Die DKP‐​Programmatik und die ideologische Positionierung der KO: Eine halbherzige Distanzierung

Vorbemerkung: Es war nicht vorgesehen, dass diese Kritik veröffentlicht wird. Da die Kommunistische Organisation (KO) sich aber wieder einmal zu einem revisionistischen Großangriff gegen Mao Tsetung verstiegen hat, sehe ich die Notwendigkeit dazu.1

Es gibt Genossen, die die Kommunistische Organisation jahrelang regelrecht anhimmelten als eine Hoffnung. Spätestens seit der Spaltung der KO in zwei rivalisierende Organisationen gleichen Namens im Januar 2023, die KO (Göttingen) und die KO (Frankfurt), ist diese Hoffnung weitestgehend verflogen und in einen Lagerkampf übergegangen, wer nun die »wahre KO« sei. Es zeigte sich dabei, dass im angeblichen »Klärungsprozess« offenbar weniger Klärung stattfand als viel mehr Fraktionismus, den die aktiven Mitglieder nach außen hin stets leugneten. Ich will hier nur anmerken, ohne es lange auszuführen, dass mir durch interne Informanten aus der KO eine inhaltliche Spaltung schon früher abgezeichnet worden ist als durch den jetzigen Ukrainekrieg. Dieser ist bloß der letztendliche Auslöser gewesen, aber nicht die Grundursache des Zerbrechens in eine Volksfront von Judäa und in eine Judäische Volksfront. Es ist nicht einmal zutreffend, dass man eine der beiden KOs als »antirevisionistisch« und die andere als »revisionistisch« betitelt – schließlich haben beide Anschauungen, die revisionistisch sind und klare Muttermale ihrer DKP‐​Herkunft sind.

Geht man den bloßen Lippenbekenntnissen zum Marxismus‐​Leninismus der Statuten und Programme der verschiedenen Parteien nach, dürfte es zwischen der KPD und DKP, MLPD, KO und kleineren K‑Gruppen keine Unterschiede geben. Geht man den bloßen Lippenbekenntnissen zum Marxismus‐​Leninismus in der Geschichte nach, wären Chruschtschow und Breshnew auch keine Revisionisten gewesen und Gorbatschow auch erst seitdem er offen den Marxismus widerrief und sich zur Sozialdemokratie bekannte. Das führt kaum weiter. Mir geht es hier nicht darum, Allgemeinplätze zu untersuchen über die Notwendigkeit des Sozialismus, der Diktatur des Proletariats und weitere, die jedem Marxisten klar sein müssten. Diese stehen nicht zur Debatte.

Die KO hat in ihren Programmatischen Thesen einige Ansichten, die ohne ihre DKP‐​Herkunft kaum zu erklären sind. Das betrifft vor allem die negative Voreingenommenheit gegenüber Maos China und der tendenziell zu positiven Darstellung der revisionistisch gewordenen Sowjetunion. Aber vorher zu etwas Positiven.

Abrechnung mit der »antimonopolistischen Strategie« der DKP

Es ist unbestreitbar, dass die KO mit der revisionistisch‐​reformistischen »antimonopolistischen Strategie« der DKP aufgeräumt hat. Diese revisionistische Strategie der DKP war auch einer der Hauptgründe, die zum erklärten Austritt der KOler (damals noch unter dem Namen »Wie weiter?«) aus der DKP führte, wie sie in ihrem Austrittsschreiben verlautbarten.2 Die Programmatischen Thesen lehnen diese revisionistische Strategie ausdrücklich ab und fordern stattdessen die Revolution, auch wenn sie dadurch über die Stränge schlagen, keine Übergangsphase anerkennen zu wollen.3

Zum Thema der »antimonopolistischen Strategie« lieferte Jona Textor im Januar 2018 auf der KO‐​Webseite eine lange Analyse ab, welche im August 2017 innerhalb der DKP als Diskussionsbeitrag nicht veröffentlicht werden durfte.

Jona Textor erwähnte, dass Willi Gerns eine Rede über das Parteiprogramm von 1978 hielt, die völlig reformistisch gewesen ist:

»So ist etwa, um hier nur einen Aspekt aufzugreifen, an keine Stelle in Gerns Referat die Rede davon, dass der bürgerliche Staat zerschlagen werden und eine proletarische Rätedemokratie an seine Stelle gesetzt werden muss, wie Marx, Engels und Lenin aus der Erfahrung der Pariser Kommune von 1871 schlussfolgerten. Im Gegenteil: Es wird von einem friedlichen Übergang und einem Hinüberwachsen des bürgerlichen Staats in den Sozialismus ausgegangen.«4

Diese Haltung von Willi Gerns wird auch in einer Debatte mit dem Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW) Mitte der 70er Jahre, in welcher er von einem »Weg ohne Bürgerkrieg« zum Sozialismus fabulierte und den KBW‐​Anhängern »Dogmatismus« vorwarf, als diese dazwischenriefen, dass dieser Weg in Chile bereits scheiterte.5 Man kann daran ersehen, dass Gerns keine ehrlichen Fehler beging, sondern mit voller Absicht einen revisionistischen Kurs etablierte. Und er besaß sogar noch die Dreistigkeit, sich auf Lenin zu berufen!

Der Reformator Menno sagte mal: »Wir haben die ganze Heilige Schrift für uns, sie aber haben in allem weder Wort noch Beispiel.«6 Das war im Bezug auf die Kindstaufe. In übertragenem Sinne kann man diesen Ausspruch aber auch den Revisionisten entgegenhalten: Uns steht das Gesamtwerk von Marx, Engels, Lenin und Stalin offen, die Revisionisten hingegen können keinen Satz finden, den sie nicht entgegen der Wahrheit uminterpretieren müssen. Jedenfalls zeigt sich dieser reformistische Charakter von Gerns auch im 1978er Parteiprogramm von Mannheim. Es steht geschrieben:

»Unter einer antimonopolistischen Demokratie versteht die DKP eine Periode grundlegender Umgestaltungen, in der die Arbeiterklasse und die anderen demokratischen Kräfte über so viel politische Kraft und parlamentarischen Einfluß verfügen, daß sie eine ihre gemeinsamen Interessen vertretende Koalitionsregierung bilden können.«7

Damit ist alles gesagt. Mit diesem Satz ist der Kern der »antimonopolistischen Strategie« umrissen. Die restlichen Ausführungen zu diesem Thema sind bloßes Beiwerk. Damit aber nicht genug. Weiter heißt es: »Die DKP erstrebt diese grundlegenden Umgestaltungen auf der Basis der demokratischen Prinzipien und Rechte des Grundgesetzes.«8 Max Reimann sagte ja mal, dass die Kommunisten eines Tages das Grundgesetz gegen jene verteidigen müssten, die es angenommen haben.9 Aber damit war auf keinen Fall gemeint, das Grundgesetz zu akzeptieren, schließlich lehnte die KPD (West) es unter ihm ab. Außerdem sprach die DKP davon, den Bundestag in ein »wahres Parlament des Volkes« verwandeln zu wollen.10 Wie man ersehen kann, ist das DKP‐​Programm von 1978 reformistisch bis ins Mark.

Solche reformistischen Ziele wurden bereits ein Jahrzehnt zuvor im »Programmentwurf der KPD« vom Februar 1968 vertreten, welcher eines der letzten Dokumente der illegalisierten KPD (West) darstellt. Dort steht, nachdem von einem »friedlichen Weg der sozialistischen Revolution auf deutschem Boden« und von »antimonopolistischen Reformen« die Rede war, geschrieben:

»In einer sozialistischen Ordnung der Bundesrepublik wird das Parlament zu einem wirklichen Organ des Volkswillens werden, das auf dem Mehrparteiensystem beruht. Die auf ein breites antimonopolistisches Bündnis und auf eine sozialistische Parlamentsmehrheit gestützte Staatsmacht und sozialistische Ordnung werden ihre Errungenschaften entschieden gegen konterrevolutionäre Anschläge der großkapitalistischen Reaktion zu schützen haben.«11

Man kann daran erkennen, dass die KPD (West) in der Illegalität immer mehr an »Biss« verloren hat und sich trotz Kriminalisierung versuchte an die BRD anzupassen. Der Grund also, wieso die DKP vom Tag ihrer Gründung an revisionistisch gewesen ist, liegt darin, dass sie aus der bereits revisionistisch gewordenen KPD (West) hervorgegangen ist. Diese Erblast zieht sich durch die komplette Existenzgeschichte der DKP. Die Positionierung der späten illegalen KPD (West) und die der DKP sind im Wesentlichen identisch – selbst der Terminus »Antimonopolismus« samt Bedeutung ist derselbe!

Das Programm der DKP von 2006 ist in der Frage der »antimonopolistischen Strategie« viel schwammiger. Es heißt:

»Die DKP hält es für möglich und notwendig, dass im Ergebnis des antimonopolistischen Kampfes solche und andere antimonopolistisch‐​demokratische Umgestaltungen durchgesetzt werden, die zur Zurückdrängung der Allmacht des Monopolkapitals und zur Erweiterung der Einflussnahme der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten führen und so dazu beitragen können, den Weg für den weiteren Kampf um den Sozialismus freizumachen.«12

Wie die »antimonopolistisch‐​demokratische Umgestaltung« vonstatten gehen soll, bleibt offen. Ohne den historischen Kontext der »antimonopolistischen Strategie« ist aus diesem Programm nicht zu erlesen, um was es sich dabei konkret handeln soll. Das merkt Jona Textor zurecht an in seiner Kritik an der »antimonopolistischen Strategie« aus Sicht der KO.

Zurecht kritisiert Jona Textor auch die 1978 angestrebte Zusammenarbeit mit der SPD, welche, laut Programm, »von den Interessen der Arbeiterklasse geleitet« sei und die SPD noch als Teil der Arbeiterbewegung anerkennt, obwohl diese seit dem Bad Godesberger Parteitag von 1959 offiziell nur noch eine »Volkspartei« gewesen ist.13 Max Reimann stellte bereits 1962 klar, dass die SPD keine Arbeiterpartei mehr ist14. Einziger Lichtblick für die DKP ist, dass sie wenigstens 2006 in ihrem Programm feststellt: »Die SPD ist von einer tiefen Krise erfasst und zu einer neoliberalen Partei geworden.«15 Diese Schlussfolgerung war seit Jahrzehnten überfällig.

Das 1978er Programm der DKP schreibt davon, dass der Kampf gegen den BRD‐​Imperialismus den »nationalen Interessen der Bundesrepublik« entsprechen würde16. Jona Textor wirft dem Programm vor: »Es scheint fast so, als würde hier die Rhetorik der antikolonialen Befreiungskämpfe fälschlicherweise auf eines der mächtigsten imperialistischen Länder des Westens übertragen.«17 Daran kann man ersehen, dass es sich bei Jona Textor um einen Nachgeborenen handelt, der sich mit den historischen Hintergründen nicht im Gesamtkontext auskennt. Die damals von Honecker verkündete »Nation der DDR« schuf auf der Kehrseite eine »Nation der BRD«. Honeckers falsche Nationentheorie im Bezug zu Deutschland stammt aus einem Ausspruch Breshnews ihm gegenüber am 28. Juli 1970: »Deutschland gibt es nicht mehr, das ist gut so. Es gibt die sozialistische DDR und die Bundesrepublik.«18 Aus diesem Grund spricht die DKP im Mannheimer Programm auch nicht von Deutschland oder der deutschen Nation, sondern lediglich von der Bundesrepublik, als sei diese eine separate Nation von der DDR. Diese revisionistische Theorie war so hirnrissig, dass sich von den Genossen niemand an sie erinnern möchte. Sie ist aber eine historische Tatsache. Aus diesem Grund schrieb die DKP auch: »Die Bundesrepublik braucht den Sozialismus.«19 Die BRD wurde nicht als das gesehen, was sie war: Das kapitalistische Deutschland, die Diktatur der deutschen Bourgeoisie. Max Reimann hingegen sah die DDR noch als Rumpfstaat für ein sozialistisches Gesamtdeutschland.20

Es gibt aber ein paar Momente, in denen Jona Textor überkritisch wird. Im Programm von 1978 wird moniert, dass auch die Klein‐ und Mittelbourgeoisie unter dem Großkapital zu leiden hat.21 Jona Textor schriebt: »Zwar wird die widersprüchliche Rolle der kleinen und mittleren Unternehmer an einer Stelle problematisiert, trotzdem wird grundsätzlich an einem strategischen Bündnis zwischen diesen und dem Proletariat festgehalten.«22 Der DKP ist hier ausnahmsweise kein Vorwurf zu machen. Das Bündnis der Arbeiterklasse mit dem Klein‐ und Mittelbürgertum war eine Realität in der volksdemokratischen Umwälzung. Hier begeht die DKP keinen Revisionismus.

Jona Textors überkritische Haltung endet sogar darin, dass er aus dem Programm aus dem Kontext zitiert. Er zitiert:

»Den Werktätigen Bauern, den Handwerkern, den Gewerbetreibenden und den kleinen Unternehmern droht keine Enteignung. Beim Aufbau des Sozialismus werden sie günstige Bedingungen für die Erhaltung ihrer Initiative erhalten und einen langen Prozeß an der Seite der Arbeiterklasse […] selbst die Wege finden, auf denen sie ihre persönlichen Interessen am vorteilhaftesten mit denen der ganzen Gesellschaft in Übereinstimmung bringen können. Die DKP tritt dafür ein, daß bei der Überführung von Unternehmen in öffentliches Eigentum die Entschädigungsregelungen insbesondere die Interessen der Kleinaktionäre berücksichtigen.«

Und sein Kommentar dazu lautet:

»Die hier so unschuldig aufgezählten »persönlichen Interessen« der ›kleinen Unternehmer‹ können unter Beibehaltung des Privateigentums an den Produktionsmitteln natürlich keine anderen sein als – Profitinteressen. Die DKP machte sich auf dem Mannheimer Parteitag also geradezu zur wahren Schutzpatronin der unternehmerischen Freiheit der nichtmonopolistischen Bourgeoisie.«23

Dieser Abschnitt ist kein Ruhmesblatt seiner Analyse.

Durch »[…]« hat er die Worte »durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse und andere Formen der Zusammenarbeit«24 ausgelassen, sonst nichts. Diese Worte aber machen klar, dass die DKP keineswegs eine »Schutzpatronin der unternehmerischen Freiheit der nichtmonopolistischen Bourgeoisie« in einem kapitalistischen Sinne gewesen ist, da der genossenschaftliche Zusammenschluss als Ziel gesetzt worden ist. Auch darin unterschied sich die DKP nicht von den sozialistischen Staaten. Jona Textor schießt durch diese Unehrlichkeit beim Zitieren einen Bock – völlig ohne Not! Er ereifert sich über etwas, was gar kein Problem darstellt, und übersieht das augenscheinlich revisionistische Problem: Entschädigungen für verstaatlichte Betriebe, die vor allem die »Interessen der Kleinaktionäre« berücksichtigen sollen! Das ist unpraktisch und belohnt letztendlich noch jene, die an der Börse »zocken«. Die absolute Mehrheit der Werktätigen hat nicht das Geld, um Aktien zu kaufen. Das wäre also eine Aktion, damit ein kleiner Teil an Arbeitern aus dem oberen Proletariat und Kleinbürger entschädigt werden. Das ist nicht der Rede wert. Und so etwas sieht Jona Textor nicht, stattdessen erfindet er eine Anschuldigung! Man kann ein solches Verhalten nur als erbärmlich, verlogen und unnötig bezeichnen.

Die Programmatischen Thesen kritisieren den Euro«kommunismus« und lehnen ihn zu recht ab. Aber wo besteht der grundlegende Unterschied zwischen diesem und einem reformistischen Kurs wie den der DKP mit ihrer »antimonopolistischen Strategie«? Die KO weist darauf hin, dass sich der Euro«kommunismus« auf »nationale Besonderheiten« berufen würde25. Ist das bei der DKP nicht aber auch auf Grundlage der selben Prämisse geschehen?

In ihren Thesen vom Düsseldorfer Partei 1971 schreibt die DKP: »Die DKP kämpft für den Sozialismus und ist dabei bestrebt, die Theorie von Marx, Engels und Lenin schöpferisch auf die Bedingungen der Bundesrepublik anzuwenden.«26

Im Parteiprogramm der DKP, das 1978 in Mannheim beschlossen worden ist, heißt es: »Die DKP ist bestrebt, die Lehre von Marx, Engels und Lenin schöpferisch auf die Bedingungen unseres Landes anzuwenden und so ihren Beitrag zur Bereicherung des Erfahrungsschatzes der internationalen Arbeiterbewegung zu leisten.«27

Im 2006er Parteiprogramm der DKP steht geschrieben:

»Fundament und politischer Kompass der Politik der DKP sind die von Marx, Engels und Lenin begründeten und von anderen Marxistinnen und Marxisten weitergeführten Erkenntnisse des wissenschaftlichen Sozialismus, der materialistischen Dialektik, des historischen Materialismus und der Politischen Ökonomie. Die DKP wendet diese Lehren des Marxismus auf die Bedingungen des Klassenkampfes in unserer Zeit an und trägt zu ihrer Weiterentwicklung bei.«28

Diese Aussage ist vager als die anderen beiden. Geht man aber, vernünftigerweise, davon aus, dass mit den »Bedingungen des Klassenkampfes in unserer Zeit« die zeitgenössischen Bedingungen in Deutschland und nicht die auf dem Mars gemeint sind, dann änderte sich zwar der Wortlaut, aber nicht der Kerninhalt.

Die Revisionisten können sich nur auf die angeblich »schöpferische Anwendung« des Marxismus berufen, die unter angeblich besonderen nationalen Verhältnissen stattfindet, da sie damit versuchen der Beweispflicht anhand der marxistisch‐​leninistischen Theorie zu entgehen.

Offensichtlich ist die »schöpferische Anwendung des Marxismus‐​Leninismus auf die Verhältnisse der BRD« aus Sicht der DKP über Jahrzehnte hinweg unverändert die »antimonopolistische Strategie«.

Dass die KO mit dieser reformistischen Theorie der »antimonopolistischen Strategie« abgerechnet hat, ist ein ideologischer Schritt voran zum Standpunkt des Marxismus‐​Leninismus. Es muss aber auch erwähnt werden, dass dies keine völlig neue Erkenntnis darstellt. Die K‑Gruppen der 70er Jahre kritisierten die »antimonopolistische Strategie« bereits als reformistisch, wie zum Beispiel der Kommunistische Bund Westdeutschlands (KBW).29 Diese Kritik der KO an der »antimonopolistischen Strategie« ist also um Jahrzehnte überfällig. Dennoch liegt in dieser Kritik das wohl größte Verdienst der KO auf ideologischem Gebiet.

Nun aber zu negativen Aspekten, die sich in der ideologischen Ausrichtung und dem entsprechenden Blick auf die Geschichte manifestieren.

Der Antimaoismus – Ein Erbe aus sowjetrevisionistischer Zeit

Die KO ist noch immer genauso antimaoistisch wie die DKP der 70er Jahre und DKP‐​Schriften aus der damaligen Zeit werden noch immer als »Fakt« zitiert von führenden Vertretern der KO.30 Die meisten K‑Gruppen haben aufgehört, den sektiererischen Grabenkrieg der 70er Jahre weiterzuführen, vor allem, weil der Kapitalismus sowohl in der Sowjetunion als auch in China und auch Albanien vollständig restauriert worden ist. Das führte bei vielen dazu, dass zumindest kritisch darüber nachgedacht worden ist, ob es richtig war, blind jede Agitprop‐​Phrase aus den jeweiligen großen Vorbildländern zu übernehmen.

Die KO lehnt in den Programmatischen Thesen die Begriffe »Staatskapitalismus« und »Sozialimperialismus« für die revisionistische Sowjetunion zurecht ab.31 Dennoch betrachtet die KO die Geschichte nur einseitig. Dazu eine kleine Geschichtsstunde zum Gesamtkontext:

Die Bezeichnung »Staatskapitalismus« benutzte die KP Chinas unter Mao zu keiner Zeit für die revisionistische Sowjetunion, ab 1968 aber durchaus den Begriff »Sozialimperialismus« nach der sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei. Tschou Enlai verwendete ihn32 und die chinesische Presse – nicht aber Mao Tsetung selbst. Dieser Begriff wurde eher als eine Polemik darauf verwendet, dass die Sowjetrevisionisten seit den 60ern behaupteten, dass China eine »militärisch‐​bürokratische Diktatur« sei.33 Dieser Begriff ist in Vergessenheit geraten – man könnte vorwerfen: in Selbstvergessenheit. Heutzutage stellen sich die K‑Gruppen, die sich gewissermaßen in der Tradition der pro‐​sowjetrevisionistischen Linie sehen, als Opfer dar von Maoisten, die angefangen hätten, sie mit Schimpfbegriffen zu überhäufen. Die historische Wahrheit ist jedoch, dass die sowjetrevisionistische Seite dies genauso getan hat. Die SED unter Honecker behauptete in einer Broschüre: »Unter Mao Zedong wurden im Wesen die sozialistischen Grundlagen der chinesischen Gesellschaft zerstört.«34 Und da wundert man sich darüber, dass die Gegenseite ähnliche Vorwürfe machte? Ich moniere natürlich die mangelnde Fachlichkeit solcher Schimpfbegriffe auf chinesischer Seite, aber ich kann sie im Gesamtkontext der damaligen Auseinandersetzung zwischen dem Marxismus auf chinesischer Seite und dem Revisionismus auf sowjetischer Seite durchaus nachvollziehen. Die KP Chinas machte 1963 ideologisch vernünftige Vorschläge zu einer marxistisch‐​leninistischen Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung, während die KPdSU darauf nicht sachlich reagierte. Die Sowjetrevisionisten und die Titoisten warfen China unter Mao vor, sich einen Krieg herbeizuwünschen35. Wie die Geschichte gezeigt hat, war diese Behauptung völlig unbegründet und eine plumpe Verleumdung. Dass die KO es nicht für nötig erachtet, diesen historischen Gesamtkontext Jahrzehnte später in Betracht zu ziehen, zeugt auch von der Halbherzigkeit in der Distanzierung von den revisionistischen Positionen der DKP.

Die Nutzung des Begriffs »Sozialimperialismus« nahm unter Hoxhaisten Formen an, die nur noch als lächerlich bezeichnet werden können. Hoxha selbst hatte so eine Manie entwickelt, dass er am 1. November 1976 auf dem VII. Parteitag der PdAA Jugoslawien gegenüber versprach, sie gegen einen (völlig fiktiven) sowjetischen Einmarsch im Stile der Tschechoslowakei zu verteidigen.36 Hoxha versprach also seinem ideologischen Rivalen Tito Unterstützung gegen die Sowjetunion, obwohl dieser mittlerweile von den Sowjetrevisionisten längst nicht mehr kritisiert worden ist und sogar wieder als »Bruder« angesehen worden ist.

Die KO schrieb am 20. Mai 2023 in einer Stellungnahme, die durchaus dem antimaoistischen Tenor der Programmatischen Thesen entspricht, dies über die Außenpolitik der Volkrespublik Chinas unter Mao:

»Kein Wort wird verloren über die problematische Entwicklung der Volksrepublik China nach dem sino‐​sowjetischen Bruch: die Zusammenarbeit mit dem US‐​Imperialismus bis hin zur Befürwortung der Wiedervereinigung Deutschlands unter kapitalistischem Vorzeichen oder die Unterdrückung der Revolution in Portugal.«37

Die dazu angeführten Zitate aus diplomatischen Gesprächen der 70er Jahre lassen sich nur mit einer negativen Voreingenommenheit gegenüber Mao in dieser Weise interpretieren. Vor allem hat die Volksrepublik China im Jahre 1970 die opportunistische Haltung der Sowjetunion in der Berlinfrage kritisiert, welche den staatlichen Interessen der DDR Schaden zufügte.38 Aber selbst wenn solche Aussagen getätigt worden wären, so beweist das nichts. Diplomatie und reale Politik sind Zweierlei. Das verstehen viele Genossen nicht. Im April 1921 nannte Lenin in einem diplomatischen Telegramm den Emir von Afghanistan einen »aufgeklärten Herrscher« und »standhaften Begründer und Wahrer der Unabhängigkeit Afghanistans«39, und Lenin beschwor in diesem Telegramm die »Freundschaft zwischen Rußland und Afghanistan«40. War Lenin also ein Anhänger der afghanischen Monarchie und ein regelrechter »Fan« des afghanischen Emirs? Nein, aber die Diplomatie verlangt es oftmals, dem Gegenüber zu einem gewissen Grad Honig um den Bart zu schmieren. Stalin setzte im Vergleich zu Lenin noch einen drauf: Molotow zufolge stieß er bei der Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrages mit Ribbentrop mit folgenden Worten an: »Lasst uns auf den neuen Antikominternisten Stalin anstoßen!«41 Diese offensichtlich nicht ernst gemeinte Aussage wird von Trotzkisten sicherlich genauso als »Beweis« dafür rauf und runter zitiert werden, um aufzuzeigen, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hätten.

Die DKP lehnte 197142 und 197843 Anarchismus, Trotzkismus und Maoismus gleichermaßen ab. Das DKP‐​Programm von 2006 erwähnt diese Ideologien nicht einmal. Die KO schreibt in ihren Programmatischen Thesen:

»Des Weiteren müssen wir analysieren, welche Strömungen des Trotzkismus, des Maoismus, des Hoxhaismus und anderer Abweichungen vom Marxismus‐​Leninismus es heute gibt, wie sie sich in ihren Positionen unterscheiden und worin ihr Einfluss auf die Arbeiterklasse besteht. Im Falle des Maoismus und der ›Mao‐​Tse‐​tung‐​Gedanken‹ ist außerdem zu analysieren, ob sich bereits in den allgemeinen weltanschaulichen Positionen Mao Tse‐​tungs revisionistische Abweichungen vom wissenschaftlichen Sozialismus finden, die die antisowjetische Politik der KP Chinas später begünstigt haben.«44

Offenbar ist der Maoismus der erklärte ideologische Hauptfeind der KO, ansonsten würde man ihn nicht so besonders herausstellen. Die »antisowjetische Politik der KP Chinas« aus angeblichem »Revisionismus Maos« heraus abzuleiten, stellt die Realität von den Füßen auf den Kopf. Es erinnert an den Trotzkismus‐​Vorwurf der Chruschtschow‐​KPdSU gegenüber der KP Chinas, auf welche Letztere wie folgt reagierte:

»Daß die Führung der KPdSU der Kommunistischen Partei Chinas das Etikette des ›Trotzkismus‹ angeklebt hat, ist in höchstem Maße absurd. In der Tat ist es kein anderer als Chruschtschow selbst, der die Erbschaft des Trotzkismus angetreten hat und mit den heutigen Trotzkisten in einer Reihe steht.«45

Es ist deshalb unglaublich, wie die KO noch Jahrzehnte später die Tatsachen verdreht wie zu Zeiten Chruschtschows und Breshnews. Klipp und klar kritisierte Mao Tsetung die revisionistische Kurswende der KPdSU am 15. November 1956 auf dem 2. Plenum des VIII. ZK der KP Chinas:

»Ich möchte einige Worte über den XX. Parteitag der KPdSU sagen. Ich meine, da sind zwei ›Schwerter‹: Das eine ist Lenin, das andere Stalin. Das Schwert Stalin haben die Russen jetzt aus der Hand gelegt. Gomulka und einige Leute in Ungarn haben es aufgehoben, um einen Streich gegen die Sowjetunion zu führen und gegen den sogenannten Stalinismus Front zu machen. Die kommunistischen Parteien vieler europäischer Länder kritisieren die Sowjetunion ebenfalls, Togliatti ist ihr Anführer. Und auch die Imperialisten benützen es, um Leute zu erschlagen, Dulles zum Beispiel hat es eine Zeitlang geschwungen. Dieses Schwert wurde nicht verliehen, es wurde aus dem Fenster geworfen. Wir in China haben es nicht weggeworfen. Erstens nehmen wir Stalin in Schutz, zweitens kritisieren wir zugleich seine Fehler; deshalb haben wir den Artikel ›Über die historischen Erfahrungen der Diktatur des Proletariats‹ geschrieben. Im Unterschied zu einigen Leuten, die Stalin verunglimpfen und in Grund und Boden verdammen, handeln wir in Übereinstimmung mit den objektiven Tatsachen.

Und das Schwert Lenin, ist es nicht ebenfalls von einigen sowjetischen Führern gewissermaßen beiseite gelegt worden? Ich meine, das ist in beträchtlichem Maße geschehen. Hat die Oktoberrevolution noch Gültigkeit? Kann sie weiterhin als Vorbild für alle Länder dienen? Im Bericht von Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU heißt es, dass es möglich sei, die politische Macht auf dem parlamentarischen Weg zu ergreifen. Das würde bedeuten, es sei nicht länger notwendig, dass alle Länder von der Oktoberrevolution lernen. Ist dieses Tor einmal geöffnet, dann hat man den Leninismus im Grunde schon über Bord geworfen.«46

Wenn die KO solch eine antirevisionistische Haltung unter völliger Verdrehung der Begrifflichkeiten versucht als »Revisionismus« abzutun, dann helfen ihnen auch weitere Fakten nicht weiter. Dann kann man die KO bloß als »faktenresistent« bezeichnen. Es gab zwischen Mao und Kossygin übrigens am 10. Februar 1965 ein Gespräch über die ideologischen Differenzen zwischen KP Chinas und KPdSU. Mao machte dort nochmals den antirevisionistischen Standpunkt der KP Chinas deutlich:

»Ihr müßt euren Brief vom 14. Juli 1963, die antichinesischen Berichte und Beschlüsse des Plenums der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom Februar 1964 annullieren, ihr müßt zugeben, daß die Beschlüsse des XX. und des XXI. Parteitags falsch sind, genau wie der Kampf gegen Stalins Personenkult, eure Vorstellungen von der friedlichen Koexistenz, vom Staat und der Partei des ganzen Volkes, von der Abrüstung und der Lösung der anderen Probleme, die die Menschheit bewegen, falsch sind. Mit all diesen Ansichten sind wir nicht einverstanden, und solange ihr eure Haltung nicht ändert, kann es zwischen uns keine Einheit geben. Ihr braucht nur zuzugeben, daß ihr Fehler gemacht habt, dann ist die Einheit erzielt.«47

Mao vertrat also konsequent den Marxismus‐​Leninismus gegenüber den Vertretern des Revisionismus und listete akribisch auf, was die KPdSU hätte korrigieren müssen, um zurück auf den Boden des Marxismus‐​Leninismus zu gelangen. Hätte Mao etwa stattdessen um des »Hausfriedens« willen einknicken sollen?

Die antimaoistischen Sichtweisen der DKP der 70er Jahre zu reproduzieren ist eine Sache. Eine andere Sache jedoch ist es, diese weiterzuspinnen. Dafür komme ich um eine bestimmte führende Person der KO nicht herum:

Exkurs: Spanidis contra Mao – Unverstand oder Böswilligkeit?

Es gehört nicht unmittelbar in die Programmdebatte, aber sollte auf jeden Fall Erwähnung finden, weil die ideologische Bedeutung von Spanidis für die KO unübersehbar ist und sicherlich auch großen Einfluss auf die Ausarbeitung der Programmatischen Thesen hatte. Spanidis ist ein ziemlich offen bekennender Feind Maos und Chinas unter Mao. Spanidis ist sich nicht zu schade, hoxhaistische Märchen über Mao wiederzukäuen, ohne Hoxha dafür als Urheber zu benennen. Spanidis behauptet, fast genauso wie Hoxha in »Imperialismus und Revolution«48, über die sozialistische Revolution in China folgendes:

»Problematisch daran war allerdings von Anfang an die Vorstellung, wonach ein Teil der Bourgeoisie sich an der Revolution beteiligen könne – denn, so Mao, der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie sei in China, wenn man ihn nur richtig behandle, kein antagonistischer Widerspruch, sondern ein ›Widerspruch im Volk‹. Darin enthalten war ein Verständnis des Sozialismus als gemeinsamem Kampf des gesamten chinesischen Volkes (aus dem nur die ›Kompradoren‹, die mit dem ausländischen Imperialismus verbunden waren, als ausgeschlossen galten) gegen die ausländischen Mächte.«49

Spanidis kann oder will nicht verstehen, dass die nationale Bourgeoisie in einem kolonialen Land die Mittelbourgeoisie darstellt, nicht die Großbourgeoisie (das ist dort die Kompradorenbourgeoisie). Ironischerweise hat die DDR die Frage der Mittelbourgeoisie auf ähnliche Weise behandelt wie Maos China: Durch Auskauf der Mittelbourgeoisie, die sich an der volksdemokratischen Umwälzung beteiligt hat per Umwandlung in »Betriebe mit staatlicher Beteiligung«. Am Auskaufen ist nichts verwerflich, denn die Bourgeoisie wird so oder so langfristig als Klasse beseitigt. Natürlich trägt das noch Ausbeutungscharakter, aber dieser ist befristet. Sobald die letzte Rate gezahlt ist, ist der Betrieb Volkseigentum. Schon Engels schrieb:

»Sobald unsre Partei im Besitz der Staatsmacht ist, hat sie die Großgrundbesitzer einfach zu expropriieren, ganz wie die industriellen Fabrikanten. Ob diese Expropriation mit oder ohne Entschädigung erfolgt, wird großenteils nicht von uns abhängen, sondern von den Umständen, unter denen wir in den Besitz der Macht kommen, und namentlich auch von der Haltung der Herren Großgrundbesitzer selbst. Eine Entschädigung sehen wir keineswegs unter allen Umständen als unzulässig an; Marx hat mir – wie oft! – als seine Ansicht ausgesprochen, wir kämen am wohlfeilsten weg, wenn wir die ganze Bande auskaufen könnten.«50

Dogmatiker würden sagen: Engels sprach über den Auskauf der Großgrundbesitzer, nicht der Bourgeoisie. Die Praxis der sozialistischen Staaten hat aber erwiesen, dass das keine Rolle spielt. Engels beweist lediglich, dass der Gedanke des Auskaufs keinem Denktabu unterliegt. Grundlage um überhaupt etwas aufkaufen zu können ist natürlich, dass das Großkapital entschädigungslos enteignet worden ist, ansonsten hat man keine Mittel dafür. Das hat China mit der Enteignung der Kompradorenbourgeoisie getan. Aber das sind Detailfragen, die an dieser Stelle zu weit führen würden. Fakt ist, dass der Auskauf möglich ist. Und dieser Aufkauf bedeutet eben, dass man diesen eigentlich antagonistischen Widerspruch auf eine nicht‐​antagonistische Weise löst: Man zahlt der Mittelbourgeoisie im Prinzip eine Abfindung und die Sache ist erledigt.

In China dauerte dieser Auskaufprozess von September 1956 bis September 1966 an, während er in der DDR von 1957 bis 1972 andauerte.51 Man kann also auch nicht den Vorwurf machen wollen, dass diese Methode keine Ergebnisse vorzuweisen hätte. Worüber man also eigentlich dabei streitet, ist, also nicht einmal, dass es nicht funktioniert hat – denn das hat es – sondern aufgrund irgendeiner praxisfremden Weltsicht.

Spanidis behauptet auch, dass Mao der Meinung gewesen sei, dass die nationale Bourgeoisie mit an der sozialistischen Revolution beteiligt sein würde. Auch diese Behauptung entstammt entweder einem Unverständnis von Maos Werken oder einer absichtlichen Verfälschung a la Hoxha. Mao sah die nationale Bourgeoisie nur als Verbündeten während der neu‐​demokratischen (sprich: volksdemokratischen) Phase der Revolution an, nicht während der sozialistischen Phase. Mao war sich dessen bewusst, dass der Sozialismus die Beseitigung der Ausbeutung zur Grundlage hat, schließlich war er Marxist‐​Leninist und kein Sowjetrevisionist, der selbst Tito‐​Jugoslawien als »sozialistisch« ansah. Mao sagte am 5. März 1949 auf dem 2. Plenum des VII. ZK der KP Chinas:

»Nachdem die chinesische Revolution im ganzen Land gesiegt hat und das Bodenproblem gelöst ist, wird es in China noch immer zwei grundlegende Widersprüche geben. Der erste ist ein innerer Widerspruch, der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie. Der zweite ist ein äußerer Widerspruch, der Widerspruch zwischen China und den imperialistischen Staaten.«52

Diese Haltung änderte sich auch dann nicht, als es um die Umsetzung dieses Kurses ging. Am 6. Juni 1952 schrieb Mao: »Mit dem Sturz der Grundherrenklasse und der Klasse der bürokratischen Kapitalisten ist der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie der Hauptwiderspruch in China geworden; deshalb soll die nationale Bourgeoisie nicht weiter als Zwischenklasse definiert werden.«53 Abgesehen davon sprach Tschou Enlai in aller Klarheit nur wenige Tage später:

»Manche Leute glauben, dass die Bourgeoisie als Klasse mit uns in die sozialistische Gesellschaft voranschreiten könnte. Das ist falsch. Vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichte Wang Yunsheng einen Artikel in der Da Gong Bao in Shanghai. Der ganze Artikel war exzellent und sehr bewegend, bis auf den letzten Satz, der nicht richtig war. Er schrieb: ›Die ›vier Freunde‹ unserer volksdemokratischen politischem Macht [die Arbeiterklasse, die Bauernschaft, die Kleinbourgeoisie und die nationale Bourgeoisie – d. Üb.] werden sich enger und enger zusammenschließen und siegreich zum Sozialismus voranschreiten!‹ Vorsitzender Mao entfernte diesen Satz bevor er in der Renmin Ribao neu abgedruckt wurde. Wenn wir ideologische Bildungsarbeit betreiben in der Partei, so sollten wir klarmachen, dass die nationale Bourgeoisie zum einen unser Freund ist und zum anderen eine Klasse ist, die abgeschafft wird. Wenn wir nur eine Seite betonen und die andere missachten, so wird das zu Missverständnissen führen und damit eine ›linke‹ oder rechte Abweichung.«54

Es war also von Anfang an klar, dass die nationale Bourgeoisie nur ein temporärer Verbündeter während der volksdemokratischen Revolution gewesen ist, auch wenn Hoxha und Spanidis wahrheitswidrig etwas anderes behaupten. Hätten Hoxha und Spanidis recht, so wäre China nie sozialistisch geworden, weil die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nie abgeschafft worden wäre. China unter Mao war aber kein Jugoslawien und auch kein Polen.

Spanidis behauptet weiter:

»Indem letzten Endes damit die wichtigste Aufgabe des Sozialismus in der Entwicklung der Produktivkräfte statt in der Entwicklung der neuen Produktionsverhältnisse gesehen wurde, war bereits ein Gedanke angelegt, den Deng Xiaoping später aufgreifen und zum Zentrum seiner Weltanschauung machen würde: Für Deng war, wie wir später sehen werden, Sozialismus mit Wirtschaftswachstum gleichzusetzen.«55

Es ist merkwürdig zu sehen, dass Mao von Spanidis der Vorwurf gemacht wird, genauso wie Deng ein Primat der Produktivkräfte vertreten zu haben. Von verschiedensten revisionistischen Gruppierungen wurde Mao »Voluntarismus« im Hinblick auf die Produktivkräfte vorgeworfen, dass er sie also nicht genug beachtet hätte (was genauso wenig stimmt wie die Behauptung von Herrn Spanidis). Wie die Geschichte vor allem während der Großen Proletarischen Kulturrevolution zeigen sollte, war der Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie für Mao der Hauptwiderspruch während der gesamten Bestehenszeit des Sozialismus, wobei auch die Entwicklung der Produktivkräfte nicht aus den Augen verloren worden ist56 (entgegen den Behauptungen der Dengisten). Außerdem übte Mao während der Großen Proletarischen Kulturrevolution Kritik an Liu Schaotschi dafür, dass dieser den Klassenkampf nicht als Hauptwiderspruch ansehen wollte:

»Im Jahre 1949 wurde festgestellt, daß der Hauptwiderspruch im Lande der Widerspruch zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie ist. 13 Jahre später wurde erneut die Frage des Klassenkampfes zur Sprache gebracht, ferner, daß die Lage sich zu bessern begann. Was ist die Große Kulturrevolution? Sie ist Klassenkampf! Liu Shaoqi sprach von der Theorie des Erlöschens des Klassenkampfes, brachte ihn aber selbst nicht zum Erlöschen. Er wollte sein Häuflein von Verrätern und geschworenen Anhängern in Schutz nehmen.«57

Diese Aussage findet sich im zweiten Band der Ausgewählten Werke von Liu Schaotschi.58 Genauso findet sich dort von Liu Schaotschi die Aussage in einer Rede auf einer Arbeitskonferenz des ZK der KP Chinas am 11. Mai 1962: »Wir waren so viele Jahre ›links‹; lasst uns ›rechts‹ sein für eine Veränderung.«59 Noch offenkundiger kann man sich nicht als Revisionist outen. Man kann allein daran klar und deutlich ersehen, dass diese Frage, die Spanidis vereinfacht auf Mao zurückführen will, eigentlich den Konflikt innerhalb der KP Chinas aufzeigt, zwischen den Marxisten‐​Leninisten um Mao Tsetung und den Revisionisten um Liu Schaotschi (und später Deng Hsiaoping).

Zurück zu den Produktivkräften: Üblicherweise werden die Produktivkräfte tendenziell von Marxisten überbetont, weil sie, in letzter Konsequenz, eben die Basis einer Gesellschaftsordnung bilden im Zusammenhang mit den Produktionsverhältnissen. Dennoch muss man sie in einer Weise betonen, wie Lenin es auch tat. Lenin schrieb in seinem berühmten Werk »Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht«:

»In jeder sozialistischen Revolution, nachdem die Aufgabe der Eroberung der Macht durch das Proletariat gelöst ist und in dem Maße, wie die Aufgabe, die Expropriateure zu expropriieren und ihren Widerstand zu brechen, in der Hauptsache und im wesentlichen gelöst wird, tritt notwendigerweise in den Vordergrund die Grundaufgabe, eine Gesellschaftsform zu schaffen, die höher ist als der Kapitalismus, nämlich: die Steigerung der Arbeitsproduktivität und im Zusammenhang damit (und zu diesem Zweck) die höhere Organisation der Arbeit.«60

Die Revisionisten berufen sich auch stets auf Lenin (nicht zuletzt der erwähnte Deng Hsiaoping) bei der Bedeutung der Produktivkraftentwicklung für den Sozialismus, aber sie handeln nicht nach Lenin. Statt die Planwirtschaft auszuweiten, wird die Marktwirtschaft restauriert – dadurch kehrt man zu den Verhältnissen zurück, die Lenin beseitigte. Mao aus dem Kontext zu zitieren und ihm die Schuld daran zu geben, was nach ihm kam, ist so produktiv, als würde man Lenin zitieren und ihm die Schuld dafür geben, dass Chruschtschow, Breshnew und Gorbatschow von ihm Aussagen aus dem Kontext gerissen haben, um einen revisionistischen Kurs zu »fundieren«.

Spanidis wirft Mao vor, einen »absurden Personenkult« eingeführt und die »gesamte frühere Kultur« Chinas »undifferenziert abgelehnt« habe. Letzteres ist leicht widerlegt: Die Kulturrevolution kritisierte überwiegend den Konfuzianismus, aber, offensichtlich, nicht jeglichen Aspekt der chinesischen Kultur – so ein Unterfangen wäre auch unmöglich! Man erkannte durchaus an, dass China fortschrittliche Kultur besaß. Es war eher so, dass man aufgehört hat, Konfuzius positiv zu sehen und stattdessen die Schule der Legalisten als fortschrittlich anzusehen. Das hier im Detail auszuführen, würde den Rahmen einer ideologischen Auseinandersetzung sprengen. Ersteres stimmt auf dem ersten Blick. Aber, genauso wie beim Personenkult um Stalin, nur auf dem ersten Blick!

Es ist unbestreitbar, dass Mao Tsetung bereits vor 1966 als Chefideologe der KP Chinas galt und die Mao‐​Tsetung‐​Ideen bereits 1945 auf dem VII. Parteitag der KP Chinas neben dem Marxismus‐​Leninismus als Teil der Parteiideologie im Statut verankert worden sind. Die Ausweitung des Personenkults erfolgte aber (ähnlich wie bei Stalin) gegen seinen Willen. Er äußerte sich immer wieder dagegen61. Am Ende seines Lebens sagte er resümierend gegenüber Wang Dongxing: »Der Mensch bleibt ein Mensch, er ist kein Gott, es ist unmöglich, daß er keine Fehler macht. Lin Biao hat mich zum Gott gemacht, er verfolgte eine hinterhältige Absicht damit.«62 Der Personenkult um Mao ist also ähnlich zu betrachten wie der Personenkult um Stalin.

Auf völliges Glatteis gerät Spanidis, als er ohne Zitatbeleg behauptet, dass Mao und die Parteiführung der KP Chinas behauptet hätten, die Sowjetunion habe nach Stalins Tod den Kapitalismus wiedereingeführt.63 Von Mao findet sich so eine Aussage nicht und der »Sozialimperialismus«-Begriff war, wie bereits angeführt, ein Zurückschlagen von sowjetrevisionistischen Schimpfbegriffen durch eigene. Ansonsten gibt es eine solche Behauptung nicht – nur im Zusammenhang mit dem »Sozialimperialismus«. Da diese Antwort wohl keinen Leser zufriedenstellen mag, der tendenziell auf der Seite der KO steht, werde ich dazu einige Zitate und angebliche Zitate von Mao anführen. Ein Zitat, das gerne angeführt wird, soll Mao am 11. Mai 1964 als »Zwischenbemerkung« getätigt haben:

»Die heutige Sowjetunion ist eine Diktatur der Bourgeoisie, eine Diktatur der Großbourgeoisie, eine deutschfaschistische Diktatur, eine Diktatur im Stile Hitlers, eine Bande von Schurken übler als de Gaulle.«64

In diesen »Zwischenbemerkungen« gibt es noch weitere Aussagen, die diese Aussage unauthentisch machen, aber gehen wir einmal rein formell an die Quellenlage heran. Die Quelle für diese Aussage ist eine Rote‐​Garden‐​Publikation unter dem Titel »Mao Zedong sixiang wansui« (Es leben die Mao‐​Tsetung‐​Ideen). Diese publizierten sowohl geleakte Mao‐​Werke als auch offensichtlich fingierte Texte. Das macht die Quelle wacklig. Hinzu kommt, dass Mao ansonsten zu keiner Zeit die Sowjetunion als »faschistisch« bezeichnet hat – weder vorher noch nachher. Das macht diese Aussage zu einem Artefakt. Hinzu kommt noch, dass Mao de Gaulle zwar als einen Reaktionär ansah65, aber im September 1964 Frankreichs eigenständigeren Kurs gegenüber den USA begrüßte66 (Frankreich trat unter de Gaulle aus der NATO aus), also im selben Jahr der »Schurken«-Aussage. Abgesehen davon schickte Mao Tsetung am 11. November 1970 ein Beileidstelegramm zum Ableben von Charles de Gaulle, in welchem er ihn einen »unbeugsamen Kämpfer gegen die faschistische Aggression« nennt.67 Das macht diese Aussage zusätzlich fragwürdig. Natürlich sind das keine hundertprozentige Garantien dafür, dass diese Aussage fingiert ist, aber man muss ihre Authentizität stark anzweifeln. Sich auf sie berufen zu wollen, um Mao zu attackieren, wäre ein schwacher Angriff.

Am 17. September 1969 erschien in der Renmin Ribao (Volkszeitung) ein angebliches Mao‐​Zitat mit folgendem Wortlaut:

»Völker der ganzen Welt vereinigt euch, kämpft gegen Aggressionskriege, die von welchem Imperialismus auch immer und Sozial‐​Imperialismus entfacht werden; sie sollen vor allem gegen diejenigen Aggressionskriege Widerstand leisten, welche die Atombombe als Waffe einsetzen! Wenn es zu einem solchen Krieg kommt, sollten die Völker der ganzen Welt mit Hilfe des Revolutionskrieges Aggressionskriege vernichten. Man muß von jetzt an darauf vorbereitet sein!«68

In Maos Gesamtwerk steht diese Aussage isoliert da. Weder vorher noch nachher äußerte sich Mao in dieser Weise. Natürlich mag man sagen: »Aber die Renmin Ribao ist das Zentralorgan der KP Chinas gewesen!« Da muss man aber gegenhalten, dass Mao Tsetung gegenüber seinem Neffen Mao Yuanxin im Jahre 1964 sagte: »In der Volkszeitung steht nichts Lesenswertes drin, du mußt die Zeitung der Volksbefreiungsarmee lesen und die Chinesische Jugendzeitung.«69 Mao las die Renmin Ribao nicht. Man mag sagen, dass dies nur ein Einzelfall sei, wo dies geäußert worden sei. Unabhängig von dieser Äußerung zitiert Enver Hoxha in Imperialismus und Revolution aber aus einem Gespräch zwischen Mao und Vertretern der Partei der Arbeit Albaniens vom 3. Februar 1967: »Ich habe offen erklärt, dass ich die Zeitung ›Renmin Ribao nicht mehr lesen werde. Das habe ich auch ihrem Chefredakteur gesagt: Ich lese deine Zeitung nicht.«70 Hoxha wollte damit einen Vorwurf gegenüber Mao konstruieren. Das ist an dieser Stelle aber nicht von Belang. Fakt ist: Mao nahm höchstwahrscheinlich keinen Einfluss auf die Renmin Ribao, da er an ihr kein Interesse hatte. Das bedeutet, dass dieses Zitat durchaus eine Erfindung sein kann aus der Feder von Roten Garden wie das »Faschismus«-Zitat.

Die K‑Gruppe Kommunistischer Bund hatte auch Zweifel an der Authentizität solcher angeblicher Mao‐​Zitate und schrieb dazu:

»Am Thema Sowjetrevisionismus-›Sozialimperialismus‹-›Sozialfaschismus‹ fällt der Mangel an wirklich gesicherten und zusammenhängenden Texten besonders stark auf. So gibt es keinen einzigen Aufsatz, keine einzige Rede Mao Tse-tung’s zu diesem Thema, dem bisherigen Veröffentlichungsstand nach zu schließen. Die überhaupt greifbaren angeblichen Äußerungen, die zudem meist mit großer ›Verspätung‹ überhaupt erst veröffentlicht wurden. Das deutlichste Beispiel dafür ist die Mao 1970 zugeschriebene Äußerung, daß die Sowjetunion unter einer ›Diktatur von der Art des deutschen Faschismus, der Diktatur Hitlers‹ stehe, und die auf ein Gespräch aus dem Jahr 1964 zurückgehen soll. Falls diese Äußerung nicht einfach nachträglich erfunden oder verfälscht wurde (wofür das völlige Fehlen sonstiger ähnlicher Äußerungen spricht), kann sie jedenfalls unter gar keinen Umständen auch nur entfernt als wissenschaftliche Analyse gelten. Die Autorität Mao Tse-tung’s wurde dazu mißbraucht, um die ›Sozialfaschismus‹-›Sozialimperialismus‹-These glaubwürdiger zu machen. Ähnlich, aber noch finsterer, verhält es sich mit dem Versuch, die dem ›Sozial’chauvinismus zugrunde liegende sogenannte ›Theorie der drei Welten‹ auf Mao Tse‐​tung zurückzuführen. Hierzu gibt es nicht einmal schlüssige Zitate, geschweige denn geschlossene theoretische Ausführungen von Mao Tse‐​tung.«71

Es gab also auch zeitgenössische Zweifel an solchen Aussagen. Sicherlich hat die KP Chinas in der damaligen Außenpropaganda Fehler begangen, aber zum einen ist dafür Mao nicht unbedingt direkt und persönlich verantwortlich, und zum anderen hat die KPdSU und ihr Anhang gegen China eine unflätige Hetzkampagne betrieben. Ohne diesen historischen Kontext ist die Darstellung von der KP Chinas unter Mao als »Täter« und der KPdSU unter Breshnew als »Opfer« ein absolut verfälschendes Zerrbild der Wahrheit.

Was Mao tatsächlich sagte und auch verlässlich belegbar ist, sieht folgendermaßen aus. Am 25. Oktober 1966 schrieb Mao an den V. Parteitag der Partei der Arbeit Albaniens:

»Die Sowjetunion, Jugoslawien, und die Länder, in denen modern‐​revisionistische Cliquen am Ruder sind, haben ihre Farbe gewechselt oder sind gerade dabei, sie zu wechseln. Sie haben den Kapitalismus restauriert und die Diktatur des Proletariats in die Diktatur der Bourgeoisie verwandelt oder sind im Begriffe es zu tun.«72

Im Falle Jugoslawiens ist klar, dass dieses Land Diktatur der Bourgeoisie und den Kapitalismus vollständig restauriert hatte. Im Falle der Sowjetunion nicht. Das zeigt sich auch zu einem späteren Zeitpunkt.

Mao Tsetung sagte am 28. April 1969 auf dem 1. Plenum des IX. ZK der KP Chinas:

»Jetzt greifen uns die sowjetischen Revisionisten an, irgendwelche Meldungen der Nachrichtenagentur TASS, Wang Mings Material und ein langer Artikel im Kommunist, sie behaupten, unsere jetzige Partei sei keine Partei des Proletariats, sie bezeichnen uns als eine ›Partei des Kleinbürgertums‹. Sie behaupten, wir betrieben eine Vereinheitlichung, wir seien in die Epoche der alten Stützpunkte zurückgefallen, in einem Wort, wir bewegten uns rückwärts. Was heißt hier Vereinheitlichung? Sie sagen, das sei ein System der Militärs und Bürokraten. Die Japaner reden vom System, die Sowjets aber von ›militärisch‐​bürokratischer Diktatur‹. Wenn sie sich unsere Namenslisten ansehen und feststellen, daß es da nicht wenige Militärs gibt, dann nennen sie das ›militärisch‹. Dann gibt es da noch so etwas wie ›Bürokraten‹ – das bin wohl ich, das sind wohl Zhou Enlai, Kang Sheng und Chen Boda, diese ›Bürokraten‹. Kurz, wenn ihr keine Militärs seid, dann gehört ihr eben alle in das ›Bürokraten‹-System. So reden sie. Ich meine, laßt sie doch reden. Die Leute sollen reden, was sie wollen. Eins ist allerdings doch bemerkenswert: Sie bezeichnen uns nicht als Partei der Bourgeoisie, sondern als Partei des Kleinbürgertums. Und wir? Wir sagen, sie sind eine Diktatur der Bourgeoisie, sie restaurieren die Diktatur der Bourgeoisie.« 73

Dieses Zitat zeigt auch, dass man in China durchaus die sowjetrevisionistische Hetze wahrnahm. Das »Material von Wang Ming« mündete später im Buch »50 Jahre KP Chinas und der Verrat Mao Zedongs«74 mündete, welches stark an Trotzkis Anti‐​Stalin‐​Buch »Die verratene Revolution« erinnert in Machart und Inhalt.

Mehr gesicherte Zitate zu dieser Thematik finden sich nicht. Diese Zitate decken sich nicht mit den sowjetrevisionistischen Märchen der 70er Jahre, die die DKP wiederkäute und die heute die KO wiederum nachplappert. Ein weiteres antimaoistisches Märchen erinnert an das Geschrei der Trotzkisten gegen den angeblichen »Hitler‐​Stalin‐​Pakt« von 1939. Im Bezug zum Nixon‐​Besuch in China schreibt Spanidis:

»Gleichzeitig fand ab ca. 1971 eine starke Annäherung Chinas an die USA statt. Dass die USA als Führungsmacht des Kapitalismus nun faktisch Verbündete Chinas waren und die Sowjetunion als Führungsmacht des sozialistischen Lagers als Feind betrachtet wurde, schwächte innerhalb der KP Chinas die Kräfte, die an sozialistischen Produktionsverhältnissen festhalten wollten. Zudem eröffnete es die Möglichkeit, durch den Zufluss von ausländischem Kapital in wichtigen Bereichen technologisch aufzuholen und den jungen chinesischen Kapitalismus relativ unbehelligt von den USA – die zunächst noch ein Jahrzehnt lang mit der Sowjetunion als Hauptfeind beschäftigt waren – zu entwickeln und von einem wachsenden Handel mit ihnen zu profitieren.«75

Hier spielt ein großes Maß an Doppelmoral mit, das längerer Ausführung bedarf. Ende 1933 waren die USA bereit, diplomatische und Handelsbeziehungen zur Sowjetunion aufzunehmen. Das bahnte sich bereits im Frühjahr 1933.76 Dies war genauso ein Krisenergebnis wie die Aufnahme von Handelsbeziehungen zwischen China und den USA im Jahre 1972. Die Sowjetunion unter Stalin durfte das – die Volksrepublik China unter Mao nicht. Tschou Enlai sprach am 21. Februar 1972 während des Nixon‐​Besuchs in einer Rede:

»Die Gesellschaftssysteme von China und den Vereinigten Staaten sind grundverschieden und es gibt große Differenzen zwischen den Regierungen unserer beiden Länder. Dennoch sollen diese Differenzen uns nicht davon abhalten normale staatliche Beziehungen auf Grundlage der Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz zu etablieren – gegenseitiger Respektierung der Souveränität und territorialen Integrität, gegenseitige Nichtaggression, Nichteinmischung in des jeweils anderen innere Angelegenheiten, Gleichheit und gegenseitiger Nutzen. Noch weniger sollten diese Differenzen zu einem Krieg führen.«77

Es ist nirgends in seiner Rede von einem »Bündnis« die Rede, lediglich von einer Normalisierung der diplomatischen Beziehungen.

Man kann auch aus diesem Grund nicht von einem »faktischen Bündnis zwischen China und den USA« sprechen, da China diese Normalisierung auch der Sowjetunion gegenüber anbot. So sprach Tschou Enlai im August 1973 auf dem X. Parteitag der KP Chinas:

»Die prinzipiellen Auseinandersetzungen zwischen China und der Sowjetunion dürfen die beiden Länder nicht daran hindern, ihre Beziehungen auf der Grundlage der fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz zu normalisieren. Die chinesisch‐​sowjetische Grenzfrage muß ohne jegliche Bedrohung durch Verhandlungen friedlich geregelt werden.«78

Mao sagte bereits im Dezember 1970 gegenüber Edgar Snow, dass die ideologischen Differenzen zwischen China und der Sowjetunion zwar »unüberwindbar« seien, aber man die »zwischenstaatlichen Probleme regeln« könnte.79 Gemeint ist damit, dass die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen aus chinesischer Sicht möglich gewesen sind.

Kommen wir aber auf die Sowjetunion zu sprechen: Hat die Sowjetunion etwa zur gleichen Zeit keine Beziehungen zu den USA unterhalten? Mal abgesehen von der revisionistischen »Gipfeldiplomatie« unter Chruschtschow, die auf einer völlig offensichtlichen Fehleinschätzung der Aggressivität des US‐​Imperialismus beruhte, gab es zwischen der Sowjetunion unter Breshnew ebenfalls normale diplomatische Beziehungen zu den USA. Sogar im selben Jahr, 1972! So sprach Kossygin am 26. Mai 1972 auf einem Staatsbankett für Nixon, der zu Besuch in Moskau verweilte:

»Wir haben einen Meinungsaustausch über die Entwicklung des Handels und anderer Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern begonnen. Offenkundig können auch hier realistische Lösungen gefunden werden, die das beiderseitige Interesse an einer Normalisierung und Erweiterung des Wirtschaftsaustausches entsprechend der allgemein üblichen internationalen Praxis widerspiegeln.«80

Der Inhalt ist dem von Tschou Enlais Rede sehr ähnlich. Spanidis misst mit zweierlei Maß. Kossygins Aussage war außerdem keine Eintagsfliege, sondern blieb die Haltung der sowjetischen Regierung. Kossygin sagte am 12. Juni 1974 auf einer Wählerversammlung:

»Wir hoffen, daß der bevorstehende Besuch von USA‐​Präsident R. Nixon der Erreichung dieses Zieles dienen wird. Die historische Wende in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion von der Konfrontation zu Verhandlungen und zur Entspannung entspricht nicht nur den Interessen des sowjetischen und amerikanischen Volkes, sondern liegt zugleich im Interesse einer friedlichen Zukunft der gesamten Menschheit.«81

Daran gibt es genauso wenig auszusetzen, wie an den Beziehungen zwischen China und den USA. Die Anschuldigungen von Herrn Spanidis gegen China auf diesem diplomatischem Gebiet sind verlogen und heuchlerisch. Eine zeitgenössische antirevisionistische marxistisch‐​leninistische Sicht auf den Nixon‐​Besuch in China liefert außerdem Kim Il Sung. Er sagte damals:

»Der Chinabesuch von Nixon ist gar nicht so seltsam. Wenn man auf die revolutionäre Kampfgeschichte der Welt zurückblickt, gibt es nicht wenige Beispiele dafür, daß die Kommunisten mit den Feinden zeitweilig einen Kompromiß schlossen, um die Lage zugunsten der Revolution zu verwandeln. In der Vergangenheit schloß die Sowjetunion nach dem Sieg der Revolution einen Friedensvertrag mit den Feinden ab, um ihr Vaterland vor einem überraschenden Angriff des Feindes zu schützen, und auch unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg einen Nachtangriffspakt mit dem faschistischen Deutschland sowie einen Neutralitätsvertrag mit den japanischen Imperialisten. Deshalb gibt es keinen Grund dafür, in bezug auf den Chinabesuch von Nixon die Nerven zu strapazieren oder China zu kritisieren.«82

Man kann, wenn man die Analogie zulässt, die Kim Il Sung zieht, sogar polemisch über Spanidis sagen, dass er eine trotzkistische Haltung im Bezug auf die chinesische Außenpolitik unter Mao einnimmt. Spanidis zeigt, dass er entweder über die Geschichte der Volksrepublik Chinas bestenfalls mangelhafte Kenntnisse besitzt oder er absichtlich die revisionistische Verleumdungskampagne der 70er Jahre fortführen will trotz Kenntnis der Wahrheit.

Abgesehen davon zeigen die Ausführungen von Spanidis ein Detail: Er spricht von der »Sowjetunion als Führungsmacht des sozialistischen Lagers«. Für Spanidis gibt es offenbar keine kollektive Gleichberechtigung zwischen sozialistischen Staaten, sondern nur die Sowjetunion als Führer und den Rest als Gefolgschaft. Eine solche Sichtweise ist zutiefst anti‐​marxistisch und tritt die nationale Souveränität der einzelnen Länder mit Füßen. Eine solche Sichtweise ist eine bloße Fortführung der Breshnew‐​Doktrin. Diese Sichtweise von Spanidis steht offensichtlich mit dem folgenden Problembereich im Zusammenhang:

Eine halbherzige Abrechnung mit dem Sowjetrevisionismus

Die KO rechnet mit dem Sowjetrevisionismus nur sehr halbherzig ab, während sie sich auf der anderen Seite gegen die KP Chinas unter Mao Tsetung mit viel Anstrengung bemüht. Es heißt in den Programmatischen Thesen:

»Auch der ›linke‹ Radikalismus hat opportunistischen Charakter und hält die Arbeiterklasse von ihrer Organisierung und der Revolution ab. Das gilt für Positionen, die nur die revolutionäre Phrase akzeptieren wollen, aber den Kampf der Arbeiterklasse für ihre Interessen auf dem Boden des Kapitalismus ablehnen.

Es gilt auch für Positionen, wie sie die KP Chinas und die Partei der Arbeit Albaniens in den 1960er und 1970er Jahren vertraten. Diese Parteien und die an ihnen orientierten Gruppierungen auf der ganzen Welt gingen von einer Kritik am rechten Opportunismus der sowjetischen Führung aus, um dann aber selbst eine opportunistische Politik zu betreiben.«83

Ohne es direkt zu benennen, ist die Haltung der KO zum Bruch zwischen der KP Chinas und der KPdSU, dass die chinesische Seite kein Recht gehabt hätte, sich vom Revisionismus loszusagen und sich diesem gewissermaßen hätte unterwerfen sollen. Es gab nach 1960 durch Chruschtschows wirtschaftliche Erpressungsversuche auch nur zwei Optionen: Man kritisiert die KPdSU offen für ihren Revisionismus und dessen realpolitischen Folgen oder man kuscht. Im Jahre 1965 gab es sogar einen Versuch von Seiten der KP Chinas, sich nach Chruschtschow wieder anzunähern, was aber daran scheiterte, dass die KPdSU zwar den Mann an der Spitze ausgetauscht hatte, aber am Kurs nichts änderte. Praktisch alle Kader in Schlüsselpositionen während der Chruschtschow‐​Ära, wie zum Beispiel Suslow und Kossygin, blieben in ihren Positionen.

Für die KO scheint die Sowjetunion egal in welchem Zustand noch ein Fetischobjekt zu sein, ein Land, dem man immer die Treue halten müsste, auch wenn von den marxistisch‐​leninistischen Lehren in der Praxis nur die Worthülsen übriggeblieben sind. Offenbar ist bei all der Beschäftigung mit der revisionistischen Programmatik der DKP in ihrer Geschichte dieser Satz hängengeblieben: »Die DKP hält es mit Ernst Thälmanns Wort, daß die positive Einstellung zur Sowjetunion das Kriterium jedes wirklichen Kommunisten ist.«84 Wäre nämlich die Treue zum Marxismus‐​Leninismus das Kriterium, dann würde die KO nicht die Volksrepublik China in einer Manier der Breshnew‐​Ära attackieren. Kurzum: Die KO hat sich nur halbherzig vom Sowjetrevisionismus distanziert. Das sieht man auch im Abschnitt der Programmatischen Thesen über diese Thematik, in welchem nur die Namen Chruschtschow und Gorbatschow auftauchen. Der Abschnitt der Programmatischen Thesen über den Sowjetrevisionismus sieht so aus:

»Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 konnten die Vertreter dieser Strömung unter der Führung von Nikita Chruschtschow einen politischen Sieg erringen. In der bedeutendsten Partei der kommunistischen Weltbewegung setzten sich damit revisionistische Einschätzungen zu verschiedenen Grundsatzfragen durch, die von den meisten anderen kommunistischen Parteien übernommen wurden und in der Sowjetunion in der Folgezeit auch zu ökonomischen Veränderungen führten, die auf lange Sicht den Sozialismus aushöhlten. Die sozialistische Gesellschaftsordnung blieb zwar weiter erhalten, jedoch wurde der sozialistische Aufbau durch falsche wirtschaftspolitische Konzepte und eine Aufweichung der Planwirtschaft gehemmt und einer langsamen Stärkung der revisionistischen Strömung der Boden bereitet. In der zweiten Hälfte der 1980er nahm diese Strömung dann um den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow offen konterrevolutionären Charakter an und konnte den Sozialismus in der Sowjetunion schließlich zerschlagen.«85

Es ist absurd, dass die KO offensichtlich sich um ein hundertfaches mehr daran abmüht aufzuzeigen, wie falsch die Volksrepublik China und die KP Chinas unter Mao doch gelegen hätten, während der Sowjetrevisionismus zwar einen eigenen Abschnitt erhalten hat, aber nicht mit so einem gehässigen Ton gebrandmarkt wird, wie Mao. Der Revisionismus der KPdSU wird deutlich heruntergespielt bis er plötzlich mit Gorbatschow konterrevolutionär geworden sei, anstatt ihn als eine konterrevolutionäre Gesamttendenz zu sehen, die letztendlich in der vollständigen Restauration der Kapitalismus unter Gorbatschow führte. Diese Kritik wirkt wie eine Dusche ohne Wasser. Die Breshnew‐​Ära findet gar keine Erwähnung, obwohl diese so lange andauerte wie die Chruschtschow‐ und Gorbatschow‐​Ära zusammengenommen und deren Zwischenstück darstellt. Gab es unter Breshnew keinen Revisionismus bzw. war er unter ihm plötzlich nur eine Nebensächlichkeit? Dieser Abschnitt ist in sich völlig inkonsequent.

Die DKP ist in ihrem 2006er Programm ähnlich inkonsequent. Streng genommen ist nicht einmal die Erkenntnis, dass der Revisionismus am Untergang der sozialistischen Staaten schuld ist, ein Alleinstellungsmerkmal der KO im Kontrast zur DKP. Zumindest, wenn man das Programm betrachtet. Im 2006er Programm der DKP steht der Satz: »In einigen sozialistischen Ländern Europas gewannen in dieser Krisensituation in den regierenden Parteien – vor allem auch in der KPdSU – revisionistische Kräfte die Überhand. Damit wurde zum Schluss der Weg frei für die Niederlage des Sozialismus.«86 Genauere Aussagen über die Ursachen des Revisionismus sind aber nicht zu finden. Nur, dass der Antistalinismus der DKP aus einigen Aussagen heraus spricht87 und die Rede von einem »administrativ‐​zentralistischen ›Sozialismusmodell‹«88 ist, was den den Sozialismus von revisionistischer Seite diskreditiert. Man sieht diesen Ausführungen im Programm den Kompromisscharakter deutlich an. Nicht zuletzt, weil das Programm zu dieser Thematik die Aussage enthält:

»Trotz seiner wahrhaft historischen Leistungen hat der Sozialismus in Europa eine Niederlage erlitten. Sie hat innere und äußere, ökonomische, ideologische und politische, objektive und subjektive Ursachen. Dafür haben wir bisher noch keine abschließenden Erklärungen; die Diskussion dazu findet in der DKP statt.«89

Offenbar ist sogar der Klärungsprozess der KO selbst ein Produkt der Muttermale der DKP. Wie die Spaltung der KO im Januar 2023 zeigte, läuft dieser offenbar auch ab wie in der DKP: Er kommt jahrelang nicht recht von der Stelle und endet letztendlich in einer Spaltung der Organisation. Die KO hat sich als nicht in der Lage erwiesen, grundlegende ideologische Fragen tatsächlich durch eine offene Diskussion zu klären. Auch das eint sie mit der DKP.

Auch wenn ich die MLPD in keinster Weise unterstütze, diesen Honigtopf vom Verfassungsschutz, so haben sie dennoch recht mit einer Kritik an der KO: »Sie schließen jedoch kategorisch aus, dass der Revisionismus als vorherrschende Form der bürgerlichen Ideologie auch die Restauration des Kapitalismus bedeutet.«90 Natürlich schlägt die MLPD inhaltlich ins Gegenextrem aus, indem sie behauptet, das Auftreten des Revisionismus würde eine sofortige Restauration des Kapitalismus bedeuten. Wenn es eine solche »Instant‐​Restauration« wirklich geben würde, wäre China Anfang der 60er Jahre auch kurzzeitig »kapitalistisch« geworden, als Liu Schaotschi faktisch die Wirtschaftspolitik der Partei führte und die Kleinproduktion beförderte. Diesen Schluss zieht die MLPD aber genauso wenig konsequent wie die KO den Schluss nicht zieht, dass die Sowjetunion unter Breshnew den Chruschtschow‐​Kurs bloß weiterführte. Letztendlich scheint die KO den Revisionismus nicht konsequent als einen längerfristigen Verfallsprozess anzusehen, auch wenn sie formell von einer »Aushöhlung des Sozialismus« durch diesen spricht. Die KO schaut nur auf die sozioökonomische Grundlage des Sozialismus und nicht auf die betriebene Politik der Revisionisten.

Stattdessen achtet die KO übermäßig auf die Politik der KP Chinas unter Mao. Würde man die selbe Logik der KO auf die Sowjetunion anwenden, die Mao die Schuld an Deng geben will, so müsste man Lenin und Stalin die Schuld an Chruschtschow, Breshnew und Gorbatschow geben. Sicherlich ließe sich da irgendeine Schuld hinargumentieren, denn schließlich fiel der Revisionismus nicht plötzlich 1956 oder 1978 vom Himmel. Dennoch ist dies kein konstruktiver Ansatz, da dieser vom heutigen Wissensstand historischen Personen Vorwürfe und Vorhalten machen würde, welche damals nicht aus der selben Fülle an Informationen schöpfen konnten wie wir heute.

Die KO wendet sich außerdem zwar gegen den »Stalinismus« als antikommunistischem Kampfbegriff, aber Stalin wird nicht als Klassiker des Marxismus‐​Leninismus anerkannt. Das hat auch nichts mehr zu tun mit den Kompromissformeln in unserem Parteiprogramm und ‑statut, wo manchmal Marx, Engels und Lenin aufgelistet werden, aber manchmal auch Marx, Engels, Lenin und Stalin und in jedem Fall Stalins bedeutsame Leistungen für die Theorie und Praxis des Marxismus. Die KO übernahm einfach, was sie von der DKP ererbte, wandte sich lediglich gegen den »Stalinismus«-Begriff, wie es auch vor 1989 unter Revisionisten üblich war91. Dass Stalin nicht als Klassiker des Marxismus‐​Leninismus angesehen wird, auch das eint die KO mit der DKP und zeigt, aus welcher Partei sie heraus entstanden sind.

Insgesamt kann man die KO nicht als antirevisionistisch bezeichnen, sondern eher als »weniger revisionistisch als die DKP«, zumindest, was die KO (Göttingen) betrifft. Man kann sagen, dass die KO (Göttingen) insgesamt zentristisch ist, während die KO (Frankfurt) genauso revisionistisch auftritt wie die DKP selbst.

Wenn man die Programmatik der KO in einem prägnanten Satz zusammenfassen will, so würde dieser lauten: »Zurück zu Breshnew!«

Schluss

Die geübte Kritik mag hart sein, aber sie ist wohl überfällig, um aufzuzeigen, dass auch die KO ideologisch nicht auf so solidem Fels gebaut ist, wie manche jahrelang glauben wollten. Natürlich bekennt sich die KO in der Frage des Klassenkampfes der sozialistischen Wirtschaftsweise prinzipiell korrekt auf marxistische Grundlagen – im Gegensatz zur revisionistischen und ideologisch bankrotten DKP. Die daraus auf die Geschichte gezogenen Schlussfolgerungen jedoch sind an vielen Stellen inkorrekt.

Übe ich diese Kritik, um die KO ideologisch »zu erledigen«? Nein, das wäre ein absurdes Unterfangen. Niemand ist dazu gezwungen, die Anschauungen des Gegenübers zu übernehmen. Das ist in Debatten oft ermüdend, aber ein unveränderlicher Umstand. Wichtiger wäre es sich zu fragen, wieso überhaupt Kritik erfolgt. Jemanden zu kritisieren bedeutet, dass man Interesse an jemandem besitzt. Hätte man kein Interesse, dann würde man nicht kritisieren, sondern bloß unsachlich schimpfen. »Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich«, heißt es in der Bibel.92 Auch bedeutet Kritik, dass man erhofft, dass sich das Gegenüber ändern könnte. Ein Grund, wieso von meiner Seite nie eine Kritik an der MLPD ausgearbeitet worden ist, ist, dass es reine Zeitverschwendung wäre, sich an einem offensichtlichen Honigtopf des Verfassungsschutzes inhaltlich abzumühen. Das sind Hintergründe, die viele Genossen nicht begreifen. Die KO schätze ich hingegen überwiegend als Genossen ein, die ehrliche Fehler begehen.

Selbst wenn die Genossen von der KO sich nicht als lernfähig erweisen sollten, so können wenigstens andere Genossen davon lernen, die Sympathien mit der KO hegen oder hegten.

Verweise

5 Vgl. Frank D. Karl »Die K‑Gruppen«, Verlag Neue Gesellschaft, Bonn‐​Bad Godesberg 1976, S. 115.

6 »Beantwortung einer Schrift des Gellius Faber« (1554) In: »Die Schriften des Menno Simons«, Mennonitische Forschungsstelle Weierhof Samenkorn, Steinhagen 2013, S. 790.

7 »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 58.

8 Ebenda.

9 Vgl. Max Reimann »Entscheidungen 1945 – 1956«, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/​Main 1974, S. 157.

10 Vgl. »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 55.

11 »Programm der KPD – Entwurf« (Februar 1968) In: (Hrsg.) Günter Judick/​Josef Schleifstein/​Kurt Steinhaus »KPD 1945 – 1968 – Dokumente«, Bd. 2, Edition Marxistische Blätter, Neuss 1989, S. 424.

13 Vgl. »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 63.

14 Vgl. »Referat auf der 20. Tagung des Zentralkomitees der KPD« (1962) In: Max Reimann »Aus Reden und Aufsätzen 1946 – 1963«, Dietz Verlag, Berlin 1963, S. 623.

16 Vgl. »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 11.

18 Zit. nach: Erich Honecker »Zu dramatischen Ereignissen«, W. Runge Verlag, Hamburg 1992, S. 16.

19 »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 51.

20 Siehe: »Referat auf der 20. Tagung des Zentralkomitees der KPD« (1962) In: Max Reimann »Aus Reden und Aufsätzen 1946 – 1963«, Dietz Verlag, Berlin 1963, S. 591.

21 Siehe: »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 13.

23 Ebenda.

24 »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 53.

26 »Thesen des Düsseldorfer Parteitags der Deutschen Kommunistischen Partei«, Hrsg.: Deutsche Kommunistische Partei – Parteivorstand, Düsseldorf 1971, S. 58.

27 »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 72.

29 Vgl. Frank D. Karl »Die K‑Gruppen«, Verlag Neue Gesellschaft, Bonn‐​Bad Godesberg 1976, S. 41.

32 Siehe bspw.: »Rede auf dem vom vietnamesischen Botschafter in China anlässlich des Nationalfeiertags der DRV gegebenen Empfang« (2. September 1968) In: Tschou En‐​lai »Reden und Schriften«, Verlag Rote Fahne, Köln 1976, S. 283.

33 Siehe bspw.: »Grundfragen der Strategie und Taktik der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung« (22. – 25. Februar 1972) In: Paul Markowski »Die Kommunisten im Kampf für Frieden, Demokratie, nationale Befreiung und Sozialismus«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 71.

35 Vgl. Edvard Kardelj »Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit des Krieges«, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1961, S. 59.

36 Enver Hoxha »Bericht an den 7. Parteitag der PAA« (1. November 1976), Verlag Roter Morgen, Dortmund 1977, S. 211.

39 »Botschaft an Aman Ullah Khan, Emir von Afghanistan« (April 1921) In: W. I. Lenin »Briefe«, Bd. VII, Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 322.

40 Ebenda, S. 324.

41 Zit. nach: »Molotov remembers«, Ivan R. Dee, Chicago 1993, S. 33, Englisch (E‑Book).

42 Siehe: »Thesen des Düsseldorfer Parteitags der Deutschen Kommunistischen Partei«, Hrsg.: Deutsche Kommunistische Partei – Parteivorstand, Düsseldorf 1971, S. 58.

43 Siehe: »Mannheimer Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – Programm«, Dietz Verlag, Berlin 1979, S. 72.

45 »Die proletarische Revolution und der Revisionismus Chruschtschows« In: »Die Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung«, Oberbaumverlag, Berlin 1971, S. 445.

46 »Rede auf der zweiten Plenartagung des achten Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas« (15. November 1956) In: Mao Tsetung »Ausgewählte Werke«, Bd. V, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1978, S. 384/​385.

47 »Gespräch mit Kosygin« (10. Februar 1965) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. VI.1, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 57.

48 https://www.marxists.org/history/erol/ncm‑5/rcp-hoxha/index.htm (Englisch) Hier kann man eine zeitgenössische Widerlegung der Anschuldigungen Hoxhas finden.

50Friedrich Engels »Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland« (November 1894) In: Karl Marx/​Friedrich Engels »Werke«, Bd. 22, Dietz Verlag, Berlin 1977, S. 503/​504.

51 »Selected Works of Zhou Enlai«, Vol. II, Foreign Languages Press, Beijing 1989, S. 523, Anmerkung 113, Englisch. Dort heißt es: »Die Zahlung von festen Zinsen war ein Mittel des Staates, um die Produktionsmittel, die der nationalen Bourgeoisie gehörten, auszukaufen. Nach der Umwandlung der kapitalistischen Industrie und des Handels in gemischt staatlich‐​private Betriebe, bezahlte der Staat an die nationale Bourgeoisie auf der Grundlage von Raten einen festgelegten Zinssatz pro Jahr (üblicherweise 5%) auf den Geldwert ihres Vermögens, egal, ob der Betrieb Gewinn oder Verlust machte. Die Zahlung solcher Zinssätze begann im Jahre 1956 und wurde im September 1966 eingestellt.«

52 »Bericht auf der Zweiten Plenartagung des vom Siebten Parteitag gewählten Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas« (5. März 1949) In: Mao Tse‐​tung »Ausgewählte Werke«, Bd. IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969 , S. 392/​393.

53 »Der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie ist der Hauptwiderspruch in China« (6. Juni 1952) In: Mao Tsetung »Ausgewählte Werke«, Bd. V, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1978, S. 83.

54 »Probleme, die die chinesische nationale Bourgeoisie betreffen« (19. Juni 1952) In: »Selected Works of Zhou Enlai«, Vol. II, Foreign Languages Press, Beijing 1989, S. 103/​104, Englisch.

57 »Kritik an Deng Xiaoping während der Bewegung zur ›Zurückschlagung der rechten Revisionstendenz‹« (1976) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. VI.1, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 501.

58 Siehe: »Wie man Widersprüche im Volk richtig behandelt« (27. April 1957) In: »Selected Works of Liu Shaoqi«, Vol. II, Foreign Languages Press, Beijing 1991, S. 279, Englisch.

59 »Was ist letztendlich die wirtschaftliche Lage?« (11. Mai 1962) In: Ebenda, S. 423, Englisch.

60 »Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht« (März/​April 1918) In: W. I. Lenin »Werke«, Bd. 27, Dietz Verlag, Berlin 1960, S. 247.

61 Siehe bspw.: »Äußerung über die Propagandaarbeit gegenüber dem Ausland« (19. Juni 1967) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. VI.1, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 271.

62 »Äußerung gegenüber Wang Dongxing« (1976) In: Ebenda, S. 510.

64 »Einige Zwischenbemerkungen bei der Berichterstattung der Führungsgruppe der Planungskommission« (11. Mai 1964) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. V, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 259.

65 Siehe: »Abriß der Reden auf der Obersten Staatskonferenz« (5. bis 9. September 1958) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. III, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 208. Mao vergleicht dort de Gaulle mit Tschiang Kaischek.

66 Siehe: »Wir begrüßen Frankreichs unabhängige Politik sehr« (10. September 1964) In: Mao Zedong »On Diplomacy«, Foreign Languages Press, Beijing 1998, S. 415, Englisch. Mao begrüßt es dort sehr, dass de Gaulle die BRD für ihre zu starke Bindung an die USA kritisierte.

67»Beileidstelegramm an Madame de Gaulle« (11. November 1970) In: Mao Tse‐​tung »Band V«, Verlag Arbeiterkampf, Hamburg 1977, S. 163.

68 Mao Zedong »Texte«, Bd. VI.1, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 557/​558.

69 »Gespräch mit dem Neffen des Vorsitzenden, Mao Yuanxin« (4. Juli 1964) In: Ebenda, Bd. V, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 313.

70 Zit. nach: Enver Hoxha »Imperialismus und Revolution«, Verlag 8 Nentori, Tirana 1979, S. 467.

71 Mao Tse‐​tung «Band V”, Verlag Arbeiterkampf, Hamburg 1977, S. 225/​226.

72 »Glückwunschtelegramm an den V. Parteitag der Partei der Arbeit Albaniens« (25. Oktober 1966) In: Mao Tse‐​tung »Band V«, Verlag Arbeiterkampf, Hamburg 1977, S. 151.

73 »Rede auf der 1. Plenartagung des IX. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas« (28. April 1969) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. VI.1, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 380.

74 https://​archive​.org/​d​e​t​a​i​l​s​/​M​a​o​s​B​e​t​r​a​yal Online kostenlos abrufbar in englischer Sprache unter dem Titel »Mao’s betrayal«, herausgegeben vom Verlag Progress Moskau.

76 Siehe dazu: »Unterredung mit Oberst Robins« (13. Mai 1933) In: J. W. Stalin »Werke«, Bd. 13, Dietz Verlag, Berlin 1955, S. 234 ff.

77 »Das Tor zu freundlichen Kontakten zwischen China und den Vereinigten Staaten wurde endlich geöffnet« (21. Februar 1972) In: »Selected Works of Zhou Enlai«, Vol. II, Foreign Languages Press, Beijing 1989, S. 500, Englisch.

78 »Bericht auf dem X. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas« (24. August 1973) In: Tschou En‐​lai »Reden und Schriften«, Verlag Rote Fahne, Köln 1976, S. 312/​313.

79 Vgl. »Gespräch mit Snow« (10./18. Dezember 1970) In: Mao Zedong »Texte«, Bd. VI.1, Carl Hanser Verlag, München/​Wien 1982, S. 405.

80 »Rede auf dem Essen, das von USA‐​Präsident, Richard Nixon, und seiner Gattin in Moskau gegeben wurde (26. Mai 1972) In: A. N. Kossygin »Ausgewählte Reden und Aufsätze«, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1977, S. 383.

81 »Das große Land schreitet mit machtvollem Schritt voran!« (12. Juni 1974) In: Ebenda, S. 461.

82 »Über die Verbesserung und Intensivierung der Arbeit für die Ausbildung von Parteikadern« (2. Dezember 1971) In: Kim Il Sung »Ausgewählte Werke«, Bd. VI, Verlag für fremdsprachige Literatur, Pjongjang 1977, S. 171.

84 »Thesen des Düsseldorfer Parteitags der Deutschen Kommunistischen Partei«, Hrsg.: Deutsche Kommunistische Partei – Parteivorstand, Düsseldorf 1971, S. 28.

87 Siehe: Ebenda, S. 26/​27.

88 Ebenda, S. 27.

89 Ebenda, S. 26.

91 Siehe bspw.: »Wir haben aus den Fehlern gelernt« (Juni 1957) In: János Kádár »Für ein sozialistisches Ungarn«, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1976, S. 79/​80. Selbst ein Revisionist wie Kádár lehnte den »Stalinismus«-Begriff mit Verweis auf den antikommunistischen Ursprung ab.

92 Offenbarung des Johannes 3, 19.

Zuerst erschienen in Die Rote Front

Bild: Transparent der Kommunistischen Organisation, im Hintergrund Fahne der DKP (Berlin, Oktober 2022)

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