EU will, dass alle Israels Lügen über Massenvergewaltigungen abnehmen

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Israel und seine Unterstützer versuchen, dem Völkermord einen feministischen Anstrich zu geben. Um einen Vorwand für den derzeitigen Krieg gegen den Gazastreifen zu liefern, hat Israel Behauptungen aufgestellt, wonach die Hamas während ihrer Offensive am 7. Oktober Massenvergewaltigungen begangen habe. Vertreter der Europäischen Union versuchten, diese eklatanten Lügen als bewiesene Tatsachen darzustellen. So hat die EU-​Botschaft in Tel Aviv Anfang des Monats den Internationalen Frauentag mit einer Propaganda-​Veranstaltung begangen. In einem Tweet nach der Veranstaltung erklärte die Botschaft, sie habe den Frauen eine Stimme gegeben, »die unter den Gräueltaten der sexuellen Gewalt der Hamas gelitten haben«.

Kurz nachdem ich den Tweet gesehen hatte, wandte ich mich an das außenpolitische Team der EU und fragte, welche Beweise die Botschaft in Tel Aviv dafür habe, dass die Hamas am 7. Oktober sexuelle Gewalt ausgeübt habe. Es dauerte mehr als eine Woche, bis ich eine Antwort erhielt.

Die Antwort enthielt keinerlei Beweise dafür, dass es zu sexueller Gewalt gekommen war. Stattdessen wurde auf einen Bericht von Pramila Patten verwiesen, einer Gesandten von António Guterres, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen.

In ihrem Bericht wiederholte Patten eine Reihe von unbestätigten israelischen Behauptungen über sexuelle Gewalt. Eine wichtige Schlussfolgerung ihres Berichts lautet jedoch, dass Patten und ihr Team »nicht in der Lage waren, die Prävalenz sexueller Gewalt festzustellen«. Um dies zu tun, so der Bericht weiter, wäre eine »umfassende Untersuchung« erforderlich.

Da ich mit der Antwort der Europäischen Union auf meine Frage unzufrieden war, habe ich eine Folgeanfrage gestellt.

In der neuen Anfrage argumentierte ich, dass die EU-​Botschaft in Tel Aviv offenbar keine Beweise dafür habe, dass es am 7. Oktober zu sexueller Gewalt gekommen sei. »Wenn ich mich geirrt haben sollte, legen Sie mir bitte Beweise vor, dass ich mich geirrt habe«, erklärte ich.

Peter Stano, der außenpolitische Sprecher der EU, schickte eine kurze Antwort. Er schrieb, dass, wenn ich den ursprünglichen Tweet der EU-​Botschaft und die Antwort auf meine ursprüngliche Anfrage richtig gelesen hätte, »Sie sehen würden, dass die Beweise von den Opfern, Zeugen und einem einschlägigen UN-​Bericht stammen, der sich mit dem Thema befasst.« »Ich bin mir nicht sicher, nach welcher Art von Beweisen Sie sonst noch suchen«, fügte Stano hinzu.

Die Antwort von Stano triefte nur so vor Herablassung, wie ich es schon oft von EU-​Sprechern erlebt habe. Er sagte im Wesentlichen, dass ich den Wahrheitsgehalt von Behauptungen, die auf einer Propagandaveranstaltung aufgestellt wurden, einfach akzeptieren sollte.

Ein Bärendienst für Frauenrechte

Seit dieser Propagandaveranstaltung hat Al Jazeera einen Dokumentarfilm ausgestrahlt, der die Ereignisse vom 7. Oktober eingehend untersucht. Die Dokumentation kam zu dem Schluss, dass es zwar vereinzelte Fälle von sexueller Gewalt gegeben haben mag, aber nicht genügend Beweise für die Behauptung, dass Vergewaltigungen weit verbreitet waren.

In dieser Woche veröffentlichte die New York Times eine Aktualisierung ihres inzwischen berüchtigten Artikels über die Massenvergewaltigungsvorwürfe – ein Artikel, der von einem ehemaligen israelischen Militäroffizier mitverfasst wurde, dem Kommentare in den sozialen Medien gefallen hatten, in denen die Umwandlung des Gazastreifens in ein Schlachthaus gefordert wurde.

Der ursprüngliche Artikel der New York Times vom Dezember enthielt reißerische Beschreibungen der Leichen von zwei Teenagern, die am 7. Oktober getötet wurden. Die Beschreibungen legten nahe, dass die Mädchen vergewaltigt worden waren. In der Aktualisierung dieser Woche räumt die New York Times ein, dass die Leichen der Mädchen tatsächlich vollständig bekleidet gefunden wurden. Es gab »keine offensichtlichen Anzeichen für sexuelle Gewalt«, heißt es in dem Bericht.

Indem die Europäische Union Israels Lügen über Massenvergewaltigungen verbreitet, erweist sie den Rechten der Frauen einen Bärendienst. Sie gibt Israel eine Entschuldigung für den Völkermord im Gazastreifen – einen Völkermord, dem vor allem Frauen und Kinder zum Opfer fallen. Während die Behauptungen über Massenvergewaltigungen am 7. Oktober verlogen sind, gibt es reichlich Beweise dafür, dass Palästinenser aufgrund des Krieges, den Israel an diesem Tag erklärt hat, in Massengräbern verscharrt werden. Die EU-​Vertreter in Tel Aviv, die Lügen über Massenvergewaltigungen verbreiten, haben zu den wahren Geschichten über die Massengräber in Gaza weitgehend geschwiegen. Ihre Doppelmoral ist zutiefst beschämend.

»Matchmaking«

Die Propagandaveranstaltung am Internationalen Frauentag ist symptomatisch für ein größeres Problem. Selbst wenn Israel eine Massenverhungerung verursacht, Krankenhäuser belagert und sich einer naziähnlichen Sprache bedient, indem es die Palästinenser als »menschliche Tiere« bezeichnet, umarmt die Europäische Union weiterhin Israels Eliten. Am 25. Januar veranstaltete die bereits erwähnte EU-​Botschaft in Tel Aviv eine Konferenz über die Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung mit Israel.

Der Zeitpunkt der Konferenz ist bezeichnend. Sie fand einen Tag vor der Feststellung des Internationalen Gerichtshofs statt, dass es plausible Anhaltspunkte dafür gibt, dass Israel in Gaza einen Völkermord begeht. Jeder, der die Nachrichten aufmerksam verfolgt, wusste, dass der Gerichtshof am 26. Januar seine vorläufigen Ergebnisse in dem von Südafrika eingeleiteten Verfahren gegen Israel bekannt geben würde.

Die Abhaltung einer Konferenz über wissenschaftliche Zusammenarbeit am Vortag war ein deutliches Signal. Die EU-​Vertreter in Tel Aviv erklärten, dass sie Geschäften mit Israel – einem Staat, der gemäß der Völkermordkonvention verklagt wird – Vorrang einräumen.

Durch einen Antrag auf Informationsfreiheit erhielt ich das von der EU-​Botschaft erstellte Protokoll der Konferenz. Es wurde gewürdigt, dass Israel beim Zugang zu Finanzmitteln im Rahmen von Horizon Europe, dem Forschungsprogramm der EU, »hervorragend« abschneidet. Israel rangiert unter allen Teilnehmern von Horizon Europe an zweiter Stelle, was die erhaltene Finanzierung angeht, hieß es in dem Bericht (siehe hier).

In dem Bericht wurde nicht erwähnt, dass Israels Rüstungsindustrie von Horizon Europe in hohem Maße profitiert. Es wurde auch nicht erwähnt, dass die EU im Dezember einen neuen Zuschuss für die israelische Luft- und Raumfahrtindustrie bewilligt hat. Israel Aerospace Industries, ein staatlicher Waffenhersteller, hat sich damit gebrüstet, im aktuellen Krieg gegen Gaza eine »zentrale Rolle« zu spielen. Anstatt zu analysieren, wie die EU einen Profiteur des Völkermords belohnt hat, zeichnete der Bericht ein rosiges Bild der Beziehungen zu Israel.

Er bestätigte, dass die EU plant, in diesem Jahr eine Reihe von »Matchmaking-​Veranstaltungen« mit israelischen Gästen durchzuführen. Allein die Vorstellung, dass Mitarbeiter der EU-​Botschaft in Tel Aviv in letzter Zeit den Begriff »Matchmaking« verwenden, ist widerlich. Die Botschaft bidert sich bei israelischen Firmen und Institutionen an, während dieser Staat im Gazastreifen einen Vernichtungsfeldzug führt.

Offizielle Statistiken zeigen, dass der Handel zwischen der EU und Israel nach der Kriegserklärung gegen Gaza zurückgegangen ist. Das ist ermutigend für uns alle, die wir dafür eintreten, dass Israel boykottiert und gemieden wird. Die Europäische Union hingegen will ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel vertiefen.

Die Botschaft in Tel Aviv hat mit diesem Ziel vor Augen Gespräche geführt. Ihre Mitarbeiter sind besonders von einem neuen Gesetz begeistert, das den Spitznamen »Was gut für Europa ist, ist gut für Israel« trägt. Das neue Gesetz soll den bürokratischen Aufwand für europäische Unternehmen im Handel mit Israel verringern. Es soll Anfang Juli in Kraft treten.

Egal, wie hoch die Zahl der Toten im Gazastreifen ist, Israel ist offen für Geschäfte. Und die Europäische Union möchte einen übergroßen Anteil an diesem Geschäft haben.

Zuerst in englisch erschienen bei The Electronic Intifada

Bild: Eine Propaganda-​Veranstaltung der EU-​Botschaft in Tel Aviv, die kürzlich stattfand (Twitter)

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