Super­com­pu­ter Alad­din, den Besitz von Rating­agen­tu­ren und extrem zahl­rei­che Auf­sichts­rats­man­da­te. Sie lau­fen alle dar­auf hin­aus, den Wett­be­werb zwi­schen den Fir­men her­un­ter­zu­fah­ren und durch hohe Gewinn­erwar­tun­gen ihre Sub­stanz aus­zu­zeh­ren. Die­se Prak­ti­ken sind Aus­druck der all­ge­mei­nen Kri­se des Kapi­ta­lis­mus und ver­schär­fen sie weiter.

Spa­na­dis wen­det sich scharf gegen die Theo­rie, dass die Bour­geoi­si­en außer­halb der alten impe­ria­lis­ti­schen Füh­rungs­mäch­te (USA, Japan, Deutsch­land, Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich) Kom­pra­doren­bour­geoi­si­en sei­en. Dass sie eine rein abhän­gi­ge Posi­ti­on inne­ha­ben und ledig­lich als Sach­wal­ter und Ver­mitt­ler der Mono­po­le der USA agie­ren und damit die Abhän­gig­keit die­ser Län­der auf­recht erhal­ten. Von einer Kom­pra­doren­bour­geoi­sie kön­ne man nur spre­chen, wenn deren Tätig­keit aus­schließ­lich auf Ver­mitt­lungs­diens­te für aus­län­di­sches Kapi­tal beschränkt sei. Das ist bei der rus­si­schen Bour­geoi­sie nicht der Fall. Dar­an ände­re auch deren Kapi­tal­flucht nichts. Denn auch das in Finanz­oa­sen ange­leg­te Kapi­tal der rus­si­schen Bour­geoi­sie nahm bis 2022 an der glo­ba­len Ver­tei­lung von Mehr­wert teil.[2]

Dar­aus folgt für ihn und zahl­rei­che kom­mu­nis­ti­sche Par­tei­en, dass in der Ukrai­ne ein inner­im­pe­ria­lis­ti­scher Krieg zwi­schen Russ­land und dem Wes­ten statt­fin­de, der um die Kon­trol­le von Märk­ten, Roh­stof­fen und Trans­port­net­zen des Lan­des geführt wird.[3] Impli­zit erwar­ten die­se Par­tei­en ana­log zu den Ereig­nis­sen des Jah­res 1917, dass Russ­land erneut das schwächs­te Ket­ten­glied in die­sem Krieg ist und des­halb die dor­ti­ge Bour­geoi­sie durch eine Revo­lu­ti­on gestürzt wird. Da die KPRF kei­ne Anstal­ten dazu macht, wird sie als revi­sio­nis­tisch geschmäht und aus der Gemein­schaft der kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en aus­ge­schlos­sen, der Kon­takt zu ihr abgebrochen.

Das Haupt­pro­blem bei die­ser Debat­te ist, dass ihre Teil­neh­mer sich aus­schließ­lich auf Lenins Impe­ria­lis­mus­schrift bezie­hen und neue­re mar­xis­ti­sche Lite­ra­tur nach 1945 schlank­weg nicht zur Kennt­nis neh­men, von den aktu­el­len Ent­wick­lun­gen im Zusam­men­hang mit dem Gre­at Reset ganz abgesehen.

Im Zeit­al­ter des klas­si­schen Impe­ria­lis­mus waren die Märk­te der ein­zel­nen Staa­ten durch hohe Zoll­mau­ern von­ein­an­der abge­schot­tet. Eine Markt­er­wei­te­rung konn­te nur gewalt­sam erfol­gen. Des­halb kam es in die­ser Zeit zu zwei Welt­krie­gen, die um die Neu­auf­tei­lung der Welt geführt wurden.

Bereits im Spät­ka­pi­ta­lis­mus erlang­ten die USA im kapi­ta­lis­ti­schen Teil der Welt eine abso­lu­te Hege­mo­nie. Im Prin­zip konn­te das Kapi­tal jedes impe­ria­lis­ti­schen Lan­des in jedem ande­ren impe­ria­lis­ti­schen Land inves­tie­ren. Krie­ge um die Neu­auf­tei­lung von Märk­ten waren nun nicht mehr erfor­der­lich. Statt­des­sen kam es im Kal­ten Krieg zu einer schrof­fen Kon­fron­ta­ti­on der »Frei­en Welt« als gan­zer gegen die Welt des Sozialismus.

Sur­plus­pro­fi­te wur­den vor allem durch tech­no­lo­gi­sche Ren­ten rea­li­siert, die dann anfal­len, wenn ein Betrieb ein tech­no­lo­gisch fort­schritt­li­ches Pro­dukt als ers­ter auf den Markt bringt und des­halb eine Zeit­lang den Preis die­ses Pro­duk­tes weit über sei­nem Wert fest­le­gen kann. An die­ser Kon­stel­la­ti­on änder­te sich auch im Neo­li­be­ra­lis­mus nichts. Ganz im Gegen­teil fächer­te sich die Fir­men­hier­ar­chie wei­ter auf. An der Spit­ze stan­den jetzt High­tech-Fir­men wie Micro­soft und Intel, die nicht nur tech­no­lo­gi­sche Ren­ten rea­li­sie­ren konn­ten, son­dern in der Lage waren, Stan­dards für gan­ze Bran­chen zu set­zen. Dadurch konn­ten sie sich noch grö­ße­re Mehr­wert­an­tei­le ande­rer Kapi­ta­li­en aneig­nen. An eine ernst­haf­te Kon­kur­renz in die­sem Feld kön­nen ohne­hin nur Fir­men aus den USA und Chi­na denken.

Russ­land fällt weit hin­ter die­se Län­der zurück und hat als High­tech-Pro­duk­te nur Kern­tech­nik und Waf­fen im Ange­bot. Bei­de Berei­che wer­den von Staats­be­trie­ben domi­niert. Hin­zu kommt der Roh­stoff­ex­port, der sich eben­falls zu einem gro­ßen Teil in staat­li­cher Hand befin­det. Russ­land hat dem­nach gera­de als kapi­ta­lis­ti­sche Macht Inter­es­se an einem frei­en Welt­han­del und wird von den Sank­tio­nen schwer getrof­fen. Im Ver­gleich dazu sind die Vor­tei­le Russ­lands bei der Erobe­rung von Märk­ten, Roh­stof­fen und Trans­port­net­zen in der Ukrai­ne mini­mal. Roh­stof­fe wie Stein­koh­le hat Russ­land selbst genug. Die gan­ze ukrai­ni­sche Infra­struk­tur wur­de seit 30 Jah­ren her­un­ter­ge­wirt­schaf­tet und müss­te mit Mil­li­ar­den­be­trä­gen (in Dol­lar!) moder­ni­siert wer­den. Von den unglaub­li­chen Kriegs­zer­stö­run­gen gar nicht zu spre­chen. Da der Wes­ten sei­ne Sank­tio­nen dau­er­haft auf­recht erhal­ten will, ist die auf Euro­pa gerich­te­te Trans­port­in­fra­struk­tur wie Gas­lei­tun­gen ohne­hin wertlos.

Die Fra­ge, ob Russ­land nach Lenins Kri­te­ri­en auch ein impe­ria­lis­ti­sches Land ist, kann zwar bejahrt wer­den. Denn auch in Russ­land gibt es gro­ße pro­duk­ti­ons- und markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men.[4] Das ist nicht zuletzt ein Erbe des Sozia­lis­mus als höhe­rer Gesell­schafts­for­ma­ti­on. Aber mit die­ser Fest­stel­lung allein kann die aktu­el­le Stel­lung Russ­lands im kapi­ta­lis­ti­schen Welt­sys­tem nicht aus­rei­chend beschrie­ben werden.

Arnold Schöl­zel hat in einem Arti­kel der jun­gen Welt zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Lenin nicht aus­ge­schlos­sen hat, dass es auch im impe­ria­lis­ti­schen Zeit­al­ter noch natio­na­le Befrei­ungs­krie­ge geben kann.[5] Russ­land wur­de zwar vom Wes­ten solan­ge pro­vo­ziert, bis es in der Ukrai­ne als ers­ter ange­grif­fen hat. Den­noch woll­te gera­de der Wes­ten den Krieg und hat alle Ver­stän­di­gungs­ver­su­che Russ­lands (Minsk 2, Sicher­heits­ga­ran­tien) zurück­ge­wie­sen. Kriegs­zie­le des Wes­tens sind die Zer­stö­rung der rus­si­schen Staat­lich­keit und die Aneig­nung sei­ner Roh­stof­fe. Trotz­dem wird Russ­land nur als Schild und Schwert Chi­nas ange­grif­fen, das der Wes­ten schon längst als Haupt­geg­ner aus­ge­macht hat. Nur wenn Russ­land besiegt und sei­ne Staat­lich­keit besei­tigt ist, hat der Wes­ten bei sei­nem Krieg gegen Chi­na ernst­haf­te Chan­cen. Russ­land stand bei die­sen Plä­nen ein­fach im Weg.

Auch der Zwei­te Welt­krieg war zumin­dest in Tei­len ein impe­ria­lis­ti­scher Krieg zwi­schen dem deut­schen und dem angel­säch­si­schen Impe­ria­lis­mus. Den­noch zwei­fel­te damals die kom­mu­nis­ti­sche Welt­be­we­gung nicht dar­an, dass es ange­sichts der mons­trö­sen Plä­ne des deut­schen Impe­ria­lis­mus legi­tim war, sich mit sei­nen kapi­ta­lis­ti­schen Geg­nern zu ver­bün­den, um die­se Plä­ne schei­tern zu lassen.

Zudem ist gegen­wär­tig nicht Russ­land, son­dern EU-Euro­pa das schwächs­te Ket­ten­glied, zumin­dest was den sozia­len Zusam­men­halt der Gesell­schaft angeht. Die Gegen­sät­ze zwi­schen arm und reich sind in der EU schrof­fer als in Russ­land und dem­nach wer­den poli­ti­schen Frei­hei­ten immer stär­ker abge­baut. Gera­de weil die Men­schen als Fol­gen von Gre­at Reset und Krieg rasch ver­ar­men, neh­men die euro­päi­schen Län­der Kurs auf eine Dik­ta­tur. Des­halb wäre eine sozia­le Revo­lu­ti­on eher hier als in Russ­land zu erwar­ten, aber auf eine sol­che Ent­wick­lung ist kei­ne Grup­pe in der Gesell­schaft vor­be­rei­tet, auch die Kom­mu­nis­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on nicht, die es nach der Spal­tung über eben die­se Fra­ge zwei­mal gibt.

8.2 Exkurs 2: T. Mohrs Theo­rie des Ultraimperialismus

T. Mohr kommt in sei­nem Arti­kel »Impe­ria­lism Today is Con­spi­ra­cy Pra­xis« vom 24.09.2022, erschie­nen in der Mag­Ma[6] in vie­len Berei­chen zu ähn­li­chen Schluss­fol­ge­run­gen wie die­se Serie. Aller­dings geht er davon aus, dass sich die Kapi­ta­lis­ten aller Län­der – ein­schließ­lich Chi­nas – zusam­men­ge­fun­den haben, um die Men­schen gemein­sam aus­zu­beu­ten und zu unter­drü­cken. Es han­delt sich damit um eine extre­me Form der Ultraimperialismustheorie.

Wie sich aber aus der Dar­stel­lung des Teils 6 die­ser Serie ergibt, sind die Pro­jek­te des US-Ame­ri­ka­ni­schen und des chi­ne­si­schen Kapi­ta­lis­mus unver­ein­bar. Die west­li­chen Olig­ar­chen sind mit dem Pro­blem kon­fron­tiert, dass in ihrem Bereich die kapi­ta­lis­ti­sche Aus­beu­tung ein­fach nicht mehr funk­tio­niert. Sie wol­len zu einer neu­en Pro­duk­ti­ons­wei­se vor­sto­ßen und gro­ße Tei­le der Mensch­heit aus­rot­ten, da sie schlicht und ein­fach nicht mehr als Aus­beu­tungs­ob­jekt benö­tigt werden.

Der chi­ne­si­sche Kapi­ta­lis­mus strebt eine »nor­ma­le« kapi­ta­lis­ti­sche Aus­beu­tung nicht nur der eige­nen Bevöl­ke­rung an, son­dern auch eine Indus­tria­li­sie­rung der Ent­wick­lungs­län­der auf kapi­ta­lis­ti­scher Grund­la­ge. Da in Chi­na die orga­ni­sche Zusam­men­set­zung des Kapi­tals noch nied­ri­ger ist als im Wes­ten, funk­tio­niert hier der Kapi­ta­lis­mus auch noch bes­ser. Die Wohl­stands­stei­ge­rung der Chi­ne­sen ist Augen­blick noch eine Vor­be­din­gung für die wei­te­re kapi­ta­lis­ti­sche Ent­wick­lung des Landes.

Die Ver­hält­nis­se zwi­schen den bei­den kapi­ta­lis­ti­schen Zen­tren sind kom­plex: Gera­de weil die öko­no­mi­sche Situa­ti­on des west­li­chen Kapi­ta­lis­mus so ver­zwei­felt ist und sei­ne Plä­ne so mons­trös, muss er Chi­na und Russ­land nie­der­rin­gen, kos­te es, was es wol­le. Einen Raum für Kom­pro­mis­se gibt es aus sei­ner Sicht nicht.

Die chi­ne­si­schen Kapi­ta­lis­ten wis­sen, dass sie die mit Nukle­ar­waf­fen gespick­ten USA nicht mili­tä­risch besie­gen kön­nen. Sie stre­ben des­halb an, das unbe­re­chen­ba­re Mons­trum USA soweit es nur irgend geht zu beschwich­ti­gen und Kom­pro­mis­se zu schlie­ßen. Aller­dings gibt es bestimm­te Grund­kon­stan­ten, die sie nicht auf­ge­ben kön­nen. Dar­un­ter befin­den sich die Mög­lich­keit zum tech­no­lo­gi­schen Auf­stieg, die Wohl­stands­stei­ge­rung der chi­ne­si­schen Bevöl­ke­rung, die neue Sei­den­stra­ße und der Han­del mit Entwicklungsländern.

Kom­pro­miss­mög­lich­kei­ten dürf­ten bei der Abgren­zung von Ein­fluss­sphä­ren exis­tie­ren. Die chi­ne­si­schen Kapi­ta­lis­ten dürf­ten bereit sein, den USA einen exklu­si­ven Wirt­schafts­raum in Euro­pa, viel­leicht auch noch in der Pazi­fik­re­gi­on zuzu­ge­ste­hen. Auch wenn es bedeu­tet, die chi­ne­si­schen Inves­ti­tio­nen dort abschrei­ben zu müssen.

Noch etwas kommt hin­zu: Chi­na ist erst in den letz­ten Jah­ren zur Groß­macht auf­ge­stie­gen und hat sich dabei sehr stark an den Vor­ga­ben des Wes­tens ori­en­tiert. Es erfolg­te eine star­ke inhalt­li­che Anleh­nung an den neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus, an sei­ne Wege, Metho­den und in bestimm­tem Maße sogar an das Ziel der Pro­duk­ti­on, so Hel­mut Peters.[7]

Um dem Wes­ten eine mög­lichst gerin­ge Flan­ke für sei­ne Angrif­fe zu bie­ten, beach­tet Chi­na pein­lichst genau jede Vor­ga­be der Ver­ein­ten Natio­nen und ihrer Unter­or­ga­ni­sa­tio­nen, dar­un­ter natür­lich auch der World Health Orga­niza­ti­on WHO. Die­se aber ist schon seit Jahr­zehn­ten von Bill Gates und sei­ner Bill and Melin­da Gates Foun­da­ti­on geka­pert wor­den. Da – aus wel­chem Grund auch immer – das Coro­na-Virus SARS-CoV2 zuerst in Chi­na ent­deckt wur­de, führ­te auch Chi­na die von der WHO ver­lang­ten dra­ko­ni­schen Maß­nah­men durch. Das bedeu­tet nicht zwangs­wei­se, dass es mit ihnen die glei­chen Absich­ten ver­folgt wie der Wes­ten. Es bedeu­tet auch nicht, dass chi­ne­si­sche Kapi­ta­lis­ten in eine Ver­schwö­rung zur Nie­der­hal­tung und Aus­rot­tung der Mensch­heit ver­wi­ckelt sind. Tho­mas Röper konn­te jeden­falls kei­ne Bele­ge für die­se The­se fin­den (sie­he Abschnitt 6.3).

T. Mohr schreibt:

It is thus enti­re­ly fit­ting that the slo­gan of the hig­hest point of human libe­ra­ti­on, the moment when com­mu­nism was most near­ly achie­ved by the most pro­gres­si­ve van­guard of huma­ni­ty, the Gre­at Pro­le­ta­ri­an Cul­tu­ral Revo­lu­ti­on, was and is the slo­gan of impe­ria­list finan­ce capi­tal: poli­tics in com­mand of the eco­no­my.[8]

Mei­nes Wis­sens streb­te Mao Tse-tung nicht wäh­rend der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on, son­dern wäh­rend des Gro­ßen Sprun­ges nach Vor­ne 1958 an, den Kom­mu­nis­mus in kür­zes­ter Frist ein­zu­füh­ren. Sol­che Vor­stel­lun­gen waren aber von Anfang an illu­so­risch. Der Kom­mu­nis­mus kann nur auf der Basis einer hoch­ent­wi­ckel­ten sehr pro­duk­ti­ven Wirt­schaft, nicht aber in einem armen Agrar­land errich­tet wer­den. Ein sol­ches war aber die Volks­re­pu­blik Chi­na sowohl in den 50er als auch noch in den 70er-Jahren.

Erst heu­te bestün­de auch in Chi­na die Mög­lich­keit, zum Kom­mu­nis­mus über­zu­ge­hen. Noch funk­tio­niert – im Unter­schied zum Wes­ten – der Kapi­ta­lis­mus in Chi­na. Das bedeu­tet aber noch lan­ge nicht, dass er dort auch not­wen­dig ist.

In den 50er Jah­ren woll­te Mao Tse-tung mit einem gro­ßen Sprung den Kom­mu­nis­mus errei­chen. Das war von Anfang an ein irrea­les Unter­fan­gen. Heu­te dage­gen bestehen hier­zu alle mate­ri­el­len Mög­lich­kei­ten, aber die Füh­rung der KPCh setzt auf eine kapi­ta­lis­ti­sche Expan­si­on und hat zu die­sem Zweck eine ein­hei­mi­sche Kapi­ta­lis­ten­klas­se her­an­ge­züch­tet, die mehr und mehr die chi­ne­si­sche Poli­tik bestimmt.

[1] Vgl. Spa­ni­dis, 05.11.2022, a.a.O.

[2] Vgl. Spa­ni­dis, 05.11.2022, a.a.O.

[3] Vgl. Joint State­ment: »Nein zum impe­ria­lis­ti­schen Krieg in der Ukrai­ne!«, Punkt 2, 25.07.2022, KO, im Inter­net: https://​kom​mu​nis​ti​sche​.org/​d​o​s​s​i​e​r​/​j​s​-​n​e​i​n​-​z​u​m​-​i​m​p​e​r​i​a​l​i​s​t​i​s​c​h​e​n​-​k​r​i​e​g​-​i​n​-​d​e​r​-​u​k​r​a​i​ne/, abge­ru­fen am 26.02.2023

[4] Vgl. Arnold Schölzl: Die »Imperialismus«-Inflation, 06.07.2022, jW, im Inter­net: https://www.jungewelt.de//artikel/429908.russlands-krieg-die-imperialismus-inflation.html, abge­ru­fen am 26.03.2023

[5] Vgl. Schölzl, 06.07.2022, a.a.O.

[6] Vgl. T. Mohr: Impe­ria­lism Today is Con­spi­ra­cy Pra­xis, 22.09.2022, Mag­ma, im Inter­net, https://magma-magazin.su/2022/09/t‑mohr/imperialism-today-is-conspiracy-praxis/, abge­ru­fen am 09.03.2023

[7] Vgl. Hel­mut Peters: Die Volks­re­pu­blik Chi­na aus dem Mit­tel­al­ter zum Sozia­lis­mus – Auf der Suche nach der Furt, Essen 2009, S. 486

[8] T. Mohr 24.09.2022, a.a.O.

Titel­bild: Dis­kus­si­on auf dem Impe­ria­lis­mus­kon­gress der Kom­mu­nis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on u.a. mit Han­nes Hof­bau­er (Mit­te).

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