In den letzten Jahren ist es zunehmend üblich geworden, Menschen und Proteste als »rechts« zu etikettieren, wenn sie sich gegen den »Mainstream« oder den Kurs der Regierung wenden. Wer zur Zuwanderung, den »Corona‐Maßnahmen«, zum »Klima« oder dem Heizungsgesetz, zu den Kriegen in der Ukraine oder in Palästina eine eigene Meinung vertritt, die nicht den Vorgaben der Herrschenden huldigt, sieht sich schnell ausgegrenzt, geächtet, in seiner beruflichen und sozialen Existenz bedroht, gar strafrechtlicher Verfolgung wegen »Meinungsdelikten« ausgesetzt.
Regelmäßig und immer wieder wird das Publikum mit der Frage traktiert, was denn eigentlich rechts und was links sei. Ist das eine aktuelle Frage, oder geht es dabei um abgehobene Debatten, die mit uns und dem praktischen Leben nichts zu tun haben, geht es um »intellektuelle« Fingerübungen ohne Belang? Aber es muss Gründe haben, es müssen Interessen dahinterstehen, wenn ständig zum »Kampf gegen rechts« geblasen wird, wenn der vermeintliche »Verfassungsschutz«, also der Inlandsgeheimdienst, immer wieder vor »Linksextremisten« und vor »Rechtsextremisten« warnt. Offenbar geht es um die (weitere) Spaltung der Bevölkerung, aber das ist kein Selbstzweck. Die Bereitschaft, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, dem Kurs der Regierung, der EU, der NATO sowie ihrer Mainstreammedien zu widersprechen, soll ausgehebelt werden. Dazu sind die Mittel der Wahl die Denunziation und die Begriffsverwirrung.
Zwei Beispiele aus jüngster Zeit: Als am 23. Oktober 2023 auf einer Bundespressekonferenz das »Bündnis Sahra Wagenknecht« seine Vereinsgründung bekannt gab1, sah am selben Tag der Linken‐Vorsitzende Martin Schirdewan Sahra Wagenknechts künftige neue Partei »deutlich rechts«.2 Welcher politische Kompass hat ihn zu diesem Befund geleitet? Zur Landratswahl im Landkreis Dahme‐Spreewald am 12.11.2023 lautete eine Schlagzeile: »Rechter Russland‐Freund will BER‐Landrat werden«.3 In Steffen Kotrés Sündenregister stehen seine Aussage im »russischen Propaganda‐TV«4, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sei, und dann habe er noch »Syriens Mörder‐Regime« die »legitime Regierung« genannt. Ist zwar völkerrechtlich korrekt, aber in NATO‐Deutschland ein Meinungsverbrechen.
»Gegen rechts« – ein Fake
Wer denkt, es ginge gegen echte Nazis, hat sich geirrt. Begründet wird meist nicht, was mit »gegen rechts« gemeint sei soll. Im Umkehrschluss nehmen die Kämpfer für sich in Anspruch, »links« zu sein, ebenfalls unbegründet. Selbst wer das Naziregime in der Ukraine unterstützt, kann sich heute als »Linker fühlen«. Bei Parteien und Organisationen ist in der Regel eben nicht mehr das »drin, was draufsteht«.
Inzwischen gerät jeder in Gefahr, verrissen zu werden, wer nicht exakt die Regierungslinie nachbetet oder grünen Polit‐Vorgaben folgt. Die »Fälle« der Ulrike Guérot von der Uni Bonn, des Michael Meyen von der Ludwig‐Maximilians‐Universität München oder des Patrik Baab von der Christian‐Albrechts‐Universität in Kiel stehen stellvertretend für eine Vielzahl, die wegen ihrer abweichenden Meinungen geschasst wurden. Die Medien meinen, Abweichler pauschal als »rechts« verunglimpfen zu können. Aber nicht nur sie.
Auch sich »links« und »antifaschistisch« Dünkende stellten ihre Staatsgläubigkeit und den besonderen Gehorsam gegenüber den verrücktesten Corona‐Anordnungen zur Schau, wenn sie Demonstranten gegen die »Maßnahme« Rufe wie »Nazis raus!« oder »Wir impfen Euch alle!« entgegenschleuderten. In diesen Kreisen gelten »Querdenker« als indiskutabel und natürlich als »rechts«. Dabei ist es gar nicht lange her, dass Querdenker als Kompliment und Auszeichnung verstanden wurde, und zahlreiche Institutionen verliehen »Querdenker‐Ehrenpreise«. So die Wirtschaftsvereinigung »Querdenker‐Club« (240.000 Mitglieder), die damit u.a. Schauspieler ehrte, jemand, »der seinen Weg geht, gegen alle öffentlichen Anfeindungen«5, in NRW zeichnete trailer Ruhr innovative Filmproduktionen mit ihrem Querdenker‐Preis aus,6 die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin vergab ihren eigenen Querdenker‐Preis für »kreative und innovativ denkende … die mit ihren Ideen das Gesundheitswesen zukunftsweisend bereichern«,7 und die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) vergab den Förderpreis »Querdenker« für vorbildhafte Azubi‐Projekte.8
Beispiel Daniele Ganser
Im Kreuzfeuer vermeintlich »linker« Kritik steht auch Daniele Ganser, vor dessen meist ausverkauften Veranstaltungen inzwischen regelmäßig Gegendemonstrationen von VVN, Omas gegen »rechts« und anderen stattfinden, die offenbar noch nie eine seiner Reden gelesen, kein Video angeschaut und kein Buch von ihm gelesen haben, aber Transparente vor sich hertragen mit Parolen wie »Kein Platz für Nazipropaganda«. Damit jeder die Infamie der Unterstellung selbst ermessen kann, folgt hier ein Auszug aus einem Beitrag für die Monatszeitschrift Rotfuchs über den Krieg der NATO gegen die Russische Föderation. Der Autor Gerhard Giese, Oberst a. D. der Nationalen Volksarmee der DDR zitiert »anstelle eines Resümees: Bemerkenswerte Standpunkte des Schweizer Friedensforschers Dr. Daniele Ganser«.
- »Der Krieg in der Ukraine wurde nicht am 24.2.22 von Rußland, sondern bereits 2014 nach dem Maidan‐Putsch durch die USA und die ASOW‐Nazis begonnen. Der kollektive Westen hat mit der Aufnahme Polens und weiterer 11 Staaten in die NATO sein Nichterweiterungsversprechens gebrochen.
- Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien sind möglich, wie die Ergebnisse bei den März‐Verhandlungen 2022 in Istanbul bewiesen, wobei die USA und GB deren Abbruch anordneten.
- Die USA könnten den Krieg ohne Kredite, Waffenlieferungen und Aufklärungsdaten für die Ukraine sofort beenden.
- Grenzverschiebungen in Europa hat es bereits 1999 nach dem Jugoslawienkrieg des Westens gegeben und nicht nur durch die RF.
- Die USA zwingen die EU‐Länder der Ukraine Geld, Waffen, Munition, militärische Leistungen und Söldner bereitzustellen (militärische Lieferungen und Leistungen der USA 0,37 % des BIB, Polen 2,1 % und Deutschlands 7,2 %).
- In der Ukraine stehen sich die zwei stärksten Kernwaffenmächte gegenüber, was gefährlich ist, da beide in einer Informationsblase leben und daher zu wenig voneinander wissen sowie kaum Einfluß aufeinander nehmen können.
- Die Kriegsseiten sollten sich ein Beispiel an der Kuba‐Krise nehmen und zu vernünftigen Reaktionen zurückkehren.
- Je schneller sich die Seiten auf deeskalierende Maßnahmen einigen, um so eher könnte das Blutvergießen in der Ukraine beendet werden.«9
Verkehrte Welt
Wenn dies aus Sicht vermeintlicher »Linker« »rechts« sein soll, wirft das Fragen nach ihrer geistigen Verfassung auf. Es geht also »drunter und drüber«, und manche schließen daraus, dass es den Unterschied nicht mehr gibt, oder eine Unterscheidung ohne Belang ist. Viele, besonders Jugendliche, können mit dem Schema »rechts und links« nichts anfangen und lehnen es ab. Die Sinnentleerung der Begriffe folgt dem realen Sinnverlust dessen, was heute inhaltlich unter rechts und links verstanden werden kann.
Wer nach dem historischen Ursprung der Unterscheidung fragt, wird auf die Sitzordnung des französischen Parlaments stoßen. Als dort nach der Französischen Revolution eine Nationalversammlung gebildet wurde, nahmen (orientiert am britischen Unterhaus) die Anhänger der Monarchie und des Feudalsystems sowie die Vertreter des Klerus auf der rechten Seite des Sprechers Platz, während die Anhänger der Revolution, die Patrioten und Fortschrittlichen auf der linken Seite saßen. Damals hatte diese Unterscheidung erkennbar einen Sinn. Aus Tradition oder Gewohnheit werden SPD und Grüne heute noch als »links« eingeordnet, unverdienterweise. Die SPD/Grüne‐Regierung hat 1999 die erste Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach 1945, die NATO‐Aggression gegen Jugoslawien zu verantworten. Wer für die Schleifung des Sozialstaats, den fortgesetzten Abbau demokratischer Rechte, eine wahnsinnige Aufrüstung und die Unterstützung des NATO‐Kriegs gegen Russland steht, ist mitnichten links, sondern sowas von rechts, dass er schwerlich übertroffen werden kann.
Diffamierungsgrundlage »Totalitarismus«-Doktrin
Wenn ohne inhaltlichen Bezugsrahmen und Positionsangabe diese auf die Sitzordnung im französischen Revolutionsparlament zurückgehende Einteilung auf heute übertragen wird, trägt das nichts zur Klärung bei, sondern stiftet eher Verwirrung. Die herrschende Klasse hat auch die Definitionsmacht an sich gerissen, was in der sozialen Kommunikation als »reaktionär« und als »fortschrittlich” zu gelten habe. Sie will die ideologische Lufthoheit ausüben, und das Fußvolk soll ihre Vorgaben akzeptieren. Eine Konstante dieser Vorgaben und sich unmittelbar auf das »rechts-links«-Thema bezieht, ist schon etwas älter – das ist die in Deutschland so geschätzte »Totalitarismus«-Doktrin (nicht eine »Totalitarismustheorie«, wie ihre Verkünder sie anpreisen, denn für eine Theorie mangelt es ihr an wissenschaftlicher Grundlage und Substanz).
Der Glaubenssatz der »Totalitarismus«-Doktrinäre lautet, dass sich »die Extreme«, also links und rechts »berühren«, letztlich sozusagen eins werden. Schon die Weimarer Republik sei von rechten wie linken »Feinden der Demokratie« zerstört und zu Grabe getragen worden. Das ist keineswegs der »Schnee von gestern«, sondern wird bis in unsere Tage weitergeschleppt: In der Greifswalder Straße in Berlin steht ein Denkmal für den von den Faschisten ermordeten KPD‐Vorsitzenden Ernst Thälmann, für manche ein Stein des Anstoßes, der aber zu deren Leidwesen unter Denkmalschutz steht. Deshalb ziehen dort in Abständen die Anstoßnehmer auf, um Thälmann herunterzuputzen. So am 16.11.2023 die Pankower Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne), die mit anderen am Denkmal despektierliche Texttafeln anbrachte, und verkündete: Thälmann habe die Weimarer Republik bekämpft und geschwächt und damit die Voraussetzung geschaffen, dass Adolf Hitler 1933 an die Macht gelangen konnte.10
Also nicht die Industriellen, die Hitlers NSDAP große Summen spendeten, nicht der Reichspräsident Paul von Hindenburg, der Hitler auf Geheiß der Geldgeber zum Kanzler ernannte, nicht die bürgerlichen Parteien, die im Reichstag für das Ermächtigungsgesetz stimmten, wären schuld am deutschen Faschismus, sondern der Kommunist Thälmann. Die auf derart historischen Lügen basierende »Totalitarismus«-Doktrin bringt unter ebenfalls historischer Bezugnahme eine weitere Diffamierung hervor, die systemkritischen Protestierern heute wieder um die Ohren gehauen wird: »Querfront« heißt diese Diffamierungsvokabel, mit der eine »rechts-links«-Zusammenarbeit unterstellt wird, »wie damals« in der Weimarer Republik.
Was heißt hier »Querfront«?
Zur Enttarnung der Lüge und der Diffamierungsabsicht genügt es, die Gegenfrage zu stellen: Wo gibt es heute in Deutschland die Zusammenarbeit zwischen der Gewerkschaftsführung, der Bundeswehrführung und antikapitalistischen Kräften der NPD? Absurde Frage? Ganz recht! Aber nur eine solche Kombination rechtfertigte in historischer Analogie das Wort von der »Querfront«. Das war zunächst eine Idee von Anhängern einer »Konservativen Revolution«, und wurde dann von Kurt von Schleicher, dem letzten Reichskanzler der Weimarer Republik von Dezember 1932 bis Januar 1933 adaptiert, als Versuch, Hitlers Machantritt im letzten Moment noch abzuwenden. Dazu versuchte er, ein Bündnis zwischen der Führung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Reichswehr und dem »antikapitalistischen Flügel« der SA unter Gregor Strasser zustande zu kriegen – vergeblich, seine Querfront kam nicht zustande. Zu spekulieren, ob uns im Erfolgsfall Hitler und der faschistische Krieg erspart geblieben wären, ist müßig – die Frage »was wäre gewesen, wenn …« kann im historischen Kontext nicht zu einer Antwort führen.
Doch das Scheitern des Querfront‐Versuchs am Ende der Weimarer Republik interessiert die heutigen Nutzer dieser Vokabel nicht. Ihnen geht es um die Unterstellung einer Zusammenarbeit von Linken und Rechten, hier konkret von Nazis und Kommunisten. Doch damit wird bereits die nächste Geschichtslüge bemüht, denn zu Schleichers Querfrontprojekt war die KPD überhaupt nicht eingeladen, und es kann dahingestellt bleiben, ob sie im Falle einer Einladung überhaupt mitgemacht hätte.
Beim heutigen Gebrauch der Querfront‐Vokabel, nicht nur in den Mainstream‐Medien, auch durch die VVN oder die Partei »Die Linke«, handelt es sich daher um eine »Lüge im Begriff«. So geschehen bei der Friedensdemonstration im Frühjahr 2023 in Berlin, zu der Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer aufgerufen hatten. Doch die verlogene Vokabel findet auch neue Freunde. Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechten Magazins »Compact«, dreht den Spieß um und sehnt eine Querfront, wie sie die Diffamierer verstehen, geradezu herbei.
»Nicht rechts, nicht links«?
Neben dieser Konfusion und Verwirrung meinen viele Menschen, dass die Unterscheidung zwischen rechts und links belanglos geworden sei, weil das was draufsteht, ohnehin nicht mehr drin ist. Sie wollen der Falle entgehen, entweder in die eine oder andere Ecke gestellt zu werden. Besonders bisher nicht politisierte, erstmals in Bewegung gekommene Menschen kommen auf die Idee, »weder links noch rechts« sein zu wollen. Das war 2014 so, als nach dem Staatsstreich in der Ukraine die »Neue Friedensbewegung« entstand, und dann wieder 2020 ff. bei den Protesten gegen den Demokratieabbau im Zuge der sogenannten »Corona‐Maßnahmen«. Ihnen scheint aber nicht bewusst zu sein, dass dieses Bestreben, »nicht rechts, noch links« sein zu wollen, bereits eine etwas längere Geschichte in Deutschland hat.
Dass die Losung eine ›Karriere‹ hat, weiß aber kaum noch jemand. Der wahlkämpfende bayerische Ministerpräsident Franz‐Josef Strauß meinte vor rund 50 Jahren: »Wir sind nicht die linke Mitte, wir sind nicht die rechte Mitte, wir sind die Mitte«,11 der wahlkämpfende Gerhard Schröder trat 1998 unter der plakativen Losung »Die neue Mitte« an.12 Ein Buch über die Geschichte der Gründungsgrünen erschien 2011 unter ihrem Motto »Nicht rechts, nicht links, sondern vorn«,13 2009 entdeckten die Piraten den Slogan,14 2013 folgte die AfD.15 Fazit: Links oder rechts will keiner gelten, alle treten sich lieber in der imaginären Mitte auf die Füße.
Auch wem möglicherweise die politischen Koordinaten fremd oder egal sind, entkommt dem Dilemma leider nicht, denn in der Mitte, an diesem vermeintlich unpolitischen Ort tummeln sich schon viele, die diese Losung als Werbeslogan, als Marketingidee entdeckt haben.
Zur Rolle und Politik der AfD
Vielen gilt die AfD geradezu als Inbegriff einer rechten Partei, Urteile bzw. Aburteilungen zur »Alternative für Deutschland« sind zahllos und schnell gesprochen. Die Schnelligkeit ist meist der Feind der Genauigkeit. Man sollte die unterschiedlichen Ebenen des »Phänomens AfD« zu unterscheiden versuchen und insbesondere auseinanderhalten. Mit den Ebenen meine ich die Gründungsphase, die Programmatik, konkrete Äußerungen zu verschiedenen Themen und Aktionsschwerpunkte, schließlich die Wirkung ihrer Aussagen auf das Publikum und Schlussfolgerungen zum Umgang damit. Ohne dies hier grundlegend ausbreiten zu können, gehe ich von folgenden Thesen aus:
An der Wiege der AfD standen einerseits neoliberale Professoren, andererseits vormalige Vertreter der »Stahlhelmfraktion« der CDU. Die Parteigründung zielte v.a. auf enttäuschte CDU‐Wähler, die diese Partei durch Merkel »entkernt« und »sozialdemokratisiert« empfanden, sich politisch heimatlos, ihnen sollte das Angebot einer »alternativen« Systemopposition gemacht werden.
Sozialpolitisch bekennt sich die AfD zur Beibehaltung des gesetzlichen Mindestlohns, sie fordert grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme, ohne konkret zu werden, frühere neoliberale Forderungen wie die Privatisierung der Arbeitslosen‐ und Unfallversicherung finden sich nicht mehr im Grundsatzprogramm. In der Sicherheitspolitik bekennt sich die AfD zur NATO‐Mitgliedschaft und zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Bündnispartnern, zur Stärkung der Bundeswehr (sprich Aufrüstung) und Wiedereinführung der Wehrpflicht; andererseits: »Sicherheit in und für Europa kann ohne Russlands Einbindung nicht gelingen«.
Aus dieser »Mischung« ergibt sich im praktischen Verhalten, dass einerseits der Parteivorsitzende Chrupalla seine Partei als einzige Friedenspartei in Deutschland preist, andererseits fast die Hälfte der AfD‐Fraktion den 100 Milliarden Kriegskrediten der Ampelregierung zugestimmt hat. Während das Hamburger Bundesvorstandsmitglied Wolf ein »allzu großes Verständnis für die russische Position im Ukraine‐Krieg« kritisiert, hält Chrupalla dagegen: »Der Ukraine‐Krieg darf nicht weiter eskalieren, Deutschland nicht zur Kriegspartei werden. Statt immer mehr und immer schwerere Waffen in das Kriegsgebiet zu schicken, muss die Bundesrepublik mit Diplomatie auf ein möglichst schnelles Ende des Kriegs hinarbeiten.«
Wir dürfen nicht übersehen, dass die AfD weiterhin stramm antikommunistisch agitiert. Reden über »Den grünen Kommunismus«,16 »Das Gespenst der DDR geht wieder um«17 oder »Das Erbe des Marxismus ist der Postkolonialismus«18 zeugen wohl weniger von erheblicher Bildungsferne als von dem Vorsatz, mit der Diffamierungskeule zurückzuschlagen und den Antikommunismus als ideologisches Rüstzeug dieser Republik weiter zu pflegen. Wir übersehen auch nicht, dass die AfD sich als besonders Zionismus‐freundlich profilieren will und z.B. für ein Verbot der BDS‐Kampagne (Boykott, Desinvestition, Sanktionen) in Deutschland auftrat.
Was folgt praktisch?
Wenn man im Bundestag Stimmen gegen den Krieg gegen Russland und gegen die Wirtschaftssanktionen und gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine hört, dann sind das in der Regel Reden von AfD‐Vertretern, Ausnahmen bilden einzelne Abgeordnete der Partei »Die Linke«, wenn z.B. Sevim Dagdelen oder Andrej Hunko das Wort erhalten. Das muss man ganz nüchtern zur Kenntnis nehmen. Wenn eine AfD‐Rede den Titel trägt »Das Volk will keinen Krieg«19 – was soll man dagegen einwenden? Gegenwärtig leben wir unter einer massiven Bedrohung des Friedens, mit einer akuten Kriegsgefahr, keiner der unverantwortlichen Politiker des »kollektiven Westens«, keine Bundesregierung kann garantieren, dass Russland nicht irgendwann die »Rote Linie« endgültig überschritten sieht.
Von daher sind alle Stimmen, von welchem Politiker auch immer, die vor der Kriegsgefahr warnen, die eine Wiederinbetriebnahme der Nordstream‐Pipelines fordern, die Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen, und die irgendwie Gehör, einen Weg in die Öffentlichkeit, in die Medien finden, grundsätzlich hilfreich und positiv. Und wenn das ein AfDler macht, dann ist es egal aus welchen Motiven, wenn die Bevölkerungsmehrheit, die in Frieden leben will, und die diesen abenteuerlichen Harakiri‐Kurs gegen Russland nicht mitträgt, aus solchen Reden eine Bekräftigung und Stärkung ihrer Überzeugung erfährt, dann kann das nur positiv sein.
Wenn daraus folgt, dass Menschen für solche Inhalte auf die Straße gehen, eine Einheit in der Aktion für Frieden und gegen Waffen zustande kommt, dann sollten wir uns ohne Ansehen der Person oder Kontrolle des Parteibuches daran beteiligen. Antikriegsaktionen mit demokratischen Rechten oder »Wertkonservativen«, wie sie genannt werden, falls sie dazu bereit sind – das sollte selbstverständlich sein, und wir sollten uns davon auch nicht von den »Kontaktschuld«-Predigern abhalten lassen. Dabei vergessen und verdrängen wir keinesfalls die Widersprüchlichkeiten, den »Kampf der Gegensätze« in den Positionen von Mitwirkenden. Aber wir müssen die Prioritäten auf die Herstellung von Handlungsfähigkeit legen.
Betrachtet man das alte Parteienspektrum, ist die AfD natürlich eine rechte Partei. Aber rechts von der AfD sitzt die SPD, mit dem Zeitenwende‐Kanzler, der unentwegt Waffen für den Stellvertreterkrieg gegen Russland an die Ukraine liefert, dessen Kriegsminister Pistorius »Deutschland wieder kriegstüchtig« machen will.20 Und rechts von der SPD sitzt die CDU/CSU, deren Fraktionsvorsitzender Merz im Verein mit seinen militaristischen Sekundanten Hardt und Wadephul einen noch schärferen Kriegskurs will, u. a. durch Lieferung von Taurus‐Marschflugkörpern.21 Und noch weiter rechts sitzt die FDP, deren Rüstungslobbyistin Strack‐Zimmermann immer mehr Waffen für Kiew fordert22, und womöglich Selenskij schon bald adoptieren könnte. Ganz am rechten Rand sitzen noch die Grünen, die Rechtsextremisten, die Russland ruinieren und besiegt sehen wollen, deren Baerbock »einen Krieg gegen Russland führt« und deren Hofreiter völlig entfesselt immer mehr Sanktionen gegen Russland fordert und den »zögerlichen Kanzler« mit Dauerkritik beschallt.23
Gehen wir zurück in diesem Parteienspektrum, sehen wir links von der AfD, in der Mitte und etwas links der Mitte die Partei »Die Linke«. Und links von ihr die sich neuformierende Gruppe um Sahra Wagenknecht. Damit ist die linke Seite bereits abschließend aufgezählt, im Ergebnis ein völliges Ungleichgewicht, eine gähnende Leere. Das ist ein Versagen der Linken insgesamt, die sich zu großen Teilen auf Lifestyle‐ und Haltungsthemen sowie sprachpolizeiliche Ersatzübungen eingelassen hat, und darüber ihr Kerngeschäft, die Interessenvertretung der Nichtprivilegierten, vergessen hat. Nachdem ihr mit den Begriffen auch die Inhalte abhandengekommen sind, müssen die Inhalte, was links ist, sein soll oder sein müsste, dringend zurückgewonnen und neu gefüllt werden.
Es kann nicht schaden, sich dabei an Marx als Kompass zu erinnern. Gegen Krieg ist links – und deshalb sind die Grünen rechts. Wer für die Rettung der Bankprofite eintritt, ist rechts, wer für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen, in der Altenpflege kämpft, ist links. Wer Abrüstung, den Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland und den Austritt aus der NATO fordert, ist links, wer Kriegskredite bewilligen lässt, wie Herr Scholz und seine Entourage, ist rechts. Wer den Notstand der Demokratie verordnet und wer dazu strammsteht, ist rechts, wer dagegen opponiert und die demokratischen Rechte verteidigt, ist links. Solche einfach zu begreifenden Inhalte führen nicht zu einer abgehobenen Theoriedebatte, das ist kein Laborprogramm, sondern ein praktisches Aktionsprogramm.
Ergänzen sollte man noch: Wer Russenhass predigt und antislawischen Rassismus, der ist rechts. Wer für Völkerverständigung, wer für Freundschaft mit Russland und China eintritt, der ist links. Und wer dann fragt, ist Putin eigentlich rechts? – dem sage ich: Der Putin ist natürlich ein absoluter Linker: Er steht auf der Seite des Antifaschismus. Er ist ein Antiimperialist. Er ist ein Verteidiger der UN‐Charta. Er tritt für eine multipolare Weltordnung gleichberechtigter, souveräner Staaten ein. Und er hat das Wirtschaftssystem in Russland dahingehend verändert, dass dort jetzt Staatskapitalismus besteht, also nicht die Kapitalisten bestimmen, was der Staat zu tun hat, sondern umgekehrt, der Staat bestimmt, was die Oligarchen als Staatsbeamte zu tun haben. Die uns geläufigen linken Forderungen, alle Verstaatlichungsforderungen für die Bodenschätze, die Grundstoffindustrie, die Energieversorgung, die Verkehrswege – alles umgesetzt, alles ist wieder in staatlicher Hand. Das sind alles Gründe, warum Putin dem Imperialismus als Feind gilt. Deshalb ist der russische Präsident für die imperialistische Propaganda ein »Rechter«, aber mit dieser »Titelvergabe« haben wir selbst hierzulande zur Genüge Bekanntschaft machen können.
Quellen
1 https://www.tagesschau.de/inland/wagenknecht-stellt-buendnis-vor-100.html
2 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023 – 10/wagenknecht‐neue‐partei‐polarisierung‐schirdewan‐rechts
3 https://www.bz-berlin.de/brandenburg/rechter-russland-freund-will-landrat-werden
4 https://taz.de/Nach-Volksverrat-Vorwurf/!5929243/
5 https://www.abendzeitung-muenchen.de/promis/querdenker-preis-fuer-til-schweiger-art-154616
6 https://www.facebook.com/blickefilmfestival/posts/2623226041029778/
7 https://www.amboss.com/de/presse/amboss-wird-von-deutscher-gesellschaft-fuer-innere-medizin-mit-querdenker-preis-ausgezeichnet
8 https://www.facebook.com/BGNahrungsmittel/posts/2683732814985798/
9 http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2023/RF-303 – 04-23.pdf
10 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177855.prenzlauer-berg-thaelmann-denkmal-kpd-vorsitzender-angeblich-schuld-an-hitler.html
11 Bis Dezember 2014 hier abrufbar: https://spkantonzh.ch/app/…/12/1999-Gehen-«links-sein»-und-Macht-zusammen.pdf
12 https://www.deutschlandfunk.de/die-neue-mitte-102.html
13 https://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/NZ‑G/L2/Mitarbeiter/prof.dr.silkemende.html
14 https://wiki.piratenpartei.de/Häufig_gestellte_Fragen#Seid_ihr_links.2Frechts.3F
15 https://www.sueddeutsche.de/politik/neue-partei-stellt-sich-in-berlin-vor-nicht-rechts-nicht-links-aber-auch-nicht-in-der-mitte‑1.1627458
16 https://www.youtube.com/watch?v=j4QIm_KlsDA
17 https://www.youtube.com/watch?v=jDp3_2GLpUU
18 https://www.youtube.com/watch?v=KHWEKGALpZg
19 https://www.youtube.com/watch?v=arJOcfqkk9E
20 https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/pistorius-wir-muessen-kriegstuechtig-werden,Tu6Tlcz
21 https://www.zeit.de/politik/ausland/2023 – 08/ukraine‐ueberblick‐merz‐taurus‐piloten‐kollision
22 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/strack-zimmermann-druck-scholz-panzer-ukraine-russland-krieg-100.html
23 https://www.t‑online.de/nachrichten/ausland/id_92059200/anton-hofreiter-und-der-ukraine-krieg-was-denkt-er-sich-eigentlich-dabei-.html
Klaus Hartmann ist Präsident der Weltunion der Freidenker und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freidenker‐Verbandes, von dessen Website freidenker.org der Artikel übernommen wurde.
Bild: Unschlüssiger Hund in England, Geograph project collection, Wikimedia Commons | Chris McAuley (Ausschnitt)
Es ist eines doch völlig ausreichend für die Entlarvung – wenn jemand noch eigenes Denk‐ und Beurteilungsvermögen besitzt:
die völlige Synchronität zwischen »linker« Agenda und WEF‐Supermilliardärs‐Agenda zu Themen wie
_Migrationsförderung
_»Gesundheits«-Maßnahmen
_»Klima‐Gerechtigkeit«, Klima‐Wahn
_ Corona‐Wahn, Viren‐Wahn
_ Antirussland‐Haltung
_ bedingungslose Pro‐Ukraine‐Haltung (heute am abflauen, jetzt haben wir Israel im Haltungsfokus)
_ Globalismus /Weltregierungsbestreben
_ Digitalisierung
_ Gender /Familie /Geschlechter‐Rollen
_ deutsch‐europäische Religionen, Traditionen und Kulturen versus fremdländische Religionen und Kulturen
_ Besitz (zumindest der Besitz der Vielen)
_ Spiritualität
_ staatlicher undoder überstaatlicher Zwang
_ Ernährung
_ Energiefragen
…
Man suche nach den Überschneidungen und werde vielfach fündig. Meist fordern die »Linken« im Unterschied (um sich zu unterscheiden) zum WEF lautstark nur immer noch viel mehr von alledem …
»das ist die in Deutschland so geschätzte »Totalitarismus«-Doktrin (nicht eine »Totalitarismustheorie«, wie ihre Verkünder sie anpreisen, denn für eine Theorie mangelt es ihr an wissenschaftlicher Grundlage und Substanz).«
Das mag ja alles sein. Inwiefern sich links mit rechts rgendwo berührt oder nicht ist mir auch egal. Tatsache ist für mich, der ich mich von dem Domgatismus »linker« Marxisten berfreit habe, dass Totalitarismen das Denken vorschreiben wollen. Ob das nun einem Musolini folgend oder einem Marx folgend ist, is tmir egal.
Wer Denken vorschreiben will, wer der Welt ein Wahrheitsdenkraster überstülpen will, ist Totalitarist und will Menschen steuern, bequatschen, regeln, reglementieren, denksteuern, sprechsteuern.
Es tut mir Leid dass so viele eigentlich vernünftige Menschen einem Dogmatismus nachlaufen anstatt für Menschen‐ und Denkfreiheit zu stehen. Mir schient da viel Nostalgie mit Lagerfeuerromantik und hängen an einer liebgewordenen Lebenslüge dahinter zu stehen.
(Echte) Demokratie ist einzig Menschen‐würdig. Und gegen Demokratie sprechen Dogmatismen und festgelegte Denkschemata. Ob »rechts« oder »links«. Beides sind Zwangsmuster.