Stellungnahme zum »Manifest für Frieden«
Aktionen gegen Waffenlieferungen sind dringend notwendig und überfällig. Das sehen Hunderttausende in diesem Land auch so. Dem gibt das »Manifest für Frieden« von Sahra Wagenknecht (Die Linke) und Alice Schwarzer einen Ausdruck. Wir werden uns an den Demonstrationen beteiligen und die Anti‐NATO‐Position dort sichtbar und klar vertreten.
Die Angriffe von FAZ bis taz und von CDU bis zu den Grünen auf das »Manifest« zeigen den Militarismus und den Kriegswahn, der vor allem in Politik und Medien vorherrscht. Die öffentliche Diskussion in Deutschland duldet nicht einmal einen Aufruf gegen Waffenlieferungen.
Das »Manifest« und die Reaktionen darauf verdeutlichen den Bankrott der Linkspartei, die nicht in der Lage ist, Anti‐Kriegs‐Aktionen zu organisieren, weil sie selbst bereits weitgehend der NATO‐Linie folgt.
Auf der Grundlinie westlicher Propaganda
Das »Manifest« bleibt politisch auf der Grundlinie der westlichen Propaganda, auch wenn es sich gegen Waffenlieferungen wendet. Es sieht die Schuld für den Krieg bei der Russischen Föderation. Es verurteilt und dämonisiert Russland mit der Aussage: »Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität«.
Russland wird als brutaler Invasor beschrieben: »Über 200.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten wurden bisher getötet. Frauen wurden vergewaltigt, Kinder verängstigt, ein ganzes Volk traumatisiert. Wenn die Kämpfe so weitergehen, ist die Ukraine bald ein entvölkertes, zerstörtes Land.« Damit folgt der Aufruf der NATO‐Propaganda und blendet die NATO‐Aggression gegen Russland, den faschistischen Putsch in der Ukraine 2014 und den darauffolgenden Krieg gegen den Donbass völlig sowie die Aufrüstung der Ukraine, die Vorbereitung einer militärischen Aktion der ukrainischen Armee und viele weitere Punkte aus. Er übernimmt auch ohne jede Prüfung oder Vorbehalt die Behauptungen der westlichen Propaganda über russische Kriegsverbrechen.
Auch die mögliche weitere Eskalation wird Russland und persönlich dem Präsidenten der Russischen Föderation zugeschoben: »Es ist zu befürchten, dass Putin spätestens bei einem Angriff auf die Krim zu einem maximalen Gegenschlag ausholt. Geraten wir dann unaufhaltsam auf eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg? Es wäre nicht der erste große Krieg, der so begonnen hat. Aber es wäre vielleicht der letzte.« Es bleibt bei dem Bild, der Gefährliche sei Putin. Aber es ist seit Beginn die NATO, die zündelt, provoziert und den Krieg bereitet.
Das Bild, »die Ukraine« verteidige sich zurecht und auch die westliche Unterstützung sei nicht grundsätzlich falsch, wird bestätigt: »Die Ukraine kann zwar – unterstützt durch den Westen – einzelne Schlachten gewinnen.« Aber der Krieg gegen eine Atommacht könne nicht gewonnen werden, es gäbe ein Patt. Wäre es also gut und richtig, wenn der Krieg zu gewinnen wäre? Ist das Problem also nicht, dass die NATO Krieg führt, sondern nur, dass sie ihn nicht gewinnen kann?
Die Brandstifter zur Feuerwehr machen
Der Unterschied, den das »Manifest« gegenüber der Regierungspropaganda macht, ist, dass seine Unterzeichner einen militärischen Sieg gegen die Atommacht Russland für unmöglich halten. Deshalb müsse jetzt verhandelt werden. »Auf beiden Seiten« müssten Kompromisse gemacht werden. Der Aufruf wendet sich an die Bundesregierung, die statt Waffen zu liefern, eine Allianz für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen bilden müsse.
Der Aufruf fordert damit die deutschen Kriegstreiber und diejenigen in diesem Land, die diesen Krieg mit herbeigeführt haben, dazu auf, Verhandlungspartei zu sein. Damit wird suggeriert, die Bundesrepublik und die anderen NATO‐Staaten könnten vertrauenswürdige Verhandlungspartner sein. Man macht den Bock zum Gärtner beziehungsweise die Brandstifter zur Feuerwehr.
Diejenigen, die den Putsch von 2014 organisiert haben, die Faschistenfreunde, die Bombardierer des Donbass, diejenigen, die Selensky dazu ermunterten, in München das Budapester Memorandum zu kündigen, diejenigen, die stets alle Vertragsvorschläge Russlands abgelehnt haben, sollen nun eine »Friedensallianz« sein können? Diejenigen, die den völkerrechtlich verbindlichen Vertrag von Minsk nur dazu genutzt haben, um Zeit für die Aufrüstung der Ukraine gegen Russland zu nutzen, sollen nun vertrauenswürdige Verhandlungspartner sein?
Das Manifest plädiert außerdem dafür, eine von den USA eigenständigere Außenpolitik zu machen, um den Frieden zu erreichen. Richtig ist, dass die USA die größten Kriegstreiber sind und Druck auf Deutschland ausüben – siehe die Sprengung der Nord‐Stream‐Pipelines. Aber der deutsche Imperialismus ist keineswegs Opfer. Er kalkuliert damit, die Situation zu nutzen, um selbst an Macht und militärischer Stärke zu gewinnen, dafür die 100 Milliarden‐Pakete. Die Illusion, dass man unsere deutschen Kriegstreiber zum Engagement zum Frieden auffordern könne, ist ein Problem, denn sie rüsten zum Krieg gegen Russland.
Indem der Aufruf selbst die Position teilt, dass Russland der Aggressor sei und der Westen jetzt Friedensverhandler sein könne, rechtfertigt er die NATO und ihre »Unterstützung« für die Ukraine. So bleibt es eine handzahme Opposition, die letztlich in die Irre führt, weil sie den Gegner nicht angreift, sondern ihn lediglich zum »vernünftigeren Handeln« aufruft. So wird man den Krieg gegen Russland nicht stoppen können.
Lähmung der Friedensbewegung
Bei aller Ablehnung der Waffenlieferungen wird die NATO grundsätzlich legitimiert. Damit werden auch alle Kräfte der Friedensbewegung, die eine klare Anti‐NATO‐Position vertreten, geschwächt und die Spaltung der Friedensbewegung vorangetrieben. Damit wird (erneut) eine Friedensbewegung geschaffen, die auf grundsätzlicher Linie nicht klar gegen die Kriegstreiber aufsteht. Es ist ein Ausdruck der Lähmung der Friedensbewegung, die sich schon bei den letzten Kriegen (Libyen, Syrien) nicht klar gegen den Westen gestellt hat.
Das »Manifest« drückt auch die Haltung aus, hier, in Europa, keinen Krieg haben zu wollen und deshalb doch nun auch einmal zu verhandeln. Die Kriege, die die NATO‐Staaten in vielen Ländern der Welt geführt haben und führen, sind kein Thema, und auch nicht die NATO‐Aggression gegen Russland. Es ist eine Absage an internationale Solidarität gegen die NATO‐Kriegstreiber.
Die Wirkung, die der Aufruf entfaltet ist, dass eine diffuse Angst vor einem großen oder Atomkrieg vor allem durch Russland ausgelöst würde. Die NATO‐Propaganda behauptet, Russland würde mit der Atomkriegs‐Angst spielen, um seine Interessen in der Ukraine zu erpressen. Das ist eine Lüge. Es sind die NATO‐Staaten, die die Eskalation vorantreiben und vor nichts, auch der Provokation eines russischen Atomschlags, nicht zurückschrecken. Sie lösen bei vielen Menschen zurecht Angst aus und versuchen es aber auf Putin abzuschieben. So ist auch hier das Problem, dass man nicht benennt, dass es die NATO ist, die einen dritten Weltkrieg anzettelt.
Querfront‐Vorwurf
Wagenknecht und Schwarzer wird von Medien und anderen NATO‐Propagandisten der Vorwurf gemacht, sie würden eine »Querfront« mit Rechten bilden. Das ist ein übliches Mittel, um die Friedensbewegung und andere zu diffamieren und gesellschaftlich zu isolieren.
Dass auch konservative Kräfte, wie Gauweiler (CSU) den Aufruf unterstützen, liegt an der eingeschränkten Position des Aufrufs, die den Westen schont. Der Querfront‐Vorwurf wird meistens von Kräften erhoben, die selbst ganz offen in einer Front sind: der NATO‐Front. Diese gilt mittlerweile als woke und »links«, sie ist aber reaktionär und militaristisch. Sie ist die wirkungsmächtige und mit Repression vorgehende, und daher die im Moment gefährlichste Querfront. Antifaschisten und Antimilitaristen müssen diese Querfront offensiv bekämpfen!
Auch Schwarzer selbst ist kritisch zu sehen: Zwar hat sie sich in der Vergangenheit kritisch gegenüber den westlichen Kriegen gegen Jugoslawien, Irak, Afghanistan und Libyen geäußert. Als Gallionsfigur des feministisch verbrämten antimuslimischen Rassismus jedoch hat sie mit ihrer islamfeindlichen Hetze nicht zuletzt die imperialistischen Aggressionen im Nahen Osten, in Nordafrika und in Afghanistan ideologisch den Weg mit bereitet.
Dass die AfD sich als Friedenskraft darstellt, ist verlogen. Sie ist eine NATO‐Partei und eine Partei der Aufrüstung und Kriegsführung, sie ist für das 100‐Milliarden‐Aufrüstungs‐Paket und will noch mehr Aufrüstung. Sie will mehr deutsche Optionen und die Durchsetzung »deutscher Interessen«, also die der Monopolkonzerne weltweit. Ihre Forderungen nach Verhandlungen mit Russland sind nicht zu trauen. Sie fordert »Friedensverhandlungen«, allerdings auf der Grundlage des Rückzugs der Russischen Föderation und mit Umwandlung der Ostukraine in UN‐Mandatsgebiete. De facto sind diese Vorschläge ein Sieg der NATO. Man muss rechte Kräfte als das entlarven, was sie sind – Kriegstreiber mit anderen Optionen und Demagogen, die die Ablehnung des Kriegs auf ihre und damit für die Herrschenden ungefährliche Bahnen lenken sollen.
Verhandlungen – Aber mit welchem Ziel?
Die Forderung nach Verhandlungen wird oft als Alternative zu der Position der Waffenlieferungen betrachtet, und das kann auch der Fall sein. Allerdings kommt es darauf an, welche »Vorbedingungen« gefordert werden und welches Ziel die Verhandlungen haben sollen. Wenn die »Vorbedingung« der Abzug der russischen Truppen ist, sind es natürlich keine Verhandlungen, die gefordert werden, sondern der »Siegfrieden« der NATO. Wem nutzen welche Verhandlungen mit welchem Ziel – diese Frage muss beantwortet werden, bevor Verhandlungen gefordert oder begrüßt werden. Verhandlungen, die zur Folge haben, dass die Ukraine ein Rammbock der NATO bleibt, dass sie ein faschistisches Regime bleibt, das Hort von Krieg und Provokation im Dienste des Westens ist, sind abzulehnen. Ein solcher Sieg oder Zwischensieg der NATO wäre eine Katastrophe für ganz Europa und die ganze Welt.
Kern der Forderung ist, aus »vernünftiger Überlegung« heraus dem »Aggressor Putin« nachzugeben, um nicht alles noch schlimmer zu machen. Auf dieser Grundlage haben Hetzer wie Strack‐Zimmermann und Co. die völlige Berechtigung, immer weiter zu eskalieren und können sich als authentische, konsequente »Kämpfer gegen Putins Aggression« inszenieren. Während die Position Wagenknechts sich vorwerfen lassen muss, kompromisslerisch auf Kosten der Ukraine ein Eingeständnis zu machen. Eine Diskussion, die wohl gerade noch erlaubt zu sein scheint im deutschen Meinungskorridor, aber die völlig an der Realität vorbei geht und vor allem die wirklichen Hintergründe des Krieges ignoriert und daher auch keine realistische Lösung darstellt. Deswegen kann der Krieg so nicht gestoppt werden. Uns bleibt nichts übrig, als Wege zu finden, wie wir unsere Regierung und ihren Kriegskurs stoppen können und das in voller Konsequenz, also auch ihre Propaganda zu bekämpfen. Das ist die Aufgabe der Friedensbewegung.
Der einzige Weg zum Frieden
Die NATO ist der Aggressor und der Kriegstreiber. Wenn es sie in der Ukraine nicht geben würde, gäbe es keinen Krieg. Der einzige Weg zum Frieden ist deshalb: NATO raus aus der Ukraine!
Die Forderung nach dem Stopp aller Waffenlieferungen ist richtig und wichtig. Wir werden uns an den Demonstrationen beteiligen und die Anti‐NATO‐Position dort sichtbar und klar vertreten.
Wir gehen davon aus, dass es nicht nur sehr viele Menschen sind, die gegen Waffenlieferungen sind, sondern dass es auch nicht wenige sind, die erkennen, dass es die NATO ist, die für den Krieg verantwortlich ist. Diese Stimme muss lauter werden!
NATO raus aus der Ukraine!
Stoppt den Krieg gegen Russland!
Deutschland raus aus der NATO!
Kampf dem Faschismus, der durch die NATO aufgebaut wird!
Zuerst erschienen bei der Kommunistischen Organisation: http://www.kommunistische-organisation.de (hier als PDF)
Bild: Logo der Kommunistischen Organisation
Alles in allem teile ich dieses Position.
In Bezug auf die AfD scheint mir mehr Differenzierung nötig. Und zwar zwischen der Gesamtpartei, ihrer Führung, ihrem rechten Flügel und einer Anzahl einfacher, ehrlich friedensorientierter (nationaldemokratischer?) Mitglieder.