Coro­na ist kein Staat.

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Auf den ers­ten Blick ist es eher unbe­deu­tend, dass staat­li­che Ein­grif­fe in die Grund- und Frei­heits­rech­te oft euphe­mis­tisch als »Coro­na-Maß­nah­men« bezeich­net wer­den. Es liegt ja auf der Hand, dass der Staat auf­grund der Coro­na Pan­de­mie die­se Maß­nah­men ergreift. Den­noch ist es wich­tig die­ser sprach­li­chen Unge­nau­ig­keit ein Ende zu set­zen, da sie fal­sche Annah­men über die sozia­le Rea­li­tät pro­du­ziert und lin­gu­is­tisch dazu bei­trägt die Grä­ben in der Gesell­schaft zu vertiefen.

Coro­na ist kein Staat, son­dern ein Virus. Die­ses Virus kann für man­che Men­schen gefähr­lich wer­den, aber SARS-CoV‑2 kann kei­ne Geset­ze ver­ab­schie­den. Staat und Poli­tik sind es jedoch, die Geset­ze beschlie­ßen. Wenn gesetz­lich ange­ord­net wird, dass nur noch bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen öffent­li­che Räu­me betre­ten dür­fen ist dies eine poli­ti­sche Ent­schei­dung, kei­ne medizinische.

Die­se Ent­schei­dun­gen wer­den natür­lich teil­wei­se auf der Basis medi­zi­ni­scher Aspek­te begrün­det. Im Hin­blick auf die mehr als schwam­mi­ge Daten­la­ge über die tat­säch­li­che Effek­ti­vi­tät staat­li­cher Beschlüs­se in der Pan­de­mie­be­kämp­fung, die regel­mä­ßig von einer Viel­zahl von Stu­di­en wider­legt wird, erscheint die­se Legi­ti­ma­ti­on jedoch frag­wür­dig. Sei es die Effek­ti­vi­tät von Lock­downs, Schul­schlie­ßun­gen und Aus­gangs­sper­ren (vgl. Ben­da­vid et al. 2021, Ber­ger et al. 2021), oder auch die feh­len­den wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Stu­di­en zur Effek­ti­vi­tät von 2G – im Licht die­ser wis­sen­schaft­li­chen Daten­la­ge, die der Staat in sei­nen Geset­zes­be­schlüs­sen immer wie­der wis­sent­lich igno­riert erscheint die tat­säch­li­che medi­zi­ni­sche Fun­die­rung staat­li­cher Maß­nah­men doch eher mini­ma­lis­tisch. Auch die Logik des Aus­schlus­ses von nach­weis­lich gesun­den und getes­te­ten Per­so­nen im öffent­li­chen Leben gegen­über unge­tes­te­ten immu­ni­sier­ten Per­so­nen, die zusätz­lich auch noch von der Mas­ken­pflicht befreit sind, ist wohl eher sar­kas­tisch als wissenschaftlich.

Es muss klar sein, dass jeg­li­che gesetz­li­che Ein­schrän­kung eine poli­ti­sche Ent­schei­dung ist, getrof­fen von Men­schen im Bun­des­tag. Die­se Men­schen ver­kör­pern bestimm­te indi­vi­du­el­le Wer­te und ver­tre­ten gewis­se Welt­an­schau­un­gen, die sich in den Geset­zes­be­schlüs­sen wider­spie­geln. Indi­vi­du­el­le Wer­te wer­den hier auf eine gan­ze Gesell­schaft gesetz­lich über­tra­gen und somit wer­den per­sön­li­che Wer­te in die sozia­le Bezie­hung eingearbeitet.

Wis­sen­schaft­lich fun­diert oder nicht, Coro­na macht kei­ne Geset­ze, Geset­ze wer­den von Poli­ti­kern gemacht. Es ist wich­tig, dass wir auf­hö­ren von »Coro­na-Maß­nah­men« zu spre­chen und statt­des­sen expli­zit immer von staat­li­chen Beschlüs­sen spre­chen. Wenn die Mist­ga­beln erneut geschärft wer­den, weil die »Unge­impf­ten« schuld sei­en, dass sich die »Geimpf­ten« ein­schrän­ken müs­sen ist dies sowohl sprach­lich als auch fak­tisch falsch. Der ein­zig und allei­ni­ge Ver­ant­wort­li­che ist die Poli­tik, die sol­che Geset­ze beschließt. Ange­mes­sen oder nicht, der Unmut muss sich in aller ers­te Linie gegen die­sen auto­ri­tä­ren Staat rich­ten und nicht gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung, die kei­ner­lei Macht im legis­la­ti­ven Pro­zess besitzen.

Wir soll­ten die­se sprach­li­che Kor­rekt­heit von der Gesell­schaft ein­for­dern, da sie fal­sche Annah­men über unse­re sozia­le Rea­li­tät pro­du­ziert. Es ist eine Natu­ra­li­sie­rung poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen und kon­stru­iert mensch­li­che Welt­an­schau­un­gen als alter­na­tiv­los. Das Ergeb­nis ist eine auto­ri­tär-tota­li­ta­ris­ti­sche Poli­tik, die sich durch die­se Natu­ra­li­sie­rung ihrer sozia­len Ver­ant­wor­tung ent­zieht. Geset­ze erschei­nen als Natur­ge­set­ze, los­ge­löst von jeg­li­cher Mensch­lich­keit und somit von jeder Mög­lich­keit des Pro­tests oder Wider­stands. Es ist natür­lich bequem poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen als natür­lich gege­ben zu kon­stru­ie­ren, da ein Wider­stand gegen Natur­ge­set­ze irra­tio­nal erscheint und kaum zu legi­ti­mie­ren ist. Die Geset­zes­be­schlüs­se, die unse­re Grund- und Frei­heits­rech­te beschnei­den sind aber kei­ne Natur­ge­set­ze, sie wer­den von Men­schen gemacht und somit soll­ten es auch in aller­ers­ter Linie die­se Men­schen sein, die sich der Ver­ant­wor­tung und unse­rer Kri­tik stel­len müssen.

Quel­len

Ber­ger, Ursu­la et al. 2021.
https://​www​.covi​d19​.sta​tis​tik​.uni​-muen​chen​.de/​p​d​f​s​/​c​o​d​a​g​_​b​e​r​i​c​h​t​_​1​6​.​pdf

Ben­da­vid, Eran. 2021. “Asses­sing man­da­to­ry stay-at-home and busi­ness clo­sure effects on the spread of COVID-19”
https://​online​li​bra​ry​.wiley​.com/​d​o​i​/​1​0​.​1​1​1​1​/​e​c​i​.​1​3​484

Die­ser Arti­kel erschien zuerst bei kon­tro­vers. und wird hier mit freund­li­cher Geneh­mi­gung veröffentlicht. 

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