Zu den aktuellen Kämpfen der Basisgewerkschaft SOL Cobas

Folgender Artikel basiert auf einem Manuskript eines Vortrags, gehalten auf der Internationalen Konferenz der Freien Linken in Prag am 4. September 2022.

Die Wurzeln unserer Kampferfahrung sind im Kampf des (großenteils immigrierten) Proletariats, in der Welt der Verteilung zu finden. Sie sind eng verbunden mit dem politischen Weg der Klassen, einerseits, der Kampfbewegung gegen den staatlichen Rassismus. Kämpfe, die 2008 begannen, die sich über ein Jahrzehnt hinweg entwickelt haben (und tatsächlich bis heute andauern) und die es, v.a. in Norditalien, erlaubten, neue Kräfteverhältnisse gegen die multinationalen Leitfiguren der Branche zu schaffen, und so einen neuen Weg im Bereich der Organisation von Gewerkschaften und Politik zu beschreiten: und zwar im Konflikt und unabhängig und den Gewerkschaften, die mit der regimetreuen Linken verbunden sind, und grundlegend gewachsen unter den Flaggen von Sl. Cobas.

SOL Cobas kann in gewisser Hinsicht als eine Rippe von Sl.Cobas betrachtet werden. Allerdings wurden einige ihrer Gewerkschaftsführer, darunter der Unterzeichner, im Mai 2016 aufgrund starker Gegensätze in der Nationalexekutive, aus der Organisation ausgeschlossen. So kam es zu einer Spaltung, die etwa tausend gewerkschaftlich organisierte Arbeiter betraf.

Wir halten nicht damit hinterm Berg, dass es von besonderem Interesse sein könnte, in die Details einzusteigen, und umso weniger damit, die theoretischen und politischen Unterschiede der beiden Organisationen hervorzuheben. Für alle diesbezüglich Interessierten verweisen wir indes auf unser Gründungsdokument (derzeit nur auf Italienisch zugänglich). Dieses ermöglicht es, die Gründe für die Spaltung besser zu verstehen, ebenso wie die unterschiedlichen Wege, die sich in den darauffolgenden Jahren herauskristallisiert haben.

Unser politisches Lager gegen die Impfpflicht und das damit verbundene Social Credit‐System 

Angesichts der Gründe beziehungsweise Prämissen dieser Zusammenkunft scheint es uns wichtig, hervorzuheben, wie die »Operation Green Pass« (die übrigens keineswegs am Ende ist, auch wenn derzeit die sozialen und politischen Restriktionen der letzten 30 Monate fast komplett aufgehoben sind) ein wahrhaftiges Waterloo für die Zusammenarbeit der politischen Gewerkschaften und der Bewegung schien, die man bis dahin mit dem Attribut eines »links beziehungsweise klassenkämpferisch« hätte beschreiben können.

Gruppierungen und Organisationen, die von der Offensive des Regimes zerrissen wurden beziehungsweise die sich komplett der Propaganda und der Politik des Regimes angeschlossen haben. Und all das zugleich, auf eine unvermeidlich wechselhafte und gegensätzliche Art, bei einer wenngleich nicht explizit, doch substanziell proletarischen Bewegung: unabhängig von den politischen Apparaten der Bourgeoisie, und darüber hinaus international; im selben Maße wie auch der autoritäre Gestus dessen, was wir die »Pseudo‐​Pandemie« nennen, global war.

In dieser besonderen, historischen Verbindung – zunächst spontan, später dann im Verhältnis zur wachsenden Aktivität der Massenbewegung, also zunehmend bewusster – haben wir uns unter der Leitung von SOL Cobas aktiv in dieser Bewegung zusammengefunden, um einen aktiven Beitrag durch organisierte Präsenz auf der Straße zu leisten (besonders in der Lombardei und Kampanien). Wir haben drei italienweite Streiks organisiert, die sich gegen die Impfpflicht und den Green Pass richteten.

Sicher war unser Zusammenkommen keineswegs schmerzfrei. Wir können sogar mit Sicherheit sagen, dass dieses Lager intern eine komplette politische und gewerkschaftliche Spaltung erlebt hat: von dem Moment an, da sich das industrielle Proletariat der Disziplinierungsoperation via Impfpflicht einhellig nicht entgegenstellte.

Wir sprechen von einer unmittelbaren Erfahrung, die, abgesehen von teilweisen, begrenzten Resultaten, uns dennoch erlaubt, heute hier zu sein und zum Verständnis der Dynamiken des Kampfs gegen den Imperialismus einen Beitrag zu leisten, und zwar aus europäischer Sicht – also aus der Sicht der Wiege des Kapitalismus.

  1. Die Mehrheit der Arbeiter, auch wenn sie sich nicht aktiv auf die Kampagne des Regimes und auf das diese repräsentierende Narrativ eingelassen hat, hat sich dem doch auch nicht entgegengestellt. Dennoch gab es wichtige Ausnahmen (v.a. denken wir an den Kampf der Hafenarbeiter in Triest im Oktober, der – wenngleich vom Regime und seiner »repressiven Intelligenz« neutralisiert – dennoch eine Kraft aufgebracht hat, die sich objektiv mit den internationalen Dynamiken des Kampfs vereint hat. Ebenso denken wir an die Streiks in Indien, an den Kampf der kanadischen Trucker, an die Angriffe auf den Palast in Rumänien, während die Straßen der Welt, überall auf dem Planeten, seit vier Monaten weiter aktiv sind).

  2. Eine absolut zentrale Rolle in der Entschiedenheit dieser »Politik der Neutralität« des Proletariats ist offenkundig in den politischen und gewerkschaftlichen Strömungen des Proletariats zu suchen – ohne dass dabei große Unterschiede auszumachen wären zwischen Organisationen des Regimes und solchen, die diesen als Klassenkämpfern gegenüberstehen – im Gegenteil, sie waren aktive Unterstützer. Es wäre dennoch verfehlt, die »passive Neutralität« der Klasse nur im Verhältnis zu den damit verbundenen politischen Lagern zu sehen. Es ist unsere tiefe Überzeugung, dass die Subjektivität beziehungsweise, wenn man so will: die Überstruktur, in einem dialektischen Verhältnis zu den Eigentumsverhältnissen steht, welche sie bestimmen. Wir müssen notwendigerweise auf den momentanen Rückzug schauen (zum Mindesten sprechen wir hier von einem halben Jahrhundert auch wenn, wie mir scheint, dass dieser Zeitraum bis zum 2. Weltkrieg und seinen Folgen zurückreicht).

  3. Diese Beobachtungen sind notwendig mit den jüngsten Entwicklungen der kapitalistischen Weltkrise verknüpft. Dasselbe gilt für die Kriegsszenarien, die umgehend den Gesundheitsnotfall verdunkelt und durch einen politisch‐​militärischen abgelöst haben. Vom neuen »Russlandfeldzug« des herrschenden Imperialismus, in seinem verzweifelten (und somit äußerst gefährlichen) Bemühen, sich selbst vor genau dieser irreversiblen historischen Krise zu retten, in welcher die destruktiven Elemente die Oberhand zu gewinnen scheinen über den historischen Zyklus der Überproduktion, und somit den »historischen und natürlichen« Übergang vom Wirtschaftskrieg zwischen Mächten hin zur militärischen Auseinandersetzung quasi irreversibel zu machen.

Kriegsszenarien und Aussichten bezüglich der Organisation der Revolutionäre

Ausgehend von diesen objektiven wie subjektiven Prämissen, und auf dieser analytischen Basis könnte in der Tat eine weltweite Bewegung gegen den Gesundheitspass ins Feld gezogen sein (allerdings noch nicht gegen den imperialistischen Krieg; auch wenn es noch nicht scheint als würden sich alle »Nein zum Green Pass«-Lager gegen die Intervention der NATO und in Unterstützung des »Putin’schen Widerstands« sammeln). Ich halte es für möglich und nötig, einige Elemente für die (auch unmittelbar bevorstehende) Zukunft zu skizzieren, bezüglich derer wir uns vorbereiten müssen (und daher versuchen müssen, auch in Sachen Organisation, voranzukommen). Wir wissen, dass, wie die Geschichte uns lehrt, es nur das chaotische Einbrechen des Klassenkampfs sein wird, welches neue und in viele Richtungen unvorhersehbare Bedingungen schafft, um diese historische Chance zu nähren. Es weist uns eine »gewichtige« Rolle zu, wenn wir uns denn entscheiden, sie anzunehmen. Eine Rolle, welche nicht auf der Notwendigkeit basiert, eine »richtige Massenbewegung zu schaffen«, sondern uns mit theoretischen, politischen und, wenn möglich, praktisch‐​organisatorischen Bezügen auszustatten.

Nach Art eines Arbeiters und Gewerkschafts»führers«, Mitglied also eines direkten Organisationswegs, welcher direkt mit der Erfahrung des Kampfs der Arbeiterklasse verbunden ist, wird dies das wichtigste Element sein, um die uns betreffenden Aussichten zu behandeln: im Hinblick darauf, Antwort zu geben auf das alte, aber mehr als aktuelle »Was tun?«

  1. Ökonomischer und politischer Kampf: eine Dialektik, die wir beilegen müssen

  2. Zentrale Bedeutung der Wurzeln im revolutionären Marxismus, beziehungsweise ein mutiges und aktuelles Programm für die proletarische Revolution

  3. Ein internationales Netzwerk, gegründet auf diese programmatischen Elemente (noch fertig auszuarbeiten, aber, andererseits, bereits die Ereignisse berücksichtigend, die uns hier auf dieser Konferenz zusammengeführt haben)

Auf diese drei Elemente möchten wir unsere Teilnahme am prospektiven Teil des Kongresses konzentrieren. Aber da dieser Teil der Konferenz stark von den Resultaten der theoretischen und politischen Diskussion abhängt, scheint es uns nicht ratsam, voreilig die Inhalte dieser drei Punkte zu vertiefen. Sie sind jedenfalls unmissverständlich die tragenden Achsen unserer täglichen, politisch‐​gewerkschaftlichen Arbeit und unserer militanten theoretischen Untersuchung.

Mehr zu SOL Cobas hier: https://​www​.solcobas​.org/

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