Über die bestialische Abriegelung von Schanghai – Einblicke in den sich anbahnenden Weltkrieg

MagMa veröffentlicht hier bereits die vierte Übersetzung eines Textes des Nucleo Comunista Internazionalista. Der vorliegende Text wurde am 3. Juni bei Il pane e le rose veröffentlicht. Der NCI übersand uns den Text mit dem Hinweis, dass es sehr schwer für sie sei die Situation zu beurteilen. Sie wissen, dass sie nur einen teilweisen Einblick hätten und ihr Text sehr »hart« sei. Inzwischen ist der »Lockdown« in Shanghai beendet. Die Spekulationen und Theorien darob reißen nicht ab. Die Redaktion selbstverständlich würde weitere Persepektiven auf das Thema begrüßen und gegebenfalls veröffentlichen.

Wir müssen uns so deutlich wie möglich zu der seit dem 28. März in Shanghai verhängten grausamen Ausgangssperre äußern, oder besser gesagt, zu den allgemeinen Fragen, die durch diese grausame und ziemlich heikle Ausgangssperre aufgeworfen werden. Und sei es nur, weil eine solche drakonische Maßnahme eine düstere Vorahnung dessen sein könnte, was uns in den kommenden Monaten erwartet, wenn die Zeit der provisorischen Freiheit, die uns jetzt im Labor Italien gewährt wird, abgelaufen ist. Shanghai/​China: de te fabula narratur… [Du bist es, von dem in dieser Fabel die Rede ist] ›de te‹, das heißt, von uns allen. Auch und vor allem.

Es stimmt, dass der Lockdown von Schanghai Ende 2021 durch die ebenso brutale Abriegelung von Xi’an (der Stadt, in der sich das Wunderwerk der »Terrakotta‐​Armee« befindet) vorweggenommen wurde, aber die Blockierung der Megalopolis am Delta des großen Jangtse‐​Flusses hat eine spezifische und größere Reichweite, da Schanghai nicht « lediglich« ein Nervenzentrum des chinesischen Kapitalismus, sondern absolut ein Nervenzentrum des Weltkapitalismus darstellt.1

Mehr als zwei Monate sind vergangen, der Würgegriff beginnt sich zu lockern, und die Behörden erwarten für Anfang Juni eine Rückkehr zur »Normalität«. Die Situation wird wie folgt beschrieben (aus NBC News vom 17. Mai):

In dieser Woche durften mehr Menschen ihre Häuser verlassen, und es wurden einige Jogger und Hundespaziergänger gesichtet. Ein Mann wurde beim Angeln im Shanghai‐​Fluss gesehen. Aber um viele Wohnsiedlungen herum gab es noch hohe Zäune, auf den Straßen fuhren kaum private Autos, und die meisten Menschen waren immer noch auf ihre Wohnungen beschränkt.

Das nennt man »vorsichtigen Optimismus«: »Ein Mann wurde beim Fischen im Fluss gesehen«! Wir bekennen unsere menschliche Sympathie für diesen Draufgänger, der es wagt, dem »schrecklichen Virus« (und vielleicht auch den Ordnungskräften) zu trotzen, indem er lebt, das heißt angelt.

Nach dem Vorbild Shanghais wurde die unmenschliche »Zero-Covid«-Politik der Regierung später auch in anderen Städten Chinas umgesetzt. Mit Stand vom 29. April (nach Angaben von Rai News) waren 46 Städte teilweise oder vollständig abgeriegelt, was das Leben von 343 Millionen Menschen betrifft und, wie uns die Société Générale mitteilt, die Wirtschaft einer Reihe von Provinzen beeinträchtigt, die 80 Prozent des chinesischen BIP ausmachen.

Das Leben der Menschen und das Leben des Kapitals: ein unerbittliches Verhältnis, eine unerbittliche Tatsache. Eine Tatsache, eine Beziehung, ein Gefängnis, aus dem es – wenig, aber sicher – kein Entrinnen gibt und man nicht entrinnen kann, sowohl für die von der Société Générale und dergleichen… als auch für die von der KPCh und dergleichen.

Es schien, als sei der Kampf oder vielmehr der Krieg (der »Volkskrieg«, wie ihn die chinesische Regierung definierte) zur Eindämmung und Ausrottung der Covid‐​19‐​Krankheit gewonnen und »der chinesische Weg« eine beispielhafte Demonstration der Überlegenheit des chinesischen »Sozialmodells« im Vergleich zum katastrophalen Umgang mit der Pandemie, der vor allem in der so genannten freien Welt praktiziert wurde.

Es schien, dass der »beispielhafte« Lockdown von Wuhan – 76 Tage eiserne Abriegelung vom 23. Januar bis zum 8. April 2020 – tatsächlich den Sieg des »Volkskriegs gegen Covid 19« markierte und die stolze Behauptung rechtfertigte, die Präsident Xi Jinping im September desselben Jahres bei der Preisverleihung an die »Helden« dieses siegreichen »Volkskriegs« aufstellte: »Die gegen Covid 19 erzielten Ergebnisse sind ein Beweis für den Erfolg der KPCh und des sozialistischen Systems Chinas und zeigen die Einheit und Solidarität von Partei und Volk«.

Zwei Jahre sind vergangen, und der bestialische Lockdown in Shanghai zeigt stattdessen, dass die Dinge viel komplizierter sind, dass der Krieg komplizierter und »lang anhaltend« und schwer zu gewinnen ist.

Krieg, ja: aber erstens, um welchen Krieg geht es eigentlich?

Handelt es sich dabei, wie es offiziell heißt, um den »sanitären« Krieg gegen das bösartigere als erwartete »langlebige« Virus, das durch die unmenschliche »Zero-Covid«-Politik »exemplarisch« ausgerottet werden soll? Oder handelt es sich vielmehr auch um interne Spannungen, Kämpfe und Fehden innerhalb der KPCh‐​geführten Partei, die die sozialen und politischen Spannungen innerhalb der bürgerlichen und kapitalistischen Gesellschaft Chinas widerspiegeln? Oder handelt es sich bei dem Lockdown um eine echte Kriegsoperation, das heißt um eine Episode des sich anbahnenden Weltkriegs, in dem wir uns befinden, da es China sich auf allen Ebenen mit einem immer bedrohlicheren imperialistischen Druck seitens der Freien Welt – des »kollektiven Westens« unter Führung der hegemonialen amerikanischen Macht konfrontieren muss?2 Oder eine Kombination aus diesen und anderen Gründen. In jedem Fall handelt es sich um die Anwendung einer eisernen Politik der sozialen Kontrolle und Disziplinierung auf Hunderte Millionen von Menschen, die ohnehin als passive Subjekte und menschliche Versuchskaninchen behandelt werden. Oder?

Dies ist der Punkt, über den man nachdenken sollte. Man könnte sagen und einwenden, dass die Parteikämpfer, die mit unnachgiebigem Eifer und Strenge die Vorschriften und die Ordnung durchsetzen, und sicherlich auch die große Mehrheit der Bevölkerung, die die bestialischen Einschränkungen akzeptiert, keineswegs menschliche Versuchskaninchen sind, sondern Subjekte, die mehr oder weniger überzeugt und bewusst an einer notwendigen kollektiven, patriotischen, »antiimperialistischen« und sogar »revolutionären« Anstrengung teilnehmen.

Es reicht also nicht aus, wenn wir sagen, dass die Proteste der (zweifellos winzigen Minderheit) eingesperrten Einwohner von Shanghai »legitime Proteste« sind, wie wir in einem sehr wertvollen Beitrag einer sehr guten Genossin lesen.3 Zuzugeben, dass sie »legitim« sind, das heißt dass die »protestierenden« Minderheiten nur als ein Haufen »unverantwortlicher« und/​oder »Volksfeinde« und »Konterrevolutionäre« betrachtet werden sollten, ist wenig und nichts zu sagen.

Es würde beispielsweise genügen, wenn ein hochrangiger KPCh‐​Papst oder, bescheidener, einer der vielen lokalen »Multipolaristen« und »Campisten«, die von einem aufrichtigen und echten »antiimperialistischen« Geist beseelt sind, sagen und zeigen würde, dass die von der chinesischen Regierung verhängten drakonischen Maßnahmen als notwendige (Kriegs-)Maßnahmen erklärt und gerechtfertigt werden können, um den Druck und die Aggression der hegemonialen imperialistischen Macht und des »kollektiven Westens« abzuwehren, Dies würde ausreichen, um die « Lizenz zur Legitimierung « der Proteste in Shanghai (die sich auch auf Peking ausgeweitet haben) ins Wanken zu bringen.

Man könnte sagen: »Der (patriotische und antiimperialistische) Zweck heiligt vielleicht nicht die Mittel, auch nicht die bestialischen der erwähnten Einsperrungen«?

Genau das ist eine prinzipielle Frage – gewiss keine neue -, auf die wir zurückkommen müssen, indem wir uns zum »Fall Shanghai« äußern und sagen, dass für uns nicht alle Mittel rechtmäßig sind, um unser revolutionäres Ziel der kommunistisch‐​menschlichen Gemeinschaft zu erreichen, das heißt die Befreiung des Menschen, des verstümmelten und versklavten Menschen unter der totalen Herrschaft des Molochs/​Seiner Majestät des Kapitals. Und dass stattdessen diese Mittel (einschließlich der »schmutzigen«: die Anwendung von Zwang, Täuschung usw. bis hin zum revolutionären Terror) nicht vom revolutionären Ziel getrennt werden können, sondern ihm untergeordnet werden müssen.

Daher alle Mittel, alle Aktionen, die dazu beitragen, das Bewusstsein und die praktische Organisation der Menschen‐ und Klassenvariante als führendes Subjekt der befreienden Revolution auf die reale und höchste Ebene zu heben, auf der der Kampf um die Zerstörung des Molochs/​Kapitals jetzt steht; alles, was dazu beiträgt, den Massen der Sklaven des Kapitals Energie und Selbstvertrauen einzuflößen, alles, was dazu beiträgt, sie aufzurütteln, ihren Initiativgeist anzuspornen und den Mitläufer‐ und unterwürfigen Geist (vielleicht getarnt als Geist falscher Disziplin) gegenüber den staatlichen Institutionen als falsche Vertreter des sozialen und kollektiven Interesses abzuschütteln und sie als Vertreter des »kollektiven« Interesses des Kapitals zu entlarven, das dem des menschlichen Lebens entgegengesetzt ist: In dieser Marschrichtung sind alle Mittel des Kampfes für uns gültig und rechtmäßig. (Einfach ausgedrückt, wenn wir von China/​Shanghai sprechen: das genaue Gegenteil der Situation, in die die Männer/​Sklaven des Kapitals jetzt gezwungen sind … »zum Wohle der öffentlichen Gesundheit« und des »Sozialismus« in nationaler Soße, eine Situation, aus der es für die revolutionären Kommunisten darum geht, sie aufzurütteln. Das genaue Gegenteil der Situation, in der sie, eingesperrt in den Grabnische‐​Wohnungen, diszipliniert die Plastiktüten akzeptieren, in denen sie mit Nahrung versorgt werden, und diszipliniert für die Effizienz des Staates und der Partei danken, die ihr Überleben garantieren… in Richtung »Endsieg gegen den Virus und den Imperialismus«. Das genaue Gegenteil!)

Wenden wir dieses allgemeine Kriterium auf die Fabel oder die düstere Vorahnung von China/​Shanghai an, die, wie gesagt, auch von uns erzählt oder bald erzählen könnte, und zwar im Rahmen des sich anbahnenden Weltkriegs, in dem wir uns befinden.

Wenn wir das offizielle Argument der Regierung als gegeben hinnehmen oder so tun, als ob wir es als gegeben hinnehmen, dann verurteilen wir Chinas rücksichtslose »Zero-Covid«-Politik auf dieselbe Weise und mit denselben guten Gründen, die wir gegenüber den australischen Regierungen, der neuseeländischen Hyänen‐​Premierministerin Jacinda Ardern (von manchen als »die schöne Kommunistin« bezeichnet!), Justin Trudeau und anderen ähnlichen young-(oder old) global‐​leaders‐​Tiere anführen. Menschliche und klassenbedingte Gründe, die eng miteinander verbunden sind, miteinander »verknetet«.

Aus kommunistischer und revolutionärer (menschlicher und klassenbezogener) Sicht lehnen wir den wahnwitzigen Anspruch ab, eine Krankheit zu heilen, die das menschliche Leben bedroht, durch systematische Erniedrigung und Zwang, der auf das menschliche Leben selbst ausgeübt wird. Demente Behauptungen, die Menschen zu heilen, indem man systematisch die Würde des Menschen selbst unter die Räder nimmt. Wochen‐ und monatelang in Grabnische‐​Wohnungen eingesperrt (Arbeiter, die Tag und Nacht in Fabriken gezwungen werden, Büroangestellte, die Tag und Nacht in Büros gezwungen werden), vollgestopft mit Ängsten und »Wundermitteln«, seien es Impfstoffe oder andere Medikamente, die von Industrie und Wissenschaft im Dienste des Kapitals hergestellt werden.

Vielleicht gelingt es man in Schanghai wie in Melbourne, Ottawa und anderswo, die Covid‐​19‐​Krankheit endgültig auszurotten, aber man hinterlässt (aus Sicht der öffentlichen Gesundheit) eine noch kränkere Gesellschaft, die von anderen Krankheiten geplagt wird, die durch die angebliche »Heilung« ausgelöst wurden. Das angebliche und propagierte offizielle Ziel, die C‑19‐​Krankheit erfolgreich zu bekämpfen, rechtfertigt für uns nicht die eingesetzten Mittel. Das Mittel der bestialischen Abriegelung in Verbindung mit der bestialischen Politik des »Zero Covid«.

Zero‐​Covid‐​Politik, bösartiges Einsperren, d. h. Behandlung von Menschen als Laborratten = Klassenpolitik, Klassentherapie, Kapitaltherapie gegen die kollektive Gesundheit und das menschliche Leben. Menschenfeindliche und konterrevolutionäre Politik, in Shanghai genauso wie in Melbourne oder Ottawa. Konterrevolutionär sogar im Fall von China/​Shanghai, da den Massen eine Disziplin auferlegt und eingeschärft wird, die gut für Quartiermeistereien und Kasernen ist, die Körper und Geist kränkt, selbst wenn sie von der Regierung zur »Volksmobilisierung für den Krieg … gegen das Virus« aufgerufen werden.

Die Roboterhunde in den Straßen, die Drohnen, die in den menschlichen Bienenstöcken schweben, und all die fortschrittlichsten technologischen Instrumente, die wir gesehen haben, sind ebenso ein Instrument des Klassenkampfes, um die Massen zu kontrollieren und ein Gefühl der Hilflosigkeit und des Terrors zu erzeugen. Sowohl in Shanghai als auch in Singapur (wo bereits Roboterhunde in Aktion zu sehen waren) und auf vielen anderen Plätzen der so genannten Freien Welt. Diese Maschinen, die zu klassen‐ und menschenfeindlichen Zwecken eingesetzt werden, werden durch die menschliche und Klassenrevolte, durch das Tempo der befreienden Revolution zerrissen werden – und sie werden zerrissen werden. Sowohl in China/​Shanghai als auch in unserer Freien Welt, die von den gleichen Kontrollsystemen überwacht und der gleichen »Pflege« unterzogen wird.

Selbst wenn, was gut möglich ist, die bestialische Politik des »Zero‐​Covid« von der Mehrheit der Bevölkerung und auch und insbesondere von der überwältigenden Mehrheit des chinesischen Proletariats selbst akzeptiert würde, bewegt sich unser unmissverständliches Urteil, dass sie bestialisch, das heißt klassenfeindlich und menschenfeindlich ist, keinen Millimeter. Wenn es wahr ist – und es ist wahr -, dass wir uns in einem Kriegszustand befinden, ist es nicht verwunderlich (unserer Methode nach, die Dinge »am Rande der Zeit« zu betrachten), dass die Massen und das Proletariat selbst in diesen hineingezogen werden und mehr oder weniger passiv den Beginn des Krieges des Kapitals selbst mitmachen. Denn ohne massenhafte Teilnahme könnte er [der Krieg] nicht beginnen. Der Zusammenbruch der Zweiten Internationale, die gewaltige Niederlage des Proletariats am 4. August 1914, bleibt eine emblematische Tragödie, über die es nachzudenken gilt, auch im Hinblick auf den sich anbahnenden Weltkrieg, zu dem unserer Meinung nach die Kampagnen und der pandemische Terrorismus, die von den Regierungen in den letzten zwei Jahren und mehr entfesselt wurden, hinzugezählt werden sollten, nicht ausgenommen, unserer Meinung nach, die von Peking und Moskau.

Was, wenn es sich stattdessen und/​oder zusätzlich um ein echtes Kriegsmanöver handelt, zu dem die chinesische Regierung durch den imperialistischen Druck ihres nordamerikanischen Partners/​Gegners gezwungen wird? Rechtfertigt also der »antiimperialistische« Zweck die bestialischen Mittel?

Versuchen wir, uns angesichts dieser plausiblen Begründung zu Wort zu melden. Immer daran denkend, dass unser Zustand im Wesentlichen derselbe ist, den Bordiga 1954 beschrieb, als er über den Klassenkampf und die chinesische Revolution sprach: »…wir sind es, die weißen Revolutionäre, die wie Salamis gefesselt sind und wir können dem brennenden Osten nur wenige Lektionen erteilen« und dass die Schläge und Hiebe, die Amerika und dem imperialistischen Westen von der chinesischen kapitalistischen Macht zugefügt werden, auf jeden Fall immer »das schönste Atout der Revolution« darstellen.4

Zunächst einmal erscheint es uns wichtig, wenn wir von der notwendigen Kriegsdisziplin gegen die Manöver und den Druck des amerikanischen und westlichen Imperialismus sprechen, festzustellen, dass die chinesische Regierung zwar die Massen auffordert und ihnen auferlegt, sich den »patriotischen und sozialistischen« Anstrengungen und Opfern anzupassen, ihnen aber zunächst nicht erklärt, was in der Werkstatt von Wuhan geschah, wobei sie sich hütet, die Thesen aus den maßgeblichen Quellen des russischen strategischen Verbündeten zu übernehmen (siehe Fußnote 2). Darüber hinaus wird dem amerikanischen Imperialismus ständig die Hand zur Zusammenarbeit (sowie der fruchtbare und unverzichtbare Austausch von Waren und Geld) angeboten, um angeblich »gemeinsam gegen das Virus zu kämpfen«, wenn Amerika nur aufhören würde, zu provozieren und vom »chinesischen Virus« zu sprechen. Man müsse und solle »zum Wohle der Menschheit« zusammenarbeiten, sagt die KPCh, während sie Hunderte Millionen von Menschen wie Ratten einsperrt.

Als ob die bolschewistische Revolutionsregierung zur Zeit der schrecklichen »spanischen« Epidemie von 1918 – 1920 dem Weltimperialismus (und umgekehrt) einen Waffenstillstand »für den gemeinsamen Kampf gegen das Virus« angeboten hätte. Und im internen Klassenkampf in den von der Epidemie geplagten Ländern, angefangen bei den USA selbst, ein Waffenstillstand »vorgeschlagen« worden wäre, siehe zum Beispiel die Geschichte der heftigen Kämpfe und Verfolgungen – weit verbreitete Epidemie – gegen »Big Bill« Haywoods Industrial Workers of the World. Ja: andere Zeiten… andere Pandemien. Keine vergleichbaren Situationen, könnte man sagen. Doch mag der Imperialismus heute »raffinierter« sein, aber er ist sicherlich nicht weniger von räuberischen Instinkten und Bedürfnissen getrieben. Ohne jeden Skrupel, heute wie damals.

Ganz zu schweigen von der Anprangerung der wirklichen Rolle der bürgerlichen WHO‐​Institution – alles andere als ein Ausdruck der »internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft« -, die den Interessen von Big Pharma und den Mächten, die sie finanzieren, unterworfen ist, einer Institution, die ebenso wie der Völkerbund und die UNO von den Kommunisten seit Lenin als eine »Höhle der räuberischen Interessen« behandelt werden sollte – und in der der chinesische Kapitalismus alle Hände voll zu tun hat.

Die KPCh an der Spitze des chinesischen Kapitalismus ist sicherlich entschlossen, sich dem US‐​Imperialismus entgegenzustellen und auch seine Hegemonialansprüche in Frage zu stellen, aber sie tut dies, ohne die für revolutionäre Kommunisten unerlässliche und entscheidende Aktion der Massen im Inland und auf internationaler Ebene in Gang zu setzen. Welche Hinweise, welches Beispiel wird den Massen der Unterdrückten und den Sklaven des Kapitals in der ganzen Welt durch die bestialische »Zero-Covid«-Politik der KPCh und der chinesischen Regierung auf dieser wesentlichen und entscheidenden Ebene vermittelt? Stimuliert sie in irgendeiner Weise ein Gefühl der Zuversicht für eine radikale Veränderung der Dinge oder, im Gegenteil, ein Gefühl des Misstrauens, der Demoralisierung und der Depression? Vielmehr ist das Beispiel und der Hinweis, den die Affäre China/​Shanghai vermittelt, nützlich und »anregend« für die Regierungen des Kapitals in aller Welt!

Die »Zero‐​Covid« Politik und die damit verbundenen heftigen Lockdown, selbst wenn sie als Kriegsmanöver, als allgemeine Übung gegen einen möglichen Angriff mit bakterieller Kriegsführung, motiviert und beabsichtigt sei, stärkt nicht das Selbstvertrauen der Massen, sie stärkt nicht den Zusammenhalt des Proletariats (auf nationaler und internationaler Ebene). Im Gegenteil, sie sät Depressionen und Bruchlinien in ihm. Nicht anders als in allen anderen Ländern.

Mit ihren bestialischen Mitteln entspricht sie vom Standpunkt des bürgerlichen Staates aus den Zielen des sich gegenwärtig entfaltenden Weltkrieges, das heißt der wilden Konkurrenz zwischen Staaten und kapitalistischen Machtblöcken. Allen Kontrahenten und Kriegsteilnehmern (und den miteinander vernetzten Waren‐ und Geldhändlern) ist eines gemeinsam: Die kapitalistische Weltgesellschaftsordnung muss auch in den Auseinandersetzungen der Kriege erhalten bleiben. Jede subversive und revolutionäre Gefahr, die von der Initiative der Massen ausgeht, muss abgewehrt werden. Die Massen der Sklaven des Kapitals sollen unter der Kontrolle der Staatsapparate geordnet werden, einer gegen den anderen zum Ausbruch des Krieges geworfen. Dies ist die Regel, an die sich auch die KPCh und die chinesische Regierung mit ihrer »beispielhaften« Politik des »Kriegs gegen das Virus« halten.

Die Kraft der Revolution wird diese Pläne auf die eine oder andere Weise zunichte machen. Wir haben bereits vor einiger Zeit, ganz zu Beginn der von Covid 19 ausgelösten Terrorkampagne, über die phänomenale Aussage eines chinesischen Genossen anarchistischer Tendenz berichtet, dass der Verlauf des Kampfes in China eng mit dem globalen Klassenkampf verbunden ist, da das kapitalistische Machtnetzwerk global ist: »Man kann China nicht retten, ohne die gesamte Menschheit zu retten«, schloss der Genosse in seinem Interview (Sie können es hier lesen:

http://​www​.nucleocom​.org/​a​r​c​h​i​v​i​o​/​a​r​c​h​i​v​i​o​n​o​t​e​/​c​i​n​a​_​s​o​t​t​o​_​a​t​t​a​c​c​o​.​htm)

Wir haben die großartigen Worte des chinesischen Genossen kommentiert:

Die heftige Verteidigung gegen den Angriff des demokratischen Imperialismus, die das chinesische Proletariat zweifellos in die Hand nehmen wird, wird nicht die patriotische Bedeutung haben, hinter der die nationale Bourgeoisie versuchen wird, den Schwung der Klasse zu blockieren, sondern wird das Zeichen der internationalen proletarischen Revolution und ihres Sieges sein.

Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen.

2 Juni 2022 NUCLEO COMUNISTA INTERNAZIONALISTA

Anmerkungen

1 Shanghai ist ein Drehkreuz für die Industrieproduktion, den Dienstleistungssektor, den Handel und den Finanzverkehr. Erster Handelshafen der Welt. Eine der führenden Börsen der Welt, deren Kapitalisierung in Dollar erfolgt (an unsere »multipolaristischen« Freunde: die gebräunte Haut des Proletariats wird immer noch in Dollar gemessen und kontrahiert! Und, wir lehnen uns weit aus dem Fenster und sagen, Sie werden es nie in anderen Währungen oder anderen Währungskörben chiffriert und kontrahiert sehen. Wir sagen Ihnen das nicht, weil wir »wünschen«, dass Sie den Wert weiterhin in Dollar messen und kontrahieren, sondern weil wir an das Ende der monetären Wertmessung glauben und nicht an den Tod der Dollar‐​Währung allein. Wir glauben an das Ende des Warengeldsystems und damit an das Ende der Börsen, die Börsen von Shanghai und Moskau natürlich eingeschlossen.)

Den Kapitalfluss in einem solchen Nervenzentrum zu blockieren oder zu verlangsamen bedeutet, direkt an den Arterien des kapitalistischen Weltherzens zu operieren. Es bedeutet die Durchführung einer Kriegsoperation.

2 Sergey Glazyev, nicht gerade »irgendjemand« in den Machtzirkeln des russischen Kapitalismus, hat erst kürzlich (in Wahrheit unter Wiederholung seiner zuvor geäußerten These) vom Coronavirus als einer im Labor hergestellten US‐​Waffe gesprochen und dass China das Ziel eines biologischen Angriffs wurde.

Im März 2020 schrieb er: »Die gleichen Nutznießer: Finanzspekulanten. Die gleichen Dirigenten kommen von der anderen Seite des Ozeans«, sagte der Experte während des Programms. »Die Amerikaner verfügen über ein ganzes Arsenal an biologischen Waffen. Und diese Manifestation der hybriden Kriegsführung der USA gegen Wirtschaftssektoren, die sie nicht kontrollieren, ist vollkommen verständlich und logisch.« Vgl. https://​antincendio​-enna​-news​.blogspot​.com/​2​0​2​0​/​03/

Zwei Jahre später sagte er der Business Gazeta: »Heute hat der wirtschaftliche Wettbewerb bereits dazu geführt, dass die Vereinigten Staaten ihre Führungsrolle verloren haben. Wenn Sie sich erinnern, hat Donald Trump versucht, die Entwicklung Chinas durch einen Handelskrieg einzudämmen, aber es ist nichts dabei herausgekommen. … Die Amerikaner haben eine biologische Kriegsfront eröffnet, indem sie das Coronavirus in China lanciert haben« berichtet in: https://​thesaker​.is/​e​v​e​n​t​s​-​l​i​k​e​-​t​h​e​s​e​-​o​n​l​y​-​h​a​p​p​e​n​-​o​n​c​e​-​e​v​e​r​y​-​c​e​n​t​u​r​y​-​s​e​r​g​e​y​-​g​l​a​z​y​ev/ April 2022

Diese einflussreiche Figur, »Direktor« unter Putins Fittichen eines »neuen Währungssystems, das den globalen Süden befreien wird« und somit Verfechter der »multipolaren« Alternative zum US‐​Imperium, wird vom Saker (treues Sprachrohr der heiligen Mutter Russland) noch im Jahr 2014 wie folgt beschrieben: “In den westlichen Medien wird Glazyev üblicherweise als »Berater Putins« bezeichnet. Damit werden sowohl seine Rolle als auch seine Bedeutung völlig missverstanden. Glazyev ist formal ein »Präsidentenberater«, aber im russischen Kontext bedeutet dieser Titel wenig und bedeutet nicht, dass Glazyev Einfluss auf die Politik des Kremls hat. Was Glazyev so wichtig macht, ist vielmehr die Tatsache, dass seine Ideen in Russland auf breite Resonanz stoßen, auch bei den Eliten. Vgl. http://​sakeritalia​.it/​s​f​e​r​a​-​d​i​-​c​i​v​i​l​t​a​-​r​u​s​s​a​/​i​l​-​p​e​n​s​i​e​r​o​-​d​i​-​s​e​r​g​e​i​-​g​l​a​z​y​ev/

3 Siehe »Digitale Identität und Sozialkreditsysteme«, geschrieben von einer Genossin der Assemblea romana contro il green pass [Römische Versammlung gegen den Green Pass], zu dessen Lektüre wir Sie herzlich einladen. Dort wird in Bezug auf soziale Kontrolle und Kredit erklärt, dass: »Das kapitalistische China drängt kein Modell auf, es verfolgt ein Modell, das imperialistische…«

4 Vgl. Amadeo Bordiga, »Vulcano della produzione o palude del mercato? [Vulkan der Produktion oder Sumpf des Marktes?]« aus Programma comunista nn. 13 – 19 del 1954. In Bezug auf die chinesische Revolution heißt es an einer Stelle: »…Eine bloße kontinuierliche bürgerliche Revolution an der Macht in der Regierung von Ciang Kai‐​scek und der von Mao Tse‐​tung, wie bei der Orleans und der zweiten Republik, bei Bonaparte und der dritten in Frankreich. Aber eine Revolution, Jungs, nicht ein Spaziergang von Soldaten mit einem roten Stern. Und eine Revolution, die noch nicht erkaltet, nicht kristallisiert, nicht ankylosiert ist …«

Bild: Ausstellungshalle der Shanghai Expo im März 2022 COVID‐​19‐​Pandemie; 中国新 闻网 (CC BY 3.0)

One thought on “Über die bestialische Abriegelung von Schanghai – Einblicke in den sich anbahnenden Weltkrieg

  1. Das Vorgehen Chinas im eigenen Land bestärkt nur den internationalen Antikommunismus und bestätigt deren Glauben wieder einmal. Das ist fatal.

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