Ahrtal: Wer Kata­stro­phen ver­schwin­den las­sen will, braucht Denunzianten

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Da enga­giert eine Lan­des­re­gie­rung eine Club­be­sit­ze­rin als Koor­di­na­to­rin der Hil­fen, die gleich­zei­tig eine Bekann­te finan­ziert, die ande­re Hel­fer im Inter­net zu Nazis erklärt. Ein Ein­zel­fall? Das klingt eher nach einem Modell, an dem ein Mus­ter erkenn­bar wird.

Die ein­zel­nen Tei­le die­ser Geschich­te wir­ken unan­ge­nehm ver­traut, und doch fügen sie sich das ers­te Mal zu einem kom­plet­ten Bild zusam­men: das Gemen­ge aus Regie­rungs­in­ter­es­sen, Rin­gen um Staats­gel­der, pro­fes­sio­nel­ler Denun­zia­ti­on und Deckung staat­li­chen Ver­sa­gens. Das, was in Rhein­land-Pfalz augen­blick­lich über das Zusam­men­wir­ken von Zuwen­dungs­emp­fän­gern, »Fak­ten­prü­fern« und Poli­tik bekannt wird, lie­ße sich so auf diver­se Fel­der über­tra­gen, von der Aus­ein­an­der­set­zung um die Coro­na-Maß­nah­men bis hin zu den Ver­leum­dungs­kam­pa­gnen gegen Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die der »fal­schen« Sei­te helfen.

Eine Flu­t­hel­fe­rin, die von der rhein­land-pfäl­zi­schen Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Drey­er im ver­gan­ge­nen Jahr aus­ge­zeich­net wur­de, ent­puppt sich nach einem Bericht des Focus nicht nur als oppor­tu­nis­ti­sche Pro­fi­teu­rin der Ahrtal-Kata­stro­phe; nein, sie soll auch noch eine Bekann­te dafür bezahlt haben, ein »Faktencheck«-Portal zu betrei­ben, auf dem rei­hen­wei­se Flu­t­hel­fer, die spon­tan auf das Unglück reagiert hat­ten, als »rechts« und »Nazis« denun­ziert wurden.

Man­che erin­nern sich viel­leicht noch an die vie­len Vide­os, die aus dem Ahrtal erschie­nen und zeig­ten, wie zöger­lich und unfä­hig damals die Lan­des­re­gie­rung reagier­te. Das wich­tigs­te The­ma schien ihr die Ent­sen­dung von Impf­bus­sen zu sein. Die unab­hän­gi­gen Berich­te der frei­wil­li­gen Hel­fer sorg­ten in den ers­ten Wochen für eini­ge Empö­rung. Und dann wur­de es deut­lich stiller …

Spä­tes­tens im August 2021, also vor der Ver­trags­un­ter­zeich­nung mit Mis­sy Motown, erfah­ren die Flu­t­hel­fer Gegen­wind. (…) Eine Home­page ›Fak­ten­check Ahrtal‹ taucht auf. (…) Zeit­gleich geht das Hel­fer-Pro­jekt von Mis­sy Motown mit wohl­wol­len­der Hil­fe der Lan­des­re­gie­rung an den Start.

Ziel der »Fak­ten­checks« sind erst ein­mal Mar­kus Wip­per­fürth und Wil­helm Hart­mann, die Bau- und Gar­ten­bau­be­trie­be besit­zen und daher über die erfor­der­li­chen Maschi­nen ver­fü­gen, um wirk­sam zu hel­fen. Die Betrei­be­rin des »Fak­ten­check Ahrtal« hat­te bei ihrer Denun­zia­ti­on wenig Skru­pel. So über­ar­bei­te­te sie das Foto einer Täto­wie­rung im Nacken des Kanal-Unter­neh­mers Maik Men­ke, damit es zu der Nazi-Erzäh­lung pass­te, ein­schließ­lich einer Losung der Waf­fen-SS. In Wirk­lich­keit zeigt die­se Täto­wie­rung Boxhandschuhe.

»Die Kam­pa­gne gegen die kri­ti­schen Flu­t­hel­fer könn­ten Mis­sy Motown und ihren hand­zah­men Flu­t­hel­fern den Griff in die Töp­fe der staat­li­chen Wie­der­auf­bau­hil­fen erleich­tert haben«, schreibt der Focus. Zwei Mona­te nach der Flut erhält sie von einer Bekann­ten im Minis­te­ri­um ohne Aus­schrei­bung den ers­ten Vertrag.

Gegen ihre Hel­fe­rin beim »Fak­ten­check Ahrtal«, angeb­lich Jour­na­lis­tin, Psy­cho­lo­gin und Poli­tik­be­ra­te­rin, lau­fen mitt­ler­wei­le meh­re­re Pro­zes­se, ange­strengt von ihren Opfern. Bei einem davon wur­de sie jüngst zu acht Mona­ten auf Bewäh­rung ver­ur­teilt. Mit ein Grund dafür dürf­te sein, dass in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ein Unter­su­chungs­aus­schuss des rhein­land-pfäl­zi­schen Land­ta­ges im Detail das völ­li­ge Ver­sa­gen der Lan­des­re­gie­rung nach­ge­zeich­net hat.

Wobei es im Grun­de noch gera­de­wegs erstaun­lich ist, dass es den Umweg bei der Finan­zie­rung der »Fak­ten­che­cker« über Mis­sy Motown über­haupt gab. Denn schließ­lich gibt es mitt­ler­wei­le unzäh­li­ge sol­cher Por­ta­le, die sich mit nichts ande­rem beschäf­ti­gen, als mit mehr oder weni­ger öffent­li­cher Finan­zie­rung halt­lo­se Behaup­tun­gen über alle mög­li­chen Per­so­nen, Orga­ni­sa­tio­nen und Medi­en zu ver­brei­ten, die der poli­ti­schen Eli­te ein Dorn im Auge sind. Die­ser Fall ist der ers­te, bei dem sich mit der CDU eine der eta­blier­ten Par­tei­en gegen eine sol­che selbst­er­nann­te Wahr­heits­be­hör­de wen­det. Das könn­te damit zu tun haben, dass es bis zu den regu­lä­ren Land­tags­wah­len noch drei Jah­re wären, aber die gan­ze Ahrtal-Kata­stro­phe eigent­lich weit mehr her­ge­ben müss­te als den bis­her erfolg­ten Rück­tritt einer Landesministerin.

Tat­säch­lich zeigt die Abfol­ge der Ereig­nis­se um die Hel­fer im Ahrtal genau, wel­che Funk­ti­on die­se Denun­zia­ti­ons­in­sti­tu­te erfül­len. Es geht um Infor­ma­ti­ons­kon­trol­le. Durch die Angrif­fe auf die ursprüng­li­chen Hel­fer wur­den auch deren Aus­sa­gen über die Zustän­de in Zwei­fel gezo­gen – immer­hin wird von die­sen Trup­pen jeder, der auch nur auf einem Foto mit einer Per­son ist, die sie als Nazi klas­si­fi­zie­ren, eben­falls mit die­sem Eti­kett ver­se­hen, und sobald die­ses ein­mal haf­tet, hat sich der bra­ve Bür­ger voll Abscheu abzu­wen­den. Sogar die gegen­wär­ti­ge Bun­des­re­gie­rung dürf­te die­sen Denun­zi­an­ten eini­ges zu ver­dan­ken haben, denn das, was dort pas­siert war, war eigent­lich der­art erschüt­ternd, dass es den gesam­ten Bun­des­tags­wahl­kampf hät­te bestim­men müssen.

Wir erin­nern uns: Vier Tage vor der Flut lag eine War­nung des euro­päi­schen Hoch­was­ser­warn­sys­tems vor, auf die aber nicht reagiert wur­de. In der Fol­ge star­ben 135 Men­schen, dar­un­ter zwölf Bewoh­ner eines Behin­der­ten­heims, das auf der offi­zi­el­len Flut­ri­si­ko­kar­te des Lan­des Rhein­land-Pfalz in einem Gefähr­dungs­ge­biet liegt, aber den­noch nicht eva­ku­iert wur­de. Der Wie­der­auf­bau der zer­stör­ten Infra­struk­tur soll, bei­spiels­wei­se nach Aus­sa­gen der Bahn, noch Jah­re dauern.

Die Lan­des­re­gie­rung war unmit­tel­bar nach der Flut vor allem damit beschäf­tigt, das Ereig­nis als Bei­spiel für den Kli­ma­wan­del zu ver­kau­fen, bis die Daten des euro­päi­schen Warn­sys­tems bekannt wur­den. Ansons­ten mach­te man Dienst nach Vor­schrift; was die grü­ne Umwelt­schutz­mi­nis­te­rin letzt­lich ihren Pos­ten kos­te­te, war ihr unge­rühr­ter Auf­bruch in den Urlaub.

Die pri­va­ten Hel­fer waren vor allem des­halb so sicht­bar, weil auch die Bun­des­wehr kaum zur Ver­fü­gung stand; der gan­ze Ablauf erweck­te den Ein­druck, dass die staat­li­chen Struk­tu­ren in Deutsch­land nicht län­ger im Stan­de sind, auf Kata­stro­phen zu reagie­ren, und dass die zustän­di­gen Poli­ti­ker auf allen Ebe­nen ihre Tätig­keit als Job mit begrenz­ten Arbeits­zei­ten betrach­ten und nicht als Dienst an der Bevölkerung.

Nun, plötz­lich, ent­pup­pen sich eine blau­haa­ri­ge Club­be­sit­ze­rin und eine zwei­fel­haf­te Poli­tik­be­ra­te­rin als das Ret­tungs­team, das der Lan­des­re­gie­rung zwar nicht die Kon­trol­le über die Situa­ti­on, aber zumin­dest die Kon­trol­le über deren Dar­stel­lung ver­schaff­te. Malu Drey­er, die in frü­he­ren Jah­ren eine sol­che Nicht-Leis­tung als Minis­ter­prä­si­den­tin maxi­mal ein hal­bes Jahr lang über­lebt hät­te, ist nach wie vor im Amt, und kaum jemand redet noch über das Ahrtal.

Aller­dings fin­det sich die glei­che Struk­tur inzwi­schen in vie­len Berei­chen. Die »Fak­ten­che­cker« sind die schmut­zi­gen Hilfs­trup­pen, die den Ruf der Main­stream­m­e­di­en bewah­ren, die die Bun­des­re­gie­run­gen bei Coro­na vor Kri­tik abschirm­ten und jetzt damit beschäf­tigt sind, die NATO-Erzäh­lung über den Krieg in der Ukrai­ne abzu­si­chern. Wenn man das Ahrtal als Bei­spiel betrach­tet, wird eine Schicht intel­lek­tu­ell zutiefst Kor­rum­pier­ba­rer genutzt, um, wenn die eigent­li­che staat­li­che Auf­ga­be nicht erfüllt wer­den kann, zumin­dest das Bild zu kon­trol­lie­ren, das die Öffent­lich­keit davon erhält. Ein Flan­ken­schutz, der ein Aus­maß an Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit ermög­licht, das nicht nur mit Demo­kra­tie, son­dern sogar mit dem rein tech­ni­schen Funk­tio­nie­ren des staat­li­chen Appa­rats inkom­pa­ti­bel ist.

Lei­der wer­den jetzt ver­mut­lich all die ande­ren Denun­zi­an­ten beto­nen, wen sie Nazi nen­nen, sei wirk­lich einer, und die Main­stream­m­e­di­en wer­den ihnen Glau­ben schen­ken, weil sie so nütz­lich sind. Dabei dürf­te das, was jetzt in Rhein­land-Pfalz offen­ge­legt wur­de, nur die Spit­ze des Eis­bergs sein. Man wird über­all in die­sem Zusam­men­hang auf Vet­tern­wirt­schaft, Gier und das Stre­ben nach öffent­li­chen Fleisch­töp­fen sto­ßen, und auf Ver­leum­dung in staat­li­chem oder halb­staat­li­chem Auf­trag. Nur eines fin­det man in die­sen Krei­sen nicht: die Wahrheit.

Dag­mar Henn ist Mit­glied des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des, von des­sen Web­site frei​den​ker​.org der Arti­kel über­nom­men wur­de, Erst­ver­öf­fent­li­chung am 29.04.2023 auf RT DE

Bild: Motiv­wa­gen von Jac­ques Til­ly mit Skulp­tu­ren der Drei Affen anläss­lich des Jah­res­tags der Flut­ka­ta­stro­phe im Ahrtal, gese­hen in May­schoß (wiki­me­da commons)

2 thoughts on “Ahrtal: Wer Kata­stro­phen ver­schwin­den las­sen will, braucht Denunzianten

  1. zum gan­zen Bild gehört auch noch, dass alle Poli­ti­ker die in der Ver­ant­wor­tung stan­den zuerst um ihren Ruf bedacht waren.

    https://m.focus.de/perspektiven/flutreporter/untersuchungsausschuss-in-rheinland-pfalz-am-morgen-der-flutkatastrophe-simste-dreyer-ich-brauche-ein-paar-saetze-des-mitgefuehls_id_81720337.html

    die­se kata­stro­fe hat den kom­plet­ten Irr­sinn der aktu­el­len poli­ti­ker­kas­te auf­ge­deckt. Für die Men­schen wird nicht mehr viel gemacht. Es geht nur noch um Show und Macht.

  2. Noch ein paar Details zu dem The­ma »Fak­ten­che­cker«, ihr »hate speak« und die zusam­men­hän­ge hat Mainz& herausgefunden:
    main​zund​.de/​n​e​u​e​-​f​r​a​g​e​n​-​u​m​-​k​a​t​a​i​d​-​f​a​k​t​e​n​c​h​e​c​k​-​a​h​r​t​a​l​-​u​n​d​-​e​i​n​-​a​b​f​a​l​l​g​u​t​a​c​h​t​e​n​-​m​i​s​s​y​-​m​o​t​o​w​n​-​h​a​b​e​-​s​o​z​i​a​l​e​-​m​e​d​i​e​n​-​u​n​t​e​r​s​c​h​a​e​t​zt/

    Dabei kommt dann noch eine Stu­die von eie­ner ehe­ma­li­gen grü­nen Minis­te­rin in Rhl-Pfl. zu Tage, die genau die­ses The­ma auch auf­greift und eben­falls die »kri­ti­schen« Flu­t­hel­fer diskreditieren. 

    Es ist so ekal­haft, ich fin­de es unglaub­lich und da kaum jemand davon berich­tet, befürch­te ich, kom­men sie damit durch und wer­den, natür­lich weil sie Frau­en sind, wie­der gewählt.

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