Holo­do­mor: Mythos und Wirklichkeit

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»Holo­do­mor« oder der so genann­te »ukrai­ni­sche Völ­ker­mord« ist eine Theo­rie, der zufol­ge die Hun­gers­not in der Ukrai­ne von 1932 bis 1933 kei­ne gewöhn­li­che Hun­gers­not war, son­dern eine bewusst und absicht­lich her­bei­ge­führ­te »men­schen­ge­mach­te« Hun­gers­not. Der Begriff »Holo­do­mor« selbst bedeu­tet »Hun­ger­tod« und ist so gestal­tet, dass er ähn­lich klingt wie das Wort Holocaust.

Die Kapi­ta­lis­ten haben immer ver­sucht Kom­mu­nis­mus und Nazis­mus, Sta­lin und Mao mit Hit­ler gleich­zu­set­zen. In Wirk­lich­keit haben sie nichts gemein, wenn es um die tat­säch­li­che Poli­tik geht. Im Gegen­teil, Nazis­mus und Kom­mu­nis­mus sind in fast jeder Hin­sicht dia­me­tral entgegengesetzt.

Den­noch ver­su­chen die Kapi­ta­lis­ten, dies zu tun. Sie ver­su­chen zu argu­men­tie­ren, dass Sta­lin und damit der Kom­mu­nis­mus genau­so schlecht sei wie Hit­ler und der Nazis­mus, indem sie behaup­ten, Sta­lin sei ein völ­ker­mor­den­des Unge­heu­er gewesen.

Das Pro­blem dabei ist, dass sie einen Völ­ker­mord brau­chen, vor­zugs­wei­se etwas vom glei­chen Kali­ber wie den Holo­caust. Da es einen sol­chen von der Sowjet­uni­on unter der Füh­rung Sta­lins began­ge­nen Völ­ker­mord nicht gibt, ver­su­chen sie statt­des­sen, aus die­ser Hun­gers­not einen sol­chen zu konstruieren.

Vie­le Men­schen haben zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es in der Sowjet­uni­on wie auch im Rus­si­schen Reich wie in jedem ande­ren halb­feu­da­len Agrar­land häu­fig zu Hun­gers­nö­ten kam. Prak­tisch jedes Mal, wenn es auf­grund von Dür­re, Über­schwem­mun­gen, zu kal­ter oder zu hei­ßer Wit­te­rung usw. eine schlech­te Ern­te gab, kam es in irgend­ei­nem Teil des rus­si­schen Rei­ches zu einer Hun­gers­not. Dies geschah im Rus­si­schen Reich alle zwei bis drei Jahre.

Der Grund dafür war, dass die Land­wirt­schaft im Rus­si­schen Reich und in der UdSSR in den 1920er und frü­hen 1930er Jah­ren tech­no­lo­gisch nicht ent­wi­ckelt war und auf Kleinerzeu­gung beruh­te, die kaum einen Über­schuss abwarf. Auch das Stra­ßen­netz war extrem schlecht und die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik exis­tier­te so gut wie gar nicht. Es war schwie­rig, im Fal­le von Hun­gers­nö­ten wirk­sam Hil­fe zu leisten.

Vor der Macht­über­nah­me durch die Sowjets und der raschen Indus­tria­li­sie­rung des Lan­des in den 30er Jah­ren waren Hun­gers­nö­te an der Tages­ord­nung. Davor gab es in eini­gen Tei­len des rus­si­schen Rei­ches fast alle paar Jah­re Hun­gers­nö­te. Es gab Hun­gers­nö­te in den Jah­ren 1901, 1906, 1911, 1917 usw. In der frü­hen Sowjet­uni­on setz­te sich die­ser Trend mit der schreck­li­chen Hun­gers­not von 1921 – 23 fort, die vor allem durch den Bür­ger­krieg ver­ur­sacht wur­de (mög­li­cher­wei­se die ver­hee­rends­te Hun­gers­not in der rus­si­schen Geschich­te). Dann kam es 1927 – 28 zu einer Getreideknappheit.

Daher ist die Tat­sa­che, dass es in der Ukrai­ne eine Hun­gers­not gab, nicht so unge­wöhn­lich. Es war nur eine Fra­ge der Zeit, wann es wie­der zu einer Hun­gers­not kom­men wür­de, wenn die Land­wirt­schaft nicht moder­ni­siert und indus­tria­li­siert wür­de. Die von den Sowjets gewähl­te Metho­de, dies zu tun, bestand dar­in, gro­ße Kol­lek­tiv­be­trie­be (Kol­cho­sen) ein­zu­rich­ten, in denen zahl­rei­che klei­ne Betrie­be zu einer grö­ße­ren Par­zel­le zusam­men­ge­fasst wur­den. Außer­dem setz­ten sie moder­ne land­wirt­schaft­li­che Tech­no­lo­gien ein, wie zum Bei­spiel Trak­to­ren, die von den staat­li­chen Maschi­nen-Trak­to­ren-Sta­tio­nen (MTS) bereit­ge­stellt wurden.

Ich möch­te kurz auf die Zahl der Opfer der ukrai­ni­schen Hun­gers­not ein­ge­hen. Die Zah­len, die man oft hört, beru­hen in der Regel auf unwis­sen­schaft­li­chen Spe­ku­la­tio­nen, wenn sie nicht sogar frei erfun­den sind. Man fin­det Schät­zun­gen, die von 2 Mil­lio­nen bis zu 10 oder 20 Mil­lio­nen rei­chen. Die west­li­chen »For­scher« (Pro­pa­gan­dis­ten) der Ära des Kal­ten Krie­ges nah­men den Bevöl­ke­rungs­zu­wachs in den Jah­ren 1932 bis 1934 und ver­gli­chen ihn mit ande­ren Zei­ten. Dar­aus zogen sie den Schluss, dass all die­se Men­schen gestor­ben sein müss­ten, weil der Anstieg gerin­ger aus­fiel als sonst.

In Wirk­lich­keit gab es ein­fach viel weni­ger Gebur­ten. Zuge­ge­ben, es gab auch Hun­ger­to­te, aber es wäre dumm zu glau­ben, dass die Gebur­ten wäh­rend einer Hun­gers­not nicht zurück­ge­hen wür­den. Ich bin sicher, dass es noch ande­re Pro­ble­me mit ihrer Metho­dik gibt, aber ich wer­de nicht dar­auf ein­ge­hen. Jüngs­te Schät­zun­gen von unvor­ein­ge­nom­me­nen, gemä­ßig­ten For­schern gehen von 2 oder 3 Mil­lio­nen Toten aus, wäh­rend Rechts­extre­mis­ten von 7 Mil­lio­nen (die ursprüng­lich schlim­mer sein soll­ten als der Holo­caust) oder sogar 10 oder 20 Mil­lio­nen ausgehen.

Wir sind zu dem Schluss gekom­men, dass eine Hun­gers­not in der Ukrai­ne zu die­ser Zeit nichts Unge­wöhn­li­ches war, son­dern in der vom Zaris­mus hin­ter­las­se­nen Situa­ti­on durch­aus üblich war. Wir haben fest­ge­stellt, dass die Zahl der Opfer von den anti­kom­mu­nis­ti­schen »For­schern« nicht kor­rekt dar­ge­stellt wird, son­dern unglaub­lich auf­ge­bla­sen und unzu­ver­läs­sig ist.

Der drit­te Punkt, den man im Auge behal­ten soll­te, ist, dass es kei­ne Bewei­se gibt, weder doku­men­ta­risch noch ander­wei­tig, die dar­auf hin­deu­ten, dass die Hun­gers­not absicht­lich oder von Men­schen­hand ver­ur­sacht wur­de, wie die rechts­extre­men Anti­kom­mu­nis­ten behaup­ten. Es gibt kei­nen von Sta­lin unter­zeich­ne­ten Befehl an sowje­ti­sche Beam­te, der ihnen befiehlt, die Ukrai­ne aus­zu­hun­gern oder ähn­li­ches. Das wohl bekann­tes­te Buch über den Holo­do­mor in die­sem Jahr­zehnt, Timo­thy Sny­ders Blood­lands, behaup­tet, die Hun­gers­not sei von Men­schen ver­ur­sacht wor­den, zitiert aber moder­ne For­scher wie Davies, Wheat­croft und M. Tau­ger, ohne den Lesern mit­zu­tei­len, dass alle die­se For­scher bestrei­ten, dass die Hun­gers­not von Men­schen ver­ur­sacht wurde!

Die Pho­to­gra­phien

Noch heu­te sind vie­le Bil­der im Umlauf, die angeb­lich die Hun­gers­not zei­gen. Die­se wur­den in der Tat von der deut­schen und ame­ri­ka­ni­schen Pro-Nazi-Pres­se (wie Hearst Press) ver­öf­fent­licht. Die­se Bil­der wer­den jedoch haupt­säch­lich zu Schock­zwe­cken ver­wen­det, da die Exis­tenz der Hun­gers­not nichts über ihre Ursa­chen oder ihre Schwe­re aus­sagt. Sie wer­den ver­wen­det, um die Unge­heu­er­lich­keit der Hun­gers­not dar­zu­stel­len und um Sym­pa­thien für die Holo­do­mor-Theo­rie zu gewin­nen. Natür­lich war die Hun­gers­not eine huma­ni­tä­re Kata­stro­phe, aber das macht die Holo­do­mor-Theo­rie nicht wahrer.

Ich über­trei­be nicht, wenn ich sage, dass die­se Bil­der von den Nazis oder ihren Unter­stüt­zern wie der ame­ri­ka­ni­schen Hearst Press ver­öf­fent­licht wur­den. Hin­zu kommt, dass die meis­ten von ihnen gar nicht dort auf­ge­nom­men wur­den, wie behaup­tet. Vie­le der Fotos stam­men in Wirk­lich­keit aus dem Ers­ten Welt­krieg, dem ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg, der gro­ßen Depres­si­on oder dem rus­si­schen Bür­ger­krieg. Seit die­ser Zeit wur­de die­se Rei­he gefälsch­ter »Holo­do­mor-Fotos« durch Bil­der von der Bela­ge­rung Lenin­grads, der Schlacht von Char­kow usw. ergänzt. Die wohl bes­te Ein­zel­stu­die über die Ver­wen­dung gefälsch­ter Holo­do­mor-Fotos durch die Rechts­extre­men ist D. Tott­les Fraud, Fami­ne and Fascism.

Trotz die­ser Bil­der und ande­ren Mate­ri­als, das von den Nazis und ihren ame­ri­ka­ni­schen Unter­stüt­zern ver­öf­fent­licht wur­de, gibt es kei­ne Bewei­se – nicht ein­mal schlech­te Bewei­se -, die dar­auf hin­deu­ten, dass die Hun­gers­not absicht­lich oder von Men­schen ver­ur­sacht wurde.

Die Export­sta­tis­ti­ken

Der eigent­li­che Schlüs­sel zur Holo­do­mor-Debat­te ist eigent­lich noch viel ein­fa­cher. Das anti­kom­mu­nis­ti­sche Argu­ment besagt, dass die Sowjet­uni­on die Ukrai­ne absicht­lich aus­hun­gern ließ, um den Natio­na­lis­mus zu unter­drü­cken, indem sie Getrei­de gegen Geld expor­tier­te, wäh­rend es eine Hun­gers­not gab. Die Ant­wort liegt in den Export­da­ten. Wer­fen wir einen Blick darauf.

Im Jahr 1930 expor­tier­te die sowje­ti­sche Regie­rung 4.846.024 Ton­nen Getrei­de. Im Jahr 1931 stieg die­se Zahl auf 5.182.835 Ton­nen. Im Jahr 1932, dem Jahr, in dem die Hun­gers­not begann, wur­de deut­lich weni­ger expor­tiert. Nur 1.819.114 Ton­nen. In der ers­ten Hälf­te des Jah­res 1932 wur­den 750.000 Ton­nen und ab Ende April 157.000 Ton­nen impor­tiert. Im dar­auf fol­gen­den Jahr ging die Aus­fuhr wei­ter zurück, und es wur­den wei­te­re 200.000 Ton­nen eingeführt.

Die sowje­ti­sche Regie­rung expor­tier­te nur einen Bruch­teil des­sen, was sie nor­ma­ler­wei­se expor­tiert hät­te. Sie impor­tier­te sogar über eine Mil­li­on Ton­nen, um sie als Nah­rungs­mit­tel­hil­fe in die Ukrai­ne zu schi­cken, als sie das Aus­maß der Hun­gers­not erkann­te. Damit ist die Völ­ker­mord­theo­rie völ­lig widerlegt.

»Die offi­zi­el­len Sta­tis­ti­ken zei­gen jedoch, dass die Beschaf­fun­gen aus der Ern­te von 1932 gerin­ger waren als die Beschaf­fun­gen in jedem ande­ren Jahr der 1930er Jah­re«, urteilt Pro­fes­sor Mark B. Tau­ger in sei­ner Stu­die »Was ver­ur­sach­te die Hun­gers­not in der Ukraine?«.

Die sowje­ti­sche indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on und die west­li­che Blockade

Aber war­um haben die Sowjets über­haupt Getrei­de expor­tiert? Die UdSSR benö­tig­te Kapi­tal für ihre Indus­trie­pro­jek­te, Maschi­nen, die im Wes­ten gekauft wer­den muss­ten, usw. Die­ses Kapi­tal woll­te sie aus zwei Quel­len beschaffen:

  1. Ver­kauf von Öl, Gold, Mine­ra­li­en, land­wirt­schaft­li­chen Erzeug­nis­sen wie Baum­wol­le und ande­ren Pro­duk­ten an den Westen.
  2. Ver­kauf von Kon­sum­gü­tern auf dem Bin­nen­markt der Sowjetunion.

Ursprüng­lich war gar nicht geplant so gro­ße Men­gen an Nah­rungs­mit­tel­ge­trei­de zu expor­tie­ren. Das meis­te davon soll­te ohne­hin auf dem Bin­nen­markt ver­kauft wer­den. Die West­mäch­te ver­häng­ten jedoch eine Blo­cka­de gegen sowje­ti­sches Öl und die sowje­ti­sche Goldwährung:

Die Regie­rung sam­mel­te Getrei­de und schick­te es in den Wes­ten, aber nicht, um einen Teil der Bevöl­ke­rung eines Lan­des ver­hun­gern zu las­sen, son­dern weil es kei­ne ande­re Mög­lich­keit gab, für die Lie­fe­rung von Aus­rüs­tung zu bezah­len. Sta­lins gan­ze Hoff­nun­gen ruh­ten auf einer neu­en Ern­te. Sie fiel jedoch gering aus, da das Land von einer Dür­re heim­ge­sucht wur­de. Die UdSSR war nicht in der Lage, Lebens­mit­tel im Tausch gegen Gold (Gold­blo­cka­de) oder Devi­sen (auf­grund des Embar­gos gab es kei­ne) zu kau­fen. Es wur­de drin­gend ver­sucht, Getrei­de­lie­fe­run­gen aus Per­si­en zu erhal­ten, wo man sich bereit erklärt hat­te, Gold zu akzep­tie­ren. Die Behör­den hat­ten jedoch kei­ne Zeit mehr, da die Kata­stro­phe bereits im Gan­ge war. Hun­gers­not, Kuban, 1932 Hun­gers­not, Kuban, 1932 Zwi­schen 1932 und 1933 star­ben Tau­sen­de und Aber­tau­sen­de von Men­schen, und erst danach war der Wes­ten wie­der bereit, Öl, Holz und Edel­me­tal­le von den Sowjets anzunehmen.

Ori­en­tal Review, « Who Orga­ni­zed the Fami­ne in the USSR in 1932 – 1933?«

Die UdSSR war als Agrar­land auf den Ver­kauf von Roh­stof­fen ange­wie­sen. Die wich­tigs­ten Export­gü­ter vor der Indus­tria­li­sie­rung waren Baum­wol­le, Koh­le, Öl und ver­schie­de­ne land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­te. Para­do­xer­wei­se war die Indus­tria­li­sie­rung der ein­zi­ge Aus­weg aus die­ser Fal­le der agra­ri­schen Rück­stän­dig­keit. Aber woher soll­ten die Mit­tel dafür kom­men? Es wäre völ­lig unver­nünf­tig und stün­de im Wider­spruch zur mate­ri­el­len Rea­li­tät, wenn die Sowjet­uni­on in den Jah­ren 1932 – 33 über­haupt nicht expor­tie­ren wür­de. Was ihr Pro­ble­me berei­te­te, waren die Wirt­schafts­blo­cka­de und die schlech­ten Ern­ten Anfang der 1930er Jah­re, bei­des Umstän­de, auf die sie kei­nen Ein­fluss hatte.

Als letz­ten Aus­weg könn­te man argu­men­tie­ren: »War­um nicht die gesam­te Indus­tria­li­sie­rung stop­pen und alle mög­li­chen Nah­rungs­mit­tel an die Bür­ger ver­tei­len?« Der Grund liegt auf der Hand: Ein Stopp der Indus­tria­li­sie­rung und aller lau­fen­den Pro­jek­te war unmög­lich. Auch der Kauf von Maschi­nen muss­te irgend­wie bezahlt wer­den, selbst wenn das grö­ße­re Pro­jekt ver­scho­ben wurde.

Zwei­tens ver­lang­sam­ten die Sowjets die Indus­tria­li­sie­rung in dem Maße, wie sie die Expor­te ein­schränk­ten, als klar wur­de, dass es eine schwe­re Hun­gers­not gab. Sie haben nur vor der Hun­gers­not gro­ße Men­gen expor­tiert, als dies noch ohne Gefahr mög­lich war. Dies wird im All­ge­mei­nen ver­ges­sen, wenn rech­te Anti­kom­mu­nis­ten die Kau­sa­li­tät die­ses Ereig­nis­ses umkeh­ren, indem sie behaup­ten, die Expor­te hät­ten die Hun­gers­not ver­ur­sacht, obwohl die Expor­te redu­ziert wur­den und die Regie­rung statt­des­sen Lebens­mit­tel impor­tier­te, als die Hun­gers­not einsetzte.

Drit­tens wäre ein Stopp der Indus­tria­li­sie­rung kei­ne gute Lösung für Russ­lands Pro­ble­me gewe­sen. Hun­gers­nö­te waren nicht wegen der Indus­tria­li­sie­rung, son­dern wegen des Gegen­teils, der feh­len­den Indus­tria­li­sie­rung, extrem häu­fig. Ein Abbruch des Moder­ni­sie­rungs­pro­jekts hät­te die chro­ni­sche Ernäh­rungs­un­si­cher­heit des Lan­des nur noch ver­grö­ßert. Die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die »Getrei­de­fra­ge«, wie die Sowjets sie nann­ten, zu lösen, bestand dar­in, das Land zu moder­ni­sie­ren und so die Ern­te­er­trä­ge durch den Ein­satz von Maschi­nen, wis­sen­schaft­li­chen Metho­den und Infra­struk­tur zu steigern.

Die ers­te Ursa­che der Hun­gers­not: das Wetter

Gehen wir nun auf die tat­säch­li­chen Ursa­chen für die­se Hun­gers­not ein. Wie bei den meis­ten Hun­gers­nö­ten, ins­be­son­de­re in tech­no­lo­gisch weni­ger ent­wi­ckel­ten Län­dern, wie es die UdSSR zu die­ser Zeit zwei­fel­los war, ist die Haupt­ur­sa­che eine schlech­te Wit­te­rung, die zu schlech­ten Ern­ten führt:

Im Jahr 1927 ver­kürz­te eine Dür­re die Ern­te in den süd­li­chen Gebie­ten der Ukrai­ni­schen SSR und im Nord­kau­ka­sus. In den Jah­ren 1927 – 28 war der Win­ter­an­bau auf­grund der gerin­gen Schnee­men­gen stark beein­träch­tigt. Trotz staat­li­cher Saat­gut­bei­hil­fen wur­den vie­le betrof­fe­ne Flä­chen nicht wie­der ein­ge­sät. Die Ern­te 1928 war in den meis­ten Getrei­de­an­bau­ge­bie­ten der Ukrai­ni­schen SSR von der Tro­cken­heit betrof­fen (Tau­ger, ebd.).

Es gab noch eine wei­te­re schreck­li­che Dür­re, die sich über die gesam­ten Jah­re 1932 – 1933 in der Ukrai­ne erstreck­te sowie Pflan­zen­krank­hei­ten wie Getrei­de­rost, aber es wür­de den Rah­men die­ses Arti­kels spren­gen, dar­auf näher ein­zu­ge­hen (in einem neue­ren Arti­kel »The Holo­do­mor Explai­ned« gehe ich aus­führ­lich auf die­se Ursa­chen ein):

Die von mir ver­öf­fent­lich­ten Bewei­se und ande­re Bele­ge, ein­schließ­lich neue­rer ukrai­ni­scher Doku­men­ten­samm­lun­gen, zei­gen, dass die Hun­gers­not aus einem Man­gel ent­stand und die gesam­te Sowjet­uni­on erfass­te, und dass das Regime ein mas­si­ves Ratio­nie­rungs- und Hilfs­pro­gramm in Städ­ten und Dör­fern, auch in der Ukrai­ne, orga­ni­sier­te, aber ein­fach nicht genug Lebens­mit­tel hat­te. Des­halb war die sowje­ti­sche Hun­gers­not, eine immense Kri­se und Tra­gö­die der sowje­ti­schen Wirt­schaft, nicht mit den Mas­sen­mor­den der Nazis ver­gleich­bar, die kei­ne land­wirt­schaft­li­che oder ande­re wirt­schaft­li­che Grund­la­ge hat­ten (Tau­ger, ebd.).

Die zwei­te Ursa­che der Hun­gers­not: Kulakenterrorismus

Es mag man­chen als weit her­ge­holt erschei­nen, dass Sabo­ta­ge durch eine Min­der­heit der Bevöl­ke­rung eine Rol­le bei einer Hun­gers­not spie­len könn­te. Es muss gesagt wer­den, dass sie nur zu der ohne­hin schon schwie­ri­gen Situa­ti­on bei­trug, nicht aber die Hun­gers­not ver­ur­sach­te. Aber wie ein­fluss­reich waren die als Kula­ken bekann­ten länd­li­chen Kapi­ta­lis­ten? Sie mach­ten etwa 10 oder 11 Pro­zent der Bevöl­ke­rung aus. Und tat­säch­lich war der Anteil der Kula­ken in der Ukrai­ne grö­ßer als im größ­ten Teil der UdSSR.

Die Kula­ken hat­ten wäh­rend der NEP-Peri­ode von 1920 bis 1927 die Kon­trol­le über einen gro­ßen Teil der dörf­li­chen Grund­stü­cke erlangt. Die Spe­ku­la­ti­on der Kula­ken auf dem Lebens­mit­tel­markt führ­te bereits 1927 zu einer Ver­knap­pung, als der ver­mark­te­te Anteil an Getrei­de nur noch ein Drit­tel des Vor­kriegs­ni­veaus betrug, obwohl die Pro­duk­ti­on die Vor­kriegs­zah­len über­trof­fen hatte.

Als 1920 die NEP umge­setzt wur­de und die Sowjet­uni­on vom Kriegs­kom­mu­nis­mus in eine vor­über­ge­hen­de Pha­se der frei­en Markt­wirt­schaft über­ging, wur­den die befürch­te­ten Fol­gen des frei­en Mark­tes deut­lich. Trotz der vor­an­ge­gan­ge­nen Boden­re­form waren fast drei Mil­lio­nen Bau­ern schnell wie­der ohne Land, weil die Kula­ken sie in den Bank­rott getrie­ben und dann ihr Land bil­lig auf­ge­kauft hat­ten. Dies führ­te dazu, dass 10 – 11 Pro­zent der Bevöl­ke­rung (Kula­ken) im Ver­gleich zur übri­gen bäu­er­li­chen Bevöl­ke­rung so viel Land und auch Pfer­de und Maschi­nen besa­ßen, dass sie 56 Pro­zent der ver­mark­te­ten Lebens­mit­tel pro­du­zier­ten. Die Kula­ken ent­schie­den weit­ge­hend dar­über, ob die Städ­te zu essen beka­men oder nicht.

Die meis­ten bäu­er­li­chen Betrie­be waren so klein, dass sie kein markt­fä­hi­ges Getrei­de pro­du­zier­ten. Ihre gesam­te Pro­duk­ti­on wur­de von den Bau­ern­fa­mi­li­en selbst ver­braucht. Die Kula­ken­be­trie­be hin­ge­gen pro­du­zier­ten einen erheb­li­chen Über­schuss. Sie hat­ten gro­ße Grund­stü­cke, beschäf­tig­ten vie­le Land­ar­bei­ter und benutz­ten Pfer­de und Traktoren.

Im Jahr 1927 begann die Regie­rung mit der Getrei­de­be­schaf­fungs­po­li­tik als Reak­ti­on auf die Wei­ge­rung der Kula­ken, ihr Getrei­de zum regu­lier­ten Preis zu ver­kau­fen. Dies war ein Klas­sen­kampf. Die Kula­ken wuss­ten, dass sie im Vor­teil waren, weil sie die Lebens­mit­tel­ver­sor­gung effek­tiv kon­trol­lier­ten. Sie erwar­te­ten von der Regie­rung, dass sie ihren For­de­run­gen nach­gab, die Lebens­mit­tel­prei­se erhöh­te und die Wirt­schaft dere­gu­lier­te, wodurch sich die Gewin­ne und die Macht der Kula­ken erhöh­ten wür­den. Dies hät­te eine Restau­ra­ti­on des Kapi­ta­lis­mus bedeu­tet und den Ver­such, den Sozia­lis­mus auf­zu­bau­en, zum Schei­tern ver­ur­teilt. Die Poli­tik der Kula­ken, auf dem Schwarz­markt zu ver­kau­fen und sich zu wei­gern, Getrei­de zu regu­lier­ten Prei­sen zu ver­kau­fen (Hor­ten), war in der UdSSR ille­gal. Aber die Kula­ken fühl­ten sich stark genug, das sowje­ti­sche Recht und das gesam­te sowje­ti­sche Sys­tem offen in Fra­ge zu stel­len. Anstatt sich den For­de­run­gen der Kula­ken zu beu­gen, beschloss die Regie­rung die Kon­fis­ka­ti­on des ille­gal gehor­te­ten Getreides.

Dar­auf­hin wei­ger­ten sich die Kula­ken, mehr als eine mini­ma­le Men­ge anzu­bau­en. Auf die­se Wei­se gab es kein Getrei­de zu beschaf­fen. Dies lös­te unter den land­lo­sen Bau­ern Unmut aus, was die Bewe­gung der Kol­cho­sen (Obschi­na) erneut ent­fach­te. Die Bol­sche­wi­ki hat­ten seit 1905 die For­de­rung der Bau­ern­schaft unter­stützt, unge­nutz­tes Land von Groß­grund­be­sit­zern und Kula­ken zu beschlag­nah­men. Nun erlie­ßen sie ein Dekret, das es den armen Bau­ern erlaub­te, das­sel­be zu tun, näm­lich Kula­ken­land zu über­neh­men und es zu bewirt­schaf­ten. Die Reak­ti­on der Kula­ken war mör­de­risch: sie töte­ten vie­le kom­mu­nis­ti­sche Orga­ni­sa­to­ren und Kol­chos­bau­ern. Die Regie­rung reagier­te mit Depor­ta­tio­nen von Kulaken.

Um zu ver­hin­dern, dass ihr Eigen­tum in die Hän­de der Armen fällt, began­nen die Kula­ken schließ­lich, es zu zer­stö­ren. Ein gutes kon­kre­tes Bei­spiel für die­sen Ter­ro­ris­mus und sei­ne Aus­wir­kun­gen auf den Nah­rungs­mit­tel­an­bau ist die Men­ge an Maschi­nen, Lebens­mit­teln und vor allem Vieh, die von den Kula­ken-Sabo­teu­ren und dem Teil der wohl­ha­ben­den Mit­tel­bau­ern, die von den Kula­ken dazu ver­lei­tet wur­den, absicht­lich zer­stört wur­den. Dies war eine Eska­la­ti­on des Klas­sen­kamp­fes auf dem Lan­de zwi­schen den armen und den rei­chen Bau­ern. Der Hass auf die Kula­ken hat­te sich über Jahr­zehn­te auf­ge­staut, doch nun waren die armen Bau­ern in der Lage, etwas dage­gen zu unter­neh­men. Schließ­lich ver­kün­de­te die Regie­rung ihre Poli­tik der »Besei­ti­gung der Kula­ken als Klas­se«, das heißt, sie wur­den ihres Reich­tums und ihres Sta­tus beraubt und zu ein­fa­chen Bau­ern degra­diert. Die Kula­ken star­te­ten ihre letz­te ver­zwei­fel­te Offensive.

Die Kula­ken-Kapi­ta­lis­ten besa­ßen den größ­ten Teil des Vieh­be­stands und der Maschi­nen, wäh­rend die meis­ten Bau­ern nur ein Pferd oder eine Kuh besa­ßen. 27 Mil­lio­nen bäu­er­li­che Haus­hal­te (mehr als ein Drit­tel der gesam­ten bäu­er­li­chen Bevöl­ke­rung) besa­ßen nicht ein ein­zi­ges Pferd. Am ver­hee­rends­ten war die Situa­ti­on bei Rin­dern und Arbeits­pfer­den, von denen die Kula­ken den größ­ten Anteil besa­ßen, aber auch bei Stie­ren, Och­sen, Schwei­nen, Scha­fen und Zie­gen. Ins­be­son­de­re der Man­gel an Pfer­den zum Pflü­gen trug zur Hun­gers­not bei.

Schluss­fol­ge­run­gen

Die Hun­gers­not war weder vor­sätz­lich noch von Men­schen­hand ver­ur­sacht. Sie wur­de durch schwie­ri­ge Wet­ter­be­din­gun­gen und die all­ge­mei­ne Rück­stän­dig­keit ver­ur­sacht, die der Zaris­mus im Land hin­ter­las­sen hat­te. Da es kei­ne Bewei­se für einen vor­sätz­li­chen Völ­ker­mord gibt und der Fall voll­stän­dig auf der fal­schen Annah­me beruht, dass die UdSSR immer mehr Nah­rungs­mit­tel­ge­trei­de expor­tier­te und die Hun­gers­not völ­lig außer Acht ließ, kann ich getrost sagen, dass der Holo­do­mor als Mythos und Schwin­del ent­larvt wor­den ist.

Es ist auf­schluss­reich, sich anzu­schau­en, wer die Leu­te sind, die die­sen Mythos ver­brei­ten. In den 1930er Jah­ren waren es die Nazi­pres­se und ihre ame­ri­ka­ni­schen Kol­la­bo­ra­teu­re. In der neue­ren Zeit waren es Anti­kom­mu­nis­ten des Kal­ten Krie­ges und rechts­extre­me ukrai­ni­sche Emi­gran­ten. Der Mythos wird von die­sen Ele­men­ten zusam­men mit ukrai­ni­schen Neo­na­zis immer noch weit ver­brei­tet. Der Holo­do­mor-Mythos ist das Werk von Goebbels.

Wei­te­re Quellen

Export- und Import­da­ten: The Years of Hun­ger. Soviet Agri­cul­tu­re 1931 – 1933, Davies and Wheatcroft

Offi­zi­el­le sowje­ti­sche Export- und Import­da­ten: СССР в цифрах ЦУНХУ Госплана СССР. Москва 1935, page 574, 575

Offi­zi­el­le sowje­ti­sche Daten für ver­mark­te­tes und pro­du­zier­tes Lebens­mit­tel­ge­trei­de, hier zitiert: http://​www​.mar​xists​.org/​r​e​f​e​r​e​n​c​e​/​arc…

Zah­len zur Ver­nich­tung des Vieh­be­stands: http://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​C​o​l​l​e​cti…

Kula­ken­sa­bo­ta­ge: https://web.archive.org/web/20160820042734/https://archives.gov.ua/Sections/Famine/Publicat/Fam-kolekt-1929.php

Ludo Mar­tens, Ano­ther view of Sta­lin: http://​mar​xism​.halk​ce​phe​si​.net/​L​udo Prozent20Martens/node67.html

Gold- und Ölem­bar­go: http://​ori​en​tal​re​view​.org/​2​0​1​2​/​1​2​/​1​7​/​e​p​i​s​o​d​e​s​-​1​0​-​w​h​o​-​o​r​g​a​n​i​s​e​d​-​f​a​m​i​n​e​-​i​n​-​t​h​e​-​u​s​s​r​-​i​n​-​1​932 – 1933/

Die­ser Arti­kel ist eine Über­set­zung des bei ML-Theo­ry: A Mar­xist-Leni­nist Blog erschie­nen eng­li­schen Orginals.

Bild: »Holo­do­mor Mobi­le Class­room« und Teil der Holo­do­mor Natio­nal Awa­re­ness Tour, die der Holo­do­mor-Pro­pa­gan­da gewid­met ist, hier foto­gra­fiert bei einem Besuch in Hamil­ton, Onta­rio, Kana­da, im Jahr 2017 (wiki­me­dia com­mons)

2 thoughts on “Holo­do­mor: Mythos und Wirklichkeit

  1. Wich­ti­ger Bei­trag, auch durch die zusätz­li­chen Quel­len­an­ga­ben, die man sonst nicht so ein­fach fin­den dürf­te. Er hät­te aller­dings doch noch eines Lek­to­rats bedurft, da der lan­ge Abschnitt über die Rol­le der Kula­ken z.T dop­pelt aus­ge­fal­len ist, ab »Es mag man­chen als weit her­ge­holt erschei­nen,… bis …Depor­ta­tio­nen von Kula­ken.« Bit­te noch mal über­prü­fen. Ist lei­der eine häu­fi­ge »Neben­wir­kung« bei von AI über­setz­ten Artikeln.
    Aus­ser­dem ist, wie von mir erwar­tet, der Link zu »Kula­ken­sa­bo­ta­ge« nicht mehr auf­ruf­bar, weil ukr. Reg.-Archiv, aller­dings noch mehr­fach über die Way­back-Maschi­ne wie hier z.B.:
    http://web.archive.org/web/20160820042734/https://archives.gov.ua/Sections/Famine/Publicat/Fam-kolekt-1929.php
    Also unbe­dingt sichern. Wer weiß, wie lan­ge es ihn da noch gibt.…

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