Was hat euer Kurs erreicht? Offener Brief an die Anti‐Freie‐Linke‐Linke

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Ein weiterer Tag der Befreiung, an dem wir noch weniger frei sind als am letzten. Was fasst den erbärmlichen Zustand der deutschen Linken in diesem Moment am besten zusammen? Das ist schwer zu sagen. Man könnte auf den vollständigen Zerfall der Partei die Linke und den bedrohlichen Aufstieg der AfD im Osten verweisen. Oder auf das Versäumnis, die barbarische Kriegspolitik und die rücksichtslose Aufrüstung einer von den Grünen und der SPD geführten Koalition zu verhindern. Aber vielleicht bringt man die Dinge wirklich auf den Punkt, wenn man einfach die erstaunliche Tatsache zur Kenntnis nimmt, dass das zweite Jahr in Folge die Flagge der Befreier am Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus in Berlin nicht gehisst werden durfte. Sogar nach diesen Entwicklungen – Nazi‐​Bewaffnung in der Ukraine, Verbot der Sowjetflagge – entblöden sich einige Genossen immer noch damit, die müde alte Forderung, den 8. Mai zu einem Feiertag zu machen an diesen Staat zu stellen. Genossinnen und Genossen, ist euch wirklich nach feiern zumute?

Warum diese Linke gescheitert ist, wurde uns auch wieder klar, als ein Genosse der Freien Linken Zukunft (FLZ) auf der 8. Mai‐​Veranstaltung in Frankfurt von drei Mitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN‐​BdA) als rechts verleumdet und als unerwünscht bezeichnet wurde. Nur eine Woche zuvor hatten sogenannte revolutionäre Linke in der gleichen Stadt zugesehen, wie Mitglieder der Kommunistischen Organisation (KO) wegen unzureichender Russophobie schikaniert wurden. In einem Land, in dem die Partei die Linke trotz des sich verschlechternden Lebensstandards und der Entfremdung der Bevölkerung von den etablierten Parteien in den Umfragen immer seltener über fünf Prozent kommt, kann man kaum glauben, dass es selbsternannte Linke gibt, die anscheinend hauptsächlich damit beschäftigt sind, bekennende linke Antifaschisten von ihren Demonstrationen fernzuhalten.

Warum genau? Nun, natürlich, weil wir eigentlich rechts seien, erklären sie. Wie stellen sie das fest? Anders als beim letzten Mal waren die ausschließenden VVN‐​BdAler bereit sich zumindest auf eine Diskussion einzulassen. Die Ergebnisse waren jedoch in gewisser Weise tragischer, denn es wurde deutlich, dass sich ihre Analyse sowohl der so genannten Pandemie als auch des Protests als Reaktion darauf in drei Jahren weder weiterentwickelt noch verbessert hat. Das gleiche, düstere Bild der Krise, das von den Operationsbrigaden der psychologischen Kriegsführung der herrschenden Klasse erzeugt und verbreitet wurde, ist nach wie vor in vollem Umfang wirksam, scheinbar immun gegen jeden Widerspruch durch die empirische Realität. Wir möchten also kurz die Anschuldigungen gegen uns durchgehen, so schal sie auch sein mögen. Wir möchten die grundlegenden, unterschiedlichen Positionen, die wir in Bezug auf die angebliche Pandemie und die Protestbewegung eingenommen haben, vergleichen und gegenüberstellen. Wir sind der festen Überzeugung, dass uns, wie König Lear, mehr Sünde schlug, als dass wir sündigten.

Wir wollen uns hier nicht nur rechtfertigen, sondern auch versuchen, die Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke einmal mehr zum nachdenken und zur kritischen Prüfung anzuregen. Denn sie führt uns alle trotz ihrer besten Absichten auf den Weg in Unfreiheit und Versklavung. Dabei wenden wir dieselben Prinzipien an, die uns dazu gebracht haben, im Kampf gegen die Corona‐​Maßnahmen so unterschiedliche Bündnisse zu schließen. Dabei handelt es sich um dieselben Prinzipien, die auch ein Jahrhundert zuvor die Politik der Volksfront bestimmten. Wie wir in unserem letzten Flugblatt »Auf, auf zum Kampf, denn der Faschismus ist zurück!« betont haben, könnte die Lage ernster kaum sein. Der Faschismus ist zurück. Er ist bereits da. Und zumindest ein Teil der Verantwortung dafür liegt bei den Kräften der vermeintlich antifaschistischen Linken, die ihrer historischen Pflicht nicht nachgekommen sind. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es unter euch viele aufrichtige Menschen gibt, die von der ausgeklügelten Propaganda der herrschenden Klasse verwirrt worden sind. So wie es in der Corona‐​Protestbewegung viele Menschen mit verwirrten »rechten« Ansichten gibt. Wir müssen versuchen auf sie zuzugehen, wir können gar nicht anders, denn schließlich werden die Ehrlichen unter euch verstehen und mit uns und nicht gegen uns kämpfen – wir hoffen nur, dass dieser Zeitpunkt kommt, bevor es zu spät ist.

Wir beginnen damit, euch zu fragen, sogar in eurer eigenen Sprache, wie erfolgreich euer Vorgehen gegen die so genannte Pandemie war? Was habt ihr inmitten dieser epochalen Krise erreicht, indem ihr einen so großen Teil Ihrer Energie gegen die Gegner der Regierung gerichtet habt? Vermutlich werdet ihr zumindest einräumen, dass es euch nicht gelungen ist, die Regierung zu einer solidarischen Reaktion zu bewegen, weder innenpolitisch noch international. Ihr wart nicht in der Lage, den extremen nationalen Chauvinismus zu bekämpfen, den die Regierung sowohl bei den Reisebeschränkungen als auch bei der Verteilung von Impfstoffen (oder anderen medizinischen Mitteln) an den Tag legte. Ihr haben es nicht einmal geschafft, einen sinnvollen bevorzugten Schutz für die besonders Schutzbedürftigen durchzusetzen – geschweige denn irgendetwas, das an »ZeroCovid« heranreicht. Behauptet, nebenbei bemerkt, eigentlich noch irgendjemand, dass dies der wünschenswerte Ansatz war? Und könnt ihr irgendwelche aussagekräftigen Erfolgsbeispiele nennen, insbesondere solche, die auf den deutschen Kontext übertragbar wären? Natürlich haben Deutschland und die meisten anderen Länder mit einer aggressiv interventionistischen Politik Schweden in Bezug auf die Übersterblichkeit dramatisch übertroffen, bevor die angebliche Pandemie auch nur die Hälfte ihres Ausmaßes erreicht hatte. Einstige Vorzeigeländer wie Australien und Neuseeland haben seit ihren Impfkampagnen himmelhohe Raten an Übersterblichkeit zu verzeichnen. Selbst China hält nicht mehr an ZeroCovid fest.

Von Anfang an haben wir davor gewarnt, dass ein ZeroCovid‐​Ansatz, selbst wenn man ihn unter idealen Umständen – zum Beispiel in einer sozialistischen Regierung, über die die Bevölkerung eine echte, starke demokratische Kontrolle ausübt – für optimal und lebensfähig hält, mit der gesamten Struktur und Organisation der imperialistischen kapitalistischen Volkswirtschaften offenkundig unvereinbar ist. Und wir haben euch gebeten, die praktischen Konsequenzen zu bedenken, wie die utopische Forderung nach ZeroCovid in unseren konkreten politischen Verhältnissen tatsächlich umgesetzt werden würde. Jetzt, wo sich der Staub etwas gelegt hat und die berauschenden Zeiten des scheinbar nicht enden wollenden Stay‐​at‐​Home‐​Schneefrei‐​Tags vorbei sind, habt ihr nüchtern darüber nachgedacht, was ihr mit solchen Aufrufen in der realen, klassenbestimmten Welt, in der wir leben, möglicherweise erhofft haben könntet? Wir müssen vermuten, dass die apokalyptische Ekstase des Corona‐​Spektakels eine gefährliche Tendenz aufgreift, die in der Linken der imperialistischen Kernländer bereits fest verankert ist: die Aufgabe einer auf Klassenkampf basierenden Analyse zugunsten eines millenarischen Glaubens, dass irgendeine Kraft außerhalb des Kapitalismus uns irgendwie retten wird. Diese Denkstruktur hatte sich in der Hauptströmung der Klimabewegung durchgesetzt und brauchte nur geringfügige Änderungen, um auf den Gesundheitsnotstand angewandt zu werden. Hinter diesen utopischen Phantasien verbirgt sich der unheilvolle (proto-)faschistische Glaube an die Solidarität, die dadurch erreicht wird, dass sich die »Gemeinschaft« gegen einen äußeren Feind zusammenschließt. Echte Solidarität kann natürlich nur durch einen prinzipienfesten, klaren, internationalistischen Klassenkampf entstehen, der auf den konkreten gemeinsamen Interessen der unterdrückten Massen beruht – und nicht durch Klassenkollaboration mit den Unterdrückern gegen den von ihnen erfundenen Buhmann!

In der realen Welt, in der wir leben, diente ZeroCovid also vor allem dazu, eine noch nie dagewesene Machtkonzentration in den Händen der höchsten Ebenen der herrschenden Klasse zu rechtfertigen und vor kritischer Analyse abzuschirmen. Wir sprechen also von einer Dynamik, die strukturell dafür sorgt, dass es insgesamt weniger Solidarität, weniger Gleichmacherei und weniger günstige Bedingungen gibt, um den Klassenkampf bei der Verfolgung unserer gemeinsamen Interessen weiterzuführen. Viele haben in diesem Zusammenhang eine fast schon comichafte mechanische Analyse des Kapitalismus übernommen. Eine, die auf einem Verständnis der Kapitalisten als so etwas wie vorprogrammierter Videospielcharaktere oder Algorithmen beruht, die nur durch »legitimes« kapitalistisches Wirtschaften akkumulieren können. Was für eine absurde Flucht vor der Geschichte, was für eine abstrakte, idealistische Verblendung. Natürlich haben konkrete Kapitalisten keine tiefe ideologische Hingabe an den Kapitalismus oder die Märkte an sich, sondern nur an ihre eigenen Klasseninteressen, in welcher Form auch immer sie vorangetrieben werden mögen. Konkrete Kapitalisten haben in der Vergangenheit eifrig Möglichkeiten zur Akkumulation und Machtausübung ergriffen, die stabiler und weniger riskant als der Kapitalismus waren: Feudalismus, Sklaverei, regelrechte Plünderung. Sie tun alles, womit sie durchkommen und das werden sie immer tun. Genau wie wir es vorausgesagt haben, hat die angeblich antikapitalistische, wirtschaftszerstörende Politik, die unter dem Vorwand »Lockdown« umgesetzt wurde, in Wirklichkeit massiv dazu beigetragen, die schädlichsten monopolistischen Tendenzen des spätimperialistischen Kapitalismus zu beschleunigen. Die aggressivsten, reaktionärsten Elemente des Finanzkapitals haben ihren Reichtum und ihre Macht massiv ausgebaut und gefestigt. Kleinere, schwächere Kapitale wurden aufgefressen. Die unteren Schichten der Bourgeoisie sowie die Mittelschichten im Allgemeinen wurden erheblich verarmt. Je genauer man die jüngsten angeblichen »Katastrophen« für den Kapitalismus, die uns durch das Spektakel vermittelt werden, unter die Lupe nimmt, desto mehr stellt man fest, dass die obersten Ränge der herrschenden Klasse weder Macht noch Reichtum verloren haben. Man sieht stattdessen, dass die globale Mittelschicht in einem finanziellen Blitzkrieg systematisch ausgeplündert wird.

Die herrschende Klasse liebt nichts mehr als die Revolution durch den Putsch zu ersetzen, Hammer und Sichel durch Fasces und den Klassenkampf durch das Pogrom. Sie versuchen dabei dieses massive Programm des Diebstahls und der Machtkonsolidierung ausgerechnet als Niederlage für eine aus einem Comicheft hergenommene Karikatur von »Kapitalismus« zu verkaufen. Man denke an die kleinen während der »Lockdowns« verschlungen Kapitalien. Kleinen und mittleren Betriebe, die jene mit Ach und Krach überstanden, droht nun die Erdrosslung mittels absurder Klima‐ und Sanktionspolitik. Man denke an das Schicksal der niederländischen Bauern. Aber auch an die aktuellen Beschlagnahmungen von Jachten und anderen Vermögenswerten von »russischen Oligarchen«. Hier sind ansatzweise Parallelen zu früheren »außerkapitalistischen« Raubzügen der herrschenden kapitalistischen Klassen in der Geschichte wie der »Arisierung« des jüdischen Reichtums durch die Nazis oder die Plünderung der DDR zu verzeichnen. Ganz gewiss aber sind Parallelen zu denen, die solche Manöver als antikapitalistisch oder sozialistisch feiern! Denn vielleicht weiß jemand unter euch noch, dass ein typisches Manöver des Faschismus in dem Versuch bestand, die echten revolutionären Gefühle der Menschen kooptierend aufzugreifen, indem er seine eigenen außerkapitalistischen Angriffe, wie die direkte Akkumulation durch Enteignung, missbrauchend und manipulierend als »antikapitalistisch« ausgab. Natürlich plünderten die Faschisten den jüdischen Reichtum, weil sie ihn schlichtweg wollten. Gleichwohl versuchten sie auch die Juden als Sündenbock für den abstrakten Kapitalismus hinzustellen und so die Arisierung (und andere Dinge wie Angriffe auf jüdische Unternehmen) als »antikapitalistisch« zu verkaufen. Genauso ist die herrschende Klasse heute dabei, eine Orgie der Ausplünderung an allen außer den obersten Kreisen durchzuführen. Auch sie versucht ihren Raubzug der Bevölkerung ständig als antikapitalistisch zu verkaufen.

Hat die Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke, indem sie den aggressivsten, dominantesten Teilen der herrschenden Klasse Deckung bei der Demontage und Absorption kleinerer, schwächerer Teile gab, irgendeinen Hebel für sich selbst oder für die arbeitenden Massen, für die sie zu kämpfen vorgibt, gewonnen? Hat eure Politik es euch ermöglicht, zumindest eine gewisse Verteilung dieser innerkapitalistischen Ausbeutung zu erzwingen? Nein, natürlich nicht. In der Tat wird die gesamte Last der künstlichen Krise den Massen auferlegt. Die deutsche Bevölkerung erlebt die größte Senkung des realen Lebensstandards in der Geschichte, während die herrschende Klasse die Dreistigkeit besitzt 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung des Staatsapparats zu stecken, der gerade drei Jahre lang seine eigene Bevölkerung unerbittlich überwacht, schikaniert und unterdrückt hat, oft mit stillschweigender oder sogar offener Billigung eben dieser vermeintlichen Linken. Anstatt die Bevölkerung auf die Rückeroberung unseres eigenen kollektiven Reichtums und des materiellen Überflusses auszurichten, den wir alle genießen könnten, wenn wir befreit wären und die Kontrolle über die Produktionsmittel hätten, sind viele tatsächlich eher damit beschäftigt, noch aggressivere Positionen gegen den Lebensstandard der Bevölkerung einzunehmen als die Herrschenden selbst. Die eigentlichen Plünderer der Erde bleiben unangetastet, während die Massen jedes Anscheins von Wohlbefinden oder Freiheiten beraubt werden müssen, um sie zu »retten«. Diese Absurdität könnte nicht besser auf den Punkt gebracht werden als durch die gleichzeitige Befürwortung eines imperialistischen Krieges im Osten und eines Wirtschaftskrieges gegen die Bevölkerung im eigenen Land durch die Grünen. Kann es etwas geben, das eindeutig umweltzerstörerischer ist als die imperialistische Kriegsmaschinerie selbst? Gibt es überhaupt eine »grüne« Partei, die diesen Namen verdient, deren oberste Priorität nicht die Zerschlagung dieser Todesmaschine ist, weit vor allen anderen?

In der Tat offenbart vielleicht nichts die grundlegende Unehrlichkeit der angeblichen prinzipiellen Distanzierung der Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke von uns – angeblich Rechten – als die Weigerung, keine solche Abgrenzung gegenüber den Anhängern der nun objektiv faschistoiden Parlamentsparteien zu ziehen. Der Kontakt mit jemandem, der mit jemandem marschiert ist, der einmal bei einer rechten Demonstration dabei war, reicht aus, um uns für unrettbar »rechtsoffen« zu erklären. Mit der Ampel‐​Koalition, die in Wirklichkeit aktiv den deutschen Imperialismus aufrüstet und Neonazis in der Ukraine materiell unterstützt, die Symbole der antifaschistischen Befreiung verbietet, die das antisemitische Nazi‐​Propaganda‐​Narrativ des »Holomodor« als offizielle, staatlich erzwungene Wahrheit festschreibt – nun, mit denen kann man anscheinend gewisse Meinungsverschiedenheiten haben. In der Tat ist es nicht nur erlaubt, mit ihnen zu marschieren, sich mit ihnen zu organisieren und für sie zu stimmen. Es wird als völlig akzeptabel erachtet, dass der neu gewählte Frankfurter Oberbürgermeister dieser SPD, die ja diese Koalition im Bund anführt, dass der die Hauptrede auf der 1. Mai‐​Demonstration hält.

Womit wir beim vielleicht auffälligsten Misserfolg eures Kurses angelangt sind: bei eurem Verhältnis zur Protestbewegung gegen die Corona‐​Maßnahmen selbst. Unabhängig davon, wie man die wahre Natur der Krise beurteilt, können wir uns hoffentlich auf einige unbestreitbare Fakten einigen. Die erste ist, dass die Reaktion der bürgerlichen Regierungen auf Krisen niemals von Wohlwollen geleitet ist. Man könnte argumentieren, dass sie durch die Notwendigkeit, das System aufrechtzuerhalten, das »Richtige« zu tun, angetrieben werden, um den kontinuierlichen Fluss des Profits zu gewährleisten; sie könnten durch die Erwartungen der Bevölkerung, die Notwendigkeit, wiedergewählt zu werden und so weiter, gezwungen sein; vielleicht müssen sie auch einfach nur die Bevölkerung zumindest teilweise retten, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, auch sich selbst zu retten. Schön und gut. Aber wir sind uns sicher alle einig, dass von den bürgerlichen Regierungen nicht mehr zu erwarten ist und dass sie eine Krise zynisch ausnutzen können, um ihre eigenen Klasseninteressen gegen die der arbeitenden Massen durchzusetzen, was sie auch tun werden. Und wir wissen, dass der Zynismus der herrschenden Klasse einfach nicht unterschätzt werden darf frei nach dem Motto: »Eine gute Krise darf man sich nicht entgehen lassen«.

Wir müssen also damit rechnen, dass die herrschende Klasse eine Krise – sei sie nun real oder künstlich herbeigeführt – so weit missbrauchen wird, wie sie nur kann. Jede herrschende Klasse in der Geschichte hat nichts mehr geliebt als einen Ausnahmezustand, um sich von demokratischen oder volksnahen Zwängen zu befreien. Sofern es sich um eine reale Krise handelt, müssen wir davon ausgehen, dass die herrschende Klasse nur dann versuchen wird, sie zu beseitigen, wenn dies ihren eigenen Interessen dient. Jede Maßnahme, die über ihre eigenen Interessen hinausgeht oder ausnahmslos gegen ihre und unsere Interessen gerichtet ist, muss durch politischen Kampf erzwungen werden. Die einzig richtige linke Antwort auf eine Krise muss also die Mobilisierung der Bevölkerung sein, nicht ihre Entmachtung.

Die Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke hat nicht nur die Mobilisierung der Bevölkerung versäumt, sondern die Regierung aktiv bei der Demobilisierung durch Hausarrest und Ausgangssperre unterstützt. Sklavisch hat sie die lächerlichsten den Protest einschränkenden Diktate des Staates akzeptiert, selbst wenn diese nach der phantastischen und surrealen Logik der angeblichen Covid‐​Pathogenese kaum einer Prüfung standhielten. Ihr habt andere andere dazu gedrängt, der Regierung zu gehorchen. Mehr noch: viele von euch drängten die Regierung dazu, noch härter gegen Widerstand vorzugehen. Das Skandalöseste aber dabei ist, dass sich einige von euch sogar freiwillig bereit erklärten, als Stoßtrupps der Regierung zu dienen und die Protestierenden zu stören, zu behindern, zu belästigen und anzugreifen. Und was habt ihr damit erreicht? Haben ihr dazu beigetragen, das Wiedererstarken der radikalen Rechten in Deutschland zu verhindern? Mitnichten, genau das Gegenteil habt ihr erreicht. Eine noch nie dagewesene Anzahl von Menschen, viele, wenn nicht sogar die meisten, aus der unteren Mittelschicht‐ und Arbeiterklasse, begannen zum ersten Mal wirklich radikal die Legitimität nicht nur der derzeitigen Regierung, sondern des Kapitalismus und der parlamentarischen Demokratie selbst in Frage zu stellen. Habt ihr euch auf sie eingelassen, habt ihr ihnen geholfen die Hemmnisse ihrer bisherigen Indoktrination zu überwinden, habt ihr konstruktive Kritik geübt, sie erzogen und aufgeklärt? Nein, ihr habt sie alle mit einem Schlag zu Rechten erklärt – in der vielleicht groteskesten Tragödie der Selbstbestätigung, die es je gegeben hat. Denn was habt ihr mit all dem erreicht, durch eure objektive Ausrichtung auf die Regierung und die Vorhut der herrschenden Klasse, der sie dient; durch eure hysterische, tollwütige Ablehnung jeglichen kritischen Denkens gegenüber der offiziellen Darstellung; durch euren Verrat an grundlegenden linken Prinzipien? Ihr habt erreicht, dass unzählige potenzielle Verbündete in die Hände der schlimmsten rechten Demagogen getrieben wurden. Ihr habt die reißerischsten, oft antisemitischen Phantasien der Rechten über eine Verschwörung der »radikalen Linken« und der »internationalen Finanzwelt« gegen die Bevölkerung befeuert. Ihr habt die Arbeit derjenigen von uns, die den Faschismus, wie er sich heute wirklich und konkret manifestiert, bekämpfen wollen, ungemein erschwert. Die unterschiedlichen Entwicklungen der Partei die Linke und der AfD sind dafür ein deutliches Zeichen.

Wir sollten auch kurz direkt über das Thema Faschismus sprechen. Zunächst sollten wir die vielleicht absurdeste und selbstzerstörerische Behauptung der Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke ansprechen: dass jeder, der irgendeinen Aspekt der Corona‐​Maßnahmen mit irgendeinem Aspekt des historischen Faschismus verglichen hat, letzteren nur relativieren und herabsetzen konnte, mit dem Ziel, ihn letztlich zurückzubringen. Natürlich wird ein solcher Schachzug von der Rechten durchgeführt – häufig und mit zunehmender Verlogenheit. Er wird jetzt sogar von der Bundesregierung selbst durchgeführt, indem sie den so genannten »Holomodor« zum Völkermord erklärt und die besondere Bedeutung des Vorwurfs der Volksverhetzung untergräbt. Was an der Interpretation (und der anschließenden Verleumdung) der Corona‐​Protestbewegung so zutiefst unaufrichtig war, war die Tatsache, dass so viele von euch einfach davon ausgingen (zweifellos auf Veranlassung staatlicher Geheimdienstagenten), dass alle Vergleiche, die im Zusammenhang mit den Corona‐​Protesten angestellt wurden, von dieser relativierenden, herabsetzenden Art gewesen sein müssen. Denn ihr hattet die Proteste bereits als rechts und faschistisch ausgegeben, also konnten die Vergleiche es ja nur so meinen. Und der Beweis, dass sie rechts und faschistisch waren? Dass sie sich eben einer solchen Relativierung schuldig gemacht haben. Das versteht sich doch von selbst!

Wenn ihr jemals versucht hättet, euch nur kurz mit den Teilnehmern der Proteste zu unterhalten, hättet ihr festgestellt, dass die Menschen auf den Demonstrationen gegen die Corona‐​Politik, wenn sie Vergleiche mit dem Faschismus oder dem Nationalsozialismus anstellten, dies genau deshalb taten, weil sie als Antifaschisten und Antinazis diese als Bezugspunkte für das absolut Böse ansahen, von einer kleinen Handvoll Provokateure abgesehen. Sie – und viele von uns – fühlten und fühlen, dass die derzeitige herrschende Klasse – die in vielerlei Hinsicht eine ungebrochene Kontinuität mit denjenigen aufweist, die den Faschismus durchgeführt haben – darauf aus ist, erneut so abscheuliche, unvorstellbare und groteske Verbrechen zu begehen wie jene monströsen Verbrechen, die vor weniger als einem Jahrhundert begangen wurden. Ihr mögt denken, dass wir mit dieser Einschätzung falsch liegen; aber ihr dürft dies nicht als Relativierung oder Verharmlosung dieser Verbrechen auffassen. Gerade weil wir den ganzen Schrecken dieser Verbrechen erfasst haben, sehen wir uns gezwungen die Wahrheit über ihre drohende Wiederholung zu sagen.

In der Tat lässt sich ein tiefgreifender Widerspruch in eurer eigenen Logik feststellen. Wenn ihr tatsächlich glaubt, dass alle Vergleiche mit dem Faschismus relativierend sein müssen, bedeutet das selbstredend, dass ihr es eigentlich für unmöglich halten müsstet, dass der Faschismus oder etwas ähnlich Ungeheuerliches jemals wiederkehrt. Denn dann gäbe es zumindest theoretisch die Möglichkeit eines nicht relativierenden Vergleichs. Dann wäre der Antifaschismus überflüssig, wenn ihr das glauben würdet. Aber das tut ihr natürlich nicht. In der Tat hatten viele von euch keinerlei Skrupel, uns oder diejenigen, die mit uns marschierten, zu Faschisten zu erklären ohne auch nur die geringste Prüfung unserer tatsächlichen Ansichten oder Positionen vorzunehmen. War das nicht relativierend? In der Tat war es das, und zwar auf eine viel schlimmere, tiefgreifendere und verderblichere Art als die, die man uns oder unseren Mitdemonstranten vorwirft. Denn damit habt ihr es wirklich geschafft, die Bedeutung, das Gewicht und die Tragweite von Begriffen wie »Faschist« und »Nazi« ernsthaft zu untergraben. Könnt ihr ermessen, was für einen Schaden ihr damit angerichtet habt! Könnt ihr erahnen, wie außerordentlich schwierig ihr den wichtigen und echten Kampf gegen den Faschismus gemacht habt, den wir aus der Protestbewegung heraus geführt haben. Denn für so viele derjenigen, die durch die Corona‐​Proteste neu oder repolitisiert wurden, die durch die Ereignisse, den Zusammenbruch ihrer früheren Vorannahmen, so verunsichert waren, habt ihr diesen so zentralen Worten des Antifaschismus die Bedeutung und Kohärenz genommen. Damit habt ihr den faschistischen Demagogen, die im Rahmen der Proteste agieren, einen unschätzbaren Dienst erwiesen, denn sie hätten sich kaum mehr freuen können als in solch trüben Gewässern zu schwimmen. Dies sind die Früchte eurer schrecklich falsch kalkulierten Strategie, die in der Tat noch nicht einmal voll ausgereift sind. Sicher ist, die auf euren Mist gewachsene, direkt der Rechten zugute kommende politische Verwirrung wird die politische Bildung und die antifaschistische Organisierung weiterhin deutlich behindern.

Mehr als alles andere verrät dieser Fehler die erstaunliche Engstirnigkeit, Leichtgläubigkeit und Oberflächlichkeit des Denkens, die bei der Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke vorherrschen. Den Ernst der aktuellen Situation oder die Natur des Gegners, dem wir in der gegenwärtig herrschenden Klasse gegenüberstehen, habt ihr überhaupt nicht ansatzweise begriffen, vor allem nicht die Raffinesse ihrer Methoden der psychologischen Kriegsführung. Die herrschende Klasse hat die früheren Methoden des Faschismus verinnerlicht und verbessert. Dieser bezog einen Großteil seiner Stärke und Macht aus der spektakulären Aneignung und Umkehrung linker revolutionärer Kritik. Wie wir in dem von der VVN‐​BdA Frankfurt so unerwünschten Flugblatt vom 8. Mai zitieren, schrieb Dmitroff:

Der Faschismus kommt zur Macht als Partei des Angriffs gegen die revolutionäre Bewegung des Proletariats, gegen die in Gärung befindlichen Volksmassen, er stellt jedoch seinen Machtantritt hin als eine ›revolutionäre‹ Bewegung gegen die Bourgeoisie im Namen der ›ganzen Nation‹ und zur ›Rettung der Nation‹ (man denke an den ›Marsch‹ Mussolinis nach Rom, an den ›Marsch‹ Pilsudskis nach Warschau, an die nationalsozialistische ›Revolution‹ Hitlers in Deutschland usw.

Die herrschende Klasse hat diese Formel erheblich weiterentwickelt. Sie unternimmt heute nichts von Wichtigkeit ohne das Sperrfeuer einer riesigen Maschinerie der Desorientierung und Desinformation. Dazu gehört in der Regel nicht nur, dass sie ihr eigenes Hauptmanöver in ein »linkes« oder »fortschrittliches« Gewand kleidet, sondern auch, dass sie verschiedene kontrollierte Oppositionsbewegungen ausheckt, die ihrerseits eine Reihe von verdeckten Funktionen erfüllen. Denkt zum Beispiel daran, wie die herrschende Klasse versucht hat, den Kampf gegen den Imperialismus in Syrien oder der Ukraine mit weißem Nationalismus oder die Unterstützung für Palästina mit Antisemitismus zu verbinden.

Der Fall von 9/​11 ist hier vielleicht noch aufschlussreicher. Die imperialistische herrschende Klasse sorgte dafür, das linke Kräften, die ihr Programm hätten stoppen können, auf das desaströse »Blowback‐​Narrativ« aufsprangen, demnach sich bei 9/​11 also um eine unbeabsichtige Folge der US‐​Politik handele. Das war äußerst attraktiv für die kleinbürgerlichen, loyalen »linken« Gegner der herrschenden Klasse, die unaufhörlich an ihre eigene Klugheit und die angebliche Unfähigkeit der Herrschenden glauben. Es schmeichelte all ihren Vorurteilen, gab ihnen »Recht« – als ob das Problem des Imperialismus eine schlechte Strategie wäre! Ferner lieferte es ihnen endloses Material für hämisches, selbstgerechtes Gezeter. Natürlich wurden sie dabei dazu verführt, die zutiefst rassistischen, islamfeindlichen und orientalistischen Annahmen zu akzeptieren, die notwendig sind, um eine solch lächerliche Geschichte zu glauben. Und es verpflichtete sie zu einem fanatischen, absurden Revisionismus hinsichtlicher der historischen Rolle der USA in Westasien und Nordafrika (und natürlich auch im Inland). Auf diese Weise gelang es der herrschenden Klasse, große Teile der Führung der »Linken« auf eine Linie einzuschwören, die 1) die unverzichtbarsten Elemente des offiziellen Narrativs verstärkte, 2) den Widerstand der Bevölkerung gegen das faschistische Bush‐​Cheney‐​Regime völlig verwirrte, spaltete und desorientierte und 3) sie von der großen Mehrheit der Arbeiterklasse entfremdete, insbesondere der nicht‐​weißen Arbeiterklasse, die keine Skrupel hatte, eine offensichtliche »Verschwörung« als das zu erkennen, was sie war.

Im Fall der so genannten Pandemie hat die herrschende Klasse eine beispiellose Desinformationskampagne gestartet. Aber nicht, um den Schaden herunterzuspielen, sondern um ihn zu übertreiben. Sowohl im Sinne einer Übertreibung der Bedrohung als auch im Sinne einer aktiven Konstruktion tödlicher und anderweitig schädlicher Umstände in Krankenhäusern, Pflegeheimen wie der Gesellschaft im Allgemeinen. Die Herrschenden haben Medien und Eliteinstitutionen benutzt, um den falschen Eindruck eines Expertenkonsenses zu erwecken. Vor allem aber haben sich die kapitalistischen Medien und Regierungen den weit verbreiteten Zynismus zunutze gemacht, den ihre Desinformationskampagnen in der Vergangenheit hervorgerufen haben, um die gegenwärtige globale Operation psychologischer Kriegsführung zu inszenieren: Indem sie unter den Linken die Vorstellung verbreiteten, dass sie als Regierungen die Bedrohung leugnen oder verharmlosen, haben sie sich selbst einen verblüffend effektiven Deckmantel gegeben, um die Bedrohung grenzenlos zu aufzublähen.

In Verbindung mit dieser Kampagne hat die herrschende Klasse bewusst eine Pseudoopposition aus ihren eigenen traditionellen politischen Schocktruppen und Spielfiguren wie etwa den Libertären, Nationalisten, rechten Esoteriker und so fort sowie aus großen Teilen des zunehmend entbehrlichen Kleinbürgertums kultiviert und kreiiert. Man konnte davon ausgehen, dass sie kaum eine Bedrohung darstellten, da sie praktisch weder organisiert waren noch die Fähigkeit oder die Neigung hatten, sich ernsthaft mit dem Staat anzulegen. Sie waren größtenteils hoffnungslos in die kapitalistische Ideologie verstrickt, so dass es ein Leichtes war, sie in die Irre zu leiten oder sie in Zukunft sogar ganz zurückzuerobern.

Außergewöhnlicherweise ist es für die Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke zum Tabu geworden zu behaupten, dass die herrschende Klasse das Feld des Klassenkrieges mit einer solchen Strategie und Voraussicht steuert, indem sie andere Klassenschichten gegeneinander ausspielt, um ihre eigenen Kernziele voranzutreiben. Dies anzunehmen ist jetzt eine »Verschwörungstheorie«. War es eine »Verschwörungstheorie«, als Marx dasselbe tat, im »18. Brumaire« oder in »Revolution und Konterrevolution in Deutschland«?

Diejenigen von uns, die später die Bewegung der Freien Linken bilden sollten, erkannten das Feld als das, was es war und erkannten, dass wir nur in diesem Feld als solchem intervenieren konnten. Wir wussten, dass, wie Marx im 18. Brumaire bemerkte, die Menschen ihre eigene Geschichte machen, aber nicht, wie es ihnen gefällt unter selbstgewählten Umständen, sondern unter bereits bestehenden, von der Vergangenheit gegebenen und überlieferten Umständen. Ihr jedenfalls konntet leider nicht aus eurer fanatischen Trance gerissen werden – wir haben es mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versucht. Die herrschende Klasse war dabei, einen globalen Blitzangriff zu starten. Die Massen formierten sich auf der Straße und die herrschende Klasse hatte ihre Armee von Agenten, Beeinflussern und Irreführern aller Art eingesetzt, um sie einzufangen, zu verwirren und zu treiben. Wir mussten dort sein. Wir mussten den Massen helfen, ihre richtigen Intuitionen und Einsichten in eine integrierte, rationale, materialistische Analyse der Situation zu verwandeln. Wir mussten dabei helfen, die zahllosen Fallen zu entschärfen, die die herrschende Klasse für sie aufgestellt hatte. Und wir mussten, wie alle echten Revolutionäre, von ihnen lernen! Wir mussten mit ihnen debattieren, diskutieren und kämpfen.

Bevor die Bewegung überhaupt in Gang kommen konnte, habt ihr euch an das Drehbuch gehalten, das euch die herrschende Klasse vorgelegt hat und Ausreiser aus euren eigenen Reihen schnell eingefangen und kaltgestellt. Sofort aber habt ihr alle Teilnehmer, die diesem beispiellosen Vorstoß der herrschenden Klasse skeptisch gegenüberstanden, als Faschisten, Antisemiten und Rechtsradikale verleumdet. Damit haben ihr erheblich dazu beigetragen, dass viele andere politisch fortschrittliche linke Kritiker, die beim etablieren einer linke Hegemonie in der Protestbewegung mithelfen konnten und wollten, zu Hause blieben und das Feld den Agenten und Demagogen überließen. Da wir mit einem historischen und materialistischen Verständnis der Reaktion bewaffnet waren, ließen wir uns nicht so leicht einschüchtern. Das sollten wir kurz klarstellen. Es ist kein Zufall, dass der deutsche Faschismus den Begriff »Sozialismus« für sich vereinnahmt hat, wie Dmitroff oben angemerkt hat. In der Tat steckt viel Wahrheit in der markigen Charakterisierung des Antisemitismus als »Sozialismus der Narren«. Die Massen sind die Quelle der revolutionären Ideologie, die sie im Kampf gegen ihre Unterdrücker schmieden und klären. Reaktionäre Ideologien können allgemein als die ideologischen Waffen der herrschenden Klassen und ihrer Handlanger verstanden werden. Sie werden für die Unterwerfung der Massen geschmiedet und sollen jeden Keim der Selbstaufklärung austrocknen. Das Klassenbewusstsein ist vielleicht der gefährlichste dieser Keime. Die wahre und korrekte Einsicht, dass die herrschende Klasse eine Klasse ist, die sich in ihren Interessen und Zielen von den Massen abgrenzt und ihnen entgegensteht.

Daher unternimmt die herrschende Klasse alle Anstrengungen, um einerseits diese grundlegende Einsicht zu entschärfen und andererseits ihre Potenz zum Zwecke der Unterfütterung ihres eigenen ideologischen Materials auszusaugen. Die herrschende Klasse produziert nichts; selbst ihre Ideologie ist eine Aneignung und Perversion der allgemeinen Produktion der Menschheit. Die reaktionären Programme umgarnen die Massen insofern, als sie die wirklichen revolutionären Programme nachahmen, zu denen ihre Unterdrückung die Massen treibt. Die manchmal verworrenen, unausgegorenen Formen der Klassenanalyse – also Verschwörungstheorien -, die die Massen hervorbringen, vor allem dann, wenn sie keine echte revolutionäre Führung haben, entspringen einem grundlegend richtigen Instinkt und einer richtigen Orientierung. Die Aufgabe des Revolutionärs besteht darin, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie zur Klarheit zu bringen.

Die Position der Anti‐​Freie‐​Linke‐​Linke steht im völligen Gegensatz zu diesem Ansatz. Die Massen in Deutschland sind seit Jahrzehnten, viele sogar ihr ganzes Leben lang, einer unerbittlichen Propaganda der herrschenden Klasse ausgesetzt. In der Schule, am Arbeitsplatz, in den Medien wurde ihnen kapitalistischem Individualismus, imperialistischem Chauvinismus und Rassismus, Sexismus, Malthusianismus, Militarismus und Antikommunismus zum Fraß vorgeworfen. In dem Moment, in dem sie sich auch nur ein wenig außerhalb des Mainstreams bewegen, werden sie mit Millionen von giftigen kontrollierten Oppositions‐ und Desinformationskampagnen bombardiert. Trotzdem genügte euch der geringste Makel, persönlich oder auch nur per Kontaktschuld, um sie als unrettbar zu verurteilen und ihre direkte Unterdrückung durch den Staat zu bejubeln. Dieser grundsätzlich idealistische, ja sogar quasi‐​religiöse Ansatz ist sehr effektiv, wenn es darum geht, den eigenen Anhängern ein befriedigendes Gefühl von ritueller Reinheit zu vermitteln. Als politisches Programm ist es der größte Freund, den sich der wiederauferstandene Faschismus nur wünschen kann.

Die breite Bewegung der Freien Linken hat ihre eigenen Fehler gemacht. Diese analysieren wir fleißig und fortlaufend, indem wir uns der Kritik und Selbstkritik unterziehen. Hier ist nicht der Ort, um darauf einzugehen. In der grundlegendsten Frage hatten diejenigen von uns Linken Recht, die sich entschieden haben, in die Protestbewegung einzugreifen und sich an ihr zu beteiligen – nicht nur die Freie Linke, sondern auch zum Beispiel »Klartext« aus Frankfurt, die Freidenker, die Berliner Kommunarden, die Rote Fahne aus Österreich und andere mehr. Während ihr lautstark in den von der herrschenden Klasse angestimmten Chor eingestimmt habt, der den Protest für »rechts« ausgab – und damit versucht habt, ihn wirklich »rechts« zu machen – haben wir eine klare Präsenz gezeigt und dazu beigetragen, zumindest einige, die ihr vorhatet zu vergraulen, zur Teilnahme zu bewegen. Wir haben auch dazu beigetragen, die Propaganda der herrschenden Klasse und ihrer bewussten wie unbewussten Handlanger zu bekämpfen, die das Corona‐​Manöver als »links« oder »kommunistisch« darstellte, um den schwarzen Fleck zu bekämpfen, den ihr auf alle unsere Namen gelegt habt. Wir haben den wiederauflebenden Faschismus bekämpft, indem wir einen prinzipienfesten Kampf gegen seine wahre Quelle, die herrschende Klasse und ihre Handlanger, geführt haben. Dazu gehört das ausarbeiten und setzen der besseren – weil wahren! – materialistische Analyse der Situation gegen Desinformation und Mythen. Sicherlich habt ihr unsere Arbeit auf dem ganzen Weg behindert. Dabei seid ihr zu Laufburschen für die finsterste aller Querfronten geworden, die von Washington über die CDU und Ampel‐​Koalition bis zum Asow‐​Bataillon verläuft. Und doch bringt ihr noch die Dreistigkeit auf zu hinterfragen, mit wem wir unter Umständen marschiert sind oder auch nicht. Wohlgemerkt zu einer Zeit, in der die staatliche Repression, die Desinformation und die Orientierungslosigkeit groß waren – als man oft nicht wusste, wer hinter einem Protest stand oder wer dabei sein würde. Noch bevor sich die Freie Linke zu einer auch nur annähernd kohärenten Einheit zusammenschließen konnte, war sie so überwältigenden Kräften der Zersetzung ausgesetzt, dass die Tatsache, dass wir überhaupt etwas erreicht haben, uns von allen Sünden freisprechen wird. Das Wichtigste, das Wesentliche, war, auf die Straße zu gehen, die Massen zu mobilisieren und gegen die herrschende Klasse zu kämpfen.

Dem ist auch heute noch so. Die Vertreter der herrschenden Klasse waren zweifellos genauso wenig erfreut, uns auf den Corona‐​Demos zu sehen, wie ihr uns auf den Demos gegen den Krieg, gegen den Faschismus, gegen Kapitalismus und Imperialismus. Aber wir haben nicht die Absicht, zu Hause zu bleiben. Wir werden es weiter versuchen, das müssen wir. Einige von euch, da sind wir uns sicher, werden anfangen zu verstehen, dass die Situation so dringlich war und ist, wie wir gewarnt haben. Ihr werden sehen, dass unser Kurs im Grunde genommen gerechtfertigt war und dass euer Kurs ein schwerer Fehler war. Wir freuen uns natürlich nach wie vor über aufrichtige, gutgläubige Kritik. Auch wir sind kaum zufrieden mit dem, was wir erreicht haben. Sprecht mit uns, wann immer ihr wollt. Wir sehen uns auf der Straße.

Denjenigen unter euch, die bereit sind sich ehrlich mit einer alternativen Analyse der aktuellen Situation auseinanderzusetzen, empfehlen wir die Ansätze und Arbeiten lesen, die innerhalb der Netzwerks Linker Widerstand enstanden sind in der Publikation MagMa – Magazin der Masse verfügbar sind. Im Folgenden findet ihr einige Empfehlungen:

Bild: Wandmalerei eines KPÖ‐​Mitglied in einem Veranstaltungsgebäude des Post‐​Lockdown‐​Wiens, das zeitweise von der KPÖ als auch der FLOE frequentiert wurde

6 thoughts on “Was hat euer Kurs erreicht? Offener Brief an die Anti‐Freie‐Linke‐Linke

  1. Liebe Genossen,
    danke für diese grandiose Zusammenfassung und der berechtigten Kritik, die ihr angeführt habt.
    Auch ich persönlich musste ganz zu Beginn der Corona‐​Maßnahmen die Erfahrung machen,
    von Mitgliedern « Die Linke« auf der Strasse als Rechter angegriffen zu werden, weil ich an eine anti‐​corona Demonstration teilnahm. Auch Genossen von der MLPD, zu denen ich in der Vergangenheit eher ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, kritisierten mich .
    Es war wirklich an der Zeit, den Faden so aufzunehmen, wie ihr es dann getan habt.
    Ich verfolge euere Aktivitäten und stelle fest, dass sie mit meinem eigenen Verständnis und Beurteilungen der sich verändernden Welt übereinstimmen. Der Sozialismus geht keine ausgetretenen Pfade, deshalb ist eine Analyse der konkreten Situation unabdingbar.
    Der Weg, den der Sozialismus heute genommen hat, ist ein Umweg über den Anti‐Imperialismus.
    Diese Sicht auf die konkrete Bewegung des Sozialismus heute, erlaubt uns viele Zusammenschlüsse mit anderen antiimperialistischen Kräften, die unbedingt genutzt werden müssen und in denen die Kommunisten die Führung übernehmen müssen.

    Vielen Dank für euren Kampf

    Giuseppe

  2. Wahrscheinlich ist die ganze Problematik einfacher erklärt:
    Waren Leute bereit, sich trotz Diffamierung und beruflichen, sozialen Nachteilen gegen die (»Corona«-)Zumutungen zu wehren?
    Wenn sie das nicht waren, gab es genügend »Argumente«, es sich im Lockdown möglichst gemütlich zu machen. Dann gab es den »Piks« und fertig.
    Das ganze wurde dann noch ideologisch‐​politisch eingefärbt, im Sinne einer Rationalisierung, denn schließlich stehen unsere »Covid‐​Linken« ja per definitonem auf der richtigen Seite!
    Eigentlich ganz einfach: Die Angsthasen haben sich eine politische Rationalisierung ausgewählt!

  3. Diese Pseudolinken und Impflinge sollte man doch mal fragen ob sie ihr Soll erfüllt haben:
    Nämlich sich 10x gegen Covid impfen zu lassen, so oft wie das ihre Eu‐​Kommission bestellt und bezahlt hat. Diese Frage gilt aber auch für die Kinder u. Babys dieser Pseudolinken.

  4. Jep. Richtig gut gelungen dieser »Brief«, ließe sich auch als Manifest verbreiten. Genuin sozialistische Argumentation und erfreulich wenig »links« im Sinne des Mainstreams.

    Bleibt ein Problem.

    »In Verbindung mit dieser Kampagne hat die herrschende Klasse bewusst eine Pseudoopposition aus ihren eigenen traditionellen politischen Schocktruppen und Spielfiguren wie etwa den Libertären, Nationalisten, rechten Esoteriker und so fort sowie aus großen Teilen des zunehmend entbehrlichen Kleinbürgertums kultiviert und kreiiert.«

    Und ein großer Teil der Freien Linken ist eben Bestandteil dieser Pseudoopposition. Wird es der FLZ gelingen dieser »spektakulären« Freien Linken, die sich mit Teilen der sich auflösenden PdL verbindet, eine wirkliche Organisation der Klasse entgegenzustellen und die Kooption des Projekts zu verhindern?

    Die Chancen stehen schlecht. Der Kampf um die Freie Linke ist dennoch notwendig. Es bleibt spannend, auch dank dieses Briefes – mal sehen, welche Freie Linken ihn weiterverbreiten und welche ihn zensieren!

    Danke für dieses Test‐kit!

    1. PS: Wer sich darüber gewundert haben sollte, dass es in Aachen zur Verleihung des Karlspreises keine größeren Proteste gab: Es wurde zum 14.5. offenbar nur lokal organisiert. 

      Es gab eine Anreise von Freien Linken tatsächlich erst am 18.5. zu einer alternativen Preisverleihung an einen Theologen mit Camping im Grünen und PdL‐​Promi. Im Nachhinein wird das mit der überrraschenden Vorverlegung der offiziellen Preisverleihung begründet. Angeblich sei auch auf der Hauptseite der FL ein Aktionsaufruf zum 18.5. veröffentlicht worden. – Das stimmt nicht, die Seite ist seit geraumer Zeit tot!

      Aber nicht nur die FL mobilisierte nicht; auch APO NRW (die Basis) veröffentlichte auf ihrer Seite keinen Aufruf zum Protest gegen Zelensky.

      Keine Ahnung, wie das ganze von Telegram aus aussah; vor Ort jedenfalls nicht beeindruckend ganz im Gegensatz zur pro‐​ukrainischen Masseninszenierung, die ungestört verlief.

      Außer als Fußvolk für PdL‐​Manöver scheint die FL wirklich nicht mehr viel zu taugen.

      Der Test, nebenbei, viel positiv aus.

  5. Altehrwürdige Organisationen wie VVN‐​BdA oder DFG‐​VK etc. sind leider vollständig von Agenten und schrillen »Linken« übernommen worden. Beim VVN ist das natürliche Wegsterben der Alten, Wissenden, Erfahrenen die wegbereitende Ursache. Und natürlich die gezielte Platzierung von Einflussagenten. Auch zB bei den »Freien Radios« ist die bedenkliche Entwicklung zu verzeichnen: überall hocken die WEF‐​Agenten, überall wird die WEF‐​Agenda verzapft – damit es nicht so auffällt immer etwas radikaler als vom angeblichen »Mainstream« gefordert: mehr Corona‐​Diktatur, mehr Klima‐​Diktatur, mehr Waffen gegen Putin, mehr Geld für Migrationsförderung, mehr Gender‐Schwachsinn, …

    Und niemandem fällt auf dass von der EU hochglanz‐​produzierte Sendungen keinesfalls im ursprünglichen Sinne »links« sein können (oder ist die EU etwa eine linke Organisation?) noch, dass so etwas in einem »Freien Radio« oder Bürgerradio keinen Platz haben darf. Denn sonst ist jeder Sinn davon verloren gegangen. Und das scheint bei allzuvielen »linken Aktivisten« allgemein der Fall zu sein.

    Steht alles auf den Agenda der Wirtschaftsverbände (Willkommenskultur des BDA, …), der Regierung (»Energiewende«, …), der EU (jeglicher Irrsinn hoch zwei), des WEF und aller Globaldiktatur‐​Verherrlichern und den zig NGOs die durch die Superreichen initiiert und angeschoben werden (»open society foundations«, …) um dann mit Steuergeldern weiter alimentiert zu werden (die Anleitungen, wie man an die Steuergelder kommt gibt es in Workshops, auch vom »open society foundations« und seinen Ablegern.).

    Ob es uns gefällt oder nicht, aber wir müssen mit der Erkenntnis leben, dass noch nie soviel Geld zur Verfügung gestellt wurde (iW Steuergelder), und damit massig Personal und Einfluss, um uns alle vollumfänglich zu manipulieren und zu verblöden und um jede, wirklich jede effektive, widerständige Organisationsbestrebung zu verhindern. Und dass das politische »links« vollständig von denen okkupiert und bis zur völligen Unkenntlichkeit verdreht wurde.

    Wagenknecht mit einer neuen, linken Partei? Gott bewahre. Die U‑Boote und Einflussagenten werden gleich von Anfang an mit dabei sein. Am lautesten radikalsten – und hintenrum alles zermürbend und untergrabend.

    Wer nicht aus »aufstehen!«, diePiraten, dieLinken, dieBasis, … gelernt hat, lernt nie mehr. Wir brauchen neue Organisationsformen – oder wir werden uns weiter selbst spalten und kastrieren wie es sich die Herrschenden nur wünschen können …

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