MagMa veröffentlicht hier die Erklärung des Genossen Bernhard Klevenz angesicht eines zutiefst absurden, skandalösen wie alarmierenden Urteils. Das Vortragen folgender Erklärung wurde ihm vom Gericht verweigert. Deshalb und angesichts der Tragweite für alle aufrechten Antifaschisten sei die Erklärung des Genossen hier für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer Berhard Klevenz unterstützen will, kann sich gerne bei ihm melden: bklevenz@t‑online.de. Als Ergänzung sei die Dokumentation des Prozesses als PDF empfohlen, die auf der noch nicht gesperrten Website von Bernhard Klevenz gefunden werden kann: https://undemokrat.4lima.de/Volksverhetzung.pdf
Erklärung zu der Verhandlung am 01.03.22
Sachverhalt:
Ich betreibe seit ungefähr 1999 eine Homepage unter der ursprünglichen Adresse www.bklevenz.de zu historischen und politischen Fragen. Ich schreibe in erster Linie eigene Texte, die ich je nach meinen Kenntnissen und Einsichten überarbeite. In diesem Rahmen veröffentliche ich auch historische Dokumente, die ich einscanne, mit einer Software bearbeite und eventuell Namens‐ und Sachregister hinzufüge, um das Dokument durchsuchbar zu machen. Hierzu gehörte auch das Buch Mein Kampf von Adolf Hitler. Da es hier um Volksverhetzung gehen soll, zähle ich meine Aufsätze auf, soweit sie hierfür in Betracht kommen.
Übersicht über meine politischen Aufsätze:
- »Der Fleiß der andern. Eine Definition von Arbeit und Produktivität«. Diese Schrift habe ich auch drucken lassen und u. a. an meinem früheren Arbeitsplatz verteilt
- »Auf unsere Kosten? Lohnfortzahlung bei Arbeitslosigkeit oder Abschaffung des Sozialstaats« zur Problematik des bedingungslosen Grundeinkommens.
- » ›Aus dem Funken wird die Flamme schlagen‹. Zur Erinnerung an den niederländischen Revolutionär Marinus van der Lubbe …«
Hierzu habe ich als Material eingestellt: - »Braunbuch Reichstagsbrand und Faschismus« (1933) von der KPD
- »Rotbuch Marinus van der Lubbe«, herausgegeben von dem »Internationalen Van‐der‐Lubbe‐Komitee« (1933)
- In »Wie oft wird Hitler noch besiegt?« (2012) kritisiere ich die Ritualisierung und Moralisierung des organisierten Antifaschismus. (Inzwischen ist das schon überholt.)
- »Zuwanderung als Projekt des Kapitals« (2015)
- Bei »Popanz.pdf« handelt es sich um eine kommentierte Ausgabe von Mein Kampf von Adolf Hitler, Ausgabe 1943. (Die genaue Angabe ist notwendig, weil Mein Kampf zwischen 1926 und 1943 ständig bearbeitet wurde. Die Ausgabe von 1943 habe ich verwendet, weil sie mir am leichtesten zugänglich war; es ist die im Internet häufigste Version.) Dem vollständigen Text von Mein Kampf werden die Aussagen von Zeitgenossen über die Person Hitlers und seinen Aufbau zum »charismatischen Führer»gegenübergestellt.
- »Maskenball. Die Demokratie entfaltet sich zur Kenntlichkeit: Sozialabbau und Kriegsvorbereitungen unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung.« (2020)
Im September 2020 wurde Strafanzeige gegen mich wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB erstattet. (As. 3 – 4) Allerdings nicht nur wegen »Popanz.pdf«, sondern wegen meines Aufsatzes »Zuwanderung als Projekt des Kapitals«. Dies sei ein rassistischer Text. Eine Staatsanwältin namens Rüling fand in diesem Aufsatz leider nichts Strafbares, schlug aber vor, sich immerhin mit »Popanz.pdf« zu befassen. (As. 9)
Mir wurde ein Strafbefehl in Höhe von 1500 Euro (50 Tagessätze) wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) zuteil, wogegen ich Einspruch einlegte. Ich erhielt, Corona sei Dank, auf Antrag nahezu die vollständigen Ermittlungsakten zugeschickt (normalerweise darf man diese als Nichtjurist nur einsehen) (As 137). Ich beziehe mich ausschließlich auf diese Akten.
Im Juni 2021 fand die Verhandlung statt. Im Alter neigt man zu Friedfertigkeit und Kompromissbereitschaft; deshalb, und aufgrund der besonderen Umstände (Maskenpflicht1, meiner Schwerhörigkeit2, und natürlich mangelnder Prozesserfahrung) widersprach ich, entgegen meinem ursprünglichen Antrag, der Absicht des Gerichts nicht, den Einspruch auf die Höhe der Strafe zu beschränken, das heißt nicht inhaltlich zu widersprechen.
Die Strafe wurde aus sozialen Gründen auf 750 Euro herabgesetzt, und ich sollte den Volltext von Mein Kampf von meiner Homepage löschen, mindestens Kapitel 11 herausnehmen. Nach reiflicher Überlegung tat ich das nicht.3 Weil ich Popanz.pdf nicht von meiner Webseite nahm, wurde www.bklevenz.de auf Betreiben des Gerichts von der Telekom gelöscht. Zwei Tage nach Verkündung des Urteils legte ich Berufung ein. Da mir klar wurde, dass aufgrund meines obigen Fehlers eine Berufung keinen Erfolg haben würde, zog ich sie zurück, lud meine Webseite bei drei andern Hostern hoch und zeigte mich selbst an.
Die Gründe will ich darlegen.
1. Das Amtsgericht Bruchsal unterstellt mir weder Rassismus im allgemeinen noch dass ich mir die Ideologie Adolf Hitlers zu eigen mache oder sie propagiere. Die Volksverhetzung soll schon im »Zur‐Verfügung‐Stellen« des Textes bestehen, obwohl der Text bereits seit Jahren vom Institut für Zeitgeschichte in aller Ausführlichkeit zur Verfügung gestellt wird, und im Buchhandel oder über Amazon für 59 Euro erstanden werden kann. Im Internet ist er kostenlos auf Wikisource und natürlich (mehrfach) auf archive.net (USA) erhältlich.
2. Das Buch ist ein Symbol, wie das Hakenkreuz oder die SS‐Rune. Der eigentliche Grund dieses Verfahrens ist jedoch gerade, dass sich Popanz.pdf und natürlich meine Homepage von einer Hakenkreuzschmiererei wesentlich unterscheidet.
3. Das Gericht hängt der Vorstellung an (beziehungsweise gibt vor, dieser Vorstellung anzuhängen), dass jede Veröffentlichung von Mein Kampf per se schon geeignet ist, den »öffentlichen Frieden« zu stören: »(Dem Angeklagten) war zudem bewusst, dass es durch die Veröffentlichung auf seiner Homepage zu einer unkontrollierbaren Verbreitung kommen kann.« (Urteil 3CS 520 Js 38593/20 )
Überhaupt nicht beachtet wurden die Äußerungen des Direktors der Forschungstelle für Zeitgeschichte Hamburg, Axel Schildt, zum tatsächlichen Einfluss von Mein Kampf auf den aktuellen Rechtsradikalismus (Ermittlungsakten As 59 – 69).
4. Die Vorstellung, jemand könnte Mein Kampf lesen, und dann, von den Worten Adolf Hitlers beseelt, die NSDAP wiederbeleben, wie das Gericht glaubt (oder zu glauben vorgibt), reizt zum Lachen. Nicht, weil die Sprache des Buches schwierig und »verkorkst« (Schölermann, NDR‐Info, As 66) ist – das ist sie nicht –, oder weil Neonazis Schwierigkeiten mit zusammenhängenden Texten haben, sondern einfach, weil es historisch erledigt ist.
5. Mein Kampf ist weder besonders »ekelerregend zu lesen« (Axel Schildt, As 67) noch ein »Drecksbuch« (Richterin Hintermayer mit spürbar gekünstelter Entrüstung), sondern schlicht eine Quelle. Der Antisemitismus in Mein Kampf unterscheidet sich nicht von dem, was in völkischen und nationalistischen Kreisen damals üblich war.
Ich hatte als Gedächtnisstütze und zur Illustration die historisch‐kritische Ausgabe von Mein Kampf des Instituts für Zeitgeschichte mitgebracht. (5000 Seiten, 5 kg Gewicht) Die Vorsitzende fragte, offenbar um in dem Übeltäter Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns zu erwecken: »Wieviele Seiten hat diese Ausgabe und wieviele Seiten hat ihr Werk (621 S.)? Sehen Sie, die distanzieren sich auch auf jeder Seite, und Sie nicht!«
Das machte mich vorübergehend sprachlos:Eine historisch‐kritische Ausgabe verzeichnet, ausgehend vom ursprünglichen Text der Erstausgabe, neben Quellen und Vorarbeiten sämtliche Änderungen in späteren Auflagen. Und gerade Mein Kampf wurde zwischen 1926 und 1943 immer wieder je nach politischer Opportunität überarbeitet. Deshalb waren damit auch vier Professoren befasst, Studenten und Assistenten nicht mitgerechnet. Daraus resultieren die 5000 Seiten, und nicht aus dem, was die Richterin unter »kritischer Auseinandersetzung« verstehen mag. Konforme Entrüstung mag sich auch darin finden, doch ist das nicht der Sinn einer solchen Unternehmung.
6. Meine Kommentierung im Umfang von 59 Kb, etwa 20 Druckseiten ohne Formatierung, ist für das Gericht unerheblich, obwohl sie sich keineswegs »größtenfalls4 nur mit biographischen Hinweisen« (Urteil 3CS 520 Js 38593/20) beschäftigt und auch die zahlreichen biographischen Hinweise meinem Ansatz geschuldet sind.
Die Sozialadäquanzklausel des § 130, 2, 7, §86 Abs. 3 StGB greift vorliegend nicht. Diese würde nur bei einer ernsthaft kritischen Auseinandersetzung mit den Inhalten des Buches eingreifen können. Daran fehlt es jedoch gänzlich. Eine Kommentierung des Buches ›Mein Kampf‹ ohne kritisch inhaltliche Auseinandersetzung mit der darin beschriebenen Rassenideologie kann nicht als ernsthaft kritische Kommentierung angesehen werden. (Verfügung Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Röber, As 113)
Die Sozialadäquanzklausel des §86 Abs. 3 StGB soll die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bei Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Verbots seiner Symbole ermöglichen. Sie ist der Ausgangspunkt eines Rattenkönigs5 richterlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen, mit denen ich mich nicht befassen muss.
Ich bestreite aber, dass der Staatsanwalt Röber überhaupt kompetent ist, zu beurteilen, was eine »ernsthaft kritische Auseinandersetzung« ist, oder ab wann eine Auseinandersetzung »ernsthaft kritisch»ist.
7. Das »Porträt Adolf Hitlers in heroisierender Form« soll im Original‐Cover des Buches Mein Kampf (1926) bestehen. Ich habe es aus Wikipedia, es steht aber zum Beispiel auch auf der Homepage des Instituts für Zeitgeschichte, und überall, wo es halt um dieses Buch geht. (Ich habe es inzwischen ersetzt durch eine Fotografie aus der Reihe »Das historische Bild« von t‑online.de . Offenbar hält das Gericht diese Fotografie für weniger heroisierend.)
8. Es gibt keine Organisation, deren Kennzeichen das Bild von Adolf Hitler ist. Das Bildnis von Adolf Hitler war nicht einmal Kennzeichen der historischen NSDAP.
9. »Die Beeinflussung des gesellschaftlichen Klimas« (Anklageschrift und Urteil) ist mir unbestritten ebenso ein Anliegen wie jedem andern, der sich mit politischen Themen befasst. Deshalb verbreite ich auch meine Schrift »Maskenball: Die Demokratie entfaltet sich zur Kenntlichkeit. Sozialabbau und Kriegsvorbereitungen unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung«, wo immer es möglich ist.
»Politischer Klimaschutz« wäre vielleicht ein neues schickes Wording für Zensur.
10. Das Gericht ignoriert auch wohlweislich den tatsächlichen Inhalt der Homepage, in die »Popanz.pdf« eingebunden ist.
Meine Ansichten stehen auf meiner Homepage, und man kann mich jederzeit danach fragen. Aber darum geht es dem Gericht auch gar nicht.
Der moderne Faschismus braucht kein Hakenkreuz
Demokratie und Faschismus sind kein Gegensatz, sondern zwei Seiten derselben Medaille, Formen bürgerlicher Herrschaft. Faschismus ist die Demokratie in der Krise. Wir haben, wie am Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, eine unlösbare Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit, aus der wir nur durch einen Krieg herauskommen können, Verelendung und dem Zerfall von Sozialstrukturen6. Da braucht es »Führung«.
Es liegt daher nahe, sich damit zu befassen, wie und von welchen Kreisen ein zukünftiger charismatischer Führer aufgebaut wird, und welche persönlichen Qualifikationen der zukünftige Held der Freien Welt mitbringen sollte. (Daher habe ich die Datei auch »Popanz.pdf« genannt.) Adolf Hitler ist ein produktives Beispiel. In dieser Hinsicht ist mein Kommentar keineswegs überflüssig. Ich bin auch garantiert nicht der einzige, der sich solche Gedanken macht.
Nach dem II. Weltkrieg wurde die erste Garnitur der Nazis sozusagen anstandshalber hingerichtet. Es waren die Nazis aus der zweiten Reihe, die die Bundesrepublik Deutschland aufbauten.
Tatsächlich war es eine Gemeinschaft der Lebensläufe, der Anschauungen und der Kultur, die nach 1949 die Grundlagen von Wirtschaft, Staat und Armee ›wiederaufgebaut‹ (Hervorhebung im Original. B.K.) hatte. Die Führungskräfte der Nachkriegszeit hatten sich alle im Dritten Reich ihre ersten Sporen verdient, und viele von ihnen waren aus dem Sicherheitsdienst der SS7 hervorgegangen. (Johann Chapoutot, Gehorsam macht frei. Eine kurze Geschichte des Managements – von Hitler bis heute. Propyläen, 2021, S.128)
Hinsichtlich der personellen Kontinuität ist das nichts Neues. Es war schon Gegenstand (zum Beispiel) eines Buches von Bernt Engelmann Ende der siebziger Jahre: Wie wir wurden, was wir sind. Chapoutot zeigt aber am Beispiel des SS‐Oberführers8 Prof. Dr. Reinhard Höhn, des späteren Leiters der »Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, Bad Harzburg9»auch die ideologische Kontinuität auf.
Nach 1990 übernahm die BRD in zunehmendem Maße »Verantwortung für die Welt«, wie das Wording lautet. Im Bündnis mit den »europäischen Partnern»und den USA führte die BRD in den neunziger Jahren die Aufteilung Jugoslawiens durch mit Tausenden von Toten, im Bündnis hetzt sie heute die Ukraine zum Krieg gegen Russland, im Bündnis führt sie Kriege um die Aufteilung der Welt in Afghanistan, Mali, Syrien und an vielen andern Orten. Die EU könnte man als Verwirklichung der bereits von den Nazis geplanten »europäischen Großraumwirtschaft« sehen.
Um mit ihrer imperialistischen Politik Erfolg zu haben, muss die BRD, je gewalttätiger sie nach außen und innen auftritt, stets nachweisen, dass sie mit dem Naziregime nichts zu tun hat. Deshalb muss zum Beispiel die Bundeswehr so tun, als sei sie etwas ganz anderes als Hitlers Wehrmacht, in deren Fußstapfen sie steht, und als gebe es sie erst seit 1956 oder, bessser noch, seit 1990. Das macht die Traditionspflege schwieriger als bei den »Bündnispartnern« …
Deshalb wird der »Kampf gegen den Rechtsextremismus« geführt, obwohl und gerade weil die letzten echten Nazis schon lange tot sind. Dem »Kampf gegen Rechts« fallen alle möglichen kuriosen Gestalten zum Opfer, nur nicht die wirklichen Rechten und Faschisten: die Machthaber in Staat und Gesellschaft der BRD.
Der imperialistischen Politik nach außen entspricht die Politik der Sozialkürzungen und der Kriegsvorbereitung nach innen. Die Corona‐Krise hat mich in meinen Auffassungen bestätigt. Unter dem Vorwand der Bekämpfung einer Pandemie wird die medizinische Versorgung der Bevölkerung direkt (Einstellung von Vorsorgeuntersuchungen, Verschieben von Operationen) und indirekt (wenn der Arztbesuch vierzehn Tage Quarantäne für die ganze Familie und anschließend den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben kann, lässt man sich nicht so schnell krankschreiben) eingeschränkt.
Als äußeres Zeichen der »Neuen Normalität« dienen nachempfundene medizinische Gesichtsmasken. Pläne für Quarantänelager zunächst für Maskenverweigerer, dann für Impfgegner werden erstellt. Die Volksgesundheit wird immer offensichtlicher zum Vorwand für den Ausschluss eines Teils der Bevölkerung aus dem gesellschaftlichen Leben und dem Gesundheitswesen, »um das Gesundheitssystem finanzierbar zu halten.« (Welchen Teil und wieviele unterliegt selbstverständlich noch der »demokratischen Debatte«. Und Corona ist erst der Anfang, ein Versuchsballon, wenn man so will.) Die Rolle des Antisemitismus übernimmt heute eine völlig irrationale Virusangst.
Ich würde es jetzt jedem politisch empfehlen: Klare Kante, klare Richtung. Impfgegner müssen fühlbar Nachteile haben. Und im Grunde, in gewisser Weise, kann man sich nicht länger mit denen beschäftigen. Das ist so. Die kann man nicht nach Madagaskar verfrachten.10 Was soll man machen? (Prof. Heinz Bude, im News Podcast von Gabor Steingart, 7.12.2021)
Heinz Bude ist nicht nur Soziologieprofessor, sondern Mitverfasser des sogenannten Panikpapiers von 2020. (»Wie wir CoViD‐19 unter Kontrolle bekommen«, Szenenpapier des Bundesinnenministeriums) Der weiß, was er sagt, wenn er auf »Madagaskar»anspielt und in welche Tradition er die »Corona‐Maßnahmen« stellt.
Der soziale Ausschluss, dem die Enteignung und Ermordung der Juden wie die der Polen und Russen, die Tötung nicht verwertbarer Menschen (T4) und die Zwangsarbeit der Völker Europas in einer sich immer steigernden Spirale folgte, war kein Ausbruch von Irrationalität. Oder vielmehr, die Irrationalität (zum Beispiel) des Antisemitismus hatte im Dritten Reich den klaren Zweck, Einnahmen zu generieren und Ausgaben zu minimieren, ohne die Steuern zu erhöhen. Die Versorgung und damit die Loyalität der Bevölkerungsmehrheit wurde dadurch sichergestellt. (Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Fischer Verlag 2005)
Jene Maßnahmengegner, die heute mit einem Judenstern und der Aufschrift »Ungeimpft« demonstrieren, verharmlosen keineswegs den Nationalsozialismus. Sie kennzeichnen vielmehr korrekt den präfaschistischen Charakter der Bundesrepublik Deutschland. Es ist ein Fehler, wenn sich manche demokratische »Querdenker« von denen distanzieren.
Das Verbot der Symbole eines historisch längst erledigten Nationalsozialismus dient heute dazu, eine moderne Form des Faschismus, die offen terroristische Diktatur über die Lohnabhängigen, zu rechtfertigen. Die Geschichte wiederholt sich auch hier als Komödie: Die willfährigen Richter von heute stecken sich nicht mehr das Abzeichen des »NS‐Rechtswahrerbunds« an den Kittel, sondern binden sich zum Zeichen ihrer Loyalität einen Lappen vors Maul.
Es ist daher richtig, dieses Verbot zu missachten, und keine Volksverhetzung. Ich distanziere mich auch nicht von Hitlers Rassismus, weil es Ihre und Ihresgleichen Verbrechen sind, nicht meine. Die Träger des modernen, tatsächlich drohenden Faschismus sind nicht irgendwelche Hitlerverehrer, »Reichsbürger«, Militärstiefelfetischisten und proletarische Freizeitrambos, die man uns in den Medien als Neonazis oder »Rechte»serviert. Der Faschismus kommt von oben. Die modernen Faschisten, das sind die demokratischen Parteien, die den Bundestag beherrschen, in ihrer Gesamtheit.
Mit 68 Jahren bin ich nicht mehr in der Lage, »die Fragen unserer gesellschaftlichen Ordnung mit Steinwürfen auf der Straße zu diskutieren (Jérôme Blanqui, Brief an Proudhon11 ).«
Aber ich kann Menschen überzeugen, wenn ich von einer Sache überzeugt bin.
Und ich kann sitzen.
Meiner Verurteilung sehe ich daher gelassen entgegen.
Bernhard Klevenz
Ich bitte das Gericht, der Person, welche mich angezeigt hat, diese Einlassung zu übermitteln.
Der weitere Verlauf
Die Richterin Nowak ließ mich diese Erklärung nicht verlesen. Der »Anspruch auf rechtliches Gehör« (Art. 101 GG) gilt für Politische nicht. Ich sagte, dass ich außer dieser Erklärung nichts von mir geben würde. Ich durfte dann einzelne Sätze und den Schluss vorlesen. Ich übergab diese Erklärung sowie meine Schrift »Maskenball: Die Demokratie entfaltet sich zur Kenntlichkeit …« dem Gericht und der »Öffentlichkeit«, welche aus einem jungen Mann ganz hinten im Saal bestand. Ich setzte danach meine Maske ab und wurde von der Verhandlung ausgeschlossen. Ich trug dieselbe Maske mit Löchern wie bei der ersten Verhandlung. Was ich also über die Rechtsbeugung durch die Richterin Hintermayer geschrieben habe, gilt also genauso für die Richterin Nowak. Vierzehn Tage später erhielt ich dann mein Urteil. Sechs Monate auf Bewährung. Bewährungsauflage war die Zahlung von 1500 Euro, gegen die ich (selbst wenn ich zahlungswilllig wäre) notwendigerweise verstoßen muss. Die Frist ist am 15. Januar ausgelaufen. Weitere Verhandlungen werden nicht stattfinden.
Verweise
1 Es wurde beantragt, die Maskenpflicht in der Sitzung nach § 176 GVG aufzuheben. Die Vorsitzende lehnte diesen
Antrag unter Berufung auf ihre »Sitzungspolizei« ab.
Ich stelle fest:
1. Die Richterin Hintermayer berief sich auf die ihr vom GVG verliehene Sitzungspolizei, um eine andere Vorschrift des GVG außer Kraft zu setzen. Eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der Prozessbeteiligten, die eine solche Maßnahme rechtfertigen könnte, hat nie existiert, und existiert bis heute nicht. Wenn das nicht Rechtsbeugung ist, was ist es dann?
2. Die Richterin glaubte natürlich selbst nicht an eine solche Gefahr: Der Angeklagte trug, für alle Prozessbeteiligten erkennbar, eine FFP2‐Maske mit eingestanzten Löchern, die den angeblichen Zweck der Maßnahme ad absurdum führte. Hätte die Richterin tatsächlich an eine Gesundheitsgefahr geglaubt, hätte sie den Angeklagten ausge‐schlossen oder das Verfahren vertagt.
2 Das hat sich inzwischen erledigt. Nicht aufgrund einer Wunderheilung, sondern weil ich weiß, was das Gericht sagen wird, und weil ich es sowieso im Namen des Volkes zugeschickt kriege. Es gibt nichts Hörenswertes vor Gericht.
3 Es handelt sich hier nicht um ein beliebiges Delikt wie »Trunkenheit am Steuer«, wo man sich mit einer milden Strafe zufrieden geben kann, sondern um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Die Corona‐Maßnahmen haben mich natürlich darin bestärkt.
4 Soll heißen »größtenteils und höchstenfalls«, wenn ich die Vorsitzende richtig interpretiert habe.
5 Als Rattenkönig bezeichnet man nach Wikipedia eine Rattenkolonie, deren Mitglieder, in Schmutz und Enge le‐bend, an den Schwänzen miteinander unauflöslich verknotet und verklebt sind. Rattenkönige sind nicht bewegungs‐ und lebensfähig; sie werden aber von anderen Ratten gefüttert. Ich will die deutsche Justiz nicht unötig beleidigen, deshalb spare ich mir eine Bemerkung, die mir auf der Zunge liegt.
6 »Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich«, hat einer mal gesagt.
Im Vergleich zum Vorabend des II. Weltkriegs ist der gesellschaftliche Verfall weiter fortgeschritten; siehe »Zuwanderung als Projekt des Kapitals« und »Der Fleiß der andern«.
7 Mit vollem Namen »Sicherheitsdienst des Reichsführers SS«: Geheimdienst der SS, neben der und in Konkurrenz zur »Abwehr« der Wehrmacht.
8 Oberführer: Höchster Stabsoffiziersrang der SS.
9 An diesem Institut wurden bis in die siebziger Jahre sowohl das Management von Aldi wie die Offiziere der Bundeswehr ausgebildet.
10 Die Nazis planten eine Zeit lang, die Juden nach Madagaskar zu deportieren.
11 Zitiert bei P. J. Proudhon, Was ist das Eigentum?, zitiert nach »Der Fleiß der andern«, siehe meine Homepage undemokrat.4lima.de
Bild: Karikatur »Die kleine Dame Justiz ist das gehorsame Schoßkind ihres kapitalistischen Papas, aus Wen meenten Sie denn? Proletarische Witze und Karikaturen 1919 – 1933, Dietz Verlag Berlin im August 1989
Wir haben den demokratischen Sektor verlassen. Obwohl die Menschrechtskonvention des Europarats offiziell nicht außer Kraft gesetzt ist, wird nur noch oberflächlich Demokratie gespielt. Dahinter herrscht die Diktatur des internationalen Finanzkapitals, die 2019 das Handels‐ wie das Industriekapital definitiv unterjochte. Seither führt es sowohl die US‐Administration wie die EU‐Kommission an der kurzen Leine und die Regierenden sind nur noch Schauspieler, die den Text singen, der ihnen zu singen befohlen wird.