Imperialismus und Great Reset: Eine vierte imperialistische Epoche? (Teil 7.1)

Dies ist der siebte Teil einer mehrteiligen Serie von Jan Müller zur aktuellen Imperialismusdebatte in der kommunistischen Bewegung. Sie beinhaltet folgendene Teile:

1. Einleitung & Marxsche Methode

2. Klassischer Imperialismus (1895 – 1945)

3. Der Spätkapitalismus (1945 – 1989)

4. Die expansive Phase des neoliberalen Kapitalismus (1989 – 2007)

5. Der Neoliberalismus in der Krise (seit 2007)

6. Chinas Aufstieg und der Abstieg des Westens (bis 2020)

7. Eine vierte imperialistische Epoche?

7.1 Der Great Reset

7.2 Die Klima‐​Hysterie von 2019 als Vorspiel

7.3 Die Corona‐​Hysterie von 2020 bis 2022

7.4 Der Dritte Weltkrieg

7.4.1 Der Ukrainische Kriegsschauplatz 2022

7.4.2 Der Wirtschaftskrieg gegen Russland

7.4.3 Der Wirtschaftskrieg der USA gegen Deutschland und Europa

7.4.4. Klimalockdown und Great Reset

7.4.5. Faschismus in der Ukraine, Demokratieabbau im Westen

7.4.6. Umbruch in der Weltwirtschaft

7.4.7. Die Eskalation des Krieges

8. Exkurse zur aktuellen Imperialismusdebatte

9. Perspektiven des Sozialismus auf der Erde

Die Serie kann als Broschüre im PDF‐ und Epubformat frei heruntergeladen werden.

7. Eine vierte imperialistische Epoche?

Hegel stelle zu Recht fest: »Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.«1 Damit meint er, dass man die Grundmerkmale einer Epoche erst dann erkennen kann, wenn sie abgeschlossen ist. Das gilt selbst für geniale Marxisten wie Lenin, Trotzki und Mandel. Die folgenden Aussagen sind also zwangsläufig spekulativ.

Wie eine vierte imperialistische Epoche aussieht und ob es sie überhaupt geben wird, ist alles andere als sicher. Wir sehen seit 2019 verzweifelte Versuche der Oligarchen, der allgemeinen Krise des – westlichen – Kapitalismus zu entkommen. Sie gehen dabei immer rücksichtsloser gegenüber der eigenen Bevölkerung vor. Ob sie Erfolg haben, kann heute unmöglich gesagt werden.

Allerdings gelang es den Kapitalisten in der Vergangenheit immer wieder aus den Krisen des Kapitalismus gestärkt hervorzugehen, notfalls mittels Faschismus und Weltkrieg. Zentrales Element war immer die Steigerung der Mehrwertrate durch Lohnkürzungen – direkt oder indirekt. Erst auf der Basis sprudelnder Gewinne investierten die Kapitalisten große Geldbeträge in damals neue Techniken wie Kernenergie, Ölchemie, Computer, langfristige Konsumgüter wie das Automobil und das Internet. Erst diese Investitionsschübe lösten eine Hochkonjunktur aus, die die Arbeitskräfte knapp werden ließ. Dadurch konnten die Arbeiter eine so große Verhandlungsmacht erreichen, dass sie beträchtliche Lohnerhöhungen durchsetzen konnten. Dies ermöglichte es ihnen die von ihnen produzierten Güter selbst zu kaufen. Hierdurch wurde der Aufschwung für eine gewisse Zeit selbsttragend. Bis sich das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate wieder bemerkbar machte.

Es ist anzunehmen, dass die Kapitalisten auch heute versuchen werden aus der säkularen Krise des Kapitalismus durch eine massive Steigerung der Mehrwertrate zu entkommen. In diesem Sinne könnten die Ereignisse wie die Klima‐​Hysterie von 2019, die Corona‐​Hysterie von 2020 bis 2022, der Ukrainekrieg ab 2022 und der Wirtschaftskrieg der USA gegen Europa 2022 interpretiert werden. Allen diesen Ereignissen ist gemeinsam, dass die Bevölkerung des Westens Ultraschocks ausgesetzt wird, die bewirken, dass sie eine radikale Absenkung des Lebensstandards hinnimmt. Nach einer Periode von vielleicht 10 bis 15 Jahren würde sich erneut ein selbsttragender Aufschwung auf kapitalistischer Grundlage einstellen, gestützt auf die neuen Leitsektoren Biotechnologie und regenerative Energieerzeugung und zusätzlich befeuert durch die Wiederaufbaukonjunktur der vorher kontrolliert zerstörten europäischen Industrie. Das ist zumindest die Hoffnung einiger Beobachter dieser Entwicklung wie der Historikerin Andrea Komlosy.2

Die Voraussetzung für einen solchen Aufschwung wäre, dass zumindest auf globaler Ebene die Anzahl der ausgebeuteten Lohnarbeiter zunimmt, so wie das nach 1945 und 1989 passiert ist. Aber die Oligarchen glauben selbst nicht an eine solche Entwicklung. Ganz im Gegenteil gehen sie davon aus, dass die enorm produktive Industrie 4.0 den größten Teil der heutigen Arbeiter außer Kurs setzen und zu Almosenempfängern degradieren würde. Als größtes Problem der Gegenwart sehen sie die Frage, was mit diesen – aus Sicht des Kapitals – überflüssigen Menschen geschehen soll. Die westlichen Oligarchen wollen ihren Reichtum und ihre Macht dennoch behalten. Aber sie nehmen offenbar Kurs auf eine neue Produktionsweise, die nicht mehr den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten entspricht. Damit lassen sich die Ereignisse nach 2019 besser erklären als Versuche, einen Aufschwung auf kapitalistischer Grundlage zu erreichen.

Dennoch wäre ein neuer kapitalistischer Aufschwung theoretisch möglich, aber nur dann, wenn China die USA als führende Weltmacht ablöst (siehe dazu Abschnitt 7.4.6.).

7.1. Der Great Reset

Bei dem Great Reset handelt es sich keinesfalls um eine Verschwörungstheorie, wie Faktenchecker und Mainstreammedien unablässig behaupten, sondern um eine Initiative des World Economic Forums, dem Diskussionsforum der reichsten Männer der Welt. Zugleich ist The Great Reset auch der englische Titel des 2020 erschienenen Buches Covid‐​19 – Der große Neustart von Klaus Schwab und Thierry Malleret. Klaus Schwab ist bekanntlich Gründer und Direktor des World Economic Forum. Schwab ist selbst kein Milliardär, sondern nur Millionär. Seine Rolle ist demnach nicht die eines Machers, sondern wohl eher die eines Moderators und Diskussionsleiters.

Im Folgenden soll unter Great Reset der zentrale Plan unserer Oligarchen verstanden werden, die säkulare Krise des Kapitalismus durch eine verschärfte Ausbeutung zu überwinden. Sie verschweigen ihre teilweise monströsen Pläne auch gar nicht. Während Schwabs Buch Covid‐​19 – Der große Neustart noch in einer blumigen, wolkigen Marketingsprache gehalten ist, redet der israelischen Historikers Yuval Noah Harari in seinem Buch Homo Deus von 2016 Klartext. Die Oligarchen können sich das leisten, wissen sich doch genau, dass die Medien sie gegen jede Kritik abschirmen werden. Auch Harari ist ein Liebling und Dauergast im World Economic Forum.

Viele Linke erklären die Beschäftigung mit dem World Economic Forum und dem Great Reset schlankweg zur Verschwörungstheorie. Auch noch so reiche Kapitalisten hätten niemals so viel Macht, um die Geschicke der Welt bestimmen zu können, heißt es.

Eine solche Aussage mag für den Kapitalismus der freien Konkurrenz (bis 1895) zutreffen. Aber war nicht bereits die Bildung von Monopolen im klassischen Imperialismus eine »Verschwörung«, um den Wettbewerb in einer bestimmten Branche auszuschalten? Die Zentralisation des Kapitals nahm in den folgenden Jahrzehnten immer weiter zu. Gegenwärtig besitzen die im World Economic Forum organisierten wenigen 100 Kapitalisten einen großen Teil des Reichtums dieser Erde und ihr Vermögen wächst weiterhin rasant. Das sind Dimensionen, wo auch persönliche Absprachen und Abstimmungen problemlos möglich sind. Erleichtert werden diese Absprachen noch dadurch, dass Blackrock und Co. im Kern der westlichen Industrie ohnehin schon ein gigantisches Monopol aufgerichtet haben.

Nicht die Beschäftigung mit den Plänen der Eliten ist irre, sondern diese Pläne selbst sind es. Sie sind jedenfalls von einer Skrupellosigkeit und Eiseskälte geprägt, die jedem normalen Menschen den Atem rauben. Das zu erkennen ist eine Zumutung. Aber die aufeinanderfolgenden Schockwellen von der Klima‐​Hysterie von 2019 bis zum Ukrainekrieg 2022 lassen keine andere Schlussfolgerung zu, als dass ihre Ursachen im Kern der kapitalistischen Produktionsweise zu suchen sind. Nur so lassen sich die auf den ersten Blick absurden Ereignisse und scheinbar hanebüchenen Fehlleistungen von Politikern, Wissenschaftlern und Medien erklären.

Da diese Pläne der globalen Elite von vielen Linken rundweg abgestritten werden, sollen im Folgenden anhand der Büchern Die Vierte Industrielle Revolution, Covid‐​19 – Der große Neustart von Schwab und Homo Deus von Yuval Noah Harari genauer beschrieben werden. Darauf folgenden dann die Beschreibungen der Klima‐​Hysterie von 2019, der Corona‐​Hysterie von 2020 bis 2022 und des Dritten Weltkrieges ab 2022, von dem der Ukrainekrieg nur einer von vielen Kriegsschauplätzen ist. Sie werden verstanden als Schritte, die Pläne der Oligarchen umzusetzen.

7.1.1. Die Vierte Industrielle Revolution

Klaus Schwab und die im World Economic Forum zusammengeschlossenen Oligarchen gehen davon aus, dass wir mitten in einer Vierten Industriellen Revolution stehen.3

Die Periodisierung der Industriellen oder Wissenschaftlich‐​Technischen Revolutionen stimmen nicht mit den entsprechenden marxistischen Definitionen überein (siehe dazu Kapitel 2). Das ist auch kein Zufall, denn Schwab und Co. haben einen Tunnelblick auf den technischen Fortschritt entwickelt, der nur bestimmte Felder wahrnimmt und andere komplett ausblendet.

Die Vierte Industrielle Revolution begann laut Schwab an der Jahrtausendwende. Ihre Merkmale sind das mobile Internet, das Internet der Dinge, basierend auf kleinen leistungsfähigere Sensoren, Künstliche Intelligenz, Robotik und 3D‐​Druck, sowie Durchbrüche im Bereich der Biotechnologie, hier insbesondere die Genscheren der CRISPR‐Technik.

Die in Deutschland diskutierte Industrie 4.0 ist nach Schwab ein Teilbereich der Vierten Industriellen Revolution. Sie beabsichtigt die Verzahnung der industriellen Produktion mit digitalen Technologien zum Zweck der Optimierung globaler Wertschöpfungsketten. Dies ermöglicht es, Produkte vollständig gemäß den Kundenwünschen zu gestalten. Allerdings zeigt Schwab in der Folge keinerlei Interesse an physischer Produktion.

Schwab behauptet, die Vierte Industrielle Revolution laufe mit exponentieller Geschwindigkeit ab, verknüpft vielfältige Technologien und gehe mit der Transformation ganzer Gesellschaften einher.4 Weitere Entwicklungen, die in Kürze einsatzbereit sein sollen, sind Nanotechnologien, neue Materialien wie Graphen und Quantencomputer.

Es werden Firmen mit disruptiven Geschäftsmodellen auftreten. Als Beispiele nennt er AirBnB und Uber. Das sind beides Firmen, welche die Verarmung der Beschäftigten in immer neue Höhen getrieben und in Kalifornien zu einer Epidemie der Obdachlosigkeit auch des Mittelstandes geführt haben.

Überhaupt werden Arbeiter die Verlierer der Vierten Industriellen Revolution sein. Nach einer von Schwab zitierten Studie werden in 20 Jahren in den USA 47 Prozent der Arbeitsplätze verschwinden und durch Roboter ersetzt werden. Die KIs sollen auch hochkomplexe geistige Arbeiten übernehmen können. Schwab geht davon aus, dass Mitte der 20er Jahre 90 Prozent aller in den Medien erschienenen Texte von Robotern erstellt werden und zwar ohne dass ein Mensch in irgendeiner Weise daran beteiligt wäre. Hochkomplexe Algorithmen können laut Schwab Texte in jedem beliebigen, auf eine bestimmte Leserschaft zugeschnittenen Stil erzeugen.

Die Festanstellung gehört der Vergangenheit an. Genau wie das Uber und Co. schon praktizieren, werden die letzten noch nicht automatisierbaren Arbeiten von Scheinselbständigen ohne jede soziale Absicherung erledigt werden, die sich mühsam von Projekt zu Projekt hangeln und am Ende doch auf der Strecke bleiben, weil sie von jüngeren und leistungsfähigeren Konkurrenten ausgestochen werden.5

Die Menschen müssen zudem zugunsten des Klimas auf ihren liebgewordenen Konsum verzichten. Wenn sie das nicht freiwillig tun, sollten sie dazu gezwungen werden:

Drittens können neue Informationsflüsse und zunehmende Transparenz dazu beitragen, dass Bürger ihr Verhalten verändern, um es den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Normen für ein nachhaltiges Kreislaufsystem anzupassen.

Gemeint ist mit diesen Sätzen, dass den normalen Menschen ein fixes, recht niedriges Kohlenstoffbudget zugeteilt werden kann, dass sie nicht überschreiten dürfen. Dies kann zum Beispiel mit der Ausgabe einer Kohlenstoffkarte realisiert werden.6

Schwab nennt an einer Stelle seines Buches mehrere besonders nachahmenswerte Projekte »Urbaner Innovationen«. Sie zeigen anschaulich, wie abwegig und menschenfeindlich das ist, was Schwab und die Milliardäre des WEF als technischen Fortschritt ausgeben. Hier soll nur der digital umprogrammierbare Raum als Beispiel angeführt werden:

Die Nutzung von Gebäuden wird sich im Handumdrehen verändern lassen – vom Theater zur Sporthalle zur Begegnungsstätte zum Nachtclub usw. Dies würde den urbanen Fußabdruck insgesamt verkleinern und Städten ermöglichen, aus weniger mehr zu machen.7

Öffentliche Einrichtungen sind auf eine bestimmte Nutzung optimiert und entsprechend gebaut. Es ist nicht ersichtlich, wie das durch eine digitale Programmierung geändert werden könnte. Es wäre zwar denkbar, Allzweckgebäude zu bauen, aber sie würden keine optimale Nutzung, zum Beispiel als Theater oder Sporthalle, ermöglichen. Außerdem wäre natürlich nur eine Nutzung pro Zeiteinheit möglich. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Handballspiel stattfindet, müsste das Theater eben für den Abend pausieren. Letztlich schlägt Schwab vor, die öffentliche Infrastruktur massiv zurückzubauen.

Wie gesagt, Schwab und die westlichen Oligarchen haben einen Tunnelblick auf den menschlichen Fortschritt und er interessiert sie im Grunde genommen nur auf zwei Feldern: Computer und Künstliche Intelligenz einerseits sowie Biotechnologie andererseits.

Das große Feld der Energieversorgung wird total ausgeblendet. Da Schwab ein Anhänger des Klimanarrativs ist, ist davon auszugehen, dass er sich die Zukunft der Energieversorgung ausschließlich durch erneuerbare Energien, also Windkraft und Photovoltaik vorstellt. Da diese weitaus weniger leistungsfähig sind als das bisherige Energiesystem, bleibt für die einfachen Menschen nicht viel übrig. Aber ihr Lebensstandard wird ja ohnehin sinken, so die »Prophezeiung« von Schwab.

Von all den aufgezählten technologischen »Durchbrüchen« haben normale Menschen kaum Vorteile sondern nur Nachteile in Form von Arbeitsplatzverlusten durch KI und Roboter und einer lückenlosen Überwachung.

Es ist bezeichnend, welche Bereiche eines möglichen technischen Fortschritts Schwab nicht nennt:

  1. Energieerzeugung: Fortschrittliche Kernspaltungsreaktoren wie der Dual‐​Fluid‐​Reaktor, der Schnelle Brüter und die Kernfusion
  2. Künstliche Kohlenwasserstoffe als CO2-freies Benzin
  3. Plasmavergasung zum unbegrenzten Recycling aller Rohstoffe
  4. Atomschiffe und Atomeisbrecher
  5. Hochgeschwindigkeitszüge
  6. Vertikale Landwirtschaft und Kunstfleisch
  7. Wiederbewaldung der Sahara
  8. Passagierüberschallflugzeuge wie die Concorde und die Tu‐144
  9. Tragflügel‐ und Luftkissenboote
  10. Mondstationen
  11. Marslandungen

Viele dieser Erfindungen könnten zu einen Überfluss an billiger Energie führen und das ganz ohne den Ausstoß von CO2. Sie würden damit die Lebensverhältnisse aller Menschen wesentlich verbessern und zugleich viele sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Sie würden zudem die physische Mobilität wesentlich beschleunigen und den Gütertransport verbilligen.

An all dem haben die Oligarchen keinerlei Interesse. Bei Diskussionen innerhalb der Eliten wird das auch gar nicht verschwiegen. So sagte der bekannte Elitenberater Jeremy Rifkin: »Die Aussicht billiger Fusionsenergie ist das schlimmste was dem Planeten passieren könnte.«8 Man will also gerade nicht, dass es den Menschen zu gut geht.

Da Schwab und mehr noch die hinter ihm stehenden Oligarchen über sehr viel Macht verfügen, ist das Szenario der Vierten Industriellen Revolution keine reine Vorhersage, sondern vielmehr eine Ansage: So und nicht anders wird die Zukunft aussehen. Stellt euch gefälligst darauf ein!

7.1.2. Die Neue Normalität

Schwab und die hinter ihm stehenden Oligarchen sehen in der Corona‐​Pandemie eine wunderbare Möglichkeit, die Ziele der Vierten Industriellen Revolution auch gegen den Willen der Menschen durchzudrücken. Die Pandemie kam für diese Herrschaften zum bestmöglichen Zeitpunkt so dass man den Verdacht haben könnte, dass nachgeholfen wurde. Hierfür gibt es in der Tat zahlreiche Hinweise.

Die wuchtige Einleitung von Covid‐​19 – Der große Neustart, geschrieben von jemandem mit viel realer Macht oder zumindest mit viel Einblick in die Pläne der Mächtigen, lässt durchaus erkennen, wohin die Reise geht. Schwab schrieb Mitte 2020 zur Coronakrise:

Viele von uns fragen sich, wann sich die Dinge wieder normalisieren werden. Die kurze Antwort lautet: niemals. Nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor. Die Normalität in dem Sinne, wie wir sie kannten, ist zu Bruch gegangen und die Coronavirus‐​Pandemie stellt einen grundlegenden Wendepunkt auf unserem globalen Kurs dar.

Die Welt, wie wir sie in den ersten Monaten des Jahres 2020 kannten, gibt es nicht mehr, sie hat sich im Kontext der Pandemie aufgelöst. Es kommen derart radikale Veränderungen auf uns zu, dass manche Experten bereits von der Zeit ‚vor Corona‘ (BC) und ‚nach Corona‘ (AC) sprechen.9

Das war eine klare Ansage. In der alten Normalität konnten immerhin die meisten Menschen einigermaßen ein Auskommen finden – auch wenn das immer schwieriger wurde.

In ihrem Buch hofften Schwab und Malleret offenbar noch, dass die Pandemie, genauer die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung, wie eine Bombe auf die Weltwirtschaft wirken würden. Sie gingen aus von:

  1. Einem Wirtschaftsabschwung von 20 bis 30 Prozent.
  2. Einer Arbeitslosigkeit von 25 Prozent der Bevölkerung und mehr.
  3. Dass das Virus, genauer gesagt die Maßnahmen zu seiner Bekämpfung, bis zu einem Prozent der Weltbevölkerung töten würden.10

Es würde ihrer Meinung nach Jahre dauern, bis in den meisten Ländern die Gesamtgröße der Wirtschaft wieder den Stand vor der Pandemie erreicht.

Ein solcher Ultraschock wäre nur denkbar bei jahrelangen strengsten Lockdowns, wie sie Argentinien, Australien und Neuseeland tatsächlich durchgeführt hatten. In den meisten anderen Ländern verhinderten zahlreiche, vom WEF wohl nicht erwartete Proteste, dass es so weit gekommen ist. Auch wurden zahlreiche im März 2020 wie aus dem Nichts aufgetauchte Behandlungsempfehlungen von Covid‐​19‐​Kranken wie eine rasche invasive Beatmung und fehlerhafte Medikamentenverordnungen aufgrund ärztlicher Interventionen schließlich aufgegeben, was allein die Todesrate des Virus erheblich absenkte.

Wirtschaftliche Veränderungen sahen Schwab und Malleret als Folge der Pandemie vor allem in drei Bereichen:

  1. Absenkung des realen Lebensstandards der Menschen
  2. Eine zunehmende Digitalisierung und Automatisierung, was zwangsläufig zu massiven Arbeitsplatzverlusten auch nach der Pandemie führt
  3. Decoupling zwischen dem Westen und China

7.1.3. Reallohnabsenkungen

In blumigen Worten beschreiben Schwab und Malleret, dass wir alle eigentlich zu gut gelebt hätten und dass die Covid‐​19‐​Krise die ideale Gelegenheit sei, unseren Konsum abzusenken. Dies sei aufgrund des Klimas dringend geboten.

Zu diesem Zweck wurde bewusst eine Schockstrategie genutzt, was Schwab und Malleret auch zugeben:

Monatelang drehten sich alle Nachrichten in den Medien fast ausschließlich um das Coronavirus und waren damit zwangsläufig praktisch immer schlechte Nachrichten. Unerbittliche Berichte über Todesfälle, Ansteckungen und all die anderen Dinge, die schiefgehen könnten, sorgten zusammen mit emotional aufgeladenen Bildern dafür, dass unsere kollektive Phantasie in der Sorge um uns selbst und unsere engsten Angehörigen verrücktspielte. Eine solch beunruhigende Atmosphäre hatte katastrophale Auswirkungen auf unser psychisches Gleichgewicht.11

Diese mediengemachten Ängste wurden durch ganz reale Auswirkungen der Lockdowns wie Einkommens‐ und Arbeitsplatzverlusten weiter verstärkt. Ausgangsbeschränkungen, Social Distancing‐ und räumliche Abstandsregeln haben die sozialen Beziehungen der Menschen weitgehend zum Erliegen gebracht. Das geschah genau zu den Zeiten, wo die Menschen diese Beziehungen am meisten gebraucht hätten. Rituale wie Händeschütteln, Umarmungen, Küsse und vieles andere wurde unterbunden. Einsamkeit und Isolation waren die Folge. Wie der Science‐​Fiction‐​Autor William Gibson feststellte: »Unsere Welt stülpt sich um.«12

Kein Virus hat allerdings Medien und Regierungen gezwungen, andauernd Panik zu verbreiten und die sozialen Beziehungen der Menschen stillzulegen. Es handelte sich vielmehr um eine bewusste Strategie, wie unter anderem das Panikpapier aus dem Bundesinnenministerium zeigt. Das kollektive seelische Wohlbefinden der Menschheit wurde also bewusst angeknackst.

Diese Situation soll genutzt werden, um die Menschen auf andere gesellschaftliche Prioritäten einzustellen. Die Menschen sollen in dieser Krisensituation zu der Einsicht kommen, dass andere Dinge wichtiger seien als der Konsum. Sie sollen erkennen, dass die mit Umweltzerstörung und Klimawandel verbundenen Risiken nicht mehr tragbar sind und eine einschneidende Konsumreduzierung erfordern. Denn übermäßiger Konsum sei weder gut für den Einzelnen noch für den Planeten.13 Dies predigen Schwab und Malleret zu einer Bevölkerung, die ökonomisch kaum noch über die Runden kommt!

Schwab und Malleret behandeln auch die Forderung nach »Degrowth« beziehungsweise Wachstumsrücknahme oder Postwachstum mit großer Sympathie. Ebenfalls Zustimmung findet Aktivismus von Jugendlichen, wenn er sich aus Sicht des WEF auf die »richtigen« Ziele richtet, wie den Kampf gegen den Klimawandel, Geschlechtergleichheit und LGBTQ‐Rechte.

Schwab und Malleret drücken ihre Hoffnung aus, dass nach den Lockdowns Klimaaktivisten ihre Anstrengungen verdoppeln werden und noch stärkeren Druck auf Unternehmen und Regierungen ausüben.

Dabei könnten sie von Investoren unterstützt werden. Folgendes Szenario wäre denkbar: Eine Gruppe grüner Aktivisten könnte ein Kohlekraftwerk besetzen und seine Stromproduktion zum Erliegen bringen, während gleichzeitig Investoren wie Blackrock im Sitzungssaal einer Aktionärsversammlung dasselbe tun, indem sie dem Werk den Zugang zu Kapital entziehen und es so stilllegen. Darüber, dass dann Millionen Menschen wortwörtlich im Kalten sitzen, wenn die Stromerzeugung mit Fernwärme gekoppelt ist, machen sich Schwab und Co. keine Gedanken.14

Die Pandemie und die Lockdowns sollen gezielt genutzt werden, um die Menschen auf eine »umweltfreundliche« Lebensweise, auf ein einfacheres Leben mit einer weitaus geringeren Mobilität einzustellen: Weniger Auto fahren und fliegen, weniger heizen, Urlaub nur in der Nähe des Wohnortes, mehr im Homeoffice arbeiten.15

Zum einen schärfe die Krise das Risikobewusstsein auch im Bereich des Klimas, zum anderen gewöhne die harten Lockdowns die Menschen daran, den Anordnungen der Regierungen klaglos zu gehorchen

Es habe sich gezeigt, dass die CO2-Reduktion selbst durch harte Lockdowns viel zu gering war. Wir bräuchten statt dessen:

  • eine radikale und tiefgreifende Systemveränderung der Art und Weise, wie wir die Energie erzeugen, die wir zum Leben benötigen. Gemeint ist damit der enorm teure Umbau der Energieinfrastruktur auf Windkraft‐ und Solaranlagen. Dieser extrem teure Umbau wäre dann weitaus weniger leistungsfähig als die bisherige Infrastruktur, die auf Kernenergie und Kohle basiert.
  • Der Rückbau der Energieinfrastruktur erzwingt strukturelle Veränderungen in unserem Konsumverhalten. Viele heute selbstverständliche Konsumgüter werden in Zukunft nur noch den Reichen zur Verfügung stehen.

Covid‐​19 bot auch die einmalige Chance, diese »nachhaltigen« Umweltstrategien umzusetzen. Das ist nachvollziehbar, wurden doch die Menschen durch ständige Horrornachrichten in den Medien über die »gefährliche Seuche« abgelenkt. Da war es viel einfacher, unpopuläre Gesetzesvorhaben durch die Parlamente zu peitschen. So wurde das europäische Klimaschutzgesetz mitten im Getöse um den kommenden zweiten Lockdown am 7. Oktober 2020 in einer verschärften Fassung vom EU‐​Parlament verabschiedet. Irgendwelche öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr das Gesetz nicht, obwohl seine Auswirkungen gravierend sein werden.

Die Übernahme des CO2-Narrativs dient nicht nur dem Zweck, den Lebensstandard der Bevölkerung abzusenken, sondern mit ihm sollen auch beträchtliche Profite generiert werden. Für den Green New Deal stellt die EU beispielsweise 900 Milliarden Euro zur Verfügung, die von den Steuerzahlern in die Taschen der Oligarchen gelenkt werden. Das sind Profite ohne jedes Risiko.

Die Lockdowns sind offenbar bewusst so zugeschnitten worden, dass sie die Menschen von Dingen entwöhnen, auf die sie in Zukunft ohnehin verzichten sollen.

Besonders heftig wurden die Bereiche Kultur, Reisen und Mobilität getroffen. Zunächst wurden die Menschen für Monate in ihren Wohnungen eingesperrt, alle touristischen und kulturellen Einrichtungen geschlossen. Im Sommer 2020 wurden sie – nach 4 Monaten Lockdown – wieder geöffnet aber so, dass ihre Benutzung für die Menschen maximal unbequem ist: Maskenpflicht, Abstandsgebote, massiv verringerte Kapazitäten, Hygienekonzepte. Auch das Fliegen wurde durch Maskenpflicht, penible Kontrollen und verringerte Kapazitäten auf den Flughäfen für die Menschen zu einer großen Qual gemacht. Sogar Parkplätze von beliebten Naherholungsgebieten wie dem Harz oder dem NSG Kühkopf in Hessen wurden von der Polizei abgeriegelt. Zudem mussten die Menschen, die im Ausland Urlaub machten, eine zweiwöchige Quarantäne einhalten – was Hausarrest bedeutete.

Schwab und Malleret machen brutal klar: »Für manche Branchen, wie Unterhaltung, Tourismus oder das Hotel‐ und Gaststättengewerbe, ist eine Rückkehr in eine Situation, wie sie vor der Pandemie bestand, in absehbarer Zeit unvorstellbar.«16

In vielen dieser Branchen, vor allem aber im Hotel‐ und Gaststättengewerbe und im Einzelhandel, werden kleine Unternehmen unverhältnismäßig stark betroffen sein und besonders schnell verschwinden. Denn sie haben eine geringere Kapitaldecke und geringere Rücklagen als Großunternehmen. Damit wird auch der Mittelstand wesentlich reduziert. Ihr Verschwinden wird auch für die Gemeinden und Städte etwa durch den Ausfall von Gewerbesteuern schmerzhaft zu spüren sein. Zugleich steigt die Arbeitslosigkeit und damit geht die Konsumneigung der Bevölkerung zurück.

Überleben und florieren werden hingegen die großen Ketten wie Deliveroo, die von Restaurants und Konsumenten gleichermaßen Tribute einziehen. Wir erinnern uns: Deliveroo verlangt 25 Prozent des Umsatzes der angeschlossenen Restaurants. In normalen Zeiten hätte kaum ein Restaurant‐​Inhaber diesem unverschämten Ansinnen zugestimmt und Deliveroo schrieb rote Zahlen. In Zeiten der Pandemie sah das völlig anders aus. Der Staat schloss alle Restaurants zwangsweise. Wer überleben wollte, musste sich dem erpresserischen Angebot von Deliveroo beugen, auch wenn das ein Dahinvegetieren auf Hartz‐​IV‐​Niveau bedeutete. Staatlicher Zwang verschafft also einer Handvoll Oligarchen sichere Profite ohne jedes Geschäftsrisiko. Offenbar soll in Zukunft die gesamte Wirtschaft nach dem Modell Deliveroo funktionieren.

Auch Kinos und Theater werden keine Zukunft mehr haben. Fluggesellschaften, Flugzeug‐ und Automobilhersteller, Messen sowie Mietwagenfirmen werden weitgehend verschwinden. Gemeinsamer Nenner dieser Veränderungen ist, dass die Menschen dauerhaft mehr Zeit bei sich zuhause verbringen werden, sowohl um von dort zu arbeiten als auch um ihre Freizeit zu verbringen. Sogar die Bildung soll in Zukunft im Wesentlichen per Telelearning erfolgen. Das gilt sowohl für Schul‐ als auch für Universitätsbildung. Die Präsenzlehre bei letzteren wird weitgehend verschwinden. Denn die Menschen werden sich die hohen Studiengebühren besonders in den USA in einer Welt, die nach Covid‐​19 in einer Wirtschaftskrise feststeckt, schlichtweg nicht mehr leisten können. Präsenzmedizin wird durch Telemedizin ersetzt werden.

Auch Yuval Noah Harari schreibt in brutaler Offenheit, dass die meisten Länder erst noch wirkliche ökonomische und politische Opfer bringen müssen, um die Lage des Klimas zu verbessern.17

Quasi nebenher erklärt Harari auch noch, warum die Kapitalisten seit 1989 der Arbeiterklasse keinerlei Konzessionen mehr machen:

Eine Flut an billigen Autos, Kühlschränken, Klimaanlagen, Staubsaugern, Geschirrspülern, Waschmaschinen, Telefonen, Fernsehern und Computern veränderte [nach dem Zweiten Weltkrieg] das Alltagsleben so sehr, dass es fast nicht mehr wiederzuerkennen war. Doch Studien haben gezeigt, dass das subjektive Wohlbefinden der Amerikaner in den 1990er Jahren nicht wirklich höher lag als in den 1950er Jahren. […] Die schlechte Nachricht ist, dass sich die Lage zwar verbessert hat, gleichzeitig aber die Erwartungen förmlich explodiert sind. Dramatische Verbesserungen der Lage, wie die Menschheit sie in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, übersetzen sich eher in größere Erwartungen denn in größere Zufriedenheit. Wenn wir daran nichts ändern, dürften uns unsere künftigen Errungenschaften so wenig zufriedenstellen wie eh und je.18

Mit anderen Worten: Die Arbeiter sind unersättlich und durch materielle Konzessionen nicht zufriedenzustellen. Jeder Erfolg spornt sie nur dazu an, noch mehr zu verlangen. Das ist offenbar die Schlussfolgerung, die die Kapitalisten aus den Ereignissen des Jahres 1968 gezogen haben.

Hararis Lösung lässt einem freilich das Blut in den Adern gefrieren: »Vergessen Sie Wirtschaftswachstum, Sozialreformen und politische Revolutionen – um das globale Glücksniveau zu steigern, müssen wir die Biochemie des Menschen manipulieren.«19 Das heißt, die Menschen sollen mit Psychopharmaka ruhig gestellt werden. Freilich dürfen nur solche Drogen eingesetzt werden, die Staat und Kapital hierfür vorgesehen haben. Cannabis, LSD und Extasy zum Beispiel betrachtet Harari als existenzielle Bedrohung für die kapitalistische Gesellschafts‐ und Wirtschaftsordnung. Der Krieg des Staates gegen diese Drogen sei gerechtfertigt.20

In Zukunft, meint Harari, werden elektrische Reize direkt an entsprechende Stellen im Gehirn gesendet um bei den Menschen Glücksgefühle auszulösen oder unsere Körper werden genetisch so verändert, dass sie bewusst Glückshormone ausschütten können.

7.1.4. Zunehmende Digitalisierung

Schwab und Malleret berauschen sich richtiggehend an der Macht, die die Staaten und damit auch die Oligarchen durch die Pandemie gewonnen haben. Endlich kann die Digitalisierung rücksichtslos vorangetrieben und die »träge Bevölkerung« zur Nutzung der Angebote der Plattform‐​Ökonomie wie Amazon gezwungen werden.

Die, so Schwab, von der Pandemie ausgelöste Rezession wird die Kapitalisten zudem veranlassen, verstärkt lebendige Arbeit durch Roboter und andere »intelligente« Maschinen zu ersetzen. Die Arbeitslosigkeit wird also dauerhaft hoch bleiben und tendenziell zunehmen.

Vor Covid‐​19 wurden schrittweise neue, auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Technologien eingeführt, um bestimmte, bisher von menschlichem Personal ausgeführte Aufgaben zu automatisieren. Die Lockdowns und das Social Distancing haben diese Entwicklung forciert. Auch nach Beendigung der Pandemie werden Social Distancing‐​Maßnahmen in der einen oder anderen Form fortbestehen. Deshalb werden Unternehmen gezwungen sein, die Digitalisierung weiter zu beschleunigen. Das ist für Unternehmen inzwischen zu einem Muss geworden – in vielen Fällen zu einer Überlebensfrage. Innerhalb eines Monats wurde Fortschritte gemacht, die in normalen Zeiten Jahre oder Jahrzehnte gebraucht hätten.

Beschäftigte mit niedrigem Einkommen, die Routinearbeiten ausführen, sind von dieser Entwicklung am stärksten betroffen. Der Arbeitsmarkt wird sich polarisieren zwischen wenigen gut bezahlten Arbeitsplätzen und vielen Jobs, die von der Bildfläche verschwinden.

Das gilt erst recht für die Branchen Restaurants, Einzelhandel und Unterhaltung. Bis zum Jahr 2035 werden nach Schwab dort zwischen 59 und 86 Prozent aller Arbeitsplätze abgebaut und durch Roboter ersetzt worden sein.

In Zukunft werden nach Schwab vor allem folgende Branchen florieren: Roboter und Automatisierung, IT und künstliche Intelligenz sowie Biotechnologie. Die Spitzentechnologie (Big Tech) aus dieser Zeit des radikalen Wandels als größter Nutznießer hervor. Während der Pandemie wurde die Anschaffung von IT‐​Technik zu einer absoluten Notwendigkeit, selbst bei traditionell eher zurückhaltenden Kunden. Deshalb brach der Marktwert der führenden Technologieunternehmen während der Lockdowns einen Rekord nach dem anderen.

Es kam zu einer dauerhaften Ausweitung der digitalen Welt. Das zeigte sich unter anderem in der Forcierung von Online‐​Gesprächen, Streaming und sonstigen digitalen Inhalten. Dazu Schwab:

Während der Lockdowns sahen sich viele Verbraucher, die bisher im täglichen Umgang mit digitalen Apps und Diensten eher zögerlich waren, praktisch über Nacht gezwungen, ihre Gewohnheiten zu ändern: Filme online anschauen, statt ins Kino zu gehen, sich Mahlzeiten liefern lassen, statt auswärts zu essen, mit Freunden online sprechen, statt sie persönlich zu treffen, mit Kollegen über einen Bildschirm kommunizieren, statt an der Kaffeemaschine zu plaudern, Online‐​Training statt ins Fitnessstudio zu gehen, usw. Und so wurden die meisten Dinge fast von einem Moment auf den andern zu internetbasierten ‚E‑Dingen‘: E‑Learning, E‑Commerce, E‑Gaming, E‑Books, E‑Attendance.21

Die Menschen werden sich laut Schwab an diese Dinge gewöhnen müssen, denn sie mögen zwar etwas weniger Spaß machen als die realen, aber sie sind sicherer und vor allem billiger und umweltfreundlicher.

Video‐​Konferenzen, Telemedizin und Homeoffice werden nicht mehr umkehrbar sein − für sie wird es keine Rückkehr zum Status quo vor Corona geben. »In Großbritannien fanden 2019 weniger als 1 Prozent der medizinischen Erstkonsultationen über Online‐​Videoverbindung statt; unter dem Lockdown sind es 100 Prozent.«22

Das Social Distancing wird nach Schwab dazu beitragen, dass der elektronische Handel (E‑Commerce) einen immer größeren Anteil am Handel insgesamt für sich erreichen kann. Während der Lockdowns hatten die Menschen keine andere Alternative – jetzt wird es zur Gewohnheit. Der Einzelhandel dagegen wird immer weiter unter Druck geraten und aus den Stadtzentren verschwinden. Beschleunigt wurde dieser Trend durch zahlreiche Vorschriften wie Maskenpflichten und einer Quadratmeterbegrenzung, was bewirkte, dass die Verkaufsfläche nur noch unzureichend ausgenutzt werden kann.

7.1.5. Decoupling von China

Die Pandemie habe auch die Verwundbarkeit von weit ausgedehnten Lieferketten gezeigt. Die unvermeidliche Deglobalisierung wird im Herzen ihres »Kernreaktors« stattfinden, nämlich der weltweiten Lieferketten, die zum Sinnbild der Globalisierung geworden sind.23 Bisher galt das Prinzip, dass Unternehmen ihre Lieferketten auf der Grundlage der Kosten einzelner Komponenten und in Abhängigkeit von einer einzigen Lieferquelle für kritische Materialien stets optimieren sollen. Dieses Modell sei an seine Grenzen gestoßen:

Es hat die internationale Produktion in immer kompliziertere Einzelteile aufgesplittert und zu einem Just‐​in‐​time‐​System geführt, das sich als äußerst schlank und effizient, aber auch als überaus komplex und als solches sehr anfällig erwiesen hat (Komplexität bringt Fragilität mit sich und führt häufig zu Instabilität).24

Gefordert wird ein weitaus resilienteres Modell mit kürzeren Lieferketten. Schwab und Malleret verschweigen nicht, dass es im Kern um eine sorgfältige und umfassende Abkopplung von China geht. Es ist offensichtlich, dass die Pandemie nur als Vorwand für dieses Vorhaben dient.

7.1.6. Vom Homo sapiens zum Homo deus

Schwab und Malleret beschreiben, wie die Oligarchen die Pandemie für eine globale Schockstrategie nutzen. Yuval Noah Harari hat einen weiteren Blick. Er gibt offenbar die Zukunftsvorstellungen der westlichen Kapitalistenklasse relativ genau wieder. Auch wenn sich seine Ausführungen wie der Fiebertraum eines Wahnsinnigen lesen, geben sie wertvolle Hinweise darauf, auf welche Felder die Oligarchen den technischen Fortschritt lenken wollen und wie ein erneuter kapitalistischer Aufschwung ihrer Meinung nach aussehen kann.

Dieser Aufschwung soll auf der Biotechnologie basieren. Harari geht davon aus, dass die Menschen – eigentlich meint er nur die wenigen Superreichen – danach streben werden, den Tod zu überwinden und eine Macht zu erlangen, die sie Göttern gleichsetzt. Er bestreitet nicht, dass das ein ehrgeiziges Ziel ist. Es kann gut sein, dass es bis 2100 dauert es zu erreichen. Aber wenn man die Bedürfnisse der kapitalistischen Ökonomie berücksichtigt, dann scheint ein unerbittlicher Kampf gegen den Tod unausweichlich. Der Wissenschaftsbetrieb und die kapitalistische Ökonomie werden überglücklich sein, diesen Kampf voranzutreiben. Den meisten Forschern und Bankern ist es egal, woran sie arbeiten. Hauptsache, es eröffnet ihnen die Chance auf neue Entdeckungen und größere Gewinne, schlussfolgert Harari.25

Wie wir gesehen haben, konzentriert sich der Reichtum dieser Erde immer stärker bei ganz wenigen Milliardären. Harari stellt fest:

Anfang 2016 besaßen die 62 reichsten Menschen der Welt genauso viel wie die ärmsten 3,5 Milliarden! Da die Weltbevölkerung bei rund 7,2 Milliarden liegt, bedeutet das, dass diese 62 Milliardäre zusammen über genauso viel Reichtum verfügen wie die gesamte untere Hälfte der Menschheit.26

Diese Milliardäre besitzen alles, was man sich nur wünschen kann. Aber noch sind sie, wie alle Menschen, dem Tode ausgeliefert. Es ist verständlich, dass sie das ändern wollen und einen beträchtlichen Teil ihres Reichtums für dieses Unterfangen zur Verfügung stellen könnten. In einer Zeit, wo die normalen Menschen im Westen von Lohnauszehrung und Verarmung geplagt werden, könnten die wenigen Milliardäre, die Gates, Bezos, Musk und Co. als eine Art »Superverbraucher«, die massenhaft Forschungsdienstleistungen nachfragen, für einen neuen kapitalistischen Aufschwung sorgen. Diese Nachfrage können sie über ihre »gemeinnützigen« Stiftungen problemlos abwickeln.

Das Upgrade des Menschen kann nach Harari auf drei Wegen erfolgen:

  • durch Biotechnologie,
  • durch Cyborg‐​Technologie
  • und durch die Erzeugung nicht‐​organischer Lebewesen.

Die Biotechnologie setzt auf die Gentechnik, zum Beispiel Human Genome Editing mittels der CRISPR‐​Technologie, um die Gehirnströme des Menschen neu ausrichten, sein biochemisches Gleichgewicht verändern und ihm sogar völlig neue Gliedmaßen wachsen lassen. Allein dadurch sollen, so Harari, neue kleine Götter geschaffen werden, die sich vom Homo sapiens genauso unterscheiden wie er vom Homo erectus.

Die Cyborg‐​Technologie soll den organischen Körper mit nicht‐​organischen Apparaten verschmelzen, etwa bionischen Händen, künstlichen Augen oder Millionen von Nano‐​Robotern, die in der Blutbahn unterwegs sind, Probleme diagnostizieren und Schäden reparieren. Ein solcher Cyborg könnte über Fähigkeiten verfügen, die weit über die jedes organischen Körpers hinausgehen.

Noch die Cyborg‐​Technologie setzt auf organische Gehirne als Kommando‐ und Kontrollzentren. Ein weiterer Fortschritt wäre es, neuronale Netzwerke des Gehirns durch intelligente Software zu ersetzen, mit der man unbeschwert von allen Beschränkungen der organischen Chemie, durch virtuelle und nicht‐​virtuelle Welten gleichermaßen spazieren kann. Das Ziel gewisser Oligarchen ist es also, das eigene Bewusstsein auf einen Computer hochzuladen, um so Unsterblichkeit zu erlangen.

Letztes Ziel ist die superreichen Oligarchen mittels verschiedenster Technologien so zu verändern, dass sie eine göttergleiche Macht erhalten, vom Homo sapiens zum Homo deus werden. Dabei ist freilich nicht der allmächtige Christengott gemeint. Vielmehr sollte man sich die neuen Götter nach Meinung von Harari eher wie die griechischen oder altindischen Götter vorstellen. Genauso wie zum Beispiel Zeus oder Indra werden auch die Oligarchen weiterhin ihre Eigenheiten, Marotten und Schwächen haben. »Aber sie werden in ganz anderen Dimensionen lieben, hassen, schaffen und zerstören können.«27

Die Umgestaltung von Körper und Geist verfolgt vor allem das Ziel, Alter, Tod und Krankheit zu entgehen. Aber hierdurch erhoffen die Oligarchen quasi automatisch göttliche Schöpfungs‐ und Zerstörungsmacht zu erlangen:

In nicht allzu ferner Zukunft könnten wir Übermenschen erschaffen, welche die antiken Götter nicht in ihren Instrumenten, sondern in ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten übertreffen.28

Nachdem Harari den normalen Menschen für irrelevant erklärt hatte, merkt er zynisch an:

Doch allen beruhigenden Erklärungen zum Trotz geraten viele Menschen in Panik, wenn sie von solchen möglichen Entwicklungen hören. […] Das ist das, wovor wir uns kollektiv, als Spezies, fürchten, wenn wir von Übermenschen hören. Wir haben das Gefühl, dass in einer solchen Welt unsere Identität, unsere Träume und sogar unsere Ängste irrelevant werden und dass wir nichts mehr beizutragen haben. […] Man kann nicht darauf hoffen, dass der Tod einen davor bewahrt, vollkommen irrelevant zu werden. Selbst wenn im Jahr 2100 keine Götter durch unsere Straßen spazieren, wird der Versuch, Homo sapiens auf eine höhere Stufe zu befördern, die Welt noch in diesem Jahrhundert bis zur Unkenntlichkeit verändern. Wissenschaftliche Forschung und technische Entwicklungen vollziehen sich in weitaus höherem Tempo, als die meisten von uns begreifen. […] Wenn die Menschen merken, wie schnell wir auf das große Unbekannte zurasen und dass sie nicht einmal darauf zählen können, dass der Tod sie davor bewahrt, reagieren sie darauf mit der Hoffnung, irgendjemand werde schon auf die Bremse treten und die Entwicklung verlangsamen.

Harari meint, dies sei völlig unmöglich. Allerdings verkennt er, dass es bewusste Entscheidungen der westlichen Oligarchen sind, den technischen Fortschritt auf genau diese Felder zu lenken und andere zu vernachlässigen.

7.1.7. Was tun mit den nutzlosen Menschen?

Die normalen, nicht optimierten Menschen haben ihren Wert sowohl als Arbeitskraft als auch als »Kanonenfutter« bei Kriegen angeblich nachhaltig verloren.

Das gilt nicht nur für einfache Handarbeit, sondern auch für solche Tätigkeiten wie Autofahren. Bereits heute könnte das eine KI um ein Vielfaches besser. In Kürze wird den Menschen das Autofahren verboten werden und der Individualverkehr wird einer KI übertragen. Damit werden Autounfälle quasi unmöglich. Ein solches System wird natürlich mit einem Schlag Millionen und Abermillionen menschliche Arbeitsplätze vernichten. Was passiert dann mit diesen Menschen? »Wir sollten uns daran erinnern, welches Schicksal die Pferde in der industriellen Revolution ereilte.«29

Seitenlang malt Harari voller Wonne aus, wie eine KI in Zukunft selbst hochqualifizierte Berufe wie Ärzte ersetzen wird. Bereits heute sei sie im Bereich der Diagnose einem menschlichen Arzt hoch überlegen. Noch gäbe es einige Probleme, die verhindern, dass die meisten Ärzte schon morgen ersetzt werden. Aber die Probleme könnten und würden gelöst werden. Sie müssten auch nur einmal gelöst werden:

Die Ausbildung eines menschlichen Arztes dagegen ist ein komplexer und kostspieliger Prozess, der Jahre dauert. Ist er nach zehn Jahren Studium und Praktika abgeschlossen, hat man genau einen Arzt. Will man zwei Ärzte, muss man den gesamten Prozess noch einmal von Grund auf wiederholen.«30 Löst man hingegen die angesprochenen technischen Probleme, hat man nicht nur einen, sondern unendlich viele Ärzte. »Selbst wenn es also 100 Milliarden US‐​Dollar kosten sollte, bis das Ganze funktioniert, wäre es auf lange Sicht viel billiger, als menschliche Ärzte auszubilden.31

Man hat fast den Eindruck, dass Harari die Medizinerausbildung eher heute als morgen einstampfen will. Schwab möchte die Autoren, Harari alle Ärzte durch KI ersetzten. An diesen Äußerungen kann man die abgrundtiefe Verachtung ermessen, die die Oligarchen gegenüber den »normalen« Menschen empfinden. Selbst hoch qualifizierten Intellektuellen gegenüber.

Diese Verachtung für normale Menschen zeigt sich auch in dem wahnsinnigen Plan, Frauenleichen zukünftig zum Austragen von Embryonen zu nutzen. Das wäre der erste Schritt zur Schaffung einer künstlichen Gebärmutter. Wenn das geglückt ist, kann man in einem weiteren Schritt das weibliche Geschlecht gleich ganz abschaffen, denn ihre spezifischen körperlichen Funktionen werden nicht mehr benötigt und verursachen nur Kosten. Zugleich hätten dann die Milliardäre die totale Kontrolle über die menschliche Fortpflanzung. Dazu berichtete das russische Fernsehen, was Thomas Röper übersetzt hat:

Die Gay‐​Community ist dafür, denn es entsteht ein Weg zur Fortpflanzung ohne Frauen. Ohne lebende Frauen. Schließlich sind Leihmütter heutzutage sehr teuer: Der Preis liegt im Bereich von 100.000 Dollar, eine tote Frau wird billiger.32

Neben den ultrareichen Oligarchen werden nur ganz wenige technische Spezialisten benötigt werden, um das System am Laufen zu halten. Die anderen Menschen werden für die Herrschenden total nutzlos sein.

Die Hauptfrage des 21. Jahrhunderts wird laut Harari der Umgang mit diesen nutzlosen Menschen sein. Natürlich könnten sie über ein allgemeines Grundeinkommen mit Drogen und Computerspielen ruhig gestellt werden. Aber warum sollten die Oligarchen das tun? Der einzige denkbare Grund wäre der liberale Glaube an die Heiligkeit allen Lebens. Aber genau durch ihr Verhalten – also sich vollzudröhnen und ihre Tage mit Computerspielen zu verbringen – versetzen sie jedoch dem liberalen Glauben an die Heiligkeit menschlichen Lebens einen tödlichen Schlag. Der Dauergast beim WEF fragt: »Was ist so heilig an nutzlosen Faulenzern, die ihre Tage mit künstlichen Erlebnissen in Fantasiewelten verbringen?«33

Hier sind Vernichtungsphantasien gegenüber 99 Prozent der Menschheit mit den Händen zu greifen. Aber genau an dieser Stelle bricht Harari ab. Die Vernichtung der Menschheit schreibt er dann einer KI zu, die entsprechend dem Szenario der Terminator‐​Filmreihe erkennt, dass die Menschen ihr intellektuell weit unterlegen sind, sie diese KI aber trotzdem am Erreichen ihrer unergründlichen Ziele hindern könnten.34 Es handelt sich hier offensichtlich um einen rhetorischen Kniff, um die letzten Konsequenzen seiner Forderung nicht aussprechen zu müssen.

In diesem Kontext sind wohl die seit Jahren von Oligarchen und Ökologen erhobenen Forderungen nach einer scharfen Bevölkerungsreduktion zu sehen. Im Grunde genommen läuft alles auf eine solche Bevölkerungsreduktion zu. Die Oligarchen könnten zwar alle Menschen dieser Erde am Leben lassen und durchfüttern, aber warum sollten sie das tun? Acht Milliarden Menschen üben einen beträchtlichen Druck auf die Ökosysteme der Erde aus. Außerdem sind sie trotz allem schwer zu kontrollieren. Eine verarmte, frustrierte und unbeschäftigte Masse könnte trotz aller Kontrolltechnologie immer noch zu Aufständen neigen. Dagegen wäre eine Erdbevölkerung von 500 Millionen Menschen, fast ausschließlich Domestiken der Oligarchen, um ein Vielfaches leichter zu managen.

Die nächste Frage ist dann, wie diese Bevölkerungsreduktion durchgeführt werden soll. Da wäre vieles möglich. Das Spektrum reicht von einer Verweigerung der Nachkommenschaft, etwa durch Impfungen, die die menschliche Fruchtbarkeit zerstören oder Impfungen, die durch ihre Nebenwirkungen die allgemeine Sterblichkeit in die Höhe schnellen lassen, über explizite Sterilisierungen der Armen etwa als Bedingung für den Bezug eines Allgemeinen Grundeinkommens, ein langsames Verhungernlassen bis hin zur Vernichtung der Menschen in Nuklearkriegen oder der Wiedereröffnung von Vernichtungslagern.

Ob sich die transhumanistischen Visionen der WEF‐​Clique bewahrheiten werden oder nicht, ist eigentlich zweitrangig. Tatsache ist, dass sich die Gates, Bezos, Musk und Co. im Grunde genommen heute schon für Götter halten, auch wenn sie keineswegs genetisch optimiert sind. Tatsächlich besitzen sie in der heutigen Welt eine göttergleiche Macht, die sie weit über die normalen Sterblichen und selbst über US‐​Präsidenten heraushebt.

Es ist auch offensichtlich, dass mit zunehmender Automatisierung unter kapitalistischen Bedingungen immer mehr Menschen aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden werden. Genau wie in der Epoche von 1789 bis 1848 wird der Pauperismus ein immer größeres Problem für die westlichen Gesellschaften werden. Deshalb ist es kein Wunder, dass die menschenverachtende Ideologie des Malthusianismus in neuem Gewand eine Auferstehung erlebt.

Die Schlussfolgerung ist unausweichlich: Der westliche Kapitalismus steuert auf ein gigantisches Vernichtungsprojekt der armen und – aus kapitalistischer Sicht – überflüssigen Menschen zu. Hararis Schriften sind ein ernstzunehmendes Warnzeichen. Wenn die Vorstellungen unserer Oligarchen umgesetzt werden, wäre das ein größeres Menschheitsverbrechen als es selbst der Hitler‐​Faschismus begangen hat. Natürlich: Noch ist es nicht so weit. Aber wir sollten solche Ankündigungen ernst nehmen und sie nicht als abwegige Phantasien abtun, so wie es vor 1933 mit Adolf Hitlers Buch Mein Kampf geschehen ist.

6.1.8. Kurs auf eine neue Produktionsweise

Der Great Reset ist also ein Plan, unter den Bedingungen einer tiefen Krise des Kapitalismus wieder zu einem globalen Aufschwung, einer langen Welle mit expansiver Tendenz zu kommen.

Wie in den Jahren 1945 und 1989 ist eine Grundvoraussetzung hierfür eine beträchtliche Steigerung der Mehrwertrate. Erste diese ermöglicht die Neuanlage von viel brachliegendem Kapital. Die Menschen sollen durch immer härtere Schocks in eine Starre versetzt und gezwungen werden, die geplanten beträchtlichen Reallohnabsenkungen hinzunehmen.

Im Gefolge dieser zahlreichen Schocks werden laut Schwab Industrien verschwinden oder zumindest stark reduziert werden, die im Zusammenhang mit dem Aufbau der Wohlstandsgesellschaft in der Nachkriegszeit aufgekommen sind:

  • Automobilindustrie
  • Flugzeugbau, Fluglinien und Flughäfen
  • Schwerindustrie allgemein
  • Tourismusindustrie
  • Kulturdienstleistungen wie Museen, Musikdarbietungen, Kinos und Theater
  • Einzelhandel

Auffällig ist, dass vor allem Industrien eingeschränkt werden, die eine relativ spontane und unkontrollierte Bewegung der Menschen ermöglichen. Offenbar sollen vor allem Ortsveränderungen, Urlaube und ein authentischer Kulturgenuss eingeschränkt werden. Die Menschen haben sich wohl damit abzufinden, dass für sie bestenfalls nur noch billige virtuelle Welten zugänglich sind, während sich die Oligarchen die reale Welt für sich selbst vorbehalten.

Folgende Industrien werden dagegen florieren:

  • Bio‐ und Gesundheitstechnologie
  • »saubere« Energie, Bau von Windkraft‐ und Solaranlagen
  • Robotik und Automatisierung
  • Spitzentechnologie (Big Tech)
  • KI und Big Data
  • 5G, 6G und Internet der Dinge
  • Netzwerkfirmen wie Amazon, Uber und Deliveroo

Die menschliche Arbeitskraft soll maximal aus dem Produktionsprozess ausgeschaltet werden. Allerdings lebt der Kapitalismus von der Aussaugung menschlicher Arbeitskraft. Auch am Beginn des Spätkapitalismus und des Neoliberalismus stand jeweils eine sehr große Ausweitung der kapitalistisch ausgebeuteten Arbeiterschaft. Im Spätkapitalismus gelang dies durch die Durchindustrialisierung aller Lebensbereiche in den Industrieländern selbst und im Neoliberalismus durch die Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise auf die ehemals sozialistischen Länder.

Wenn aber nun eine Vollautomatisierung angestrebt wird, dann stellt sich die Frage, woher der für einen säkularen Aufschwung notwendige Mehrwert kommen soll. Vermutlich wird es also zu einem solchen Aufschwung auf rein kapitalistischer Basis nicht mehr kommen. Das bedeutet freilich noch lange nicht, dass die Gesellschaft zwangsläufig zusammenbrechen muss.

Blackrock und Co. haben bereits im Kern der Industrie ein riesiges globales Monopol gebildet und den Wettbewerb bewusst heruntergefahren. Seit der Klima‐​Hysterie von 2019 nehmen Zwangselemente im Kapitalismus immer mehr zu. Die Oligarchen sichern sich über den Staat gewaltige Profite, zum Beispiel beim Kauf von Corona‐​Impfstoffen. Lockdowns liefern Kleingewerbetreibende der Willkür von Netzwerkfirmen wie Deliveroo aus.

Letztlich läuft das auf eine globale Plünderungswirtschaft hinaus. Im Augenblick geht es noch darum, die Vermögen der Mittelschicht durch weitere Ultraschocks abzuschöpfen und es auf die Oligarchen zu übertragen. Deren Vermögen wächst trotz oder gerade wegen aller Krisen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. In wenigen Jahren wird es Billionäre geben.

Wenn diese wenigen 100 oder Dutzend Männer nicht nur die Hälfte, sondern nahezu das gesamte globale Vermögen besitzen, dann werden Mehrwert‐ und Warenproduktion erlöschen. Blackrock und Co. werden ein einziges globales Monopol bilden, wo keine Warenproduktion mehr stattfindet, sondern Güter von einer Monopolfabrik in die andere verschoben werden. Dies alles wird mittels eines großen Plans gesteuert werden.

Die Menschen, so die Vorstellung, werden durch weitgehend automatisierte Fabriken mit Konsumgütern und Lebensmitteln versorgt35. Es findet dann keine Profitproduktion mehr statt. Sondern diese Güter werden durch den Willen der Mächtigen zugeteilt, dem einen sehr viel, den anderen wenig bis nichts. Durchgesetzt wird diese Oligarchenwillkür durch eine private Sicherheitstruppe, zu der die staatlichen Sicherheitsorgane bereits heute mit einer hohen Geschwindigkeit degenerieren.

Dies wäre dann ein neuer Feudalismus, weil die Oligarchen ausschließlich mit Gewalt herrschen, während ökonomische Gesetze des Kapitalismus keine Rolle mehr spielen.

Gerade die immer größeren Krisen im Zentrum des westlichen Kapitalismus, die zunehmende Unmöglichkeit, mit der Warenproduktion noch Geld zu verdienen – trotz noch so brutaler Lohreduktion – wird die Oligarchen auf diesen Weg stoßen.

Da aber die Produktion in den fast völlig automatisierten Fabriken aufgrund der wissenschaftlichen Anwendung der Naturkräfte und nicht mehr auf der Basis der Anwendung von menschlicher Arbeitskraft erfolgt, kann man diese Produktionsweise auch als eine pervertierte Form des Sozialismus bezeichnen.

Die wenigen Menschen, die dann noch leben dürfen, sind Domestiken, die den Oligarchen dienen.

Die neuen Gottkönige werden in einem unglaublichen Luxus leben.36 Die leere Erde wird zur Spielwiese der Jeunesse Dorée, also der genoptimierten Nachkommen dieser Oligarchen, die sich entweder – je nach Temperament – in einem Überlebenskampf bewähren oder völlig ungestört die Naturschönheiten genießen können.

Die auf den ersten Blick absurden Ereignisse seit 2019 machen sehr viel Sinn, wenn man sie als Etappen bei der Durchsetzung des Great Reset versteht. In diesem Sinne sollen die immer härteren gegen die Bevölkerung gerichteten Schocks im Folgenden behandelt werden.

Eines soll jetzt schon vorweggeschickt werden: Die monströsen Pläne der westlichen Oligarchen können nur gelingen, wenn die wichtigsten staatlichen Antagonisten des Westens ausgeschaltet sind. Das sind vor allem China und Russland. Der Westen muss also diese beiden Länder um jeden Preis besiegen und deren Staatlichkeit vernichten. Nur wenn es keine globale Alternative gibt, werden sich die Menschen gezwungenermaßen den Oligarchen fügen.

Die die Oligarchen 99 Prozent der Menschheit für vernichtenswerten Abschaum halten, fürchten sie einen Atomkrieg nicht, zumindest nicht auf lange Sicht.37 Ganz im Gegenteil könnte er ihnen die schmutzige Arbeit der Bevölkerungsreduktion zu einem großen Teil abnehmen, während sie den atomaren Winter in ihren Bunkern aussitzen könnten. Auch auf einen solchen Winter folgt ein neuer Frühling, der gar nicht mal so lange dauert. Nach ungefähr 10 Jahren haben sich die Temperaturen und Strahlungswerte normalisiert und die langlebigen Oligarchen können dann die jungfräuliche Erde in ihren Besitz nehmen, dort ihre völlig automatisierten Fabriken aufbauen und göttergleich herrschen.

Das hört sich alles wie Science Fiction an, wie wir sie in dutzenden Filmen gesehen haben, so beispielsweise in Flucht ins 23. Jahrhundert, Soylent Green, City of Ember oder Die Tribute von Panem. In diesen Filmen ist es immer ein Held oder neuerdings eine Heldin wie Katniss Everdeen, die dieses menschenverachtende System zum Einsturz bringt. In der Realität wird das wohl eher nicht passieren.

Dass es sich nicht um reine Science Fiction handelt, zeigt eine wenig bekannte Stelle aus Lenins Schrift Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Im VIII. Kapitel Parasitismus und Fäulnis des Imperialismus zitiert er zustimmend John Hobson hinsichtlich der Perspektive der Aufteilung Chinas:

Der größte Teil Westeuropas könnte dann das Aussehen und den Charakter annehmen, die einige Gegenden in Süd‐​England, an der Riviera sowie in den von Touristen am meisten besuchten und von den reichen Leuten bewohnten Teilen Italiens und der Schweiz bereits haben: Ein Häuflein reicher Aristokraten, die Dividenden und Pensionen aus dem Fernen Osten beziehen, mit einer etwas größeren Gruppe von Angestellten und Händlern und einer noch größeren Anzahl von Dienstboten und Arbeitern im Transportgewerbe und in den letzten Stadien der Produktion leicht verderblicher Waren; die wichtigsten Industrien wären verschwunden. Die Lebensmittel und Industriefabrikate für den Massenkonsum würden als Tribut aus Asien und Afrika kommen. […] Wir haben die Möglichkeit einer noch umfassenderen Vereinigung der westlichen Länder angedeutet, eine europäische Föderation der Großmächte, die, weit entfernt, die Sache der Weltzivilisation voranzubringen, die ungeheure Gefahr eines westlichen Parasitismus heraufbeschwören könnte: Eine Gruppe fortgeschrittener Industrienationen, deren obere Klassen aus Asien und Afrika gewaltige Tribute beziehen und mit Hilfe dieser Tribute große Massen gefügigen Personals unterhalten, die nicht mehr in der Produktion von landwirtschaftlichen und industriellen Massenerzeugnissen, sondern mit persönlichen Dienstleistungen oder untergeordneter Industriearbeit unter der Kontrolle einer neuen Finanzaristokratie beschäftigt werden.38

Man muss nur China und Afrika aus der Zeit um 1900 durch automatische Fabriken ersetzen, um zu dem von den heutigen Oligarchen angestrebten System zu gelangen.

Lenin schrieb jedoch auch, dass diese Dystopie nur dann zur Wirklichkeit wird, wenn die Macht des Imperialismus nicht gebrochen werden kann. Das gelang zwar in der Tat nicht, aber sie wurde wesentlich erschüttert und zwar durch die Russische und die Chinesische Revolution sowie die antikolonialen Bewegungen in Afrika und anderen Ländern. Es hat zwar mehrere 100 Millionen Menschenleben gekostet, das zu erreichen, aber der Imperialismus konnte eingehegt werden. Erst mit der welthistorischen Niederlage des Sozialismus 1989 kamen die Tendenzen zu Parasitismus und Fäulnis des Imperialismus wieder voll zum Tragen.

Ob es noch einmal gelingt, die Macht des Imperialismus zu brechen, ist völlig offen. Ist doch der Westen gegenwärtig militärisch, geheimdienstlich und politisch in einer weitaus stärkeren Position als vor 1989.

Verweise

1 In seinem Buch: Grundlinien der Philosophie des Rechts von 1820.

2 Andrea Komlosy: Zeitenwende, Wien 2022

3 Klaus Schwab: Die Vierte Industrielle Revolution, München 2016, E‑Book, , Kapitel 1.

4 Schwab 2016, a.a.O., Kapitel 1 und 2.

5 Vgl. Schwab 2016, a.a.O., Kapitel 3, Unterkapitel Auswirkungen

6 Vgl. Schwab 2016, a.a.O., Kapitel 3, Unterkapitel Neue Betriebsmodelle

7 Schwab 2016, a.a.O., Kapitel 3, Kasten D

9 Klaus Schwab & Thierry Malleret: Covid 19 – Der Große Umbruch, Cologny 2020, E‑Book, Einleitung.

10 Vgl. Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 1.2.2.1.

11 Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 3.1.1.

12 Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 2.1.1.

13 Vgl. Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 3.3.3.

14 Vgl. Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 1.5.2.

15 Vgl. Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 1.5.

16 Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 2.

17 Vgl. Yuval Noah Harari: Homo Deus, München 2017, E‑Book, Kapitel 1: Unsichtbare Armadas

18 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 1, Unterkapitel Das Recht auf Glück

19 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 1, Unterkapitel Das Recht auf Glück

20 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 1, Unterkapitel Das Recht auf Glück

21 Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 1.6.1.1.

22 Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 2.1.1.

23 Vgl. Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 1.4.1.

24 Schwab & Malleret 2020, a.a.O, Kapitel 2.1.2.

25 Vgl. Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 1, Unterkapitel Die letzten Tage des Todes

26 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 9, Unterkapitel Optimierte Ungleichheit

27 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 1, Unterkapitel Die Götter des Planeten Erde

28 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 1, Unterkapitel Die Götter des Planeten Erde, Kursivierung vom Autor.

29 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 9

30 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 9. Natürlich stimmt das so nicht. Harari erweckt den Eindruck, dass wenn die Ausbildung eines Arztes 10 Jahre dauert, die Ausbildung von zwei Ärzten 20 Jahre dauern würde. Das ist natürlich hanebüchener Unsinn. Selbstverständlich findet die Ausbildung so statt, dass ein Dozent zahlreiche Studenten unterrichtet. Ein Medizinerjahrgang an einer Uni kann bis zu 800 Studenten betragen, die alle zusammen ausgebildet werden.

31 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 9.

33 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 9, Unterkapitel Die nutzlose Klasse

34 Harari 2017, a.a.O.: Kapitel 9, Unterkapitel Die nutzlose Klasse

35 Vgl. Peter König: Diabolisches Projekt, apolut, 18.11.2020, im Internet: https://​apolut​.net/​d​i​a​b​o​l​i​s​c​h​e​s​-​p​r​o​j​e​kt/, abgerufen am 22.02.2023.

38 Vgl. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in: Lenin Werke, Band 22, S. 284f.

Bild: World Economic Forum (www​.weforum​.org) swiss​-image​.ch/​P​h​oto by Remy Steinegger [CC BY‐​SA 2.0 (https://​creativecommons​.org/​l​i​c​e​n​s​e​s​/​b​y​-​s​a​/​2.0)], via Wikimedia Commons

2 thoughts on “Imperialismus und Great Reset: Eine vierte imperialistische Epoche? (Teil 7.1)

  1. Ich schätze die Publikationen von Jan Müller sehr. Aber er ist ein Fan von Schwabs »Great Reset« und in »Imperialismus« Folge 7.1 ist es dann soweit, da werden die feuchten Allmachtsphantasien eines Schwab oder Hariri ausgebreitet. Haben die obigen Szenarios noch was mit marxistischer Analyse zu tun?
    Ich würde mal als Kontrapunkt von Klaus Linder (Freidenker‐​Verband) lesen »Randbemerkungen gegen eine Hypnose durch den ›Great Reset‹ « – zu finden hier: https://​www​.freidenker​.org/​?​p​=​1​4​310

    1. Welchen Text haben Sie gelesen? Jan Müller als Fan des FCKGRST? Es ist eine vernichtende Kritik der Vierten imperialistischen Epoche. Die Akteure zu zitieren bedeute nicht, hinter deren Ansichten zu stehen…

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