Anti-​Stalin-​Falschheiten eines »sozialistischen« Schriftstellers

Lesezeit85 min

Widerlegung des Artikels von Alex Skopic »Stalins Schuld wird niemals mehr getilgt werden können«

In der Januar-​Februar-​Ausgabe 2023 von Current Affairs erschien ein Artikel mit dem Titel »Stalin Will Never Be Redeemable«. Der Untertitel lautet: »Stalin war der schlimmste Feind des Sozialismus. Die Geschichte ist leicht zu vergessen, daher muss man sich vor Nostalgie gegenüber dem ›Mann aus Stahl‹ hüten.«

Eine Person, die mein langjähriges Interesse an Joseph Stalin und den »Stalinjahren« der sowjetischen Geschichte kennt, machte mich auf diesen Artikel aufmerksam, als er online erschien. Er fragte mich, wie ich auf die Anschuldigungen von Skopic gegen Stalin reagieren würde. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit der Stalinzeit in der sowjetischen Geschichte und habe mich entschlossen, eine Antwort auf Skopics Artikel zu schreiben, weil er eine kurze Zusammenfassung vieler Anschuldigungen gegen Stalin enthält, die nicht nur von offen pro-​kapitalistischen und antikommunistischen Autoren erhoben werden, sondern auch von Personen, die der antikapitalistischen Linken angehören oder angehören wollen oder sich für solche halten.

Ich »verteidige« Stalin nicht, geschweige denn »entschuldige« ich mich für Stalin. Ich bin auf der Suche nach der Wahrheit, wie sie sich aus den besten verfügbaren Beweisen ergibt. Jede Anschuldigung, die Skopic über Stalin macht, ist nachweislich falsch. Ich zeige die meisten von ihnen anhand von Beweisen als falsch auf. Einige wenige sind falsch, weil sie anachronistisch sind – sie beschuldigen Stalin (und die sowjetische Führung, die kollektiv war – Stalin war kein Diktator1), nicht nach dem Wissen gehandelt zu haben, das wir heute haben, das aber damals niemand hatte.

Im vorliegenden Aufsatz werden die Beweise und meine Analyse der Beweise dargelegt. Am Ende gehe ich kurz auf die Frage ein, wie Skopic so falsch liegen konnte und welche Gründe es für den Antikommunismus überhaupt gibt.

Nach Stalins Tod im Jahr 1953 öffneten sich die Schleusen der staatlichen Zensur und eine scheinbar endlose Reihe von Gräuelgeschichten kam ans Licht – doch einige Sozialisten, sowohl in der UdSSR als auch im Westen, weigerten sich einfach, sie zu glauben […].

Heute wissen wir, dass diejenigen, die sich weigerten, Chruschtschows Reden über Stalins angebliche »Verbrechen« zu glauben, Recht hatten! Sie »rochen eine Ratte«. Chruschtschow und seine Anhänger legten keine Beweise vor, um ihre Anschuldigungen zu belegen. Der eklatante Mangel an Beweisen aus Primärquellen war es, der mich vor Jahren auf die Suche nach der Wahrheit über Stalin und die Sowjetunion der Stalinzeit brachte.

1. Wir müssen nicht Stalin, sondern die Wahrheit verteidigen

Skopic schreibt:

Dies sind im Großen und Ganzen die beiden Begründungen, die von Stalins Verteidigern heute angeführt werden. Entweder war die mörderische Natur seines Regimes völlig erfunden (das Thema von Grover Furrs Buch Chruschtschow hat gelogen) …

Skopic wirft mir immer wieder vor, »Stalin zu verteidigen« und nennt mich einen »Stalinisten«. Was aber ist ein »Stalinist«? Entweder ist damit jemand gemeint, der Stalin »verteidigt« und die »Verbrechen« Stalins »entschuldigt« oder es ist einfach ein Schimpfwort, eine Herabsetzung.

Ich bin kein »Stalinist«. Ich habe jahrzehntelang nach Beweisen gesucht, dass Stalin Verbrechen begangen hat. Wenn Stalin Verbrechen begangen hat, dann möchte ich darüber Bescheid wissen. Wir alle müssen darüber Bescheid wissen – wenn es sie gibt. Aber bis jetzt habe ich noch keinen Beweis dafür gefunden, dass Stalin auch nur ein einziges Verbrechen begangen hat! Jede Anschuldigung eines Verbrechens von Stalin, die von legitimierten akademischen »Experten« bis hin zu Leuten wie Skopic vorgebracht wird, ist falsch.

Unabhängig von den Beweisen ist dieses Ergebnis inakzeptabel, buchstäblich »tabu« für Antikommunisten und Trotzkisten, Akademiker eingeschlossen. Die renommiertesten und angesehensten akademischen Autoritäten wie Stephen Kotkin von Princeton und Timothy Snyder von Yale haben dutzende, wenn nicht hunderte Male gelogen und gefälscht, anstatt die Ergebnisse zu akzeptieren, die sich aus dem Studium der Primärquellen über Stalin ergeben.

Ich nenne dies das »Anti-​Stalin-​Paradigma« oder ASP. Alle akademischen Forschungen über Stalin müssen diesem ASP entsprechen, sonst werden sie nicht veröffentlicht. Das würde die Karriere eines jeden Wissenschaftlers, der sowjetische Geschichte lehren will, zum Scheitern bringen. Also werden die Beweise ignoriert und Lügen und Unwahrheiten, von denen viele für diejenigen, die sie wiederholen, offensichtlich sind, werden wiederverwertet, oder in einigen Fällen werden neue Lügen und Unwahrheiten erfunden.

Stalin und seine Propagandisten ließen keine Gelegenheit aus, die Vereinigten Staaten für ihr Verhalten in Sachen Rassenunrecht an den Pranger zu stellen, indem sie die bittere Phrase ›А у вас негров линчуют‹ (Und ihr lyncht die Neger!) gebrauchten, wenn amerikanische Diplomaten die Menschenrechtsverletzungen der UdSSR kritisierten. Dies war natürlich ein zynischer Winkelzug […]

»Wann immer« impliziert eine wiederholte Handlung. Skopic führt jedoch keinen einzigen Fall an, in dem dies der Fall war (ich kann auch keinen finden). »Zynische Winkelzug« impliziert – ohne Beweise – dass Stalin und die sowjetische Führung nicht wirklich gegen Rassismus waren. Skopic gibt zu, dass Paul Robeson, Langston Hughes und andere schwarze Amerikaner das Engagement für den Antirassismus in der UdSSR inspirierend fanden. Wie könnte Skopic also wissen, dass Stalins Antirassismus in Wirklichkeit »ein zynischer Winkelzug« war? Er kann es nicht!

2. Skopic verwechselt »Quellen« mit Beweisen

Die Stalinisten des 20. Jahrhunderts wollten verzweifelt an die Verheißung einer neuen Gesellschaft glauben und bekamen nicht die Fakten, die sie brauchten, um die Illusion zu durchschauen. Im 21. Jahrhundert haben wir jedoch keine solche Ausrede mehr. Es gibt reichlich Beweise aus Dutzenden verschiedener Quellen, die Stalins Misshandlungen und Verrat detailliert beschreiben […].

Dies verdeutlicht einen der zentralen Fehler von Skopic: Er verwechselt »Quelle« mit »Beweis«. Eine »Quelle« ist nur der Ort, an dem man eine Aussage gefunden hat, unabhängig davon, ob diese Aussage wahr oder falsch ist. Beweise aus Primärquellen, in der Regel in dokumentarischer Form, sind die einzig gültige Grundlage für wahrheitsgemäße Schlussfolgerungen. Skopic hat keine Beweise für irgendwelche »Missbräuche« oder »Verrat« seitens Stalins – nur Tatsachenbehauptungen von antikommunistischen und trotzkistischen Autoren, die selbst keine Beweise haben.

[…] mit der einzigen Ausnahme von Hitler war er der tödlichste Antikommunist seiner Zeit. In der Tat lautet die Grabinschrift praktisch aller prominenten europäischen Sozialisten, die in den Jahren 1928 – 1945 starben, entweder ›ermordet von Hitler‹ oder ›ermordet von Stalin‹.

Wenn es so viele waren, warum nennt Skopic nicht einmal einen von ihnen? Da er keine Namen nennt, kann niemand überprüfen, ob Skopic die Wahrheit sagt oder nicht. Skopic:

Schon bald nach seiner Ernennung zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei im Jahr 1922 begann Stalin, gegen die anderen bolschewistischen Führer zu intrigieren, die die Oktoberrevolution organisiert hatten, und besetzte wichtige Positionen mit seinen eigenen Anhängern […].

Skopic versäumt es, auch nur ein ein Beispiel. Ich habe auch nie eines gefunden. Leo Trotzki machte diese Anschuldigung ebenfalls ohne Beweise. Trotzki ist wahrscheinlich die ungenannte Quelle von Skopic hier. Trotzki ist die Quelle zahlreicher falscher Anschuldigungen gegen Stalin wegen Verbrechen und Untaten.

[…] und arrangiert verschiedene Verleumdungen und Komplotte gegen seine Rivalen.

Auch hier führt Skopic keine Beispiele an. Es gibt keine Beweise, die diese Behauptung stützen. Skopic:

Leo Trotzki, der Führer der Fraktion der Linken Opposition, wurde 1927 aus der Partei ausgeschlossen, nachdem er sich geweigert hatte, die Idee der Weltrevolution aufzugeben (die Stalin ablehnte) …

Falsch. Dies ist eine weitere von Trotzkis Verleumdungen. Stalin war überhaupt nicht gegen die »Weltrevolution ». In seinem Vorwort zu Stalins Briefen an Molotow (1996) schrieb Robert C. Tucker, ein Anti-​Stalin-​Historiker an der Princeton University:

[Lars] Lih wirft die Frage auf: Hat Stalin die Weltrevolution zugunsten des Aufbaus des Sowjetstaates verworfen (wie z.B. Trotzki damals behauptete) oder blieb er der Weltrevolution verpflichtet? Lihs Antwort, die sich auf die Briefe stützt, lautet, dass für Stalin der Sowjetstaat und die internationale Revolution zusammengehörten, was durch die Briefe bestätigt wird. (S. ix)

Lars Lih, der Herausgeber des betreffenden Bandes, schreibt:

Stalins intensives Engagement widerlegt das Bild eines isolationistischen Führers, der nur an einem »Sozialismus in einem Land« interessiert war. Die Briefe zeigen uns, dass Stalin keine starre Unterscheidung zwischen den Interessen der Weltrevolution und den Interessen des Sowjetstaates machte: Beide Anliegen sind in seiner Sichtweise ständig präsent. (S. 5 – 6)

Skopic: »[…] 1929 wurde er [Trotzki] ganz aus der UdSSR verbannt, und 1940 ließ Stalin ihn ermorden.« Sind die Gründe nicht wichtig? Natürlich sind sie das! Aber Skopic lässt sie aus.

Trotzki wurde ins Exil geschickt, weil er wiederholt eine Fraktion innerhalb der Partei bildete, nachdem Parteifraktionen 1921 auf Drängen Lenins verboten worden waren. Noch bevor Lenin im Januar 1924 starb, organisierten Trotzki und seine Anhänger aktiv gegen die Partei. Trotzki wurde ausgeschlossen, nachdem die Opposition am zehnten Jahrestag der Revolution im Oktober 1927 eine Gegendemonstration organisiert hatte.

Viele seiner Mitverschwörer widerriefen und versprachen, von nun an gute Parteimitglieder zu sein. Später stellte sich heraus, dass einige von ihnen gelogen hatten und weiterhin im Geheimen konspirierten. Doch Trotzki weigerte sich zu widerrufen. Im bequemen Exil in Alma-​Ata in Kasachstan – er konnte eine umfangreiche Korrespondenz führen und sogar auf die Jagd gehen – setzte Trotzki seine Fraktionsarbeit fort. Schließlich beschloss die Parteiführung, ihn in die Türkei auszuweisen, wo sie ihm ein großes Haus auf einer türkischen Insel zur Verfügung stellte.

Im August 1940 wurde Trotzki, wahrscheinlich auf Befehl Stalins, durch ein gezieltes Attentat getötet. Der allgemeine Grund war, dass Trotzki sich mit Nazi-​Deutschland und dem militaristisch-​faschistischen Japan verschworen hatte, um sie im Falle eines Angriffs auf die UdSSR gegen die sowjetische Armee zu unterstützen.2 Der unmittelbare Grund war laut General Pawel Sudoplatow, dass Stalin glaubte, Trotzkis Anhänger würden die internationale Unterstützung für die UdSSR bei Kriegsausbruch schwächen.

»Es gibt keine wichtigen politischen Persönlichkeiten in der trotzkistischen Bewegung außer Trotzki selbst. Wenn Trotzki erledigt ist, ist die Gefahr beseitigt«, sagte Stalin.3 Skopic:

Grigorij Sinowjew und Lew Kamenjew, enge Mitarbeiter Lenins, die die ursprünglich mit Stalin ein Triumvirat bilden sollten, wurden des Mordes an Sergej Kirow angeklagt (für den nach Ansicht einiger Historiker auch Stalin verantwortlich war) und 1936 kurzerhand hingerichtet.

Falsch. Sinowjew und Kamenew leiteten eine geheime terroristische Gruppe von »Sinowjewisten« (Parteimitglieder und ehemalige Mitglieder, die Sinowjew treu waren, als er Parteichef in Leningrad war), deren Leningrader Zweig den Leningrader Parteichef Sergej Kirow ermordete, der Sinowjew abgelöst hatte. Wir haben zahlreiche Beweise über ihre Aktivitäten. Ich habe die Beweise gegen die Leningrader Sinowjewisten sorgfältig geprüft.4

Im Jahr 1935 wurden Sinowjew und Kamenew vor Gericht gestellt und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Damals erklärte der NKWD, es gebe keine Beweise dafür, dass Sinowjew und Kamenjew selbst an der Ermordung Kirows beteiligt gewesen seien. Mitte 1936 beschuldigten jedoch einige Mitglieder der konspirativen Gruppe der Sinowjewisten Sinowjew und Kamenjew der Mittäterschaft an der Ermordung Kirows. Im Juli 1936 legten sie ein Geständnis ab. Ich habe eine Übersetzung von Sinowjews Geständnis vom 10. August 1936 online gestellt.5

Der erste Moskauer Prozess wurde im August schnell organisiert. Sinowjew und Kamenjew wiederholten diese Geständnisse vor Gericht und wurden zum Tode verurteilt. In ihren Gnadengesuchen an das Gericht, die nie zur Veröffentlichung bestimmt waren, wiederholten Sinowjew und Kamenjew ihre Schuld. Daher ist es eine Lüge zu behaupten, dass Sinowjew und Kamenew »im Schnellverfahren hingerichtet wurden«.6

Nicht einmal antikommunistische Mainstream-​Historiker »glauben«, dass Stalin an Kirows Tod beteiligt war. Woher hat Skopic das also – was war seine »Quelle«? Das Wichtigste: Da »Glauben« irrelevant ist, was sind Skopics Beweise dafür, dass Stalin beteiligt war? Er hat keine, weil es keine solchen Beweise gibt.

Skopic: »Mit jedem Jahr wurden die Anschuldigungen des Verrats wilder und die Beweise dünner, da sie sich oft ausschließlich auf Geständnisse stützten, die unter Folter erpresst wurden.«

In den Moskauer Prozessen gibt es weder Beweise für »dünne« Beweise noch für »unter Folter erpresste« Geständnisse. Kein Wunder, dass Skopic nicht ein einziges Beispiel anführt! (Zu den illegalen Verbrechen von Nikolai Jeschow, siehe unten).

Skopic: »Die Prozesse wurden zu Farcen, die nicht länger als 15 oder 20 Minuten dauerten.«

Prozesse, in denen der Angeklagte seine Schuld gesteht und das Gericht über Beweise verfügt, die dies bestätigen, waren oft kurz, so wie es heute in den Vereinigten Staaten der Fall ist, wenn ein Angeklagter seine Schuld vor einem Richter bekennt. Im nächsten Satz erwähnt Skopic jedoch Nikolai Bucharin. Bucharin war ein Angeklagter im Dritten Moskauer Prozess vom März 1938, einem öffentlichen Prozess, der zwölf Tage dauerte, vom 2. bis zum 13. März.

Skopic:

Nikolai Bucharin, Führer der gemäßigten Rechten Opposition, überlebte bis 1938, wurde aber schließlich ebenfalls wegen seiner angeblichen Beteiligung an einer trotzkistischen und/​oder nazistischen Verschwörung zum Tode verurteilt […].

Für diese Unwahrheit gibt es keine Entschuldigung. Die Niederschrift des Prozesses von 1938, in dem Bucharin verurteilt wurde, wurde 1938 veröffentlicht. Mehrere von Bucharins Geständnissen aus der Zeit vor dem Prozess sind seit Jahren verfügbar.7

Bei der Verhandlung gestand Bucharin einige schwere Verbrechen, während er sich bei anderen hartnäckig weigerte, sie zu gestehen. Ein solch differenziertes Geständnis lässt darauf schließen, dass es sich um ein echtes Schuldbekenntnis handelte8 und beweist, dass Bucharin nicht mit Folter oder Misshandlung seiner Familie gedroht wurde.

Skopic fährt fort:

Besonders eindringlich ist Bucharins letzte Botschaft, in der er Stalins persönlichen Spitznamen in einem in einem Appell an ihre einstige Freundschaft: ›Koba, warum willst du, dass ich sterbe?‹

Vor Jahren veröffentlichten mein Kollege Vladimir Bobrov und ich einen Artikel, in dem wir nachwiesen, dass es sich dabei um eine Fälschung handelt. Siehe Furr und Bobrov, »Bukharin’s Last Plea: Yet Another Anti-​Stalin Falsification«.9 Dieser Artikel ist seit 2010 in englischer Sprache online verfügbar! Hätte Skopic nicht eine Google-​Suche durchführen können?

Skopic:

Im selben Jahr wurde Jānis Rudzutaks, ein lettischer Revolutionär, der wegen seiner bolschewistischen Überzeugungen zehn Jahre in zaristischen Gefängnissen gesessen hatte, hingerichtet, obwohl er nie auch nur den geringsten Einwand gegen die Parteilinie erhoben hatte.

Die Verschwörer »stimmten« immer mit der Position der Partei überein, um ihre Verschwörung zu verschleiern.

Sein [Rudzutaks] einziges Vergehen, so Stalins Vertrauter Wjatscheslaw Molotow, bestand darin, dass er ›zu leichtfertig mit der Opposition umging‹ und »zu sehr dem Feiern mit spießbürgerlichen Freunden frönte« und daher eine Belastung war.

Molotow hat nicht gesagt, dass dies das »einzige« Vergehen Rudzutaks war. Warum hat Skopic diese Lüge erzählt? Außerdem hatte Molotow 1938 als Staatsoberhaupt und Vorsitzender des Rates der Volkskommissare alle Hände voll zu tun. Wie sollte er sich im hohen Alter noch an die konkreten Anschuldigungen und Beweise gegen Rudzutak erinnern?

Heute verfügen wir über eine Vielzahl von Beweisen gegen Rudzutak. Seine NKVD-​Ermittlungsakte ist seit langem für Forscher zugänglich. Sie enthält Rudzutaks Geständnisse zusammen mit vielen anderen Beweisen gegen ihn. Rudzutak wurde auch von mehreren Angeklagten im Dritten Moskauer Prozess von 1938 beschuldigt. In langen Erklärungen vor Gericht nannte der Angeklagte Nikolai N. Krestinsky Rudzutak mehrfach als Mitverschwörer. Die Prozessabschrift ist seit 1938 verfügbar. Warum hat Skopic sie nicht eingesehen?

Skopic:

Im März 1938 brachte die amerikanische marxistische Zeitung Socialist Appeal eine denkwürdige Fotogalerie mit dem Titel ›Lenins Generalstab von 1917: Stalin, der Henker allein bleibt übrig‹. Wie sich herausstellte, lag man damit leicht daneben; von den 24 abgebildeten Personen hatten Alexandra Kollontai und Matvei Muranow, die als ›vermisst’geführt wurden, überlebt. Dennoch vermittelt dies einen Eindruck von der blutigen Zerstörung, die Stalin in der bolschewistischen Partei angerichtet hat.

Zufälligerweise habe ich einen Artikel geschrieben, in dem ich genau dieses Dokument untersucht habe (Socialist Appeal war eine trotzkistische Zeitung). Er wird in einem zukünftigen Buch veröffentlicht werden. Für den Moment möchte ich anmerken, dass diese Liste unehrlich war – mit Täuschungsabsicht – als sie 1938 veröffentlicht wurde.

  • Acht der Personen, deren Fotos in der »Galerie« erscheinen – Uritsky, Shaumian (nicht »Shomyan«), Swerdlow, Artem (Sergeev), Lenin, Nogin, Dzerzhinsky und auch Joffe – waren 1938 tatsächlich tot. Stalin hatte nichts mit ihrem Tod zu tun.

Welchen Sinn hat es, so viele Menschen zu erwähnen, die 1938 bereits tot waren, außer der unbewiesenen Unterstellung, dass Stalin in irgendeiner Weise für ihren Tod verantwortlich war?

  • Drei weitere lebten lange nach 1938. Alexandra M. Kollontai starb am 9. März 1952. Matvei K. Muranow starb am 9. Dezember 1959. Elena D. Stasowa starb am 31. Dezember 1966.

Dies ist eine unehrliche Propagandatechnik. Sie hat nichts mit Geschichtsverständnis zu tun. Doch diese Art von Doppelzüngigkeit kennzeichnet die meisten antikommunistischen und trotzkistischen Schriften über die Stalinzeit bis zum heutigen Tag.

In meinem Artikel untersuche ich die Beweise gegen die elf Männer, die tatsächlich hingerichtet wurden. Jeder von ihnen wurde in einem Prozess verurteilt, in dem viele Beweise gegen sie vorgelegt wurden. In vielen Fällen waren die Angeklagten geständig. Es ist absurd zu behaupten, dass eine Person, die wiederholt ihre Schuld gesteht und durch die Aussagen anderer angezweifelt wird, dennoch »unschuldig« ist.

Skopic:

Mit der für ihn typischen Chuzpe versucht Grover Furr in Chruschtschows Lügen die Säuberungen zu rechtfertigen, indem er behauptet, dass alle Genannten in Wirklichkeit Spione und Saboteure waren, aber die Zahlen sprechen gegen ihn […].

Ich muss hier gegen Skopics Unehrlichkeit protestieren. Die meisten Leser von Skopics Artikel werden mein Buch Chruschtschows Lügen (2011) nicht oder erst kürzlich gelesen haben und daher nicht wissen, dass seine Aussage über meine Forschung falsch ist.

  • In meinem Buch Chruschtschows Lügen gehe ich nicht auf »alle oben genannten« ein.
  • Ich behaupte nicht, dass »alle oben Genannten« schuldig waren. In der Tat behaupte ich nicht, dass irgendeine der Personen, die Chruschtschow als unschuldige Opfer Stalins bezeichnete, schuldig war.

Was ich in diesem Buch, wie auch in all meinen anderen Büchern, tue, ist, die Beweise zu untersuchen, die wir jetzt haben. In den von mir untersuchten Fällen gibt es zahlreiche Beweise für die Schuld der betreffenden Personen und keine Beweise für ihre Unschuld.

Skopic hat offensichtlich keine Ahnung von historischer Forschung, daher ist ein Wort dazu hier angebracht. Es ist nicht die Aufgabe eines Historikers, die Schuld oder Unschuld von jemandem zu behaupten. Die Aufgabe des Historikers besteht darin, Beweise zu ermitteln, zu beschaffen und zu prüfen und, wenn möglich, logische Schlussfolgerungen aus diesen Beweisen zu ziehen. Ein Historiker muss immer bereit sein, seine ursprüngliche Schlussfolgerung zu ändern oder sogar umzukehren, wenn mehr Beweise ans Licht kommen und dies erfordern oder wenn eine überzeugendere Interpretation der derzeit verfügbaren Beweise vorgelegt wird.

Skopic: »Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle außer Stalin plötzlich zum Verräter wurden und er der Einzige war, der standhaft blieb?«

Das ist einfach Unsinn. Tausende von »alten Bolschewiken« (Personen, die der Partei vor der Revolution beigetreten waren) und andere Parteiführer sind geblieben. Chruschtschow nannte nur eine kleine Zahl von Personen, die er »rehabilitieren« wollte, das heißt, die er für unschuldig erklärte, ohne jemals den Beweis zu erbringen, dass sie in Wirklichkeit unschuldig waren. In meinem Buch Chruschtschows Lügen untersuche ich nur diejenigen, die Chruschtschow in seiner »Geheimrede« vom 25. Februar 1956 genannt hat.

Skopic:

Mit jedem neuen Schauprozess ging ein Dominoeffekt durch die sowjetische Gesellschaft, da jeder, der mit den ›Schuldigen‹ in Verbindung gebracht wurde – von ihren Familienmitgliedern bis hin zu Menschen, die nur gesehen wurden, wie sie mit ihnen sprachen oder ihre Bücher lasen – eine gute Chance hatte, verhaftet, hingerichtet oder nach Sibirien deportiert zu werden.

Diese Aussagen sind falsch. Skopic gibt keine Beispiele für auch nur eine einzige Person an, der dies widerfahren ist. Und das ist auch kein Wunder! Ich habe noch nie ein Beispiel für jemanden gefunden, der hingerichtet oder nach Sibirien deportiert wurde, nur weil er »nur gesehen wurde, wie er mit einem Verurteilten sprach« oder »dessen Bücher las«. Kein einziges!

Ehefrauen hochrangiger Partei- und Militärangehöriger, die wegen schwerer Verbrechen wie Spionage oder Sabotage verurteilt worden waren, wurden inhaftiert oder ins Exil geschickt, weil man davon ausging, dass sie etwas über die Aktivitäten ihres Mannes gewusst und sie nicht gemeldet hatten. In einigen Fällen haben wir Beweise dafür, dass die Ehefrau ebenfalls schuldig war.

In anderen Fällen haben wir keine solchen Beweise, obwohl sie vielleicht noch in ehemaligen sowjetischen Archiven zu finden sind. Es ist möglich, dass einige Ehefrauen, die über die konspirativen Aktivitäten ihres Mannes im Unklaren gelassen worden waren, inhaftiert wurden. Da wir aber keine Beweise dafür haben, können wir nicht sagen, ob dies der Fall war oder nicht. Ich habe in keiner der von Skopic genannten Kategorien auch nur ein Beispiel für eine Person gefunden, die hingerichtet wurde, und Skopic führt auch kein einziges Beispiel an.

3. »Quoten«?

Skopic:

Wie die amerikanischen Polizisten heute, arbeitete Stalins Geheimpolizei nach einem Quotensystem, bei dem die Beamten eine bestimmte Anzahl von Verhaftungen pro Monat vornehmen mussten […].

Das ist falsch. Der amerikanische Historiker Arch Getty hat diese »Quotensystem«-Vorstellung mehrfach widerlegt: »Eines der Rätsel des Fachgebiets [der sowjetischen Geschichte – G.F.] ist, wie ›limity‹ [Grenzen] routinemäßig mit ›Quoten‹ übersetzt wird.«10 Mehr über diese spezielle Lüge finden Sie in meinem Buch Stalin Waiting for … the Truth, Kapitel zehn, »The Falsehood About ›Quotas‹ «. Antikommunistische »Gelehrte« lügen weiter und behaupten, Stalin habe »Quoten« für Verhaftungen gehabt. Offensichtlich wollen sie, dass er Quoten hatte, damit sie ihn verurteilen können!

Wir müssen fragen: Wenn man falsche Verbrechen erfinden muss, um Gründe für eine Verurteilung Stalins zu finden, bedeutet das dann nicht, dass man keine wirklichen Verbrechen finden konnte, derer Stalin schuldig war? Denn wenn Sie echte Verbrechen finden könnten, warum diskutieren Sie sie dann nicht einfach, ohne falsche zu erfinden?

Skopic:

In einem typischen Fall wurde eine unglückliche Frau als Trotzkistin verhaftet, dann wurde ihre Anklage in ›bürgerlicher Nationalismus‹ geändert, mit der Begründung, dass der örtliche NKWD ›die Quote für Trotzkisten überschritten die Quote für Trotzkisten überschritten, aber es fehlte an Nationalisten, obwohl sie alle tatarischen Schriftsteller, die ihnen einfielen, verhaftet hatten‹.

Das Zitat stammt aus Robert Conquests The Great Terror.11 In der überarbeiteten Ausgabe steht das Zitat auf Seite 284. Dort wird auf Jewgenija Ginzburg, Reise in den Wirbelwind, Seite 105, verwiesen, und diese Passage findet sich tatsächlich in Ginzburgs Buch.

Missbräuche dieser Art wurden von Nikolai Jeschows Männern in der Zeit, als er Chef des NKWD war, in großem Umfang begangen. Aber wir haben keine Möglichkeit, zu überprüfen, was Ginzburg hier geschrieben hat. Sie war eine erbitterte Gegnerin Stalins, glaubte die Lügen der Chruschtschow-​Ära über Stalin und hatte kaum ein Motiv, objektiv zu sein.

Ginzburg wurde im Februar 1937 aufgrund der Aussagen einiger ihrer Kollegen verhaftet, unmittelbar nach dem Zweiten Moskauer oder »trotzkistischen« Prozess vom 16. bis 30. Januar 1937. Sie wurde beschuldigt, Mitglied einer geheimen trotzkistischen Gruppe zu sein. Wir haben zahlreiche Beweise dafür, dass solche Gruppen existierten.

Ginzburg behauptet, sie sei unschuldig. Aber wir wissen es wirklich nicht. Es ist üblich, dass sowohl die Schuldigen als auch die Unschuldigen ihre Unschuld beteuern. Die Tatsache, dass sie »rehabilitiert« wurde, beweist nicht, dass sie unschuldig war, denn in der Chruschtschow- und Gorbatschow-​Ära wurden viele Personen »rehabilitiert«, ohne dass es Beweise dafür gab, dass sie tatsächlich unschuldig waren. Ich habe eine Reihe solcher Fälle in Kapitel 11 von Chruschtschows Lügen untersucht. In einigen Fällen, wie dem von Bucharin, wissen wir, dass der sowjetische Staatsanwalt und die Richter Beweise gefälscht haben, um ihn für unschuldig zu erklären.12

Anfang der 1990er Jahre wurden zwei NKWD-​Untersuchungsberichte zu ihrem Fall veröffentlicht, in denen die Zeugenaussagen von Mitarbeitern gegen Ginzburg detailliert aufgeführt sind.13 Auf der Grundlage dieser Beweise wurde sie verurteilt und zunächst zu einer Gefängnisstrafe und später zu einem Arbeitslager verurteilt.

4. Die »Jeschowschtschina«

Ende Juli oder Anfang August 1937 begann Nikolai Jeschow, Chef (»Volkskommissar«) des Kommissariats für innere Angelegenheiten (NKWD), zu dem auch die politische Polizei gehörte, die oft als »NKWD« bezeichnet wird, eine 14-​monatige Orgie von Massenverhaftungen und Hinrichtungen. Die meisten der hingerichteten Personen müssen unschuldig gewesen sein, wie Jeschow und seine Männer 1939 aussagten, als Lawrentij Berija, nachdem er Jeschow als Leiter des NKWD abgelöst hatte, begann, diese massiven illegalen Repressionen zu untersuchen.

Primärdokumente aus ehemaligen sowjetischen Archiven beweisen, dass Jeschow Stalin und seine Führung täuschte, um seine eigene Verschwörung zu fördern. Wie ich in meinem Buch über diese Zeit Yezhov vs. Stalin14 feststelle:

Die hier dargelegte Version spricht Stalin von der Schuld an den massiven Repressionen frei. Das ist es, was für den Mainstream der sowjetischen Geschichte inakzeptabel ist. Aber es lag zweifellos in Stalins Verantwortung als wichtigster politischer Führer des Landes, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsverletzungen zu stoppen, sie untersuchen zu lassen und sicherzustellen, dass die Verantwortlichen bestraft werden. Stalin tat dies. Tragischerweise brauchte er viele Monate, um zu erkennen, was wirklich vor sich ging. In dieser Zeit hatten Jeschow und seine Männer hunderttausende von unschuldigen Sowjetbürgern ermordet (S. 231).

Am 2. Januar 1939 schrieb Stalin an Staatsanwalt Wyschinski: »Ein öffentlicher Prozess gegen die Schuldigen im NKWD ist unerlässlich.»15 Solche öffentlichen Prozesse fanden nicht statt. Wir wissen nicht, warum. Es gab jedoch viele nicht-​öffentliche Prozesse gegen Jeschows NKWD-​Leute, auch gegen Jeschow selbst. Viele wurden für ihre Verbrechen zum Tode verurteilt. Im ersten Jahr nach seinem Amtsantritt entließ Berija mindestens 110.000 Gefangene aus den Lagern (»GULAG«) und Gefängnissen.

Im selben Jahr [1939] wurden etwa 110.000 Personen nach der Überprüfung der Fälle der 1937 – 1938 Verhafteten freigelassen.16

5. Lawrentij Berija

Skopic:

Später fielen andere dem Sadismus von Lawrentij Berija zum Opfer, einer wahrhaft abscheulichen Figur, die ihre Position als Chef der Geheimpolizei dazu nutzte, hunderte von Frauen und Mädchen sexuell zu missbrauchen, wobei sie oft eine geliebte Person bedrohte, um sich ihr Schweigen zu sichern.

Das sind Lügen. Skopic führt keine Beweise an. Und das ist auch kein Wunder! Es gab nie stichhaltige Beweise dafür, dass Berija diese sexuellen Übergriffe begangen hat. Ein Artikel in einer konservativen Moskauer Zeitung enthält die folgende Passage:

Einer der Experten, der die Gelegenheit hatte, die bis heute geheim gehaltenen Fälle von Berija und dem Chef des Stalinschen Sicherheitsdienstes, General Wlassik, zu studieren, entdeckte eine äußerst interessante Tatsache. Die Listen der Frauen, bei deren Vergewaltigung Berija nach den Unterlagen seines Falles zu urteilen auf schuldig plädierte, stimmen fast vollständig mit den Listen der Damen überein, mit denen Wlassik, der lange vor Berija verhaftet wurde, ein Verhältnis gehabt haben soll.17

Am 26. Juni 1953 wurde Berija auf einer Präsidiumssitzung von seinen Kollegen in der KPdSU-​Führung entweder verhaftet oder – wie es zunehmend den Anschein hat – bei seiner Verhaftung getötet. Auf der Sitzung des Zentralkomitees im Juli 1953, die nur zu dem Zweck einberufen wurde, ihn zu verleumden, war Berija nicht anwesend. Und warum nicht? Das war für einen so hochrangigen Beamten – einen Minister in der Regierung – ein Novum.

Berija wurde angeblich in einem Prozess im Dezember 1953 angeklagt, verurteilt und hingerichtet. Es ist jedoch nie ein Prozessprotokoll aufgetaucht. Es wurden zahlreiche Beweise dafür veröffentlicht, dass Berija zu diesem Zeitpunkt oder möglicherweise kurz danach ermordet wurde. Einige davon sind in einer kürzlich erschienenen Studie von zwei russischen Historikern zusammengefasst.18

Zum Ablauf des Prozesses gegen den angeblich anwesenden, aber wahrscheinlich bereits ermordeten »Berija« und seine Mitstreiter hat Generaloberst Alexander F. Katusew, Chefankläger der UdSSR von 1989 bis 1991 in der Zeit von Gorbatschow, geschrieben:

Считаю своим долгом отметить, что вновь открывшиеся обстоятельства лишь дополнительно высветили ошибки и натяжки в приговоре по делу Берии и других. В то время как наиболее серьезные из них были очевидны и прежде. Чем же объяснить, что крупнейшие наши юристы под руководством Руденко Р.А. предъявили обвинение, не подкрепленное надлежащими доказательствами.

Ответ лежит на поверхности. Еще до начала следствия были обнародованы постановления июльского (1953) Пленума ЦК КПСС и Указ Президиума Верховного Совета СССР, в которых содержалась не только политическая, но и правовая оценка содеянного.19

Ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, dass die neu entdeckten Umstände die Fehler und Übertreibungen im Urteil im Fall Berija und anderen nur noch deutlicher gemacht haben, während die schwerwiegendsten von ihnen schon vorher offensichtlich waren. Wie ist es zu erklären, dass unsere prominentesten Juristen unter der Leitung von Roman A. Rudenko diese Anschuldigungen ohne entsprechende Beweise vorbringen konnten?

Die Antwort liegt auf der Hand. Noch vor Beginn der Ermittlungen wurden die Beschlüsse des Juli-​Plenums (1953) des Zentralkomitees der KPdSU und der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion veröffentlicht, die nicht nur eine politische, sondern auch eine rechtliche Bewertung der Tat enthielten.

Katussew erklärte, dass es keine stichhaltigen Beweise gegen Berija und die anderen gab und dass sie auf der Grundlage des Plenums des Zentralkomitees vom Juli 1953 und eines Dekrets der Legislative angeklagt, verurteilt und hingerichtet wurden! Sollten tatsächlich eine Abschrift und Materialien des »Berija-​Prozesses« vom Dezember 1953 existieren, hätte Katussew Zugang dazu gehabt. Er erwähnt keine Abschrift. Das könnte bedeuten, dass es keine gibt und der Prozess nie wirklich stattgefunden hat. Daraus einen Schluss zu ziehen, wäre jedoch ein argumentum ex silentio und in diesem Fall ein logischer Trugschluss.

Skopic fährt über Berija fort:

Als diese Methode nicht funktionierte, ermordete Berija seine Opfer einfach; 1993 fanden Arbeiter, die einen Graben in seinem ehemaligen Haus aushoben, mehrere menschliche Überreste, die eilig mit Branntkalk zugedeckt worden waren.

Diese Aussage wird durch die von Skopic selbst zitierte Quelle widerlegt, einen Artikel in der britischen Zeitung Independent aus dem Jahr 1993. In diesem Artikel heißt es:

MOSKAU – Bauarbeiter, die am Freitag im Stadtzentrum einen Graben aushoben, stießen auf ein Gemeinschaftsgrab in der Nähe der Villa von Stalins Geheimpolizeichef Lawrenti Berija, schreibt Helen Womack. Da Berija dafür berüchtigt war, Verhöre und Folterungen in seinem eigenen Haus durchzuführen, liegt die Vermutung nahe, dass die Knochen die Überreste seiner persönlichen Opfer sind.

[…] Es wird angenommen, dass Berija junge Frauen dorthin lockte, mit ihnen Sex hatte und sie dann im Keller ermorden ließ.

[…] Die Arbeiter hatten mehrere Stunden lang gegraben, als sie auf einen Haufen menschlicher Knochen stießen, darunter zwei Kinderschädel.20

Also nicht »in seinem früheren Haus«, wie Skopic behauptet, sondern »in der Nähe«, plus »Kinderschädel«. Hat Berija auch Kinder vergewaltigt und dann die Überreste aus seinem Haus getragen, um sie »in der Nähe« seiner Wohnung zu vergraben? Das ist lächerlich!

Es gibt keinen Beweis dafür, dass diese Leichen irgendetwas mit Berija zu tun hatten. Warum also hat Skopic den Artikel verdreht? Greift er »nach einem Strohhalm«, um etwas zu finden, das Berija schlecht aussehen lässt? Es sieht ganz danach aus.

6. Hinrichtungen

Skopic:

Selbst wenn man die Tatsachen so auslegt, dass nur die direkt in den sowjetischen Archiven verzeichneten Todesfälle gezählt werden (799.455 Hinrichtungen, 1,7 Millionen Todesfälle während der Haft, 390.000 während der Zwangsumsiedlung der Bauern und 400.000 nach Sibirien und anderswo deportierte Menschen), ergibt sich immer noch eine Zahl von mehr als drei Millionen.

Die üblicherweise zitierte Quelle für die Zahlen der Hinrichtungen von 1921 – 1953 ist Viktor Zemskow, »Pravda o repressiiakh« (Die Wahrheit über die Repressionen), 2009, mehrfach im Internet veröffentlicht.21 Ich zitiere aus einem meiner Aufsätze:

Im September 1936 löste Nikolai Jeschow Genrikh Jagoda als Leiter (Volkskommissar) des NKWD ab. Im November 1938 wurde Jeschow durch Lawrentij Berija ersetzt. Laut dem 1953 für Chruschtschow erstellten und vielfach nachgedruckten ›Pawlow-​Bericht‹ wurden zwischen 1936 und 1940 die folgenden Personen zum Tode verurteilt:

1936:1,118
1937: 353,074
1938: 328,618
1939: 2,552
1940: 1,649

Im Jahr 1939 betrug die Zahl der Todesurteile unter Berija weniger als 1 Prozent derjenigen unter Jeschow. Im Jahr 1940 waren es weniger als die Hälfte von einem Prozent. In den Nachkriegsjahren Stalins gab es keine politischen Massenrepressionen. Die ›Jeschowschtschina‹ (schlechte Zeit von Jeschow) hat sich nie wiederholt. Die Schlussfolgerung ist unausweichlich: Nicht Chruschtschow, sondern Stalin und Berija beendeten die politische Massenunterdrückung, und zwar Ende 1938.22

Die Jahre mit einer sehr hohen Zahl von Hinrichtungen sind: 1921, das letzte Jahr des bitteren Bürgerkriegs – 9701; 1930 und 1931, die Jahre der Kollektivierung und des gewaltsamen Widerstands dagegen: 20.201 und 10.651; die beiden Jahre der »Jeschowschtschina«, 1937 und 1938: 353.074 und 328.618; 1942, das schlimmste Jahr des Krieges, als die Sowjetunion in größter Gefahr schwebte, besiegt zu werden und unter Kriegsrecht stand, 23.278.

Die Exekutionen in diesen sechs Jahren von insgesamt etwa 32 einhalb Jahren entsprechen 745.523 oder 93,3 Prozent der Gesamtzahl von 799.455. Die Exekutionen in den Jahren 1937 und 1938, den beiden Jahren, in denen Jeschow illegale Massenmorde beging, machen 85,3 Prozent der Gesamtzahl von 799.455 aus.

Für eine detailliertere Erörterung von Jeschows Verschwörung und seinem Massenmord an unschuldigen Sowjetbürgern, Berijas Ermittlungen gegen Jeschow und seine Männer sowie eine große Menge an Primärquellenbeweisen – die von den meisten Anti-​Stalin-​Historikern fast vollständig ignoriert werden – siehe Yezhov vs Stalin.

7. Todesfälle im GULAG

Die von professionellen Forschern verwendete Quelle, von denen die meisten antikommunistisch und stark gegen Stalin voreingenommen sind, ist GULAG (Glavnoe Upravlenie Lagerei), 1918 – 1960. (Moskau: MDF, 2000), herausgegeben von Kokurin und Petrow von der antikommunistischen Gesellschaft »Memorial«. Dokument Nr. 103 dieses Werks gibt die Sterblichkeit in den GULAG-​Lagern nach Jahren an.23 Daraus geht hervor, dass die höchsten Sterblichkeitsraten in den Jahren 1932 (13.197 oder 4,8%), 1933 (67.297 oder 15,3%), 1942 (352.560 oder 24,9%) und 1943 (267.826 oder 22,4%) zu verzeichnen waren. Das nächsthöhere Jahr, 1944, wies mit 9,2 Prozent eine höhere Sterblichkeitsrate auf als alle anderen Jahre.

Von der Gesamtzahl der Todesfälle im GULAG von 1930 (dem ersten Jahr, für das uns Statistiken vorliegen) bis 1953 (Stalin starb am 5. März desselben Jahres) erhalten wir 1.590.384 Todesfälle im GULAG zwischen 1930 und 1953. Von diesen Todesfällen entfielen 43,2 Prozent oder 687.683 auf die drei Jahre 1933, 1942 und 1943. 1932 – 33 waren die Jahre der großen Hungersnot von 1932 – 33, als die Sterblichkeit in der gesamten Sowjetunion sehr hoch war. 1942 und 1943 waren die schlimmsten Jahre des Krieges. 50,7 Prozent aller Todesfälle im GULAG ereigneten sich in den Jahren 1932 – 33 und 1942 – 44.

In diesen Zeiten starben auch viele Sowjetbürger vorzeitig. Ein Beispiel: Während des Zweiten Weltkriegs erkrankten und verhungerten sowjetische Arbeiter an ihrem Arbeitsplatz, weit entfernt von jeglichen Kampfhandlungen.

Die hohe Arbeitsintensität in der Fabrik und die unzureichende Verpflegung machen es dringend erforderlich, dass [die Arbeiter ihren rechtmäßigen freien Tag erhalten], wie die Häufigkeit beweist, mit der die Arbeiter direkt am Arbeitsplatz vor Auszehrung tot umfallen. An manchen Tagen sieht man mehrere Leichen in den Werkstätten. In den beiden Monaten Dezember 1942 und Januar 1943 wurden allein in den Werkhallen 16 Leichen festgestellt. Bei den an Auszehrung Verstorbenen handelt es sich hauptsächlich um Arbeiter, die manuelle Arbeiten verrichten. (Shliaev, Oberstaatsanwalt der Provinz Tscheljabinsk, an Bochkov, Generalstaatsanwalt der Sowjetunion, 29. März 1943)

Dies stammt aus einem Artikel von Donald Filtzer: »Starvation Mortality in Soviet Home Front Industrial Regions During World War II«.24 Filtzer ist ein klassisch antikommunistischer Wissenschaftler, der sich auf die Untersuchung der sowjetischen Arbeiterklasse spezialisiert hat. Er stellt fest:

In den Jahren 1943 und 1944 waren Hunger und Tuberkulose – eine in der Sowjetunion endemische Krankheit, die sehr empfindlich auf akute Unterernährung reagiert – die häufigste Todesursache unter der Zivilbevölkerung ausgenommen Kinder.

Filtzer fährt fort:

Die Sowjetunion verfügte nicht über genügend Nahrungsmittel, um sowohl das Militär als auch die Zivilbevölkerung zu ernähren, selbst als die Lend-​Lease-​Nahrungsmittelhilfe eintraf. Der Staat musste daher eine knallharte Rechnung aufstellen und entscheiden, wie er seine begrenzten Ressourcen am effizientesten einsetzen konnte – das heißt, wie viele Kalorien und Gramm Eiweiß er den verschiedenen Gruppen zuteilen konnte. Unter diesen Umständen war es unvermeidlich, dass einige Menschen nicht genug zu essen bekamen und viele sterben mussten. Unabhängig davon, welches Regime in der Sowjetunion an der Macht gewesen wäre – das stalinistische, das trotzkistische, das menschewistische oder das kapitalistische – es hätte vor denselben Entscheidungen gestanden.

Skopic gibt keine Quelle für die Zahl von 390.000 Menschen an, die bei der »Zwangsumsiedlung der Landbevölkerung« starben, so dass es unmöglich ist, genau zu wissen, was er meint. Wahrscheinlich meint er damit, dass Bauern – hauptsächlich reiche Bauern oder Kulaken und solche, die sich, vielleicht unter dem Einfluss der Kulaken, die in ihren Gemeinden sehr einflussreich waren, der Kollektivierung widersetzten, umgesiedelt wurden und schließlich nicht während der Umsiedlung, sondern am Ort der Umsiedlung starben. Zweifellos starben viele von ihnen während der großen Hungersnot von 1932 – 33 und der sehr schlimmen Hungersnot von 1946.

Ebenso sagt uns Skopic nicht, woher er die Zahl von 400.000 »nach Sibirien und anderswohin deportierten Menschen« hat oder was sie bedeutet – Todesfälle während der Deportation oder alle Todesfälle, einschließlich der Personen, die nach der Deportation starben. Wir haben einige Informationen über die Sterblichkeit während der Deportationen. So wissen wir zum Beispiel, dass nur sehr wenige der Tschetschenen und Krimtataren, die 1944 wegen Kollaboration mit den Deutschen deportiert wurden, während der Deportation starben.

Einem an mehreren Orten abgedruckten Bericht des NKWD zufolge starben 191 oder 0,126 % der 151.529 Krimtataren, die nach Usbekistan deportiert wurden, auf dem Transport. [ …] Für die viel größere Gruppe der deportierten Tschetschenen und Inguschen, die 493.269 Personen umfasste, gibt es Primärquellen, die belegen, dass 1272 oder 0,25 % auf dem Transport starben. Siehe N.F. Bugai und A.M. Gonow. ›Die Zwangsevakuierung der Tschetschenen und Inguschen‹. Russian Studies in History, Bd. 41, Nr. 2, Herbst 2002, S. 56.25

Die Krimtataren und Tschetschenen wurden in Massen deportiert, um diese sprachlich und kulturell unterschiedlichen Gruppen zusammenzuhalten. Eine Trennung wäre eine Form von Völkermord gewesen (auch wenn es diesen Begriff erst nach dem Krieg gab).26

Skopic:

Unter Stalins Führung wurden viele der hart erkämpften Errungenschaften von 1917 untergraben und rückgängig gemacht, was zu einem Abgleiten in den sozialen und politischen Konservatismus führte.

Dies war die Behauptung von Leo Trotzki, und so überrascht es nicht, dass Skopic die folgende Passage aus dem Roten Buch von Leon Sedov Rotbuch über den Moskauer Prozeß (1936) zitiert:

In den verschiedensten Bereichen wird das Erbe der Oktoberrevolution liquidiert. Der revolutionäre Internationalismus weicht dem Kult des Vaterlandes im engsten Sinne. Und mit dem Vaterland ist vor allem die Obrigkeit gemeint. Dienstgrade, Orden und Titel werden wieder eingeführt. Die Offizierskaste mit den Marschällen an der Spitze wird wiederhergestellt. Die alten kommunistischen Arbeiter werden in den Hintergrund gedrängt; die Arbeiterklasse wird in verschiedene Schichten aufgeteilt; die Bürokratie stützt sich auf den ›Nicht-​Parteibolschewiken‹, den Stachanowisten, das heißt, die Arbeiteraristokratie, auf den Vorarbeiter und vor allem auf den Spezialisten und den Verwalter. Die alte kleinbürgerliche Familie wird wiederhergestellt und auf die bürgerlichste Art und Weise idealisiert; trotz allgemeiner Beteuerungen werden Abtreibungen verboten, was angesichts der schwierigen materiellen Bedingungen und des primitiven Zustands von Kultur und Hygiene die Versklavung der Frauen bedeutet, das heißt die Rückkehr zu den Zeiten vor dem Oktober.

Wir werden diese Behauptungen der Reihe nach untersuchen.

Der revolutionäre Internationalismus weicht dem Kult des Vaterlandes im engsten Sinne.

Das ist falsch. Der Internationalismus wurde immer noch energisch gefördert; ein Beispiel dafür ist die Unterstützung der Sowjetunion für die Arbeiterklasse in Spanien (siehe unten).

Die Faschisten wollten die gesamte Sowjetunion angreifen, nicht nur die Kommunisten. Aber nur ein kleiner Prozentsatz der Sowjetbürger waren Kommunisten. Die Nicht-​Kommunisten, die große Mehrheit der Bevölkerung, wurden zur Loyalität gegenüber ihrem Land, der Sowjetunion, angehalten. Und da die Sowjetunion das Mutterland des Sozialismus und die Zentrale der weltweiten kommunistischen Bewegung war, warum sollten nicht auch die Kommunisten ihr gegenüber loyal sein?

Die Offizierskorps wurden in der Tat in der Überzeugung wiederhergestellt, dass dies für eine starke Armee notwendig sei. Die Offiziere der Roten Armee wurden nach dem Vorbild und in vielen Fällen von Militärs aus westlichen kapitalistischen Ländern ausgebildet. Starke Lohnunterschiede für produktivere Arbeit, wie in der Stachanow-​Bewegung, und das »Ein-​Mann-​Management« für Manager wurden als notwendig für eine höhere Produktivität angesehen.

Diese Maßnahmen standen im Widerspruch zur Gleichmacherei, die ein Kennzeichen der Entwicklung zu einer kommunistischen Gesellschaft ist. Aber die Sowjetunion war noch nicht einmal vollständig »sozialistisch«. Wenn die Faschisten sie besiegten, würden sie weder den Sozialismus noch den Kommunismus erleben.

Also gingen Stalin und die Partei prinzipielle Kompromisse ein, um später, nach dem Sieg über die Faschisten, zum Kommunismus überzugehen. Stalin begann nach dem Krieg mit diesem Vorhaben. Aber seine Bemühungen wurden durch seinen Tod zunichte gemacht. Weitere Informationen zu Stalins Nachkriegsanstrengungen auf dem Weg zum Kommunismus finden Sie in Teil II meines Aufsatzes »Stalin und der Kampf um demokratische Reformen«.27

Sedov/​Skopic: »Die alten kommunistischen Arbeiter werden in den Hintergrund gedrängt […].«

Dafür gibt es keine Beweise. Außerdem wird nicht einmal erklärt, was das bedeutet. Wer waren diese »alten kommunistischen Arbeiter«? Da dies von Sedow, dem Sohn und engsten politischen Vertrauten Leo Trotzkis, geschrieben wurde, bedeutet es wahrscheinlich, dass trotzkistreue Arbeiter in der Partei oder den Gewerkschaften nicht mehr gefördert wurden. Selbstverständlich – Trotzkis Anhänger in der Sowjetunion waren in schwerwiegende Anti-​Partei- und Anti-​Sowjet-​Verschwörungen verwickelt.

Sedov/​Skopic: »Die alte kleinbürgerliche Familie wird wiederhergestellt und auf die bürgerlichste Weise idealisiert […].«

Das ist inkohärent. Wann wurde die Familie überhaupt aufgelöst? Skopic sagt es uns nicht. Aber siehe Kommentare zum »Sozialismus« weiter unten.

[…] Schwangerschaftsabbrüche sind verboten, was angesichts der schwierigen materiellen Bedingungen und des primitiven Zustands von Kultur und Hygiene die Versklavung der Frauen bedeutet, das heißt die Rückkehr in die Zeit vor dem Oktober.

Der Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen wurde verboten – siehe die ausführlichere Diskussion weiter unten. Die den Müttern gewährten Vorteile zeigen jedoch, dass Skopic Unrecht hat – es gab keine »Rückkehr zu den Zeiten vor Oktober«.

7. Der »Trotzkikult«

Trotzki hasste Stalin. Er hatte keinen Anreiz, objektiv oder wahrheitsgemäß über Stalin und die sowjetische Gesellschaft seiner Zeit zu berichten. In meinen Büchern habe ich im Detail gezeigt, dass Trotzki allzu oft über Stalin gelogen hat, um es aufzuzählen. Wenn Skopic das nicht weiß, hat er überhaupt kein Recht, über die Sowjetunion der Stalinzeit zu schreiben.

Skopic gibt selbst zu, dass diese Passage aus Sedovs Buch »eine gewisse Ironie enthält«. Warum zitiert er dann aus ihr? Skopic kritisiert den Kult um den »großen Mann« Stalin – zu Recht – und ist dem Kult um den »großen Mann« Trotzki zum Opfer gefallen!

Der »Personenkult« um Stalin ist zum Glück schon vor Jahrzehnten gestorben. Stalin selbst lehnte ihn entschieden ab, wie ich in Chruschtschows Lügen gezeigt habe. Aber der »Trotzki-​Kult« lebt weiter, genährt durch die Unwahrheiten offenkundig antikommunistischer Historiker und eine unkritische Haltung gegenüber Trotzkis eigenen Schriften. Ich habe vier Bücher veröffentlicht, in denen ich zeige, dass Trotzki in einem kaum glaublichen Ausmaß gelogen hat, vor allem über Stalin und alles, was mit ihm zu tun hat.28

Trotzki stachelte seine heimlichen Anhänger dazu an, die sowjetische Führung zu ermorden und die Wirtschaft zu sabotieren, er konspirierte mit Marschall Tuchatschewski und anderen hochrangigen Militärs, um die Rote Armee zu sabotieren, und mit Nazideutschland und dem faschistischen Japan, um der Armee im Falle einer Invasion in den Rücken zu fallen.29 Trotzki stimmte zu, die Kommunistische Internationale abzuschaffen und das Land aufzuteilen, um die Ukraine an Deutschland und die Pazifikküste an Japan zu übergeben. Welch ein Kommunist!

Skopic: »[…] die Arbeiterklasse sah sich unter Stalin zunehmend kleinteiliger gesteuert und ausgebeutet.«

Skopic weiß nicht, was »Ausbeutung« bedeutet. Es ist die private Aneignung des von der Arbeiterklasse produzierten Mehrwerts. In der Sowjetunion gab es zu Stalins Zeiten nichts dergleichen. Gehaltsunterschiede zwischen Managern und Arbeitern, ob erwünscht, notwendig oder nicht, sind keine »Ausbeutung«.

Skopic:

[…] neue Gesetze zur Arbeitsdisziplin, die 1938 und 1940 eingeführt wurden, machten es zu einer Straftat, mehr als 20 Minuten zu spät zur Arbeit zu kommen, was mindestens mit Entlassung und manchmal sogar mit Gefängnis bestraft wurde.

Im Jahr 1938 bereitete sich die Sowjetunion auf den unvermeidlichen Krieg vor, den Stalin 1931 mit unheimlicher Genauigkeit für die nächsten zehn Jahre vorausgesagt hatte:

Wir liegen 50 oder 100 Jahre hinter den fortgeschrittenen Ländern zurück. Diesen Rückstand müssen wir in 10 Jahren aufholen. Entweder wir tun es, oder wir gehen unter.30

Militärangehörige wurden eingezogen und anschließend diszipliniert. Warum sollte es Arbeitnehmern, deren Produktion im bevorstehenden Krieg über Leben und Tod entscheiden würde, gestattet sein, abwesend zu sein oder sich woanders um einen besseren Arbeitsplatz zu bemühen? Die Produktion für das Gemeinwohl hatte Vorrang vor dem individuellen Wunsch, »weiterzukommen«.

Skopic:

Die verhassten ›Inlandspässe‹ der Zaren wurden wieder eingeführt, so dass die Arbeiter gezwungen waren der Polizei ihre ›Papiere‹ jederzeit vorzulegen und zu begründen, warum sie sich in einem bestimmten Gebiet aufhielten. Wenn sie das nicht konnten, konnte auch dies zu Verhaftungen und Gefängnisstrafen führen.

Es wurden Pässe eingeführt, aber nicht wie unter den Zaren. Das vorsowjetische Russland war in der Tat eine Ausbeutergesellschaft. In der Sowjetunion gab es keine Aneignung des von der Arbeiterklasse produzierten Werts an private Kapitalisten. Die gesamte Produktion kam der Arbeiterklasse als Ganzes zugute. In der Sowjetunion herrschte eine Planwirtschaft, keine kapitalistische Marktwirtschaft. Anders als in der kapitalistischen Welt waren die Arbeitsplätze garantiert. Aber die Mobilität, um den besten Job zu bekommen, sabotierte den Wirtschaftsplan und die Produktion, weshalb sie eingeschränkt wurde. Pässe wurden auch benötigt, um die Bevölkerungsbewegung zu kontrollieren, insbesondere um eine Einwanderungsflut in die Großstädte zu verhindern. Dies war unerlässlich, um die transurale UdSSR, die asiatischen Gebiete und Sibirien zu erschließen und eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften in den die gesamte Gesellschaft ernährenden Kolchosen zu gewährleisten.

Skopic:

Die Regierung griff sogar zum Streikbruch und zur Unterdrückung der Arbeitermacht und verhaftete massenhaft Arbeiter in der Baumwollspinnerei Teikowo, als diese einen kurzzeitigen Streik gegen die Lebensmittelrationierung organisierten.

Der Staat hatte einen Wirtschaftsplan für die Verteilung der knappen Ressourcen. Der Plan sah vor, die Knappheit zu teilen. Es handelte sich nicht um einen Versuch der Superausbeutung, um einen reichen Chef noch reicher zu machen, wie im Kapitalismus. Der Teikowo-​Streik und einige andere Streiks waren tatsächlich Proteste gegen den Anstieg der Lebensmittelpreise. Das war 1932, als die Industrialisierung gerade begann, die Kollektivierung noch im Gange war und die Wirtschaft sehr anfällig war.

Skopic: »Der Bolschewismus hatte den Werktätigen die totale Befreiung versprochen, aber der Stalinismus lieferte nun das Gegenteil.«

Skopic hat eine bürgerliche – das heißt kapitalistische – Vorstellung von Befreiung.

Skopic:

Auch der Punkt des ›revolutionären Internationalismus‹ verdient eine genauere Betrachtung. Auf den ersten Blick mag dies wie ein obskurer trotzkistischer Missstand erscheinen, aber die Folgen für die Menschen in aller Welt waren sehr real. Soweit er an irgendetwas glaubte, war Stalin ein überzeugter Anhänger des ›Sozialismus in einem Land‹, also der Idee, dass sich die Sowjetunion auf ihre eigene industrielle Entwicklung konzentrieren, auf dieser Grundlage mit dem Westen konkurrieren und von jeder Form des globalen Klassenkampfes abgekoppelt bleiben sollte. Der alte Slogan ›Proletarier aller Länder, vereinigt euch!‹ wurde aufgegeben und der sowjetische Staat wurde entweder gleichgültig oder aktiv feindselig gegenüber den Bemühungen sozialistischer Bewegungen in anderen Ländern, selbst wenn diese Bewegungen ihn um Unterstützung und Führung baten.

Dies ist einfach eine Reihe von Lügen. Skopic hat für keine dieser Behauptungen Beweise. Skopic hat sich dafür entschieden, die unbelegte Behauptung von Leo Trotzki zu glauben, dass der Aufbau des Sozialismus in einem Land im Widerspruch zum Revolutionsaufbau in anderen Ländern stehe. Das ist nicht wahr (siehe die Zitate von Robert Tucker und Lars Lih oben).

Während Stalins Zeit wurde die Kommunistische Internationale oder Komintern in praktisch allen Ländern der Welt gegründet. Die Sowjetunion stellte enorme Mittel für die Unterstützung kommunistischer Parteien in aller Welt bereit.

Nachdem Adolf Hitler die Kommunistische Partei Deutschlands, die damals größte kommunistische Partei der Welt außerhalb der Sowjetunion, zerschlagen hatte, erkannte die Komintern, dass es in den Industrieländern der Welt in absehbarer Zeit keine Chance für eine sozialistische Revolution gab. Sie beschloss, dass der Faschismus die größte Gefahr für die Arbeiterklasse der Welt darstellte. Deshalb spielte sie die Organisierung für eine kommunistische Revolution herunter und versuchte, Bündnisse mit antifaschistischen kapitalistischen Regierungen zu schließen. Die Führer der Sowjetunion und der Komintern waren überzeugt, dass die UdSSR als einziges Land der Welt, das keine Verbündeten hatte, den drohenden faschistischen Angriff nicht allein besiegen konnte.

Diese Strategie ging insofern einigermaßen auf, als es der Sowjetunion gelang, im Zweiten Weltkrieg ein Bündnis mit den kapitalistischen Großmächten gegen die faschistischen Mächte zu schmieden. Der Sieg über die Achsenmächte führte zu kommunistischen Revolutionen in China, Jugoslawien, Albanien und schließlich in Vietnam nach der Niederlage der Vereinigten Staaten.

Die Sowjetunion und die Komintern waren auch die wichtigsten Kräfte hinter den antikolonialen Kämpfen in der ganzen Welt. Die westlichen imperialistischen Länder der so genannten »Freien Welt«, allesamt selbsternannte »Demokratien«, haben niemals Demokratie in ihren Kolonien zugelassen, die sie mit mörderischer Hand ausbeuteten.

8. Sowjetische Hilfe für die Spanische Republik

Skopic: »Im Spanischen Bürgerkrieg beispielsweise leistete die UdSSR in begrenztem Umfang militärische Hilfe für die republikanischen Streitkräfte, die gegen Francisco Franco kämpften.«

Skopic irrt sich. Die UdSSR hat Spanien massiv unterstützt, obwohl sie selbst ihr Militär im Hinblick auf den unvermeidlichen Krieg mit den Achsenmächten aufrüsten musste. Die Sowjetunion war großzügig bei der Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Spanische Republik, obwohl sie auch ihr eigenes Militär so schnell wie möglich aufrüstete. Am 2. November 1936 schrieb Kliment Woroschilow, Kommissar für Verteidigung, wie folgt an Stalin:

Lieber Koba! Ich sende Dir ein Schreiben über den Bestand, der, obwohl er uns schaden wird, an die Spanier verkauft werden kann […]. Du wirst sehen, dass die Liste eine ziemlich große Anzahl von Waffen umfasst. Dies erklärt sich nicht nur durch den großen Bedarf der spanischen Armee und der Artillerie, sondern auch dadurch, dass Kulik (meiner Meinung nach zu Recht) beschlossen hat, uns endlich von einigen im Ausland hergestellten Geschützen zu befreien – britische, französische und japanische -, die insgesamt 280 Stück oder 28 Prozent der Waffen dieser Kategorie in unseren Artillerieparks ausmachen. Am schmerzlichsten wird der Abzug der Flugzeuge sein, aber das ist notwendiger als alles andere, und deshalb muss es gegeben werden [Herv. G.F.].31

Diese private Notiz, die nie zur Veröffentlichung bestimmt war, beweist Stalins Engagement für den proletarischen Internationalismus in Spanien. Die republikanische Regierung Spaniens bezahlte einen Teil dieser Hilfe mit Gold. Aber die Sowjets schickten auch 1938 und sogar 1939 noch militärische Ausrüstung, als es keine Hoffnung gab, dass die Republik sie bezahlen konnte. Helen Graham, eine weltweite Expertin für den Spanischen Bürgerkrieg, hat geschrieben:

[…] die Sowjetunion hat der Republik im Laufe des Jahres 1938 auch einige große Kredite gegeben, von denen sie gewusst haben muss, dass sie absolut KEINE Chance haben würde, sie zurückzubekommen (besonders in der zweiten Hälfte des Jahres) […].32

In ihrem 2002 erschienenen Buch The Spanish Republic at War 1936 – 1939 schreibt Graham:

Im Juli [1938] schickte [Premierminister] Negrín seinen ehemaligen Botschafter in der Sowjetunion, Marcelino Pascua (seit Frühjahr 1938 Botschafter in Paris), mit einer Bitte zurück nach Moskau. Stalin stimmte zu, der Republik ein Darlehen von 60 Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen. Dies geschah zusätzlich zu den 70 Millionen Dollar, die im Februar zuvor vereinbart worden waren. Dieser zweite Kredit wurde jedoch zu einem Zeitpunkt gewährt, als es praktisch kein Gold mehr gab, um ihn zu decken. Ohne den Juli-​Kredit hätten die republikanischen Kriegsanstrengungen die zweite Hälfte des Jahres 1938 nicht überstehen können.33

In The Spanish Civil War: A Very Short Introduction (2005) schreibt Graham:

1937 befand sich die sowjetische Industrieproduktion immer noch in einem Umstrukturierungsprozess, der durch die Säuberungen noch verschlimmert wurde, und während des gesamten Krieges in Spanien blieben die tatsächlichen sowjetischen Produktionszahlen bis zu 50 Prozent unter den veröffentlichten Zahlen. Angesichts dieser Situation ist es erstaunlich, dass Stalin überhaupt so viel im Inland produziertes Material in die Republik schickte. Dabei handelte es sich um hochwertiges Material – vor allem Flugzeuge und Panzer -, das, wie wir gesehen haben, für die Republik überlebenswichtig war, insbesondere zu Beginn des Krieges.

Diese Wissenschaftler und Dokumente widerlegen die Behauptung von Skopic. In der Tat hat die Sowjetunion »gegeben, obwohl es weh tat«.

Skopic fährt fort:

Aber gleichzeitig diktierte Stalin die politische Linie der Spanischen Kommunistischen Partei (Partido Comunista de España, PCE), die Moskau gegenüber sehr loyal war. Und durch dieses Sprachrohr machte er schmerzlich deutlich, dass es keine Arbeiterrevolution als Ergebnis des Krieges geben würde. Stattdessen forderte die PCE eine ›Einheitsfront‹ mit einer so genannten ›fortschrittlichen Bourgeoisie‹ – mit anderen Worten, mit jedem Teil der herrschenden Klasse, der nicht aktiv faschistisch war […].

Die Sowjets und die PCE waren der Ansicht, dass eine Arbeiter- und Bauernrevolution nicht möglich war, solange Nazideutschland und das faschistische Italien die Armee von Francisco Franco bewaffneten und an ihrer Seite kämpften. Die Westmächte fürchteten eine Revolution nach bolschewistischem Vorbild in Spanien viel mehr als sie Franco, einen Kapitalisten und Imperialisten, fürchteten.

Alle Regierungen der Spanischen Republik waren streng kapitalistisch. Was sie wirklich wollten, war Hilfe von den nicht-​faschistischen europäischen Mächten, hauptsächlich Großbritannien und Frankreich. Sie akzeptierten die sowjetische Hilfe, weil die Westmächte, einschließlich der Vereinigten Staaten, sie verweigerten.

Die Hoffnung der Sowjets und der Komintern bestand darin, Franco zu besiegen und die Spanische Republik als liberale Demokratie mit einer starken und militanten Arbeiterbewegung und einer großen kommunistischen Partei zu erhalten. Dann könnten sie sich für die Revolution organisieren.34 Aber genau das war es, was die westlichen imperialistischen Länder zusammen mit den Führern der republikanischen Regierung nicht wollten. Ihnen war ein faschistisches, antikommunistisches und kapitalistisches Spanien viel lieber.

Skopic:

Verständlicherweise weigerten sich viele spanische Kommunisten, diese eigenmächtigen Befehle zu befolgen, vor allem in der POUM (Partido Obrero de Unificación Marxista oder Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung – die andere, nicht-​stalinistische kommunistische Partei in dem Gemisch). Also setzten die Stalinisten die republikanische Regierung unter Druck, die POUM zu einer illegalen Organisation zu erklären, was zu einem offenen Konflikt zwischen den beiden Fraktionen führte.

Das ist falsch. Die POUM, die von antisowjetischen Trotzkisten dominiert wurde, war eine der Kräfte, die während des Krieges gegen Franco eine Rebellion gegen die spanische Republik anführten – in der Tat ein fehlgeschlagener Versuch einer Revolution. Dieser Aufstand von 1937, die so genannten »Maitage von Barcelona«, war ein Dolchstoß in den Rücken der Republik, die zu seiner Niederschlagung Ressourcen aus dem Anti-​Franco-​Krieg abziehen musste.

Franco und Nazi-​Agenten arbeiteten auch daran, eine Spaltung der republikanischen Kräfte herbeizuführen, die in der Revolte der »Maitage« gipfelte. Die Sowjets wussten dies von ihren Agenten. Trotzki hatte Erwin Wolf, seinen vertrauenswürdigsten Helfer, nach Spanien geschickt, wo er ein Top-​Berater der POUM wurde. POUM-​Führer Andres Nin war ebenfalls ein wichtiger politischer Berater Trotzkis gewesen. Kurt Landau, ein weiterer Trotzkist, war ebenfalls ein POUM-​Berater. Weitere Einzelheiten und Beweise finden Sie in meinem Artikel »Leon Trotsky and the Barcelona ›May Days‹ of 1937«.35

Skopic:

Wie sich Jesús Hernández, ein hochrangiges Mitglied der PCE, in seinen Memoiren erinnert, wurde POUM-​Gründer Andreu Nin von Agenten von Stalins NKWD gefangen genommen, die versuchten, ihn zum Geständnis zu bringen, ein faschistischer Verräter zu sein […].

Skopic zitiert weiter diesen ehemaligen spanischen Kommunisten, der behauptet, Nin sei gefoltert und dann getötet worden, als er nicht gestehen wollte. Doch Jesús Hernández ist keine zuverlässige Quelle. Laut Paul Preston, einem der größten Historiker des Spanischen Bürgerkriegs:

Leider geriet Jesús Hernández in die Fänge von Joaquín Gorkín und dem Kongress für kulturelle Freiheit. Infolgedessen wurde sein Werk von Gorkín manipuliert und enthält meines Erachtens mehrere Fälschungen.36

Preston empfiehlt eine Studie von Herbert Southworth und eine weitere von Fernando Hernández Sánchez. Beide stellen die Objektivität des Buches von Jesús Hernández in Frage. Southworth:

Laut Gorkin … teilte ihm José Bullejos, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens von 1925 bis zu seiner Ausweisung 1932, mit, dass Jesús Hernández mit ihm sprechen wolle. Unter den spanischen Gruppen in Paris war bekannt, dass Gorkin bei der Veröffentlichung antikommunistischer Bücher helfen konnte. Gorkin, so berichtet Gorkin, antwortete Bullejos: Ich kann Jesús Hernández nicht die Hand reichen, solange er nicht in einem Buch die stalinistischen Verbrechen in Spanien anprangert, insbesondere die Einzelheiten über die Verhaftung und Ermordung von Andrés Nin«.

Gorkin hatte Hernández also die Bedingungen genannt, unter denen sein Buch veröffentlicht werden konnte. Sechs Monate später«, so Gorkin weiter, »nach meiner Rückkehr nach Paris, erhielt ich den Text von Hernández‹ Buch »Yo fui un ministro de Stalin«. Hernández hatte die von Gorkin gegebenen Anweisungen befolgt … (267).

[Gorkins Buch] enthielt … dreißig Seiten aus Jesús Hemández‹ Yo fui un ministro de Stalin, dessen Manuskript, wie ich bereits angedeutet habe, auf Anweisung Gorkins korrigiert wurde, um die Bedeutung des Mordes an Andrés Nin überzubewerten und ihn zum zentralen Ereignis des spanischen Bürgerkriegs zu machen. Es überrascht nicht, dass diese Seiten aus Hernández‹ Werk der POUM und der politischen Rolle von Julián Gorkin eine übertriebene Bedeutung beimaßen (290 – 1).

… da die CIA und der ihr angeschlossene Kongress [für kulturelle Freiheit – G.F] zusammengenommen einen großen weltweiten Einfluss für rechte Anliegen darstellten, zog ihre zentralisierende Kraft unweigerlich, wenn auch zufällig, all jene Personen in ihren Orbit, die daran interessiert waren, die spanischen Republikaner zu besudeln. Zu den Spitzenkandidaten für diese Art von Arbeit gehörten Julián Gorkin und Burnett Bolloten (307).37

Hernández Sánchez bezweifelt, dass Jesús Hernández einfach den Hinweisen Gorkins gefolgt ist, um sein Buch veröffentlichen zu lassen. Aber er bestreitet nicht, dass der Kongress für kulturelle Freiheit, eine Tarnorganisation der amerikanischen C.I.A., an der Veröffentlichung seines Buches beteiligt war. Kein echter Kommunist würde Unterstützung aus einer solchen Quelle akzeptieren. Hernández Sánchez berichtet auch, dass Ricardo Miralles, ein Biograph von Juan Negrin, die Richtigkeit des Buches von Jesús Hernández aus mehreren Gründen in Frage stellt.38

Niemand behauptet, dass Jesús Hernández Zeuge des Verhörs von Nin war, so dass sein Bericht in dieser Hinsicht auf Hörensagen beruht. Aber die Geschichte von Nins Verhaftung, angeblicher »Folter« und Ermordung durch kommunistische und republikanische Polizisten ist zu einer tragenden Säule der antikommunistischen Geschichtsschreibung der spanischen Republik geworden. Es gibt keine Beweise dafür, dass Nin gefoltert wurde. Paul Preston glaubt, dass er nicht gefoltert wurde:

Der oft unzuverlässige Jesús Hernández behauptete, Nin sei von Orlow und anderen mehrere Tage lang gefoltert und verhört worden, um ihn dazu zu bringen, ein ›Geständnis‹ über seine Verbindungen zur Fünften Kolonne zu unterschreiben. Dies ist höchst unwahrscheinlich; ein Geständnis wurde als Grundlage für einen Prozess benötigt und dafür musste Nin in guter körperlicher Verfassung sein und aussagen, dass er nicht gefoltert worden war.39

Preston geht hier davon aus, dass Nin keine Beziehung zur fünften Kolonne (franquistische Kräfte innerhalb der Republik) hatte. Es ist genauer zu sagen, dass wir nicht wissen, ob er eine hatte oder nicht. Es gibt gute Beweise dafür, dass sowohl Trotzkisten als auch deutsche und franquistische Agenten am Aufstand der »Maitage« in Barcelona beteiligt waren (weitere Einzelheiten und Belege finden Sie in meinem Artikel).40

Skopic: »Weit davon entfernt, eine Einheitsfront zu sichern, hatte Stalins Einmischung jede Hoffnung auf Widerstand zunichte gemacht, und der spanische Faschismus gewann die Oberhand.«

Niemand hat jemals einen Beweis dafür angeführt, dass eine proletarische Revolution 1937 in Spanien siegreich hätte sein können, geschweige denn eine, die von einer instabilen Koalition unter antikommunistischer, trotzkistischer (POUM) und anarchistischer Führung geführt worden wäre. Selbst George Orwell, dessen Mein Katalonien ein antikommunistischer Hit des Kalten Krieges war, räumte später ein, dass die spanische Republik durch die »demokratischen« Alliierten dem Untergang geweiht war, die die Hilfe für die Republik blockierten, während sie Hitler und Mussolini erlaubten, enorme Mengen an Material, Flugzeugen und Soldaten zu schicken, um Franco zu unterstützen. Im Jahr 1942 schrieb Orwell:

Die trotzkistische These, dass der Krieg hätte gewonnen werden können, wenn die Revolution nicht sabotiert worden wäre, war wahrscheinlich falsch. Die Verstaatlichung von Fabriken, die Zerstörung von Kirchen und die Herausgabe revolutionärer Manifeste hätten die Armeen nicht effizienter gemacht. Die Faschisten haben gewonnen, weil sie die Stärkeren waren; sie hatten moderne Waffen und die anderen nicht. Keine politische Strategie konnte das aufwiegen […] Auf die gemeinste, feige und heuchlerische Art und Weise hat die britische herrschende Klasse alles getan, um Spanien an Franco und die Nazis auszuliefern. Und warum? Weil sie pro-​faschistisch waren, war die offensichtliche Antwort. Zweifelsohne waren sie […].41

Skopic erkennt an, dass »niemand, nicht einmal die jugoslawischen Kommunisten, von einer Revolution sprachen«. Aber Skopic weiß es besser! Natürlich weiß er es! Also macht er immer noch Stalin dafür verantwortlich, dass »[…] es bis zum Jahr 1945 dauerte, bis Jugoslawien tatsächlich eine sozialistische Nation wurde – ein viel längerer und blutigerer Kampf als es vielleicht hätte sein müssen.«

Niemand glaubte, dass eine sozialistische Revolution möglich sei, solange ein Land, sei es Jugoslawien oder Spanien, von Hitlers Armee besetzt war. Die jugoslawischen Partisanen waren erst 1945 in der Lage, die deutschen Truppen zu vertreiben. Sie konnten dies nur tun, weil drei Viertel von Hitlers Armee gegen die Rote Armee kämpfte. Dies war die Hilfe, die »Stalin« (sprich: die Rote Armee und das sowjetische Volk) leistete, um die Revolution in Jugoslawien zu ermöglichen.

Skopic geht fälschlicherweise davon aus, dass die Sowjetunion in der Lage war, eine Revolution in Griechenland zu ermöglichen. Aber Stalin wusste, dass die Rote Armee nicht auf einen Krieg mit den USA und Großbritannien vorbereitet war. Die Sowjets waren sich wahrscheinlich darüber im Klaren, dass die westlichen Kapitalisten etwa einen Monat nach Kriegsende einen gemeinsamen Angriff der Alliierten auf die sowjetischen Streitkräfte in Europa in Erwägung zogen – »Unternehmen Undenkbar«.42 Stalin scheint auch die illusorische Hoffnung gehegt zu haben, dass die UdSSR in Friedenszeiten eine große Allianz mit den »Alliierten« aufrechterhalten könnte.43

9. Homophobie und Schwangerschaftsabbruch

Skopic erörtert das Gesetz von 1933, das Homosexualität unter Strafe stellte, und das spätere Gesetz, das Abtreibung auf Verlangen verbot, aber Ausnahmen aus medizinischen Gründen zuließ. Was Skopic verschweigt, ist, dass die sowjetische Politik in Bezug auf (männliche) Homosexualität im Einklang mit der medizinischen, das heißt wissenschaftlichen Meinung in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern stand.

In den 1930er Jahren waren praktisch alle sowjetischen Ärzte vor der Revolution ausgebildet worden. Die wenigen Ärzte, die nach der Revolution ausgebildet wurden, waren von den älteren Ärzten unterrichtet worden. Die sowjetische medizinische Wissenschaft folgte derjenigen der europäischen kapitalistischen Länder. Es ist Idealismus, den Bolschewiki vorzuwerfen, dass sie nicht irgendwie wussten, dass die beste zeitgenössische medizinische Meinung eher auf uralten Vorurteilen als auf der Wissenschaft beruhte. Homosexualität und Abtreibung wurden in den kapitalistischen Ländern erst 40 Jahre oder später legalisiert.

Skopic:

Als der schottische Marxist Harry Whyte, der damals für die Moscow Daily News arbeitete, einen leidenschaftlichen Brief an Stalin schrieb, in dem er die Rechte von Homosexuellen verteidigte, war Stalins Antwort unverblümt und mit Bleistift auf den Brief gekritzelt: »Ein Idiot und ein Degenerierter.« (Der Brief ging in die Archive.)

Aber auch Whyte selbst äußerte in diesem Brief, was wir heute als vorurteilsbehaftete Ansichten über bestimmte Arten von Homosexualität ansehen würden:

Wenn wir die Art der Verfolgung von Homosexuellen analysieren, sollten wir bedenken, dass es zwei Arten von Homosexuellen gibt: erstens diejenigen, die von Geburt an so sind, wie sie sind […] zweitens gibt es Homosexuelle, die ein normales Sexualleben hatten, aber später homosexuell wurden, manchmal aus Bösartigkeit, manchmal aus wirtschaftlichen Erwägungen.

Was den zweiten Typus betrifft, so ist die Frage relativ einfach zu entscheiden. Menschen, die aufgrund ihrer Verderbtheit homosexuell werden, gehören in der Regel dem Bürgertum an, dessen Mitglieder sich zum Teil dieser Lebensform zuwenden, nachdem sie sich an allen Formen der Lust und Perversität gesättigt haben, die in sexuellen Beziehungen zu Frauen möglich sind [Herv. G.F].44

Skopic: »Das homophobe Gesetz blieb bis 1993 in Kraft und dezimierte die sowjetische LGBT-​Gemeinschaft, indem es Tausende in den Gulag schickte […].«

Skopic hat nicht einmal den Text dieses Gesetzes gelesen! Darin ist weder von lesbischem Sex noch von bisexuellen Personen oder Transsexuellen die Rede. Nur sexuelle Beziehungen zwischen Männern waren illegal. Außerdem weiß Skopic nicht, wie viele Menschen aufgrund dieses Gesetzes inhaftiert wurden. Der an dieser Stelle in Skopics Aufsatz verlinkte Artikel bezieht sich auf die 1970er und 80er-​Jahre, nicht auf die viel frühere Stalinzeit.

10. Schwangerschaftsabbruch

Die Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen war illegal – wie in den kapitalistischen Gesellschaften zu jener Zeit und aus demselben Grund: die medizinische Meinung war dagegen (Schwangerschaftsabbruch aus medizinischen Gründen war natürlich erlaubt).

Skopic erwähnt, dass der sowjetische Staat »bezahlten Mutterschaftsurlaub und Bargeldzuschüsse für Kinderbetreuungsmaterialien« gewährte. Er merkt an, dass diese sowjetische Hilfe für Mütter sogar fortschrittlicher war als die vieler kapitalistischer Staaten heute, geschweige denn zu jener Zeit:

In der heutigen kapitalistischen Welt, in der immer mehr junge Menschen es sich einfach nicht leisten können, Kinder zu bekommen und unter dem Druck stehen, sofort wieder arbeiten zu gehen, wenn sie es tun, mag manches davon wirklich nett klingen.

Aber dann behauptet Skopic, dass die Unterstützung von Müttern nicht in Stalins Absicht lag:

Stalin ging es jedoch weniger darum, Frauen oder Kindern zu helfen, sondern vielmehr darum, die verheerenden Bevölkerungsverluste zu ersetzen, die die UdSSR im Ersten Weltkrieg erlitten hatte (ganz zu schweigen von seinen eigenen Säuberungen und fabrizierten Hungersnöten).

Skopic ist entschlossen, Stalin in einem negativen Licht darzustellen. Aber der Text des sowjetischen Gesetzes (siehe unten) geht weit über alles hinaus, was in den zeitgenössischen kapitalistischen Gesellschaften zu dieser Zeit üblich war. Dieses Gesetz war für seine Zeit eindeutig fortschrittlich! Skopic behauptet also, Stalin habe es nicht aus fortschrittlichen Gründen unterstützt! Skopic kann unmöglich wissen, was Stalins Absichten waren – worum es ihm »ging«.

Skopic bezieht sich auf « herbeigeführte Hungersnöte « – Plural. Aber es gab keine »herbeigeführten Hungersnöte«. In den 1920er Jahren gab es in der UdSSR vier Hungersnöte, die alle auf die Verwüstungen durch Krieg, Krankheiten und natürliche Ursachen zurückzuführen waren. Die große Hungersnot von 1932 – 33 war ausschließlich auf natürliche Ursachen zurückzuführen. Die letzte Hungersnot in der Sowjetunion ereignete sich 1946 und war auf Wetterbedingungen zurückzuführen, die auch Westeuropa schwer trafen. Ich erörtere die sowjetischen Hungersnöte und ihre Erforschung in den ersten beiden Kapiteln von Blood Lies45 und im ersten Kapitel von Stalin Waiting for … the Truth46.

Skopic weiß auch nicht, dass eine »Säuberung« – »tschistka« auf Russisch – ein regelmäßiger Prozess der Überprüfung von Parteimitgliedsausweisen war, um sicherzustellen, dass die Parteimitglieder aktiv und nicht in etwas Unmoralisches oder Illegales verwickelt waren. Die Strafe für das Nichtbestehen der Säuberung war der Ausschluss aus der Partei, in der Regel mit der Möglichkeit, sich nach einer gewissen Zeit erneut zu bewerben.

Skopic zitiert aus einem Artikel der sowjetischen Revolutionärin und Botschafterin Alexandra Kollontai aus dem Jahr 1946, in dem sie die Mutterschaft für sowjetische Frauen propagierte. Kollontai, die für ihren Feminismus berühmt ist, spiegelt mit ihrer Unterstützung für die Mutterschaft die fortschrittliche Meinung jener Zeit wider.

Skopic zitiert dann aus einem Bericht von Anna Akimowna Dubowa, einer sowjetischen Frau, die sich an ihre eigenen illegalen Abtreibungen erinnert. Dubowas Vater war ein Kulak, ihre Eltern waren altgläubig und hielten die bolschewistische Revolution für das Werk des Antichristen. Ihr antikommunistischer Hintergrund mag erklären, warum Dubowas Bericht eine wichtige Unwahrheit enthält (siehe unten).

In der Quelle, aus der Skopic Dubowas Geschichte entnommen hat, verrät sie, dass sie ein Kind mit ihrem Mann hatte, der in den Krieg zog. Dann lebte sie mit einem anderen Mann zusammen, der sie verließ. Dann kehrte ihr Mann zurück und sie bekam ein weiteres Kind. Später heiratete sie noch mindestens zweimal und hatte zwei Abtreibungen. Sie sagte:

[…] So viele Frauen starben und hinterließen kleine Kinder, und so viele wurden ins Gefängnis gesteckt. Die Frauen, die abgetrieben hatten und litten, kamen ins Gefängnis, und auch diejenigen, die die Abtreibungen vornahmen, wurden ins Gefängnis gesteckt.

Das ist nicht wahr. Frauen, die illegal abgetrieben haben, wurden nicht inhaftiert. Dubowa selbst wurde nicht inhaftiert. Entweder hat ihr Gedächtnis sie im Stich gelassen oder sie hat absichtlich gelogen, um die sowjetische Politik schlechter aussehen zu lassen.

Das Gesetz lautet auszugsweise:

4. В отношении беременных женщин, производящих аборт в нарушение указанного запрещения, установить как уголовное наказание, общественное порицание, а при повторном нарушении закона о запрещении абортов — штраф до 300 рублей.

4. In Bezug auf schwangere Frauen, die eine Schwangerschaft unter Verstoß gegen das genannte Verbot abbrechen, sollen als strafrechtliche Sanktion ein öffentlicher Verweis und im Falle eines wiederholten Verstoßes gegen das Gesetz über das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs eine Geldstrafe von bis zu 300 Rubel verhängt werden.

Es lohnt sich, den Titel des Gesetzes zu zitieren (wir werden den Text des Gesetzes nicht vollständig wiedergeben – er ist zu lang):

Erlass über das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, die Verbesserung der materiellen Hilfe für Frauen bei der Geburt, die Einrichtung staatlicher Hilfen für Eltern kinderreicher Familien und den Ausbau des Netzes von Pflegeheimen, Kindergärten und Vorschulen, die Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionen bei Nichtzahlung von Unterhaltszahlungen sowie über bestimmte Änderungen des Scheidungsrechts.47

Soweit ich feststellen kann, hat kein kapitalistischer Staat zu dieser Zeit solche Leistungen für Mütter vorgesehen. Skopic verwendet dieses Zitat für eine Anti-Stalin-Tirade:

Das klingt, gelinde gesagt, nicht nach den Aktionen eines sozialistischen Staates, der diesen Namen verdient. Stattdessen klingt es wie etwas, das Ted Cruz oder Ron DeSantis tun würden, wenn man ihnen unbegrenzte Macht geben würde.

Wenn es um Stalin und die Sowjetunion geht, ist Skopic nicht in der Lage, objektiv zu sein. Seine absurden Äußerungen hier und anderswo zeigen, dass er gegenüber Stalin so voreingenommen ist, dass sein Urteilsvermögen gestört ist. Die Anti-​Schwangerschaftsabbruch-​Bewegung in den USA – »Cruz und DeSantis« – zeigt kein Interesse daran, den Müttern die Leistungen zukommen zu lassen, die der sowjetische Staat in den 1930er Jahren erbracht hat.

Wir müssen die sowjetische – stalinsche – Politik zur Abtreibung auf Verlangen nicht nach den Ansichten fortschrittlicher Menschen von heute bewerten, sondern im Kontext ihrer Zeit und in ihrer Gesamtheit, einschließlich der Vorteile für die Mütter. Historisch gesehen war die sowjetische Politik tatsächlich fortschrittlich.

Skopic:

Man beginnt zu vermuten, dass es einen Grund gibt, warum die meisten Stalinisten, denen man heute begegnet, heterosexuelle Männer sind; sicherlich kann man sich nicht als irgendeine Art von Feminist bezeichnen und eine Politik wie diese verteidigen.

Dies ist ein weiteres Beispiel für den Irrtum, Dinge aus dem historischen Kontext zu reißen. Selbst Skopic räumt ein, dass die bekannte sowjetische Feministin Alexandra Kollontai, die zu ihrer Zeit als progressiv galt, diese Politik in den 1940er Jahren unterstützte.

11. Kunst

Skopic kennt die sowjetische Kunst nicht und interessiert sich offensichtlich auch nicht für sie:

Aber diese Strömungen standen in einem Spannungsverhältnis zum ›sozialistischen Realismus‹, der Idee von Anatoli Lunatscharski – einem bolschewistischen Kommissar, der glaubte, dass Kunst zu didaktischen Zwecken eingesetzt werden sollte, um ›ideale‹ Arbeiter und Gemeinschaften darzustellen und den Menschen beizubringen, wie sie ihr Leben leben sollten.

Skopic liefert keine Beweise für diese Aussage. Ich kann auch keine finden. Aber hier ist, was der Gelehrte der sowjetischen Kunst K. Andrea Rusnock über Lunatscharski sagt:

In Worten verkündete Lunatscharski [1922], dass die realistische Kunst das geeignete Mittel sei, um die Ereignisse der bolschewistischen Revolution, ihre Errungenschaften sowie die Helden und Heldinnen des neuen Sowjetstaates zu vermitteln. Trotz seiner Worte und des zunehmenden Drucks der Partei unterstützte Lunatscharski die Avantgardekunst bis zu seinem Rücktritt als Kommissar für Aufklärung im Jahr 1928 [Herv. G.F.].48

Skopic gibt keine Quelle für sein Missverständnis des sozialistischen Realismus an. In der Tat gibt es keine einzige verbindliche Definition. Hier ist, was Maksim Gorki im Jahr 1934 darüber schrieb:

Социалистический реализм утверждает бытие как деяние, как творчество, цель которого – непрерывное развитие ценнейших индивидуальных способностей человека ради победы его над силами природы, ради его здоровья и долголетия, ради великого счастья жить на земле, которую он, сообразно непрерывному росту его потребностей, хочет обрабатывать всю, как прекрасное жилище человечества, объединённого в одну семью.49

Der sozialistische Realismus bejaht das Sein als einen Akt, als eine Kreativität, deren Ziel die kontinuierliche Entwicklung der wertvollsten individuellen Fähigkeiten des Menschen ist, um seines Sieges über die Naturgewalten willen, um seiner Gesundheit und Langlebigkeit willen, um des großen Glücks willen, auf der Erde zu leben, die er entsprechend dem kontinuierlichen Wachstum seiner Bedürfnisse allesamt kultivieren will, wie eine schöne Behausung der Menschheit, vereint in einer Familie.

An anderer Stelle in seinem Aufsatz, aber nicht in diesem Zusammenhang, zitiert Skopic Sheila Fitzpatrick, eine antikommunistische Historikerin der Sowjetunion. Hier ist, was Fitzpatrick über den sozialistischen Realismus schreibt:

Die Formel des sozialistischen Realismus, die sich der [sowjetische Schriftsteller-] Verband zu eigen machte, war ursprünglich nicht als Parteilinie gedacht, ebenso wenig wie der Verband als Instrument der totalen Kontrolle über die Literatur konzipiert war. Beide waren ursprünglich dazu gedacht, die alte RAPP-​Linie der proletarischen und kommunistischen Ausschließlichkeit aufzuheben und Raum für literarische Vielfalt zu schaffen […].50

Die Ansicht des Literaturhistorikers Lawrence Schwartz hierzu:

Es gibt direkte Beweise für die Behauptung der Liberalisierung. Es stimmt zwar, dass ein Plan für die Literatur ausgearbeitet wurde, aber auch, dass er nicht von Stalin als hinterhältiger Trick für eine diktatorische Kontrolle über die Literatur ausgearbeitet wurde. Die Richtlinien für die Literatur wurden nicht als gesonderte Kategorie eingeführt, sondern als Teil der allgemeinen Bemühungen der Partei, ein Arbeitsverhältnis mit den Mitläufern zu schaffen.51

Skopic:

Als Stalin an die Macht kam, bevorzugte er diese autoritärere Auffassung von Kunst und schränkte sowohl die zulässigen Stile als auch die Inhalte, die dargestellt werden durften, stark ein. Ungegenständliche Kunst wurde als ›dekadent‹ angesehen (so wie sie für die Nazis ›entartet‹ war).In der Regel war es verboten, sie auszustellen.

Das ist alles falsch. Stalin hatte 1927 »die Macht übernommen«; der sozialistische Realismus geht auf den Allunions-​Schriftstellerkongress von 1934 zurück. Außerdem behauptet niemand, dass Stalin irgendetwas mit dem sozialistischen Realismus zu tun hatte oder dass er – Stalin – Stil und Inhalt der Kunst einschränkte. Ebenso wenig belegt Skopic seine Behauptung, dass ungegenständliche Kunst als »dekadent« galt.

Stattdessen wurde der öffentliche Raum zu einer endlosen Galerie des Kitsches, mit Propagandapostern, die muskulöse sowjetische Arbeiter beim Hämmern von Steinen, beim Fahren von Traktoren und mit strengem Blick in die Ferne zeigten. Wie zu erwarten, waren viele der Plakate kitschige Heldenporträts von Stalin selbst: Stalin marschiert mit glücklichen Arbeitern, Stalin hält ein Baby, Stalin steuert ein großes Boot mit der Aufschrift ›CCCP‹.

Skopic mag den sozialistischen Realismus und die gegenständliche Kunst nicht. Aber wen interessiert schon, was Skopic glaubt? »Kitsch« ist einfach ein Schimpfwort, eine Methode, um historische Genauigkeit zu vermeiden. Skopic verwechselt die bildende Kunst mit der Plakatkunst. Die Sowjets reproduzierten Gemälde auf Postkarten für den Massenvertrieb und in größeren Formaten für lokale Ausstellungen. Ausstellungen von Originalkunstwerken fanden hauptsächlich in den Städten statt.

12. Kunst für wen?

Außerdem versteht Skopic eine grundlegende Frage nicht: Welche Art von Kunst sollte gefördert werden? Welche Art von Kunst kann am besten nicht der individuellen Vision des Künstlers, sondern der Arbeiterklasse dienen? Skopic schätzt die individuelle Vision. Der sozialistische Realismus förderte eine Kunst, die für das Kollektiv verständlich war und dessen Interessen widerspiegelte. Skopic:

Wenn ein Künstler sich weigerte, den sozialistischen Realismus zu praktizieren oder einen anderen Stil zu verwenden, konnte sein gesamtes Werk verboten werden; dies geschah mit [Pavel] Filonow, der bis zu seinem Tod im Jahr 1941 in bitterer Armut lebte.

Dies ist nicht wahr. In der Biografie von Anna Laks über Filonowheißt es:

Филонов все 1930‑е бедствует, недоедает, одалживает у жены и сестры деньги, судорожно ищет заказы … Но позиций не сдает, своих работ не продает, потому что знает, заказ — это заработок, а его личное, свободное творчество вместе со школой — это святое, это его миссия, это его пространство, это его храм, где не место ни иноверцам, ни торговцам.

In den 1930er-​Jahren lebte Filonow in Armut, unterernährt, borgte sich Geld von seiner Frau und seiner Schwester, suchte verzweifelt nach Aufträgen […]. Aber er gibt seine Positionen nicht auf, er verkauft seine Werke nicht, denn er weiß, dass ein Auftrag Lohn bedeutet, und sein persönliches, freies Schaffen, zusammen mit seiner Schule, ist heilig, das ist seine Mission, das ist sein Raum, das ist sein Tempel, in dem es keinen Platz für Ungläubige oder Händler gibt.

Ему часто хотят заплатить деньги, приручить, ›законтрактовать‹, купить его работы из мастерской. Он отказывается от очень многих заманчивых предложений, если в их ›идеологии‹ чувствует что-​то не свое, ›нефилоновское‹ […].

Die Leute wollen ihm oft Geld zahlen, ihn zähmen, ihm einen ›Vertrag‹ geben, seine Werke aus der Werkstatt kaufen. Er lehnt sehr viele verlockende Angebote ab, wenn er in deren ›Ideologie‹ etwas nicht eigenes, ’nicht-​filonowsches‹ fühlt […].52

Der sowjetische Staat – »Stalin« – hat ihn nicht zu diesem Leben verurteilt. Filonow entschied sich für ein Leben in Armut, bettelte bei seiner Familie um Geld, lehnte Aufträge für seine Gemälde ab und weigerte sich, seine Werke zu verkaufen. Filonow starb während der Belagerung von Leningrad, bei der über eine Million sowjetische Zivilisten starben.

Skopic:

In einigen Fällen wurden Künstler, die Stalin verärgerten, sogar auf die gleiche Weise wie seine politischen Rivalen angeklagt und hingerichtet, wie im Fall des Dichters Tizian Tabidze, eines engen Freundes von Boris Pasternak, der selbst nur knapp der Hinrichtung entging.

Das ist eine glatte Lüge. Nicht ein einziger Künstler wurde während der Stalinzeit « verleumdet und hingerichtet ». Tatsache ist, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Stalin jemals jemanden « verleumdet und hingerichtet « hat. Mit »politischen Rivalen« meint Skopic wahrscheinlich die Angeklagten in den drei Moskauer Prozessen von 1936, 1937 und 1938. Diese Angeklagten waren keine »politischen Rivalen« Stalins und wurden auch nicht »reingelegt«. Im Gegenteil, wir haben eine Menge Beweise gegen sie. Sie waren mit Sicherheit zumindest derjenigen Verbrechen schuldig, zu denen sie sich bekannt haben.53

Laut seiner russischsprachigen Wikipedia-​Seite wurde Titsian Tabidze Anfang 1937 in Moskau und Leningrad für seine Gedichte gefeiert. Später im selben Jahr wurde er von mehreren bedeutenden georgischen Nationalisten wie Budu Mdivani als Teilnehmer an einer antisowjetischen Verschwörung bezeichnet. Jemand hat sein Prozessprotokoll gesehen, da die Zeugen gegen ihn namentlich genannt werden.54

Es gibt keinen Beweis dafür, dass Boris Pasternak »nur knapp einer Hinrichtung entgangen ist«. Im Gegenteil! Laut Evgenii Gromow, Autor von Stalin: Kunst und Macht (2003), S. 306:

Und ebenso aufrichtig sprach er [Pasternak] in den Gedichten ›Das neunhundertfünfte Jahr und ›Leutnant Schmidt‹ über die Revolution. Seine ’stalinistischen‹ Gedichte waren von echtem Gefühl durchdrungen. Menschen, die Pasternak nahe standen, bemerkten, dass er eine Art Liebe für Stalin empfand. Und er glaubte an ihn […].

Gromow erzählt dann die berühmte Geschichte, wie Pasternak Stalin anrief, um sich für seinen Freund, den Dichter Osip Mandelstam, einzusetzen – mit Erfolg, wie sich herausstellte.

Skopic:

In einem anderen Bereich des Lebens waren Freiheit, Spiel und Entdeckungsfreude durch grimmige Konformität und Angst ersetzt worden, und dies waren die ästhetischen Merkmale, die die Sowjetunion in den Augen der Welt definierten.

Das ist einfach nur Verleumdung. In der sowjetischen Kunst gab es nichts »Grimmiges«, »Konformistisches« oder »Ängstliches«. Ausstellungen und Reproduktionen der sozialrealistischen Kunst zogen in der Sowjetunion ein Massenpublikum an und beeinflussten die Kunst weltweit, einschließlich der Kunst der W.P.A. in den USA.

13. Der Zweite Weltkrieg

Skopic: »Stalinistische Autoren wie Furr und Ludo Martens widmen den Kriegsjahren viele Seiten […].«

Das ist falsch. Ich habe nie über die Kriegsjahre geschrieben. Und ich bin kein »Stalinist«, wie ich zu Beginn dieses Aufsatzes erkläre. Ich verteidige nicht Stalin, sondern die Wahrheit.

Skopic:

Die Bilder der Soldaten der Roten Armee, die die Tore von Auschwitz aufstoßen, bleiben für immer in der Geschichte der Menschheit. Allein in Stalingrad haben mehr als eine Million von ihnen ihr Leben gelassen – mehr als die USA im gesamten Krieg verloren haben. Aber das Entscheidende ist, dass es sich weder um Stalins Siege noch um seine Opfer handelt. Wie Churchill und Roosevelt saß auch er sicher hinter seinem Schreibtisch, als das wahre Heldentum geschah.

Stalin selbst erkannte öffentlich die Tatsache an, dass der Sieg über die Achsenmächte nicht ihm oder anderen Führern zu verdanken war, sondern dem einfachen sowjetischen Volk, ohne das die Führer nichts sind. Hier ist, was Stalin auf dem Kreml-​Empfang zu Ehren der Teilnehmer des Sieges sagte:

Ich werde nichts Außergewöhnliches sagen. Ich habe den einfachsten, gewöhnlichsten Trinkspruch. Ich möchte auf die Gesundheit der Menschen trinken, die keinen hohen Rang und keinen bedeutenden Titel haben. Auf die Menschen, die als ›Rädchen‹ des großen Staatsmechanismus gelten, ohne die wir Marschälle und Befehlshaber von Fronten und Armeen aber, um es ganz offen zu sagen, nichts wert sind. Irgendeine kleine ›Schraube‹ geht schief – und schon ist alles vorbei. Ich stoße an auf die einfachen, gewöhnlichen, bescheidenen Menschen, auf die ›Rädchen‹, die unseren großen Staatsmechanismus in allen Bereichen der Wissenschaft, der Wirtschaft und des Militärs in Gang halten. Es gibt sehr viele von ihnen, ihr Name ist Legion, denn es sind Dutzende von Millionen von Menschen. Es sind bescheidene Menschen. Niemand schreibt über sie, sie haben keinen Titel, sind von niedrigem Rang, aber das sind die Menschen, die uns halten, wie das Fundament das Gebäude hält. Ich trinke auf die Gesundheit dieser Menschen, unserer verehrten Genossen.55

Skopic fährt fort:

Abgesehen davon gibt es Beweise dafür, dass Stalin und seine Paranoia den sowjetischen Kriegsanstrengungen aktiv geschadet haben. Da Trotzki der ursprüngliche Architekt der Roten Armee gewesen war, betrachtete Stalin ihr Offizierskorps stets mit tiefem Misstrauen und führte in den Jahren 1937 bis 1938 umfangreiche Säuberungen durch, wie er es auch innerhalb der bolschewistischen Partei selbst getan hatte. Einem Bericht zufolge wurden ›drei der fünf Marschälle, dreizehn der fünfzehn Armeekommandeure und acht der neun Flottenadmirale‹ hingerichtet, zusammen mit mehr als 40.000 Männern, die wegen verschiedener kleiner Vergehen und Anschuldigungen der Illoyalität von ihren Posten entlassen wurden.

Siehe unten über die hochrangigen Offiziere, die sich in Wahrheit der Verschwörung mit dem deutschen Generalstab schuldig gemacht haben und über Leo Trotzki, der ebenfalls mit Deutschland und Japan konspiriert hat […].

Die beste wissenschaftliche Studie über die aus dem Dienst entlassenen Offiziere stammt von G.I. Gerasimow, die ursprünglich in Rossiiskii istoricheskii Zhurnal Nr. 1 (1999) veröffentlicht wurde.56 Seine Schätzung liegt bei 15.557:

В 1937 году было репрессировано 11034 чел. или 8% списочной численности начальствующего состава, в 1938 году – 4523 чел. или 2,5%.

Im Jahr 1937 wurden 11.034 Personen repressiert, das sind 8 Prozent der Lohnsumme des Kommandostabs, 1938 waren es 4523 Personen, das sind 2,5 Prozent.

Gerasimow erklärt seine Verwendung des Begriffs »verdrängt« wie folgt:

К репрессированным автор относит лиц командно-​начальствующего состава, уволенных из РККА за связь ›с заговорщиками‹, арестованных и не восстановленных впоследствии в армии.

Der Autor verweist auf die verdrängten Personen des Kommandos und des Kommandostabs, die wegen ihrer Verbindung zu den ›Verschwörern‹ aus der Roten Armee entlassen, verhaftet und anschließend nicht wieder in die Armee aufgenommen wurden.

Keine geringe Zahl, aber weit entfernt von Skopics 40.000. Skopic fährt fort:

Ein besonders schwerwiegender Verlust war Marschall Mikhail Tuchatschewski, ein militärisches Genie, das mehr als jeder andere zur Modernisierung der sowjetischen Streitkräfte beigetragen hatte, indem es revolutionäre Panzer- und Flugzeugtaktiken einführte, die ihm den Titel ›der rote Napoleon‹ einbrachten. Wie so viele andere wurde auch Tuchatschewski gefoltert, um ein falsches Geständnis des Verrats abzulegen, und anschließend erschossen.

Dies ist falsch. Hunderte von Seiten des Untersuchungsmaterials im Fall der « Tuchatschewski-​Affäre « von Mai bis Juni 1937 sind jetzt von den russischen Behörden freigegeben worden. Diese Beweise belegen, dass Marschall Tuchatschewski und die sieben anderen Offiziere, die zusammen mit ihm am 11. Juni 1937 vor Gericht gestellt, verurteilt und hingerichtet wurden, mit Sicherheit schuldig waren.

Skopic sagt: »Das Geständnis, das heute in Moskau aktenkundig ist, weist noch immer sichtbare Blutflecken auf.«

Die Geschichte über »Blutflecken auf einem Geständnis von Tuchatschewski« stammt aus einem Bericht an Chruschtschow aus dem Jahr 196457 und hat seit seiner Veröffentlichung 1994 weite Kreise gezogen. Aber sie ist nicht wahr. Das betreffende Dokument liegt den Forschern schon seit Jahren vor. Es sind keine Blutflecken darauf zu finden. Meine Kollegen Vladimir L. Bobrov, Sven-​Eric Holmström und ich haben der Frage der »Blutflecken« in unserem Buch aus dem Jahr 2021 ein ganzes Kapitel gewidmet.58

Skopic:

Diese Säuberungen hinterließen ein enormes Talentvakuum an der Spitze, was den Feinden der Sowjetunion nicht entgangen sein konnte. Damals sagte General Konstantin Rokossowski, der zwei Jahre lang inhaftiert war, aber überlebte und im Zweiten Weltkrieg zu einem militärischen Helden wurde: »Das ist schlimmer, als wenn die Artillerie auf ihre eigenen Truppen schießt […].

Vielleicht hat Rokossowski dies gesagt, aber ich kann keine Quelle finden. Allerdings hatte Rokossowski großen Respekt vor Stalin:

Но настоящий плевок будет впереди, когда Хрущев развернул антисталинскую кампанию. Он попросил Рокоссовского написать что-​нибудь о Сталине, да почерней, как делали многие в те и последующие годы. Из уст Рокоссовского это прозвучало бы: народный герой, любимец армии, сам пострадал в известные годы… Маршал наотрез отказался писать подобную статью, заявив Хрущеву:

Никита Сергеевич, товарищ Сталин для меня святой!

На другой день, как обычно, он приехал на работу, а в его кабинете, в его кресле, уже сидел маршал К. С. Москаленко, который предъявил ему решение Политбюро о снятии с поста заместителя министра. Даже не позвонили заранее. […].59

[…] als Chruschtschow eine antistalinistische Kampagne startete. Er bat Rokossovsky, etwas über Stalin zu schreiben, aber in schwärzeren Tönen, wie es viele in jenen und den folgenden Jahren taten. Aus Rokossowskis Mund hätte es geklungen: ein Nationalheld, der Liebling der Armee, er selbst hat in bestimmten Jahren gelitten […]. Der Marschall lehnte es rundweg ab, einen solchen Artikel zu schreiben, und sagte zu Chruschtschow: ›Nikita Sergejewitsch, für mich ist Genosse Stalin ein Heiliger!‹

Am nächsten Tag kam er wie üblich zur Arbeit, und Marschall K.S. Moskalenko saß bereits in seinem Büro, in seinem Stuhl, und zeigte ihm den Beschluss des Politbüros, ihn vom Posten des stellvertretenden Ministers zu entfernen. Sie hatten ihn nicht einmal vorher angerufen, um ihn zu informieren.

Stalin entschuldigte sich persönlich bei Rokossowski, als dieser aus dem Gefängnis entlassen wurde, in dem Jeschows Männer ihn verprügelt hatten.60

Skopic:

[…] und bei den Nürnberger Prozessen sagte der Feldmarschall der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, aus, dass Hitlers Entscheidung, in die Sowjetunion einzumarschieren, zum Teil auf seiner Überzeugung beruhte, dass ›die erstklassigen hochrangigen Offiziere 1937 von Stalin ausgerottet wurden und die neue Generation noch nicht den nötigen Verstand aufbringen kann‹.

Auch hier gibt Skopic keine Quelle an. Sollte Keitel dies gesagt haben, so geschah dies aus Unwissenheit. Hitler und Heinrich Himmler wussten, dass Tuchatschewski mit Deutschland konspiriert hatte, ebenso wie andere im deutschen Außenministerium. Für Zitate aus den Primärquellen siehe Kapitel 6 und 12 von Trotsky and the Military Conspiracy.

Skopic:

Stalins ›harte Entscheidungen‹ haben also nicht nur den Krieg nicht gewonnen, sondern sie haben sogar dazu beigetragen, dass sein Land angegriffen wurde und nur begrenzt in der Lage war, zurückzuschlagen.

Genau das Gegenteil ist der Fall. Im August 1937 sagte Hitler selbst einigen seiner Generäle, dass ihr Vertrauen in Tuchatschewski und die anderen gescheitert sei – die verräterischen sowjetischen Generäle seien »unter der Erde«.61

14. Faschisten mögen nicht Stalin, sondern die falsche Darstellung von Stalin

Im folgenden Absatz stellt Skopic fest, dass einige zeitgenössische Faschisten und weiße Rassisten behaupten, Stalin zu bewundern. Skopic schlussfolgert: »Mit anderen Worten, die beiden [Stalin und Hitler] waren sich mehr ähnlich als verschieden«.

Unfug! Diese zeitgenössischen Faschisten glauben dieselbe Geschichtsfälschung, die Skopic vertritt. Sie stellen sich Stalin so vor, wie Antikommunisten wie Skopic, Trotzkisten, Chruschtschow, Gorbatschow und antikommunistische »Gelehrte« ihn darstellen. Das heißt, diese heutigen Rassisten und Faschisten reagieren auf diese falsche Darstellung von Stalin. Wenn sie die Wahrheit über Stalin wüssten, würden sie ihn genauso hassen, wie die Rassisten und Faschisten seiner Zeit ihn gehasst haben.

15. Nicht »Hitler und Stalin«, sondern Hitler und Churchill

Es ist zutreffender, nicht Stalin mit Hitler zu vergleichen, sondern politische Führer wie Winston Churchill und andere britische Führer sowie einige oder alle Präsidenten von Frankreich, Belgien, Italien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese angeblich »demokratischen« Führer haben in ihren Reichen Millionen von Arbeitern und Bauern umgebracht. Für Hunderte von Millionen Menschen auf der ganzen Welt war die Sowjetunion ein Leuchtturm im Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit von der grausamen Unterdrückung durch die westlichen Kolonialmächte.

Der letzte Absatz von Skopic fasst viele der Lügen zusammen, die er geschrieben hat und zweifellos glaubt:

Stalin bot der Welt nichts als Schwäche: Er stürzte sich ständig auf imaginäre Bedrohungen, entfremdete potenzielle Verbündete und spaltete die Arbeiterklasse mit sich selbst.

Diese Behauptungen von Skopic sind nachweislich falsch, wie wir in veröffentlichten Untersuchungen ausführlich nachgewiesen haben.

Eine ’starke‹ Bewegung hat es nicht nötig, Dichter zu verhaften, weil sie einen anderen als den anerkannten Stil verwenden. Für jeden, der der Polizei oder den Gefängnissen skeptisch gegenübersteht, ist die Vorstellung, dass dies überhaupt möglich ist, ungeheuerlich.

Das ist eine Lüge. Stalin hat nichts von diesen Dingen getan. Es ist bezeichnend, dass Skopic selbst nicht einmal einen solchen Vorfall nennt.

[…] Aspekte der stalinistischen Idee tauchen immer wieder auf – in der Verteidigung von Diktatoren wie Wladimir Putin und Baschar al-​Assad als Gegner des ›Imperialismus‹, in der Verachtung von Feminismus und LGBTQ-​Rechten als Ablenkungsmanöver und in der Haltung, dass alles gerechtfertigt ist, wenn es zur Macht führt.

Kurz nach Stalins Tod meldete die amerikanische C.I.A., dass Stalin kein Diktator gewesen sei.62 Skopic versucht auch gar nicht erst zu behaupten, dass Stalin glaubte, das Streben nach Macht rechtfertige »alles«.

Skopic schlussfolgert:

All dies ist eine giftige Sackgasse für die Linke und die Frage ›Wie können wir sicher sein, dass ihr keinen neuen Stalin schafft?‹ ist eine ernsthafte Frage, mit der sich zukünftige Parteien und Bewegungen auseinandersetzen müssen.

Hier liegt das Problem: Stalin wurde verleumdet und fälschlicherweise vieler Verbrechen beschuldigt, die er nie begangen hat. Die Gründe für diese Verleumdung sind offensichtlich.

Die Kapitalisten hassen die kommunistische Bewegung wegen ihrer großartigen Erfolge. Die Revolution von 1917 in ganz Russland und der Sieg gegen die Weißen und die alliierten Interventionisten fanden statt, als Lenin noch lebte. Aber der Rest der Erfolge der Sowjetunion und der Komintern fand nach Lenins Tod statt, als Stalin die Führung übernahm.

Dazu gehören:

  • Die Kollektivierung der Landwirtschaft, die der primitiven individuellen bäuerlichen Bewirtschaftung ein Ende setzte und den Zyklus der verheerenden Hungersnöte beendete, der Russland (einschließlich der Ukraine) mindestens tausend Jahre lang geplagt hatte;
  • Die rasche Industrialisierung, die innerhalb von zehn Jahren eine Industriegesellschaft und eine moderne Armee hervorbrachte; Paul Krugman, ein führender US-​Ökonom und Kolumnist, schrieb im September 2022:›In den 1950er und sogar noch in den 1960er-​Jahren sahen viele Menschen in der ganzen Welt die wirtschaftliche Entwicklung der Sowjetunion als Erfolgsgeschichte an; eine rückständige Nation hatte sich in eine bedeutende Weltmacht verwandelt.›63
  • Durch die Dritte Kommunistische Internationale oder Komintern, die von der Sowjetunion angeführt wird und ihren Sitz in der Sowjetunion hatte, wurde die weltweite antiimperialistische Bewegung in den kolonialen Besitzungen der falschen »Demokratien« gegründet.
  • Sozialistische Revolutionen in China, Vietnam, Albanien und anderswo, die alle von lokalen Kommunisten angeführt, aber von sowjetischen Agenten inspiriert und unterstützt wurden.
  • Die Verteidigung der Spanischen Republik gegen die faschistischen und nazistischen Kräfte während des Spanischen Bürgerkriegs, der größte Akt des proletarischen Internationalismus in der Geschichte.
  • Die Niederlage der Faschisten im Zweiten Weltkrieg.
  • Materielle Sicherheit für Arbeiter: kostengünstige Wohnungen, Bildung und öffentliche Verkehrsmittel, garantierte Beschäftigung, Urlaub, medizinische Versorgung, Renten.
  • Die Förderung von Frauen in Berufen, die traditionell den Männern vorbehalten sind.
  • Die Verpflichtung, sich dem Rassismus gegen ethnische Minderheiten und nicht-​weiße Völker entgegenzustellen.

16. Schlussfolgerung: Wie konnte Skopic so falsch liegen?

Skopic hat in allen Punkten, die er Stalin vorwirft, Unrecht. Aber wie ist das möglich? Die Vorwürfe, die Skopic gegen Stalin erhebt, stimmen im Großen und Ganzen mit dem überein, was wir fast überall über Stalin hören und lesen – in den Massenmedien, in Lehrbüchern und von akademischen Geschichtsexperten. Wie können all diese historischen Informationsquellen falsch sein? Hier ist eine kurze Erklärung.

Das Gebiet der »Sowjetischen Studien« war immer der Diener der antikommunistischen Propaganda, verbunden mit dem Ziel, die kommunistische Bewegung zu verstehen, um sie zu verleumden und zu schwächen. Der Widerspruch zwischen dem Verständnis der sowjetischen Realität und der antikommunistischen und Anti-​Stalin-​Propaganda verschärfte sich mit dem Kalten Krieg. Er besteht auch heute noch.

Eine zweite Strömung der antikommunistischen Propaganda konzentrierte sich auf die Figur Josef Stalins, der führenden politischen Figur in der Sowjetunion zwischen dem Tod Wladimir Lenins im Januar 1924 und seinem eigenen Tod im März 1953. Die wichtigsten Kräfte sind hier Leo Trotzki, Nikita Chruschtschow und Michail Gorbatschow.

Auf den Konflikt »Stalin gegen Trotzki« stieß ich erstmals in der Anti-​Vietnamkriegsbewegung der 1960er-​Jahre. In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich mich intensiv mit Trotzkis Schriften von Mitte der 1920er Jahre bis zu seiner Tötung im Jahr 1940 beschäftigt. Entgegen meinen Erwartungen haben meine Nachforschungen ergeben, dass Trotzki so eklatant und häufig über Stalin gelogen hat, dass es mir zunächst schwer fiel, dies zu glauben.

Trotzkis Lügen wurden zu einer wichtigen Quelle für Nikita Chruschtschow, angefangen mit seiner berühmten »Geheimrede« auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) am 25. Februar 1956. Während und insbesondere nach dem XXII. Parteitag im Oktober 1961 förderte Chruschtschow eine Lawine falscher »Forschungen« durch ebenso falsche Historiker, die Stalin unzähliger Verbrechen beschuldigten. Dieses Material wurde zum »Beweis« für Generationen von Historikern.

Etwa ein Jahr nach seinem Amtsantritt als Erster Sekretär der KPdSU startete Michail Gorbatschow eine Kampagne der Anschuldigungen und Verunglimpfung Stalins, die die von Chruschtschow noch übertraf. Auch sie wurde von einer Phalanx unehrlicher Historiker geführt, die hunderte von Büchern und Artikeln veröffentlichten, in denen Stalin vieler schrecklicher Verbrechen beschuldigt wurde.

Anstatt diese gefälschte Forschung zu entlarven, haben sich die postsowjetischen Historiker darauf gestürzt und die Anschuldigungen der Trotzki‑, Chruschtschow- und Gorbatschow-​Ära gegen Stalin übernommen und noch mehr hinzugefügt. Sie haben dies getan, obwohl eine enorme Anzahl von Primärdokumenten, größtenteils aus ehemaligen sowjetischen Archiven, es ermöglicht hat, die Anschuldigungen gegen Stalin zu überprüfen und sie entweder zu verifizieren oder – in allen oder fast allen Fällen – zu widerlegen.

Heute stammen die meisten Unwahrheiten über Stalin und die Stalinjahre von akademischen Historikern. Diese Wissenschaftler stützen sich in hohem Maße auf den Berg von antistalinistischen und antikommunistischen Lügen, die von Trotzki und unter Chruschtschow und Gorbatschow produziert wurden, und denken sich auch einige eigene aus. In der Linken wiederholen Trotzkisten Trotzkis erwiesene Lügen und wiederholen die antikommunistischen Lügen der »legitimierten« Akademiker, während »Sozialisten« – antikommunistische Sozialdemokraten wie Skopic – dasselbe tun, ohne die kultische Wiederholung der Trotzkisten.

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit den Anschuldigungen gegen Josef Stalin. Ich habe die Absicht, jede einzelne von ihnen zu untersuchen. Als ich vor Jahren damit begann, dachte ich, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde – vielleicht ein oder zwei Jahre – bis ich herausfinden würde, dass mindestens eine dieser Anschuldigungen gegen Stalin wahr ist und durch Primärquellen bestätigt werden kann. Ich habe mich geirrt. Bis heute, nach mehreren Jahrzehnten der Suche, habe ich noch keinen Beweis dafür gefunden, dass Stalin auch nur ein einziges Verbrechen begangen hat, geschweige denn die unzähligen Verbrechen, die Trotzki, Chruschtschows Männer, Gorbatschows Männer und akademische Forscher selbstbewusst behauptet haben.

Ich habe vor, weiter zu suchen. Vielleicht werde ich eines Tages wenigstens ein echtes Verbrechen Stalins entdecken, von dem ich wahrheitsgemäß sagen kann, dass es durch die besten Beweise, die wir haben, gestützt wird. Falls und wenn ich es finde, werde ich es und die Beweise dafür veröffentlichen.

Verweise

1 Siehe meinen Essay »Marxists Behaving Badly. Anti-​Stalinism on the ›Left‹ «. Cultural Logic 25 (2021), S. 51 – 71. Unter https://​ojs​.library​.ubc​.ca/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​c​l​o​g​i​c​/​a​r​t​i​c​l​e​/​v​i​e​w​/​1​9​7​798, abgerufen am 05.15.2023. Deutsche Übersetzung liegt in MagMa vor: Grover Furr: »Sich mies benehmende Marxisten: Über den Anti-​Stalinismus in der ›Linken‹ «.

2 Siehe Grover Furr, Vladimir L. Bobrov, Sven-​Eric Holmström, Trotsky and the Military Conspiracy. Soviet and Non-​Soviet Evidence with the Complete Transcript of the »Tuchatschewski Affair« Trial. Kettering, OH: Erythrós Press and Media, LLC, 2021.

3 Sudoplatow, Special Tasks (1994), 67. Sudoplatov behauptet, Stalin habe ihm den Auftrag erteilt, Trotzkis Ermordung zu planen. Sudoplatovs Memoiren sind nicht immer zuverlässig, aber in diesem Fall könnte das durchaus zutreffen.

4 Grover Furr. The Murder of Sergei Kirov. History, Scholarship and the Anti-​Stalin Paradigm. Kettering, OH: Erythrós Press and Media, LLC, 2013.

6 Weitere Einzelheiten finden Sie in meinem Buch The Murder of Sergei Kirov: History, Scholarship, and the Anti-​Stalin Paradigm, Kettering, OH: Erythrós Press & Media, LLC, 2013.

7 Siehe Grover Furr and Vladimir L. Bobrov, »Nikolai Bukharin’s First Statement of Confession in the Lubianka« Cultural Logic 2007. At https://​ojs​.library​.ubc​.ca/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​c​l​o​g​i​c​/​i​s​s​u​e​/​v​i​e​w​/​1​8​2​857

8 Siehe Furr und Bobrov:»Stephen Cohen’s Biography of Bukharin: A Study in the Falsehood of Khrushchev-​Era ›Revelations‹ «. Cultural Logic 2010. At https://​ojs​.library​.ubc​.ca/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​c​l​o​g​i​c​/​a​r​t​i​c​l​e​/​v​i​e​w​/​1​9​1​5​3​1​/​1​8​8​643

9 Unter https://msuweb.montclair.edu/~furrg/research/bukhlastplea.html (englische Übersetzung 2010). Die russische Originalfassung dieses Artikels wurde in der Online-​Zeitschrift Aktual’naia Istoriia (= »Aktuelle Geschichte«) veröffentlicht. Jetzt hier archiviert: https://​web​.archive​.org/​w​e​b​/​2​0​0​9​0​2​2​0​2​0​5​2​39/, http://​actualhistory​.ru/​b​u​k​h​a​r​i​n​_​l​a​s​t​_​p​lea

10 Practicing Stalinism 340 n. 109.

11 Ich verwende die überarbeitete Ausgabe mit dem Untertitel »A Reassessment«, Oxford University Press, 1990.

12 Siehe das Kapitel »Reabilitatsionnoe moshenichestvo« [= »Rehabilitationsschwindel«] in Furr und Bobrov, 1937. Pravosudie Stalina. Obzhalovaniiu ne podlezhit! Moskau: Eksmo, 2010.

13 Dva sledstvennykh dela Evgenii Ginzburg. Ed. A. Litvin. Kazan’, 1994.

14 Kettering, OH: Erythrós Press & Media LLC, 2016.

15 Lubianka. Stalin i NKWD-​NKGB-​GUKR »Smersh«. 1939 – mart 1946. Moskau: MDF, 2006, Dok. #2 p. 9. Die Anmerkung zu diesem Dokument auf S. 562 ist ungenau, zweifellos absichtlich.

16 Ebd. S. 564 n. 11. Siehe Yezhov vs. Stalin S. 113.

17 »Oni rastvorili Beriu v shchelochi« Kommersant-​Vlast‹ 06.06.00. Auf https://​www​.kommersant​.ru/​d​o​c​/​1​7​027, abgerufen am 04.09.23.

18 M.A. Marusenko und V.V. Petrov, »Forensic analysis of some aspects of the Berija case« (in Russian). Klio (SPb) № 5(149) 2019, 71 – 80.

21 Ich verwende diese Kopie: https://​www​.politpros​.com/​j​o​u​r​n​a​l​/​r​e​a​d​/​?​I​D​=​783 Andere Seiten sind https://​prometej​.info/​p​r​a​v​d​a​-​o​-​r​e​p​r​e​s​s​i​y​a​h​-​v​-​s​s​sr/

22 »Rejoinder to Roger Keeran«. MLToday 7. Dezember 2011. Unter https://​mltoday​.com/​r​e​j​o​i​n​d​e​r​-​t​o​-​r​o​g​e​r​-​k​e​e​r​an/ In Anlehnung an die Praxis internationaler Bibliotheken habe ich mich hier für die Schreibweise von »Yezhov« als »Ezhov« entschieden.

24 In Wendy Z. Goldman und Donald Filtzer, Hrsg., Hunger und Krieg. Food Provisioning in the Soviet Union During World War II. Bloomington, IN: Indiana U. Press, 2015.

26 Siehe meine Ausführungen in Khrushchev Lied, 96 – 101 und 364 – 366.

28 Trotsky’s Lies, Leon Trotsky’s Collaboration with Germany and Japan, The Fraud of the Dewey Commission, New Evidence of Trotsky’s Conspiracy. 

29 Siehe Trotsky and the Military Conspiracy für eine Fülle von Beweisen.

30 Stalin, »The Tasks of Economic Executives.« Unter http://​www​.marx2mao​.com/​S​t​a​l​i​n​/​T​E​E​3​1​.​h​tml Seite 526. Zugriff am 23.04.23.

31 Yuri Ribalkin, Operatsiia X. Sovetskaia voennaia pomoshch‹ respublikanskoi Ispanii 1936 – 1939. Moskau: AIRO-​XX, 2000, S. 30. Englische Übersetzung von Daniel Kowalsky, Stalin and the Spanish Civil War. Cambridge University Press 2004, Kapitel 6. Unter http://www.gutenberg‑e.org/kod01/kod14.html, Zugriff am 26. April 2023.

32 Helen Graham, E‑Mail an Grover Furr, 5. September 2001.

33 Helen Graham, The Spanish Republic at War, 1936 – 1939, Cambridge University Press, 2002, 369.

34 Siehe den Bericht von Georgii Dimitrov, Leiter der Komintern, Dokument 5 in Ronald Radish, Mary Radosh Habec, Grigory Sevostianov, Hrsg., Spain Betrayed: The Soviet Union in the Spanish Civil War. New Haven: Yale University Press, Juni 2001. Ein wichtiger Satz ist hier – zweifellos absichtlich – falsch übersetzt. Zur Diskussion dieses Satzes siehe Grover Furr, »Anatomy of a Fraudulent Scholarly Work: Ronald Radosh’s Spain Betrayed«. Cultural Logic 2003. Unter https://​ojs​.library​.ubc​.ca/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​c​l​o​g​i​c​/​a​r​t​i​c​l​e​/​v​i​e​w​/​1​9​1​9​1​5​/​1​8​8​876 Zugriff am 05.01.23.

35 Journal of Labor and Society, 2019; 1 – 20. At https://msuweb.montclair.edu/~furrg/research/gf_trotsky_maydays_0519.pdf

36 Paul Preston, E‑Mail an Grover Furr, 6. April 2023.

37 Southworth, »The Grand Camouflage’: Julián Gorkin, Burnett Bolloten and the Spanish Civil War.« Chapter 10 of Paul Preston, ed., The Republic Besieged. Civil War in Spain 1936 – 1939. Edinburgh University Press, 1996. 261 – 310.

38 Fernando Hernández Sánchez, Comunistas sin Partido. Jesús Hernández Ministro en la Guerra Civil, Disidente en el Exilio. Madrid: Edición Raíces, 2007, S. 28, 35.

39 Preston, The Spanish Holocaust: inquisition and extermination in twentieth-​century Spain. Norton, 2012, S. 411.

40 Siehe Furr, »Leon Trotsky and the Barcelona ›May Days‹ of 1937« (siehe oben).

43 Siehe Geoffrey Roberts, »Moscow’s Cold War on the Periphery: Soviet Policy in Greece, Iran, and Turkey, 1943 – 8.« Journal of Contemporary History 46 (1) 2011, p. 59.

44 »Mozhet li gomoseksualist sostoiat’ chlenom kommunisticheskoi partii?’ G. Uait – I.V. Stalinu. Mai 1934 g.« Istochnik 5 – 6 (1993), 186.

45 Blood Lies. The Evidence that Every Accusation Against Joseph Stalin and the Soviet Union in Timothy Snyder’s Bloodlands Is False. New York: Red Star Publications, 2014.

46 Stalin. Waiting for … the Truth. Exposing the Falsehoods in Stephen Kotkin’s Stalin. Waiting for Hitler, 1929 – 1941. New York: Red Star Publishers, 2019.

48 Socialist Realist Painting During the Stalinist Era (1934 – 1941). Edwin Mellen Press, 2010, S. 97.

49 Zitiert nach Nadeschda Wiktorowna Dubrowina, »Sotsialisticheskii realism: metod ili stil‹.« Vestnik Tamboskogo universiteta. Seria: Gumanitarnye nauki. 7 (99), 2011. Zitiert unter https://​cyberleninka​.ru/​a​r​t​i​c​l​e​/​n​/​s​o​t​s​i​a​l​i​s​t​i​c​h​e​s​k​i​y​-​r​e​a​l​i​z​m​-​m​e​t​o​d​-​i​l​i​-​stil.

50 Sheila Fitzpatrick, »Culture and Politics under Stalin: A Reappraisal,« Slavic Review 35 (June 1976), S. 218.

51 Lawrence H. Schwartz. Marxism and Culture. The CPUSA and Aesthetics in the 1930s. Port Washington, NY: Kennikat Press, 1980, S. 33.

52 Pavel Filonov. Ochevidets nezrimogo. St. Petersburg: Palace editions, 2006.

53 For much evidence, see Furr, The Moscow Trials as Evidence. (2018).

55 Pravda June 27, 1945. At http://​www​.hrono​.ru/​l​i​b​r​i​s​/​s​t​a​l​i​n​/15 – 5.html Accessed 04.30.23 [Übersetzung von Grover Furrs Übertragung].

57 In der »Spravka« (Bericht) des Schvernik-​Berichts. Siehe »Spravka Komissii Komissii Prezidiuma TsK KPSS ›O Proverke Obvinenii, Pred »iavlennykh v 1937 Godu Sudebnymi i Partiinymi Organami tt. Tukhachevskomu, Iakiru, Uborevichu und andere Voennym Deiateliam, v Izmene Rodiny, Terrore i Voennom Zagovore.« In Reabilitatsiia. Kak Eto Bylo. Febral‹ 1956 – nachalo 80-​kh godov. Т. 2. Moskau: »Materik«, 2003, 671- 788.

58 Trotsky and the Military Conspiracy. Kettering, OH: Erythrós Press & Media, LLC, 2021, Chapter 8.

59 Feliks Chuev, Soldaty imperii (1998), S. 353.

60 Ebenda, S. 336.

61 Siehe Trotsky and the Military Conspiracy Kapitel 8; für Hitlers Aussage vom August 1937, sie Kapitel 6.

62 »Marxists Behaving Badly. Anti-​Stalinism on the ›Left‹ «. Cultural Logic 25 (2021), S. 51 – 71. Deutsche Übersetzung liegt in MagMa vor: Grover Furr: »Sich mies benehmende Marxisten: Über den Anti-​Stalinismus in der ›Linken‹ «.

63 Es dabei zu belassen, ist natürlich tabu, also fügte Krugman diese Unwahrheit hinzu: »(und tötete dabei Millionen, aber wer zählt das schon?)«. Krugman Newsletter 09.2022. https://​www​.nytimes​.com/​2​0​2​2​/​0​9​/​0​2​/​o​p​i​n​i​o​n​/​r​u​s​s​i​a​-​e​c​o​n​o​m​y​-​m​i​k​h​a​i​l​-​g​o​r​b​a​c​h​e​v​.​h​tml, abgerufen am 05.12.2023.

Zuerst erschienen auf der Website von Grover Furr, Nummerierung der Unterüberschriften ergänzt

Bild: N. Karpowsky »Stalin zeichnet Helden in der St.-Georgs-Halle aus« 1948

8 thoughts on “Anti-​Stalin-​Falschheiten eines »sozialistischen« Schriftstellers

  1. Ab 1932 wurden die sowjetischen Schriftsteller, die sich auf verschiedene Gruppen verteilten, auf Weisung des ZK im Schriftstellerverband der UdSSR vereinigt. Bis dahin führend war Russische Assoziation Proletarischer Schriftsteller (RAPP). Sie wurde aufgelöst. Eine erste rasche Sichtung erlaubt es eine kurze vorläufige Liste der in den Folgejahren umgekommenen Schriftesteller zu erstellen.

    S.M.Tretjakov gest.10.9.37 (verhaftet, erschossen; Proletkultaktivist(?), »jap. Spion«) Linke Front der Kunst (LEF)

    L.Awerbach gest.14.8.37 (verhaftet, erschossen; Proletkultaktivist, Stalinunterstützer), RAPP

    A.K.Woronski gest.13.8.37 (verhaftet, erschossen; Proletkultkritiker, Trotzkyunterstützer), RAPP

    W.M.Kirchon gest. 28.7.38 (Stalinunterstützer), RAPP

    »Nicht ein einziger Künstler wurde während der Stalinzeit « verleumdet und hingerichtet ».«(Grover Furr) Naja, ob verleumdet, das wäre wohl eine Streitfrage, zumal es auch zuweilen einfach »Geheimverhandlungen« gab. Hingerichtet wurden doch einige. Offensichtlich war aber die Erklärung für oder gegen Stalin nicht das entscheidene Kriterium. – Es fragt sich welches? Scheint auf den ersten Blick doch etwas willkürlich…

    1. Zwei Sachen: 1. sind die von die genannten Künster Opfer des Großen Terrors geworden, für den Furr bekanntlich Jeschow verantwortlich macht. Und 2. sind diese Künstler nicht *als Künstler* wegen ihrer Kunst verleumdet und hingerichtet worden. Und darum geht es. Es wurden keine Künstler *wegen ihrer Kunst* hingerichtet. Genau das ist ja ein weit verbreiteter Irrglaube, den Skopic in seinem Artikel reproduziert.

      1. Zu 1.: Ja, Furr macht Yechow verantwortlich; der habe nämlich den Verantwortlichen Stalin getäuscht. Desweiteren: Stalin bewies nach Furr ja auch seine »verantwortungsvoll« gemäßigte Haltung, indem er jeweils Obergrenzen der Massensäuberungen festlegte. Eindrucksvoll absurde Argumentation Furrs. 

        Zu 2.: Es geht eben darum, dass Furr hier etwas Falsches formuliert. Er spricht allgemein von »Künstlern«! – sein Fehler. Es ist mir übrigens unbekannt, warum bsp. Awerbach oder Woronski erschossen wurden. Bei Furr habe ich dazu bislang nichts gefunden, wäre aber für Hinweise natürlich dankbar (bevor ich ein Übersetzungsprogramm anwenden muss). Ich habe oben extra in den Klammern angeführt, was grob über´n Daumen in Frage käme. Kulturpolitische Positionen wären natürlich nicht ausgeschlossen; aber bei einer Massensäuberung? – wer achtete denn auch auf solche Details, oder? 

        Pasternak, den er erwähnt. war nebenbei nicht als Kunstschaffender, sondern bloß als »Arbeiter mit sozialem Auftrag« kurzeitig in der Linken Front der Kunst (LEF), den so definierten sich die Mitglieder der LEF und nicht »als Künstler«. 

        Palette, kann es sein, dass Du eine eher bürgerlich-​liberale Aufassung von »Kultur« hast?

  2. …einiges immerhin lässt sich auch ohne Professor Furr herausbekommen und mutmaßen:

    Hinsichtlich L.Awerbachs sind die persönlichen Bezüge interessant. Seine Schwester Ida L. Awerbach war die Ehefrau des NKWD-​Chefs G.Jagoda. Beide wurden 1938 erschossen (L.Awerbach ja bereits 1937, wie erwähnt). 

    Der Jagoda ablösende N.I.Jeschow ließ seinen Amts-​Vorgänger (1934 – 36) wohl noch zusätzlich diverser Unterschlagungen der Vergiftung Maxim Gorkis (verst.1936) beschuldigen. – Dabei hatten Jagoda und Gorki gemeinsam mit 32 anderen Autoren so erfolgreich am Belomor-​Kanal-​Buch gearbeitet – ein Werk, das die Arbeiten am Weißmehr-​Ostsee-​Kanals schildert, bei dem Jagoda auch in leitender Funktion organisatorisch tätig gewesen war. L.Awerbach zählte neben Gorki zu den Herausgebern.

    Der in jeder Hinsicht seltsame Solschenizijn nennt das Buch den „ersten Schritt in der sowjetischen Literatur zur Verherrlichung der Sklavenarbeit“ – also ein Buch, das sich zu beschaffen und zu lesen empfiehlt!

    Hervorzuheben: Beaufsichtigt wurden die Arbeiten am Kanal nebst Stalin und Woroschilow von S.M. Kirow, dessen Ermordung bekanntlich die großen Säuberungswellen erst angestoßen hat. 

    Nach dem Kanalbau, bei dem u.a. aber insbesondere auf Kirows Initiative eine große Anzahl von Häftlingen eingesetzt wurde und viele sich totschufteten, wuchs erstaunlicherweise dessen Popularität. Das »Buch über den Kanalbau« wird der steigenden Beliebtheit Kirows vermutlich keinen Abbruch getan haben. Die organisatorische Vereinigung der sowjetischen Schriftsteller, die Liquidation der vorher von der Partei relativ unabhängiger Literatengruppen, war ja 1932 beschlossen worden. Der Kanal, 1931 begonnen, wurde bereits 1933 fertiggestellt. Für diesen Zeitpunkt läßt sich eine kritische Besprechung des massenhaft Verbreitung findenden »Belomor-​Buches« wohl nicht mehr als wahrscheinlich ansehen, zumal alle infragekommenden Autoren mitgeschrieben hatten… 

    Nun könnte einige den Verdacht hegen, dass die Verschwägerung mit dem damligen NKWD-​Chef Jagoda letztlich gar nicht so günstige Folgen für L.Awerbach hatte, wie man vielleicht zunächst anzunehmen bereit ist, unterstellt man ein gutes Verhältnis der Geschwister Jagoda. Der Verdacht verstärkt sich, betrachtet man die bekannte Photographie des Ehe-​Paars Jagoda. Beide Partner stehen sich in Hässlichkeit gegenseitig und hinsichtlich L.Awerbach selbst in nichts nach. Ida Awerbach muss sich zudem sitzend und in vorgeneigter Stellung neben dem stehenden Jagoda der Kamera präsentieren. Da hilft dem Jagoda auch die lässig gehaltene Zigarette nicht: Rein vom Körperlichen her schneidet er gegenüber seiner Ehefrau sehr schlecht ab, geradezu kümmerlich und die Frage liegt nahe, wer eigentlich auf die Idee kam, dass ein Geheimdienstchef sich auch als Literat betätigen müsse…Armer Gorki! aber eben auch: Armer L.Awerbach! – ob er sich »Proletkult« so vorgestellt hatte?–

    Und schließlich wird die Absetzung Jagodas als NKWD-​Chef, die bald auf das Kirow-​Attentat folgte, natürlich das Ende der Protektion des ehemaligen Generalsekretärs der RAPP bedeutet haben und den Beginn des Mißtrauens gegenüber dem einstigen Nutznießer. Nicht zuletzt wird sich L.Awerbach aufgrund seiner Verwandtschaft für die Ermittlungen gegen Jagoda als Kandidat eines „intensiven“ Verhörs empfohlen haben.

    Die Grenzen zwischen Literatur und Politik jedenfalls lassen sich im Falle Awerbachs nicht so leicht ziehen.

    Auch das Belomor-​Buch wurde rasch aus dem Verkehr gezogen; keiner der Herausgeber überlebte die Dreißiger Jahre.

    All das lässt Nicolai Iwanowitsch Jeschow tatsächlich in einem zweifelhaften Licht stehen. Er wurde denn auch 1940 – erschossen.–

    1. Was die Zahl der beim Kanalbau umgekommenen Strafarbeiter angeht, lassen sich wohl ohne längere Recherche keine verlässlichen Zahlen bekommen. Auf Wikipedia werden die Angaben Solschenizijns und Anne Applebaums zitiert. Beide keine seriösen Quellen.

      Ein russisches Touristik-​Video über den Kanal beziffert die Opfer auf ca. 200 000, Applebaum auf 25 000 und Solschenizyn auf 250 000. Offensichtlich wird hier im Allgemeinen einfach darauflos geraten. Hier wäre der Grover Furr gefragt 🙂

      Eher glaubhaft scheint die WIkipedia-​Auskunft: »Nach Fertigstellung des Projekts im August 1933 wurden 12.484 Häftlinge entlassen, bei weiteren 59.516 wurde die Haftzeit verkürzt.« (Karl Schlögel, C.H. Beck, München 2018)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert