Deut­sche Pan­zer gegen Russ­land – Auf­ruhr mei­nes Gewissens

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Anläss­lich des heu­ti­gen Tages der Natio­na­len Volks­ar­mee ver­öf­fent­licht Mag­Ma die vor etwa einem Monat erschie­ne­nen Erklä­run­gen von Man­fred Grätz, Gene­ral­leut­nant a.D. und Sebald Daum, Gene­ral­ma­jor a.D. zusam­men mit einem Kom­men­tar von Lia­ne Kilinc.

Es ist wie­der so weit. Von unge­zähl­ten Men­schen befürch­tet, von einer geschichts­ver­ges­se­nen oder die Geschich­te arro­gant miss­ach­ten­den Min­der­heit, die sich beru­fen fühlt, unser Land zu regie­ren und in Vasal­len­treue dem trans­at­lan­ti­schen Bünd­nis­part­ner folgt, her­bei­ge­sehnt und ‑gere­det, von einer ein­ma­lig gleich­ge­schal­te­ten Medi­en­land­schaft eif­rig unter­stützt und nun­mehr vom Bun­des­kanz­ler offi­zi­ell ver­kün­det. Pan­zer gen Osten ist beschlos­se­nen Sache.

Bei vie­len Men­schen sträu­ben sich die Haa­re, wer­den ungu­te Erin­ne­run­gen wach, auch bei mir. Damals waren es noch kind­li­che Erinnerungen.

Gebo­ren 1935 bin oder war ich fak­tisch noch ein Kind des 2. Welt­krie­ges. Zu jung, um schon für den Waf­fen­gang des deut­schen Faschis­mus miss­braucht zu wer­den, aber alt genug, um zu ver­ste­hen, dass Krieg nur uner­mess­li­ches Leid, Elend und men­schen­ver­ach­ten­de Ver­nich­tung bedeu­tet. Ich ver­lor mei­nen Vater. Ein herz­los kal­ter Brief sei­nes Kom­pa­nie­chefs ver­mel­de­te, dass er offen­sicht­lich »in hel­den­haf­ten Abwehr-Kämp­fen gegen den bol­sche­wis­ti­schen Feind für Füh­rer, Volk und Vater­land gefal­len sei…«

Gele­gent­lich tau­chen auch schlag­licht­ar­tig Erin­ne­run­gen auf, wie wir als halb­wüch­si­ge Jun­gen am Bahn­damm saßen und die vie­len Mili­tär­trans­por­te beob­ach­te­ten, mit rie­si­gen wei­ßen Let­tern beschrif­tet: »Räder müs­sen rol­len für den Sieg.« Heu­te heißt es: »Deut­sche Pan­zer Rich­tung Russ­land.« Par­al­le­len, Ähn­lich­kei­ten sind wohl unschwer zu erken­nen. Bom­ben­näch­te, Flie­ger­alarm, das bren­nen­de Chem­nitz unweit mei­nes Dor­fes vor Augen, all das trug dazu bei, dass ich schon als Kind den Krieg has­sen lern­te und den Frie­den her­bei­sehn­te. Das Ende des Krie­ges erleb­te ich schließ­lich als Befrei­ung Deutsch­lands vom Faschis­mus durch die Sowjetarmee.

Seit jenen Ereig­nis­sen sind nahe­zu acht Jahr­zehn­te ver­gan­gen. Aus dem damals halb­wüch­si­gen Jun­gen ist ein 88-Jäh­ri­ger gewor­den, in ereig­nis­rei­cher geschichts­träch­ti­ger Zeit ein erfüll­tes Leben hin­ter sich.

38 Dienst­jah­re für die Erhal­tung des Frie­dens in unse­rer Natio­na­len Volks­ar­mee, davon sechs Jah­re Stu­di­um in der SU, gehö­ren dazu. Ich beken­ne mich frei­mü­tig, ich lie­be die­ses Land, wohl wis­send, dass das heu­ti­ge Russ­land nicht mehr mit der SU ver­gleich­bar ist. Aber die Men­schen, deren Väter und Groß­vä­ter für ihr Vater­land gegen den deut­schen Faschis­mus gekämpft und auch uns befreit haben, sind geblie­ben. Warm­her­zi­ge, lie­bens­wer­te Men­schen, Freunde!

All das und noch viel mehr geht mir durch den Kopf vor dem Hin­ter­grund all des­sen, was sich gegen­wär­tig ereig­net. Der Geist ist noch wach, auch nach 88 Jahren.

Es ist eine gan­ze Gemenge­la­ge an Gefüh­len und Emp­fin­dun­gen, die mich bewegt, domi­niert von Wut und Ent­täu­schung. Wut kocht in mir hoch, wenn ich die völ­lig halt­lo­se ein­sei­ti­ge Schuld­zu­wei­sung an Russ­land, in der Regel per­so­nell an Putin ver­fol­gen muss, an Putin, den Aggres­sor, Putin den Kriegs­ver­bre­cher. Putin ist an allem schuld, was gegen­wär­tig in der Welt pas­siert. Ver­ges­sen oder bewusst ver­schwie­gen die gesam­te Vor­ge­schich­te des Krie­ges in der Ukrai­ne, ver­ges­sen der Wort­bruch des Wes­tens bezüg­lich der NATO-Ost­erwei­te­rung, ver­ges­sen die Rede Putins vor dem Bun­des­tag anno 2001, in der er die Hand aus­streck­te, fried­li­che Zusam­men­ar­beit anbot und dann mit stan­ding ova­tions ver­ab­schie­det wur­de, ver­ges­sen auch die Rede auf der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz 2007, als er die NATO-Ost­erwei­te­rung als Bedro­hung rus­si­scher Sicher­heits­in­ter­es­sen ansprach.

Wut kommt auf, wenn Frau Baer­bock, immer­hin Außen­mi­nis­te­rin unse­res Lan­des und höchs­te Diplo­ma­tin, völ­lig ahnungs­los und bar jeg­li­chen diplo­ma­ti­schen Geschicks oder gar Anstands vom Leder zieht »Wir wer­den Russ­land ruinieren«.

Auf etwa der glei­chen Ebe­ne liegt das häu­fi­ge Geschwätz über die Fra­ge, ob wir denn nun schon Kriegs­par­tei sind oder nicht, oft dabei den Anschein erwe­ckend, zu suchen und aus­zu­lo­ten, ob wir denn nicht noch einen Schritt wei­ter gehen dür­fen oder nicht. Für mich brot­lo­se Kunst. Längst sind die Fron­ten klar. Wir sind mit­ten­drin. Was soll­te man denn sonst noch tun müs­sen, wenn man schon Pan­zer und ande­re schwe­re Waf­fen gelie­fert hat mit dem »heh­ren« Ziel, Russ­land zu besiegen?

Gefähr­lich auch, wenn Poli­ti­ker und sog. Exper­ten in Talk­shows oder bei ande­ren Gele­gen­hei­ten über das The­ma Eska­la­ti­on, viel­leicht mit Kern­waf­fen, mit »klei­nen tak­ti­schen« zunächst, sin­nie­ren, ahnungs­los und leicht­sin­nig. Ver­ges­sen schon Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki, jene zwei japa­ni­schen Städ­te, die das Opfer des ers­ten Atom­bom­ben­ab­wur­fes auf bewohn­tes Ter­ri­to­ri­um wur­den, ohne jede mili­tä­ri­sche Not­wen­dig­keit. Zu die­sem Zeit­punkt war der 2. Welt­krieg längst ent­schie­den, in Euro­pa, wie auch in Fern­ost. Und das waren bekannt­lich nicht die Rus­sen! Ver­ges­sen all das Leid und Elend, all die nach Zehn­tau­sen­den zäh­len­den Toten, und die Jahr­zehn­te wäh­ren­den Lang­zeit­wir­kun­gen, die die­se nach heu­ti­gen Maß­stä­ben »zwei klei­nen Kali­ber« bewirk­ten. Unvor­stell­bar und ver­ant­wor­tungs­los ein sol­ches Spiel mit dem Feu­er in der Gegen­wart! Da sage ich als ehe­ma­li­ger Mili­tär all jenen, die an ein sol­ches Aben­teu­er nur den­ken: Kriegsverbrechen!

Apro­pos Kriegs­ver­bre­chen! Spricht da noch jemand davon im Zusam­men­hang mit Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki? Ver­ges­sen! Zu den Akten gelegt, das bis dato größ­te Kriegs­ver­bre­chen der Mensch­heits­ge­schich­te, began­gen von den USA.

Nicht nur bedau­er­lich, son­dern auch besorg­nis­er­re­gend fin­de ich, dass unse­re in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung ste­hen­den Poli­ti­ker auch noch bera­tungs­re­sis­tent sind. Ich den­ke hier dabei an die Tat­sa­che, wie die Mei­nung erfah­re­ner Mili­tärs, Spe­zia­lis­ten ihres Beru­fes, mehr und mehr in den Hin­ter­grund tritt, bes­ser getre­ten wird, sie nicht mehr für die Öffent­lich­keit wahr­zu­neh­men ist. Muss es nicht bedenk­lich stim­men, wenn ein Gene­ral Kujath, exzel­len­ter Ken­ner der Mate­rie, auch oder beson­ders der NATO, sei­ne beach­tens­wert rea­len Ein­schät­zun­gen der Lage in einem Schwei­zer Jour­nal unter­brei­ten muss? Oder wenn sich ein Gene­ral Vad, ehe­ma­li­ger mili­tä­ri­scher Bera­ter von Frau Mer­kel, im Jour­nal EMMA von Ali­ce Schwar­zer äußert (nicht miss­ver­ste­hen, Respekt für Frau Schwarzer!)

Oder wenn sogar der Gene­ral­stabs­chef der US-Armee, Gene­ral Mil­ley, für sei­ne rea­le Ein­schät­zung der Lage in der Ukrai­ne von der Biden-Admi­nis­tra­ti­on einen Rüf­fel ein­ste­cken muss­te und über sei­ne Erkennt­nis­se der Man­tel des Schwei­gens aus­ge­brei­tet wird?

Von ande­ren Mili­tärs, gar von Ehe­ma­li­gen aus der NVA, will ich hier gar nicht spre­chen, die könn­ten ja die Rus­sen gut kennen!

Alles nach dem Mot­to »Es kann nicht sein, was nicht sein darf«. Es bleibt dabei, mit deut­scher Vasal­len­treue fol­gen wir getreu der auf die Welt­herr­schaft aus­ge­rich­te­ten Kriegs­po­li­tik der USA, unse­res wich­tigs­ten trans­at­lan­ti­schen Ver­bün­de­ten. Quo vadis, Deutsch­land? Fra­ge ich mich da. Oder um es mit Hein­rich Hei­ne zu sagen: Denk ich an Deutsch­land in der Nacht, so werd´ ich um den Schlaf gebracht!

Noch ein Wort an alle Mit­glie­der und Sym­pa­thi­san­ten unse­res Ver­ban­des, an mei­ne Genos­sen und Freunde.

Erhebt Eure Stim­me, ver­steckt Euch nicht.

Schreibt, in wel­cher Form und in wel­chem Medi­um auch immer und ver­gesst Name und Dienst­grad nicht.

Sucht und fin­det unse­re Ver­bün­de­ten, besucht auch deren Veranstaltungen.

Gemein­sam sind wir stärker.

Geht mit auf die Stra­ße, sofern Ihr noch rüs­tig und mobil seid. Redet mit den Leu­ten, trotz unter­schied­li­cher Inter­es­sen, die dort ver­tre­ten sind.

Krieg will von den Demons­tran­ten keiner.

All das sagt mir mein Gewis­sen. Bit­te, prüft auch das Eure.

Bild: Gene­ral­leut­nant Man­fred Grätz: Ver­band zur Pfle­ge der Tra­di­tio­nen der Natio­na­len Volks­ar­mee und der Grenz­trup­pen der DDR

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