Huma­ni­tä­re Hil­fe für den Don­bass unter dem Damo­kles­schwert anti­ter­ro­ris­ti­scher Sonderjustiz

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Ich hei­ße Lia­ne Kilinc und bin Vor­sit­zen­de des Ver­eins »Frie­dens­brü­cke-Kriegs­op­fer­hil­fe e.V.« und wir hel­fen seit 2015 Men­schen im Don­bass in geleb­ter inter­na­tio­na­ler Soli­da­ri­tät. Unse­re Arbeit wird behin­dert durch aller­lei Schi­ka­nen und Ein­schüch­te­run­gen. So lan­de­te ich jüngst auf der Berüch­tig­ten Fein­des­lis­te ukrai­ni­scher Faschis­ten, die tat­säch­lich den Namen »Frie­dens­stif­ter« (ukr. Mirot­wo­rez) trägt. Das ist für die Nach­fol­ger Ban­de­ras offen­bar ein Schimpfwort.

Ich gebe frei her­aus zu: ich will Frie­den stif­ten und rede nicht nur dar­über, son­dern mache es auch. Des­we­gen wer­de ich bedroht und arbei­te und hal­te mich der­zeit in Russ­land auf, da dies in Deutsch­land nicht mehr mög­lich ist.

In die­sem Text will ich über den Para­gra­fen 129 aus dem Straf­ge­setz­buch der Bun­des­re­pu­blik berich­ten. Denn die­ser bedroht wie ein Damo­kles­schwert die huma­ni­tä­re Arbeit, die ich und mei­ne vie­len Mit­strei­ter für die von mehr als acht Jah­ren Krieg, Leid und Angst gezeich­ne­ten Men­schen des Donbass.

Der Para­graf 129 ist ein Relikt aus den Anti­ter­ror­ge­set­zen von 1977; der § 129 b ist die Erwei­te­rung auf als kri­mi­nell oder ter­ro­ris­tisch bestimm­te aus­län­di­sche Organisationen:

Die §§ 129 und 129a gel­ten auch für Ver­ei­ni­gun­gen im Aus­land. Bezieht sich die Tat auf eine Ver­ei­ni­gung außer­halb der Mit­glied­staa­ten der Euro­päi­schen Uni­on, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räum­li­chen Gel­tungs­be­reich die­ses Geset­zes aus­ge­üb­te Tätig­keit began­gen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deut­scher ist oder sich im Inland befin­det (StGB § 129b).

Sämt­li­che Para­gra­fen in die­sem Zusam­men­hang haben mas­si­ve Kon­se­quen­zen im gesam­ten Ver­lauf des Ver­fah­rens: im Fal­le von Durch­su­chun­gen kommt kei­ne nor­ma­le Poli­zei zum Ein­satz, son­dern das SEK. Auch kommt zu kei­ner Haft in einer nor­ma­len Haft­an­stalt, son­dern in einem Hoch­si­cher­heits­trakt. Besu­che wie Anwalts­kon­tak­te, unter­lie­gen zusätz­li­chen Beschrän­kun­gen. Eine Anwen­dung von 129 b ver­lässt, gewis­ser­ma­ßen den Rah­men der nor­ma­len Justiz.

Bereits 2015 war im Gespräch, den Para­gra­fen auf die Don­bass-Repu­bli­ken anzu­wen­den. Im Gespräch heißt in die­sem Fall, dass ein Pro­to­koll eines Außen­mi­nis­ter­tref­fens der EU, das der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Wolf­gang Gehr­ke ver­öf­fent­licht hat­te, erwähn­te, dass die Fra­ge der Auf­nah­me der Don­bass Repu­bli­ken in die Ter­ror­lis­te der EU bereits bei der zustän­di­gen Kom­mis­si­on läge. Aus bis­her unbe­kann­ten Grün­den geschah das den­noch nicht.

Im Novem­ber letz­ten Jah­res ver­ab­schie­de­te das EU-Par­la­ment einen Beschluss »zur Erken­nung der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on als Staats­spon­sor des Ter­ro­ris­mus« (TA‑9 – 2022 – 0405). Dar­in fin­det sich fol­gen­der Abschnitt:

6. For­dert den Rat auf, die Wag­ner-Grup­pe und das 141te Geson­der­te moto­ri­sier­te Regi­ment, auch bekannt als Kady­rovs, wie auch ande­re von Russ­land finan­zier­te bewaff­ne­te Grup­pen, Mili­zen und Stell­ver­tre­ter, wie jene, die auf den besetz­ten Gebie­ten der Ukrai­ne aktiv sind, in die Lis­te der EU von Per­so­nen, Grup­pen und Orga­ni­sa­tio­nen auf­zu­neh­men, die in ter­ro­ris­ti­sche Hand­lun­gen ver­wi­ckelt sind (EU-Ter­ror-Lis­te) …

Das EU-Par­la­ment for­dert also, die Mili­zen der Don­bass-Repu­bli­ken (die inzwi­schen Teil der rus­si­schen Streit­kräf­te sind) zu ter­ro­ris­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen zu erklä­ren. Zustän­dig für die Lis­te ist die Kom­mis­si­on CP31 beim Euro­päi­schen Rat.

Die­se Kom­mis­si­on trifft sich zwei­mal wöchent­lich. Im Fall, dass eine sol­che Lis­tung erfolgt, wür­de sich dies in Deutsch­land z.B. durch eine schlich­te Anwei­sung des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums bin­nen 24 Stun­den in gel­ten­des Recht umset­zen. Was dann bedeu­ten wür­de, dass bei­spiels­wei­se huma­ni­tä­re Hil­fe für den Don­bass als Unter­stüt­zung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung klas­si­fi­ziert wer­den könn­te, also mit mehr­jäh­ri­gen Haft­stra­fen unter Son­der­be­din­gun­gen belegt wäre. Zudem wäre es schwie­rig über ent­spre­chen­de Ereig­nis­se zu infor­mie­ren, weil sämt­li­che Sym­bo­le mit ver­bo­ten, wären.

Bis­her ist in Bezug auf die­se Lis­tung nichts gesche­hen. Aller­dings besteht die Vor­warn­zeit eben nur aus besag­ten 24 Stun­den, vor­aus­ge­setzt, über eine Lis­tung und die ent­spre­chen­de Anwei­sung des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums wür­de über­haupt berichtet.

Bild: Lia­ne Kilinc vor einem bela­de­nem LKW mit Hilfs­gü­tern für den Donbass

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