Stellungnahme der Neuen Gesellschaft für Psychologie zur »Kooperationsveranstaltung der Bundeswehr mit der Psychotherapeutenkammer Berlin«

Die Psychotherapeutenkammer lädt ihre Zwangs‐​Mitglieder zu einem Informationstag mit der Bundeswehr am 7.2. 2023 ein.

Die Veranstaltung wird mit 6 Fortbildungspunkten zertifiziert.

Die Themen sind: »Fragen der Organisation der Bundeswehr, den Besonderheiten des Soldatenberufes, und des psychosozialen Netzwerks der Bundeswehr«, »Einsatzsituationen in aktuellen Einsatzgebieten«, die Aufgaben der »Truppenpsycholog:innen im Einsatz«: »mit Soldatinnen und Soldaten auf Patrouille/​auf Wache/​im Feldlager«, schließlich »Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Bundeswehr; Symptom‐ und Belastungslagen von SoldatInnen‐​PatientInnen, Schnittstellen zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung, Heilbehandlung für die Bundeswehr: Beantragung – Überweisung – Abrechnung.

Die Referenten beziehungsweise Referentinnen sind ausschließlich Angehörige der Bundeswehr vom Oberstarzt, oder Korvettenkapitän bis zum Brigadegeneral, z. Tl. mit Psychologie‐Diplom.

Wir fragen uns, wer hat die Psychotherapeutenkammer, deren Präsidentin, Frau Schweizer‐​Köhn eine Grußbotschaft zur Eröffnung vorträgt und ansonsten alles in den Händen der Bundeswehr mit ihren diversen Beamten lässt, ermächtigt, eine derartige Veranstaltung, die dann im Namen ihrer Zwangs‐​Mitglieder firmiert, durchzuführen? Im Klartext: Die Kammer (zu denen wir als Psychotherapeuten ebenfalls zwangsmäßig gehören!) bietet der Bundeswehr eine Plattform für ihre Zielsetzung und Anliegen an, ohne selbst dazu ihre eigene Agenda zu äußern. Sind deren Mitglieder darüber informiert und/​oder befragt worden? Nein!

Die neue Gesellschaft für Psychologie – NGfP legt gegen diese politische Übergriffigkeit Widerspruch ein:

Eine so einseitige militaristische Positionierung der Kammer ist mit dem Tatbestand der Zwangs‐​Mitgliedschaft der einzelnen berufsausübenden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nicht vereinbar.

»Die Psychotherapeutenkammer ist ein demokratische, auf Selbstverwaltung beruhende Interessenvertretung aller approbierten Psychotherapeut:innen« (Definition der Psychotherapeutenkammer auf ihrer website). Im Impressum heißt es jedoch:

»KöR« (Körperschaft des öffentlichen Rechts); Aufsichtsbehörde: Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales.

Wie passt das zusammen? Demokratische Interessenvertretung und behördliche Anbindung?

Es erhebt sich vor diesem Hintergrund auch die Frage der Finanzierung! Dienen die Zwangs‐​Beiträge (€ 455.-/Jahr!) eventuell auch noch zur Finanzierung dieser Militär‐​Plattform? Und werden eventuell auch Abzweigungen der Beiträge für Waffenlieferungen an die Ukraine missbraucht? Dies wäre sicherlich zum Wohlgefallen der gegenwärtigen Ampelregierung!

Diese Einladung ist eine Verletzung des Neutralitätsgebotes und des demokratischen Anspruches der Kammer! Besonders bedauerlich ist, dass es sich hierbei nicht um die erste Grenzüberschreitung der Psychotherapeutenkammer Berlin handelt.

Zum Hintergrund:

Am 16. September 2013 trat eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Bundespsychotherapeutenkammer in Kraft, nach der zivile Psychotherapeuten in Privatpraxen Soldaten nach Verfahren behandeln, die von der Bundeswehr geregelt sind. Der Vereinbarung ging eine gleichartige Übereinkunft des Bundesministeriums der Verteidigung mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung voraus. Die Bundeswehr und die Psychotherapeutenkammer veranstalteten zudem am 13. März 2014 in Berlin im Offiziersheim der Blücher‐​Kaserne eine erste gemeinsame Fortbildungsveranstaltung, die Therapeut:innen auf die Therapie mit Soldaten vorbereiten sollte. Es wurde kein Zweifel daran gelassen, dass Zielsetzung und Behandlung der Soldat:innen unter der Regie der Bundeswehr geschehen sollte! Der damalige Kammer‐​Präsident, Prof. Reiner Richter versicherte, dass bei den zunächst psychisch Erkrankten und dann ›erfolgreich behandelten‹ Soldat:innen ein erneuter Auslandseinsatz durchaus in Frage kommen könnte. (Aus der Stellungnahme der NGfP 9.März 2014).

Wir betonen, dass traumatisierte Soldat:innen durchaus psychotherapeutischer Behandlung bedürfen, jedoch muss dies jenseits von militärischen und politischen Interessen, gleich welcher Art, geschehen. Gerade in Kriegen, von denen es leider immer noch zu viele gab und gibt, bedauerlicherweise unter deutscher Beteiligung, stellt sich bei etlichen Teilnehmer:innen die Frage nach dem Sinn des Lebens und der seiner Opferung für imperialistische Zielsetzungen, sowie den Profitinteressen des globalen monetär‐​militaristischen Sektors. Wir als Psychotherapeut:innen sind angehalten, offene Türen und Möglichkeiten der Heilung für die Hilfesuchenden zu bieten, und deren emanzipatorische Möglichkeiten einzubeziehen. Es ist unsere Pflicht, dass Dritte mit anderen Interessen keinen Einfluss auf die Behandlung nehmen können. Es kann und darf kein Therapieziel ins Auge gefasst werden, bei dem die Heilung darin bestehen soll, die Soldat:innen wieder einsatzfähig für kriegerische Einsätze zu machen.

So ist auch die bevorstehende Veranstaltung ein weiterer Schritt in Richtung Militarisierung der Gesellschaft dem wir uns entgegenstellen.

Berlin, 20.01.2023

Der Vorstand der Neuen Gesellschaft für Psychologie
Prof. Dr. Klaus‐​Jürgen Bruder, Conny Stahmer‐​Weinandy, Jürgen Günther

Bild: »Symbol und Realität – Militarismus – Rassismus« von Witold Mysyrowicz – im kommunistischen Polen geschaffenes Plakat, das die USA kritisiert, 1982 (https://t.me/r_propagandaposters)

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