Rede von Lia­ne Kilinc auf dem Roten Platz zum Tag der Befrei­ung vom Hitlerfaschismus

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Heu­te nach Deutsch­land zu bli­cken macht kei­ne Freu­de. Denn wie im letz­ten Jahr wur­de dafür gesorgt, dass am Trep­tower Ehren­mal in Ber­lin nicht gefei­ert wer­den darf. Sowje­ti­sche und rus­si­sche Fah­nen, auch das Georgs­band, alles wur­de ver­bo­ten. Und es ist noch schlim­mer als im ver­gan­ge­nen Jahr – ukrai­ni­sche Fah­nen sind erlaubt, auch im Trep­tower Park.

Die Unter­stüt­zung des Kie­wer Regimes ist wich­ti­ger als die Wahr­neh­mung der his­to­ri­schen Wahr­heit. Der Spie­gel hat zum gest­ri­gen Datum erklärt, Deutsch­land wäre nicht vom Hit­ler­fa­schis­mus befreit wor­den, da so vie­le Deut­sche dafür gewe­sen sei­en. Dar­an sieht man, dass das Pro­blem des Faschis­mus nicht mehr ver­stan­den wird.

Wenn mor­gen das Regime in Kiew fällt und die Erzie­hung zum Hass been­det wird, dann mag es wohl sein, dass Jugend­li­che, die mit der Ban­de­ra-Ideo­lo­gie auf­ge­wach­sen sind, sich nicht befreit füh­len wer­den. Aber sie wür­den den­noch befreit, weil ihnen die Mög­lich­keit ver­schafft wür­de, als Mensch unter Men­schen zu leben und sie vor der Gefahr bewahrt wür­den im Namen eines Wahns zu Ver­bre­chern zu werden.

Ja, im Mai 1945 mögen das noch vie­le nicht ver­stan­den haben. Aber wenn man sich Auf­nah­men ansieht, aus mei­ner Hei­mat DDR, von den ers­ten Tref­fen der Frei­en Deut­schen Jugend, wenn man den Enthu­si­as­mus sieht, mit dem die­se jun­gen Men­schen, die dazu erzo­gen wor­den waren, alle ande­ren Völ­ker zu ver­ach­ten, die Welt­ju­gend­fest­spie­le besuch­ten und die Freund­schaft der Völ­ker fei­er­ten, dann sieht man, dass vie­le es bald dar­auf begrif­fen haben.

Die­se Begeis­te­rung über die neue Welt des Frie­dens soll­ten wir uns heu­te in Erin­ne­rung rufen, wenn wir die­sen Tag des Sie­ges bege­hen. Denn dar­um ging es schließ­lich: in einer Welt des Frie­dens zu leben, was erst mög­lich war, als der Faschis­mus nie­der­ge­run­gen war. Denn auch wir wol­len eine Welt dies Frie­dens, nur der alte Geg­ner hat sich ver­hüllt, er trägt NATO- und EU-blau und ukrai­ni­sches Gelb.

Vor vie­len Jah­ren kam der Spruch auf »Wer nicht fei­ert, hat ver­lo­ren«. Es ist bit­ter zu sehen, wie sehr die dama­li­gen Ver­lie­rer heu­te wie­der auf­trump­fen. Wenn sie könn­ten, wür­den sie die sowje­ti­schen Denk­mä­ler in Deutsch­land genau­so nie­der­rei­ßen wie in Polen, im Bal­ti­kum und in der Ukrai­ne. Sie zu schän­den genügt ihnen nicht. Sie nut­zen den Krieg in der Ukrai­ne, um offen ihre Zunei­gung zu Faschis­ten zu zei­gen und alles, was an ihre Nie­der­la­ge erin­nert, aus der Öffent­lich­keit zu ver­ban­nen. Aber es wird nichts nüt­zen. So, wie es nichts nüt­zen wird, alle Infor­ma­tio­nen zu ver­bie­ten, die nicht mit der NATO übereinstimmen.

Der 9. Mai 1945 war der Tag, der es ins Gedächt­nis der Welt ein­schrieb: die Mensch­heit bewegt sich nach vorn. Es mag Hin­der­nis­se geben, ent­setz­li­che Rück­fäl­le, aber sie bewegt sich nach vorn. Heu­te tut sie es, in dem Dut­zen­de Län­der nicht län­ger den Gebo­ten eines Hege­mons fol­gen, son­dern sich als Glei­che mit­ein­an­der ver­bün­den. Es ist eine neue Befrei­ung und wenn vie­le Men­schen in Deutsch­land oder gar in der Ukrai­ne das heu­te nicht begrei­fen, ändert das nichts daran.

Der Sieg über den Nazi­fa­schis­mus, den wir heu­te fei­ern, sagt es uns klar und deut­lich: gleich wie furcht­erre­gend die Bes­tie ist, die die Plün­de­rer des Pla­ne­ten ins Feld schi­cken, sie kann und sie wird bezwun­gen wer­den, heu­te wie damals. Denn die Zukunft der Mensch­heit liegt in einer Welt der Brü­der­lich­keit und des Frie­dens, wie sie damals zu erah­nen war, an jenem 9. Mai 1945, als die Völ­ker ihren Sieg begingen.

Bild: Lia­ne Kilinc am 9. Mai 2023 in Moskau

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