Das AfD‐​Grundsatzprogramm

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»Man durchschneide nicht, was man lösen kann.«
Joseph Joubert (kein Schneider, um 1800)

Totaldistanzierung von der AfD als Partei – Ausschluss aus Veranstaltungen und Bündnissen, Verweigerung von Diskussionen usw. – gehört zu den wenigen verbliebenen Praktiken, die sowohl bei Linken als auch bei Systemlinken 1 zu beobachten sind.

Unpraktischerweise ist die AfD unter den Wahlparteien in Deutschland bisher die einzige, von der ein nicht ganz verpuffender Widerstand gegen zumindestens einige Arten der Staatswillkür, Kriegstreiberei und profitgetriebenen Tötung im In‑ und Ausland ausgeht. Hier sind ein paar Beispiele: EU‐​Parlamentsabgeordnete Christine Anderson (in Englisch), Abgeordnete Petr Bystron, Alexander Gauland, Martin Sichert, Björn Höcke, Karsten Hilse, Sven Tritschler.

Bei ungenügend entwickeltem Politmoralismus wäre eine Totaldistanzierung von der AfD und/​oder ihren Mitgliedern mit einer Untersuchung zu begründen, aus deren Ergebnissen sich folgern lässt, dass diese Partei und vielleicht schon AfD‐​Mitglieder eine Gefahr darstellen, der praktisch am Besten durch Totaldistanzierung begegnet werden kann. Moral kommt dabei nicht unbedingt abhanden, denn sie liegt Gefahrenabwägungen bzw. deren Unterlassung zugrunde. 2

Um mal mit dem Untersuchen anzufangen, habe ich das Grundsatzprogramm der AfD gelesen. Heraus kamen zunächst zwei Listen, die für Genossinnen mit zu empfindlichen Mägen zum Selberlesen des Grundsatzprogramms am Ende dieses Beitrags stehen: Reformvorstellungen der AfD, die mit linken Positionen eher vereinbar sind, und Vorstellungen, die es eher nicht sind.

Im nächsten Schritt, der nun folgt, untersuche ich (beschränkt auf innenpolitische Aspekte) in hoffentlich auch für AfD‐​zugeneigte Mitmenschen nachvollziehbarer Weise das Grundsatzprogramm auf innere Widersprüche. Innere Widersprüche können bedeuten:

  • die AfD‐​Mitglieder, die das Grundsatzprogramm festgelegt haben, vertreten Positionen, die sich nur oberflächlich‐​organisatorisch, aber nicht inhaltlich unter denselben Hut bringen lassen, und/​oder
  • das Welt‐ und Gesellschaftsbild, das im Grundsatzprogramm gezeichnet wird, ist in sich widersprüchlich.

Eines bedeuten die Widersprüche wohl nicht: dass die AfD einem eigenen Anspruch auf Nichtwidersprüchlichkeit nicht gerecht würde. Gleich zu Beginn des Grundsatzprogramms wird auf Vielfalt hingewiesen:

»Zusammengefunden haben wir uns als Bürger mit unterschiedlicher Geschichte und Erfahrung, mit unterschiedlicher Ausbildung, mit unterschiedlichem politischen Werdegang. Das geschah in dem Bewusstsein, dass es an der Zeit war, ungeachtet aller Unterschiede, gemeinsam zu handeln«. (S. 6)

Wirtschaftssystem

Die wirtschaftlichen Ideen im AfD‐​Grundsatzprogramm entsprechen auf den ersten Blick weitgehend wirtschaftsliberalen Vorstellungen und bieten genauso viel oder wenig Anlass zur Totaldistanzierung wie die Ideen der FDP:

»Durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb ergeben sich die besten ökonomischen Ergebnisse. […] Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle. Denn Wettbewerb schafft die Freiheit, sich zu entfalten und selbst zu bestimmen, privates Eigentum an Gütern und Produktionsmitteln erwerben zu können, eigenverantwortlich Verträge zum eigenen Vorteil und zum allgemeinen Wohl zu schließen, zwischen verschiedenen Anbietern, Produkten, Dienstleistungen oder Arbeitsplätzen wählen zu können, ertragsbringende Chancen zu nutzen, aber auch ein mögliches Scheitern selbst zu verantworten.« (S. 67)

Dem können ohne Weiteres auch Lohnabhängige beipflichten. Den Arbeitsplatz wählen zu dürfen, anstatt Leute mit Eigentum an Produktionsmitteln um einen bitten und ihn bei Entsprechung der Bitte anderen wegzunehmen zu müssen, die ihn vielleicht dringender brauchen; im Fall unternehmerischen Versagens nur erwerbslos zu werden, ohne von der Bürde der Verantwortung belastet zu werden, sind doch erstrebenswerte wirtschaftliche Rahmenbedingungen!

Auch aus Perspektive von Produktionsmitteleigentümerinnen 3 ist das AfD‐​Grundsatzprogramm gut durchdacht: Die Wahlmöglichkeit »zwischen verschiedenen Anbietern, Produkten, Dienstleistungen« bedingt, wenn sie ungeplant zustande kommen soll, ein ständiges (umweltfreundliches) Überangebot, so dass immer Produktionsmitteleigentümerinnen »über« bleiben, die die Möglichkeit des verantwortungsvollen Scheiterns in Anspruch nehmen möchten.

Für diejenigen, die nicht »über« bleiben, bietet der Wettbewerb weitere Freiheiten. Wollen sie zum Beispiel weniger leistungsfähige Angestellte durchschleppen oder nicht bloß niedrigstmögliche Löhne zahlen, haben sie genauso gute Chancen, im Wettbewerb zu bestehen, wie Konkurrenzunternehmen mit soziopathischen Geschäftsführungen. Wäre es anders: Schüfe »Freiheit« dann nicht weniger der Wettbewerb als der nationale und/​oder globale Wettbewerbsvorsprung?

Zu Wettbewerbsvorsprüngen und damit verbundenen Enteignungen der Wettbewerbsverliererinnen von Produktionsmitteln kann es beim marktwirtschaftlichen Wettbewerb jedoch nicht kommen. Denn käme es dazu, würde der Wettbewerb in Kombination mit technologiebedingt wachsenden Einstiegsinvestitionen in Industrie, Infrastrukturprojekte, Groß‐ und Masseneinzelhandel Eigentum an Produktionsmitteln nach und nach in immer weniger, zunehmend transnational operierenden Händen konzentrieren – womöglich in solche, die an soziopathischen Gehirnen hängen. Das Ergebnis wäre das, wogegen die AfD anzutreten scheint: Oligarchien mit genügend Reichtum zum Kauf von Regierungen, Massenmedien, NGOs und Unterorganisationen der UNO; Auflösung nationaler Souveränitäten.

Neben den angedeuteten Widersprüchen, die in bürgerlichen Wirtschaftsvorstellungen allgemein bestehen, konnte ich im AfD‐​Grundsatzprogramm weitere Widersprüche finden, die aber ebenfalls zur politischen Mitte hin und darüber hinaus verbreitet sind. Unter anderem:

  • rechtliche Gleichstellung ausländischer mit inländischen Unternehmen (S. 67), aber nicht ausländischer mit inländischen Lohnabhängigen
  • Handelsschranken beseitigen (S. 68), aber wenn es um Arbeitsmärkte und ‑kräfte geht, Handelsschranken errichten
  • den »eigenen Vorteil« ohne Spezifizierung der Vorteilshabenden besetzt das AfD‐​Grundsatzprogramm positiv, indem es ihn mit dem »allgemeinen Wohl« »für alle« zusammenfallen lässt, aber der »eigene Vorteil« von Eingewanderten und Einwanderungswilligen wird negativ besetzt (zu denen unten mehr).

Bei aller Kapitalismusgläubigkeit geht das AfD‐​Grundsatzprogramm nicht so weit, den Nutzen des Kapitalismus vorbehaltlos vorauszusetzen.

»Durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb ergeben sich die besten ökonomischen Ergebnisse. […] Wirtschaft ist immer Mittel zum Zweck, niemals Selbstzweck.« (S. 67)

Insofern darf – anders als bei der extremistischen FDP 4 – gefragt werden: Bringt der kapitalistische Wettbewerb wirklich die besten ökonomischen Ergebnisse? Gibt es vielleicht Wirtschaftszeige, in denen er es nicht (mehr) tut?

Nicht zuletzt anlässlich der Covid‐​19‐​Spritzstoffsache fiel vielen auf, dass mit und ohne Wettbewerb eine Pharmaindustrie, deren Hauptziel möglichst zahlreiche Verkäufe sind, eher nicht zum »allgemeinen Wohl« beiträgt. Soll die industrielle Massenproduktion von Medikamenten nicht fallen gelassen werden, käme als Konsequenz eine bedarfsorientiert arbeitende, also planwirtschaftlich‐​sozialistische Pharmaindustrie heraus – die wir dann hoffentlich so organisiert kriegen, dass sie wirklich unsere Bedüfnisse erfüllt und nicht bloß einen schulmedizinischen Einheitsbrei fabriziert, der sich nicht an alternativ errungenen Behandlungserfolgen messen lassen muss.

Dem AfD‐​Grundsatzprogramm, geschrieben in der Vor‐​Covid‐​Ära, fallen andere Beispiele für einen geringen Nutzen der Profitwirtschaft ein:

»Eine Privatisierung und damit Kommerzialisierung der Grundversorgung mit Trinkwasser lehnen wir ab.« (S. 71)

»Die gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften und Wohnungsgesellschaften sind zu stärken.« (S. 94)

Ein unsichtbares Stopp‐​Schild wird vor den Großbanken aufgestellt. Man will eine »nationale Souveränität über die Banken‐ und Finanzdienstleistungen [wiederherstellen]« (S. 21), ohne die Großbanken, die Zentralbank und die Geldschöpfung aus dem Privateigentum zu lösen. Weil sie in privaten Händen dem Zweck des »allgemeinen Wohls« besser dienen? Das wäre ordentlich zu untersuchen!

Indem wir Wirtschaftsweisen und ‑organisationen als »Mittel zum Zweck« betrachten und uns daran machen, sie – natürlich unter Berücksichtigung all unserer menschlichen Stärken wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Verbesserungsdrang und auch unserer Schwächen wie Gier, Machtgelüste usw. – so einzurichten, dass sie dem Wohl aller bestmöglich dienen, beginnt das Ende von etwas, das Karl Marx »Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft« nannte.5

Wirtschaftsweisen und ‑organisationen waren den Gesellschaften in der gelehrten Geschichte höchstens in Ausnahmefällen nicht irgendwie »passiert«. Sie wurden ihnen durch den Stand der Technik, durchs Wetter und andere äußere Umstände oder durch bewaffnete Gruppen aufgenötigt; aber sie waren selten ein Ergebnis von Diskussionen der Gesellschaftsmitglieder.

Weshalb solche Diskussionen ideologisch statt konkret sachbezogen führen? Wozu kapitalistisches Privatwirtschaften (Geld – Ware – mehr Geld) oder einfach‐​warenwirtschaftliches Privatwirtschaften (Ware – Geld – andere Ware) in Bereichen überwinden wollen, wo sie nach mehrheitlicher Einschätzung der Gesellschaftsmitglieder mehr Nutzen als Schaden bringen?

Selbstredend sähen es die Mächtigen nicht gern, wenn Nutzen und Schäden ihrer wirtschaftlichen Machtquellen zum Diskussionsobjekt würden. Solange sie die Menschen noch nicht total kontrollieren können, entsprechen ideologische Gräben und Stellungskriege innerhalb der Bevölkerungen ihrem Interesse. Daher vielleicht noch unsere relative Organisations‑, Presse‑ und Meinungsäußerungsfreiheit?

Politisches System

Schwerer als aus Nutzen/​Schaden‐​Diskussionen über Wirtschaftsweisen lassen sich politische Ideologien aus Diskussionen über bestmögliche politische Systeme heraushalten.

Laut Grundsatzprogramm tritt die AfD »für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit« ein (S. 6).

Unter »Gewaltenteilung« versteht die AfD das klassische Modell der Trennung »der legislativen, exekutiven und judikativen Funktionen eines Staates« zum Schutz der Bürgerinnen vor übermäßiger Staatsmacht (S. 10). Mit »Rechtsstaatlichkeit« ist gemeint: Bindung der Staatsmacht an die geltenden Gesetze sowie inhaltliche Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit der praktischen Rechtssprechung und ‑umsetzung.

Unter Linken werden diese Dinge in der Regel ebenfalls als erstrebenswert angesehen – soweit es den Kapitalismus betrifft. Diejenigen von ihnen, die eine Diktatur des Proletariats oder eine Rätedemokratie anstreben und glauben, dann trotz Weiterbestehen einer Staatsmacht und Bildung entsprechender informeller Machtklüngel nicht zum Opfer von Willkür und Unterdrückung werden zu können, mögen das eine oder andere im Sozialismus für verzichtbar halten.

Der im AfD‐​Grundsatzprogramm formulierte Demokratiegedanke beinhaltet wenig Totaldistanzierungswürdiges:

  • Gesetzesinitiativen aus dem Volk und erweiterte Volksabstimmungen wie in der Schweiz
  • verbesserte Kontrollmöglichkeiten der Bürgerinnen bei Parlamentsbeschlüssen
  • keine geheimen Handelsverträge; keine Handelsverträge am Bundestag vorbei
  • Privatisierungen nur nach Bürgerentscheid
  • Stärkungen von Selbstorganisationen im genossenschaftlichen Wohnungsbau und im Medienbereich
  • »Meinungs‐ und Kunstfreiheit« (S. 49), »Glaubens‑, Bekenntnis‑, Gewissensfreiheit« (S. 48), »Freiheit von Forschung und Lehre« (S. 52), »Vertragsfreiheit« (S. 67)
  • Zurückdrängung der Macht der Parteien und Stärkung der Personenbezogenheit bei Wahlen
  • verbesserte Möglichkeiten, gewählte Repräsentantinnen verantwortlich zu machen, zum Beispiel bei Verschwendung von Staatsgeldern
  • Datenschutz und Beibehaltung des Bargelds, damit der Staat keine zusätzlichen Mittel zur Kontrolle und Unterdrückung erhält
  • Subsidiaritätsprinzip: Einmischung höherer Verwaltungsebenen nur, wenn sich gesellschaftliche Aufgaben vom Umfang oder ihren Auswirkungen her nicht auf niedrigeren Verwaltungsebenen lösen lassen.

Staatsbürgerschaft und Nationalstaat

Wie bei vielen Wahlparteien üblich, ist der Wunsch der AfD nach Demokratie begrenzt: auf Inhaberinnen der Staatsbürgerschaft und bei Lohnabhängigen auf den Freizeitbereich.

In der üblichen bürgerlichen Begrenzung des Demokratiewunsches stecken Widersprüche, die darin wurzeln, dass Eigentum die dauerhafte Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen ermöglichen soll. Damit das funktioniert, muss etwas Logik und Moral verbogen werden: Lohnarbeit darf den Lohnabhängigen keinen Eigentumszuwachs an den von ihnen hergestellten Produktionsmitteln einbringen, und Mieterinnen müssen Mieten ohne wachsende Beteiligung am Wohnungseigentum zahlen können, dessen Pflege und Erhaltung sie finanzieren. Ich will mich auf die unüblicheren Widersprüche im AfD‐​Grundsatzprogramm konzentrieren.

Zu Beginn heißt es dort:

»Als freie Bürger treten wir ein für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, […] Familie und die gelebte Tradition der deutschen Kultur. Denn Demokratie und Freiheit stehen auf dem Fundament gemeinsamer kultureller Werte und historischer Erinnerungen.« (S. 6)

Familie und deutsche Tradition wertzuschätzen, erlernte Vorstellungen über historische Ereignisse mit Erinnerungen gleichzusetzen, anzunehmen, ohne dem sei keine Demokratie und Freiheit möglich, und für gesellschaftliche Veränderungen einzutreten, in denen solche Vorstellungen ausgelebt werden können: all das kann Linke und Systemlinke vielleicht auf die Palme bringen. Aber es läuft dem bürgerlich eingehegten Anliegen »für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit« nicht entgegen.

Einige Sätze weiter beginnt sich das Demokratieverständnis der AfD aus dem bürgerlichen Rahmen zu neigen:

»Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben. Wir wollen die Würde des Menschen, die Familie mit Kindern, unsere abendländische christliche Kultur, unsere Sprache und Tradition in einem friedlichen, demokratischen und souveränen Nationalstaat des deutschen Volkes dauerhaft erhalten.« (S. 6)

Aus linken und anderen Sichten gäbe es einiges zu sagen über christliche Kultur, über Nationalstaaten und Masseneinwanderungen aus dem Nahen Osten, über das als »Deutsch« bezeichnete Kunstschwäbisch und das Schicksal der echten deutschen Sprachen und damit verbundene Familienschädigungen.

Aber um beim engeren Thema zu bleiben: Im Zitat verschwimmt das Staatsvolk des Nationalstaats Deutschland mit einem Volk, das aus speziellen Menschen besteht: Deutschen.

Wen oder was meint die AfD mit »Deutschen«? Zweitsprachlerinnen sprechen unter Umständen besseres Kunstschwäbisch als mit deutschen Dialektresten verseuchte Erstsprachlerinnen. Familienliebe, Kinderliebe und Christentum kennzeichnen nicht speziell Deutsche. Diese Dinge sind eher geeignet, die Bedeutung der Nationszugehörigkeit zu relativieren, womöglich auch, um für Asylberechtigte den Familiennachzug zu erleichtern, den die AfD abschaffen will.

Was die AfD unter »Deutschen« versteht, steckt in den Ausdrücken »Tradition« und »deutsche Kultur«, wobei die »unterschiedliche Geschichte« im Zitat ganz oben irgendwie nicht genügt, um zur Nationsetablierung berechtigende Kulturlücken ähnlich wie die zwischen Deutschen und Österreicherinnen zu erzeugen.

Sind mit »deutscher Kultur« Labskaus und Sauerkraut auf demselben Teller gemeint? Vielleicht in Deutschland hergestellte Tiefkühlpizzas? Dörfliche Blaskapellen ohne libanesischen Trompeter? Vielleicht Oktoberfest und Hällowien mit Passkontrollen? Oder RTL‐​Seifenopern aus deutschen Produktionen unter Abzug des Einflusses des RTL‐​Aktienkapitals, das sich im Besitz von Leuten ohne deutsche Staatbürgerschaft befindet? Oder alle Eigenschaften und Verhaltensmuster, die Tante Herta mit Immanuel Kant, Joseph Goebbels, dem Kinderschützer Karl Lauterbach, dem Vergewaltiger Müller zwei Straßen weiter und der Bertelsmann‐​Familie, aber nicht mit den Özdemirs nebenan gemeinsam hat?

Im AfD‐​Grundsatzprogramm konnte ich nur eine einzige Stelle finden, die in die Nähe einer Beschreibung dessen kommt, was speziell Deutsche im Nationalstaat Deutschland kennzeichnen könnte: die »deutsche Verfassungstradition von 1848, 1871 und 1919« (S. 10). Die Verfassungen der genannten Jahre beziehen sich klar auf den deutschen Nationalstaat. Allerdings bilden sie eine wilde Mischung mit und ohne Kaiser und mit und ohne Dienstbotenwahlrecht.6 Sie als »Tradition der deutschen Kultur« zu leben, könnte begabten Juristinnen dennoch gelingen.

Um trotz meines Unverständnisses weiterzukommen, will ich die Sache emotional ernst nehmen. Worauf immer die AfD‐​Zuweisungen »Deutsche« und »Kinderliebe« und »gelebte Tradition« und »deutsche Kultur« mit »unterschiedlicher Geschichte« zutreffen, stelle ich mir als etwas Demokratisches und Friedliches vor. Um mich nicht durch ideologische Kampfbegriffe selbst zu bescheuklappen, nenne ich es im liebevollen Gedenken an meine in Schleswig‐​Holstein ureingeborene, Hardanger (persisch‐​norwegische, das wusste ich nicht!) Stickereien fertigende Großmutter mit größtmöglichem Wohlwollen »gutdeutsch«.

Aber irgendwie kommt trotzdem etwas Undemokratisches und Unfriedliches heraus. Das letzte Zitat aus dem AfD‐​Grundsatzprogramm deutet an: Anspruch auf Repräsentanz des deutschen Nationalstaats haben nur Gutdeutsche. Mit diesem Monopolanspruch verbunden wäre ein Ausschluss von Menschen aus dem Staatsvolk und darauf beruhenden Rechten auf demokratische Mitgestaltung Deutschlands, die ich behelfsweise »Nicht‐​Gutdeutsche« nenne.

Weiter hinten im AfD‐​Grundsatzprogramm wird die Andeutung des Ausschlusses zur Klarheit, unter anderem bei der Behandlung von Imamen und Muslima. Die AfD verlangt:

»Imame, die in Deutschland predigen wollen, bedürfen der staatlichen Zulassung. Sie müssen sich vorbehaltlos zu unserer Verfassung bekennen und müssen abgesehen von der Koranrezitation in deutscher Sprache predigen. Imame, die durch verfassungsfeindliche Agitation auffallen, erhalten ein Predigtverbot«. (S. 49f)

»Im öffentlichen Dienst soll kein Kopftuch getragen werden; in Bildungseinrichtungen weder von Lehrerinnen noch Schülerinnen«. (S. 50)

Ob die Imame und Muslima deutsche Staatsbürgerinnen sind oder nicht, interessiert in diesen Forderungen nicht. Ganz selbstverständlich haben sie kein Recht, Deutschland mitzugestalten. Ihre Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit sollen mit der Begründung einer allgemeinen »Gefahr« eingeschränkt werden, die nicht im konkreten Fall nachgewiesen zu werden braucht, wie es für einen Rechtsstaat angemessen wäre. Durch Äußerungen »auffallen«, die nicht näher bezeichnete Instanzen als verfassungsfeindlich einstufen, und ein Deutschlandbild von Leuten, nach dem der Islam nicht »dazugehören« soll, genügen für die Grundrechtseinschränkung.

Rechtsstaat oder Obrigkeitsstaat

Nach bürgerlichem Demokratieverständnis besteht zwischen dem Anliegen der einen, ihr Gutdeutschtum auszuleben, und dem Anliegen der anderen, ihre Religion auszuleben, kein Unterschied, der eine rechtsstaatliche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Ein bürgerlicher Staat hätte zum Schutz der Demokratie gleichermaßen aktiv zu werden:

  • ob nun versucht würde, Frauen Kopftücher aufzuzwingen und allen das Saufen zu verbieten, oder
  • ob versucht würde, Leuten ein unveränderliches Deutschlandbild aufzuzwingen und das Sprechen einer Sprache zu verbieten.

Die AfD misst mit zweierlei Maß. Sie selbst verwahrt sich natürlich gegen jede Grundrechtseinschränkung und braucht sich nicht »vorbehaltlos zu unserer Verfassung« zu bekennen, die sie ja an verschiedenen Stellen ändern will.

Weshalb meint die AfD, zweierlei Maß anwenden zu dürfen? Nicht schon deshalb, weil sie gesellschaftliche Verhältnisse anstrebt, in denen Menschen ausleben können, was sie für gutdeutsch halten, sondern weil sie mit ihren Vorstellungen vom Gutdeutschen einen Monopolanspruch auf Staatsrepräsentanz und ‑gestaltung verbindet.

Um das Ziel des »Deutschland den Gutdeutschen« durchsetzen zu können, will die AfD Mehrheiten im Wahlvolk Deutschlands erringen. Dazu benötigt sie einen einigermaßen funktionierenden demokratischen Rechtsstaat mit Gewaltenteilung. Aber die Durchsetzung des Monopolanspruchs auf Staatsrepräsentanz und ‑gestaltung beruht auf Setzungen, die das AfD‐​Grundsatzprogramm als demokratisch nicht legitimationsbedürftig darstellt. Die AfD glaubt, die Legitimation aus der Geschichte und Kultur und geografischen Lage Deutschlands beziehen zu können.

Legitimationen für politische Verhältnisse und Maßnahmen nicht aus demokratischen Abstimmungsprozeduren zu schöpfen, sondern aus welchen angeblichen oder tatsächlichen Gegebenheiten auch immer, ist ein antidemokratischer Politikansatz. Eine praktische Umsetzung dieses Politikansatzes durften wir gerade an den »Corona‐​Maßnahmen« erleben, die in rationalen oder irrationalen Gedankengängen ihre Legitimation auf angebliche oder tatsächliche Gesundheitsgefahren stützten, an deren Gegebenheit nicht gerüttelt werden durfte.

Zur verbindlichen Feststellung und politischen Durchsetzung und Aufrechterhaltung dieser Art von Legitimationen ist eine politische Macht erforderlich, die nicht den Entscheidungen des Staatsvolkes unterliegt. Diese Macht nenne ich mal »Obrigkeitsstaat«.

Außer an der Behandlung von Menschen mit nicht‐​gutdeutschen Religionspraktiken wird der Widerspruch zwischen demokratisch/​rechtsstaatlicher und antidemokratisch/​obrigkeitsstaatlicher Gesinnung im AfD‐​Grundsatzprogramm an verschiedenen anderen Punkten deutlich. Zum Beispiel

  • Datenschutz für Gutdeutsche ja, aber sobald Ermittlungsbehörden jemanden als »Täter« klassifizieren, soll der Datenschutz vom Aufwand der Ermittlungsbehörden zur Tatverfolgung abhängig gemacht werden (S. 27)
  • Subsidiaritätsprinzip und Autonomie von Universitäten ja, aber falls eine Universität nicht‐​gutdeutsche Studienfächer anbieten oder Genderproporz betreiben will, soll das verhindert werden (S. 52f)
  • Stärkung der Familie ja, aber Eltern, die kein Geld für Privatschulen haben, sollen nicht bestimmen dürfen, ob ihre Kinder in einem hierarchischen Staatsschulsystem an die Kandarre genommen oder anderweitig passend zum jeweiligen Familienleben unterrichtet werden (S. 54).

In der Liste deutet sich eine Erweiterbarkeit des Nicht‐​Gutdeutschen an. Im Prinzip werden die nach bürgerlichen Vorstellungen unveräußerlichen Schutzrechte vor der Staatsmacht für alle in Deutschland lebenden Menschen unter einen Vorbehalt des Wohlverhaltens gestellt.

In den Köpfen nicht nur von AfD‐​Anhängerinnen, auch mancher Linker und Systemlinker, sind demokratisch/​rechtsstaatliche und antidemokratisch/​obrigkeits­staatliche Gesinnungen vermischt, so dass sie sich je nachdem mal auf die eine Gesinnung beziehen und mal auf die andere. Alles, was sie nicht so gut finden, wollen sie – falls es demokratisch nicht zu beseitigen ist – obrigkeits­staatlich bzw. aufgrund undiskutierbarer Wahrheiten beseitigen, und alles, was sie gut finden, aber vom gegenwärtig herrschenden Regime unterdrückt wird, hat demokratisch/​rechtsstaatliche Behandlung verdient.

Bedürfnisfragen

Viele Linke und Systemlinke meinen, nicht erst an der Stelle des gutdeutschen Monopolanspruchs auf Staatsrepräsentanz und ‑gestaltung, sondern bereits beim Bedürfnis nach gutdeutscher Identität in den Abwehrmodus schalten zu müssen. Diese Haltung findet eine historische Berechtigung darin, dass an das Bedürfnis nach gutdeutscher Identität Staatsverbrechen gekoppelt waren, in den Augen mancher sich aus ihm als Konsequenz ergaben. Eine gegenwärtige Berechtigung findet die Haltung darin, dass Parteien wie die AfD an das Bedürfnis nach gutdeutscher Identität die Unterdrückung von Menschen koppeln, die ihren Vorstellungen vom Gutdeutschen nicht entsprechen.

Praktisch folgt aus der ablehnenden Haltung gegenüber dem Bedürfnis nach gutdeutscher Identität eine Auseinandersetzung um Bedürfnisfragen. Schon das Bedürfnis erscheint manchen (System-)Linken als politisch gefährlich. Arrogant erklären sie es zum Pseudobedürfnis.

Menschen mit dem Bedürfnis nach gutdeutscher Identität andererseits weisen auf einen inneren Widerspruch dieser Haltung hin: Alle dürfen sich identitär auf ihre Volkszugehörigkeit und Kultur beziehen und sollen als nationale Minderheiten sogar geschützt werden, nur »die Deutschen« nicht.

Um zu konkret lösbaren politischen Fragen vordringen zu können, wäre die Verkoppelung gutdeutscher Identität mit dem Anliegen zur Unterdrückung von Mitmenschen aus der Unbedingtheit, wie sie das AfD‐​Grundsatzprogramm nahelegt, zu lösen.

Kurz durchgespielt: Identitäre Siedlungsgebiete

Aus demokratisch/​rechtsstaatlicher Perspektive spricht nichts dagegen, dass Menschen mit dem Bedürfnis, eine kollektive Identität zu pflegen, das auch tun. Weshalb sollten sie sich nicht in identitären Siedlungen ein gemeinsames Leben organisieren und den Zuzug aus der Außenwelt kontrollieren dürfen?

Weshalb sollten andererseits Menschen, die von der jeweiligen Kollektividentität ausgegrenzt werden, ein Interesse haben, sich in identitäre Siedlungen hineinzudrängen und darin ein geducktes Leben als Außenseiterinnen zu führen? Weshalb sollten sie selbst kein Bedürfnis nach kollektiven Identitäten haben und nicht in derselben Weise verfahren dürfen?

Weshalb schließlich sollten Menschen ohne Bedürfnis nach kollektiven Identitäten sich nicht ebenso verwirklichen und in Siedlungen assoziierter Individuen mit gemeinsamen öffentlichen Klos leben dürfen?

Weshalb sollten im Fall sich überschneidender Siedlungsgebietsbedürfnisse keine Kompromisse ausgehandelt werden können? 7 Wie viel Hass auf »Andersartige« speist sich eigentlich aus der kritiklos hingenommenen Demütigung, das eigene unmittelbare Lebensumfeld nicht beeinflussen zu dürfen?

Selbstorganisiert identitäre Siedlungen aufzubauen und längerfristig zu erhalten, gelingt, abgesehen vom Selbsteinschluss reicher Leute in Luxusvierteln, praktisch nur kleineren Gruppen, meistens bestehend aus Angehörigen des Mittelstands und/​oder Studierenden mit genügend Knete bzw. Einkommensaussichten zum Immobilienerwerb, die zum Beispiel anarchistisch‐​ökologische Dorfgemeinschaften gründen.

Größere Menschenmengen bringen unter Bedingungen des Kapitalismus die zur Selbstorganisierung eines identitären Lebens erforderliche Gemeinschaft nicht zustande. Nicht zuletzt scheitern sie an der Gegensätzlichkeit ihrer wirtschaftlichen Interessen:

  • Einige unter ihnen sind als Unternehmerinnen an billigen, möglichst rechtlosen Arbeitskräften interessiert und wollen sich nicht vorschreiben lassen, wen sie einzustellen haben und wen nicht. Arbeitsplatzknappheit tut ihnen gut. Ob sie Profite innerhalb oder außerhalb eines identitären Siedlungsgebiets investieren, hängt mehr von Gewinnerwartungen ab als von Identitäten.
  • Andere sind als Vermieterinnen an Wohnungsknappheit interessiert, um die Mieten in die Höhe treiben zu können. Genossenschaftlicher Wohnungsbau, den die AfD fördern will, schadet ihnen.
  • Wieder andere verkaufen als Landwirtinnen oder Händlerinnen oder Dienstleisterinnen an die jeweils Meistbietenden. Ob deren Identität »stimmt«, ist vielen nicht so wichtig.
  • Noch andere mögen an identitären Berufsschulen und Universitäten weitgehend kostenlose Ausbildungen erhalten und danach das Siedlungsgebiet verlassen, weil woanders mehr Geld zu verdienen ist.
  • Viele sind an hohen Löhnen und niedrigen Mieten interessiert, und auch daran, im Kampf um die besten Arbeitsplätze und um Beförderungen andere Lohnabhängige auszustechen, gemeinsame Identität hin oder her.

Wie lange wäre ein identitäres Siedlungsgebiet, das nicht auf außerhalb ausgebeuteter Arbeit basierte, überlebensfähig? Würden nicht spätestens ab der zweiten Generation zunehmend viele Jugendliche den muffigen Verhältnissen ihrer jeweiligen identitären Siedlungen entfliehen wollen und sich in die große bunte Welt aufmachen, wenn sie sie nicht ins Siedlungsgebiet hineinholen dürfen?

Politische Gewalt und Wirtschaftsweise

Zur Durchsetzung des Anliegens nach einer Kollektividentität und zu ihrer Aufrechterhaltung im größeren Umfang einer kapitalistischen Volkswirtschaft und eines Nationalstaats ist Zwang nötig, der die Menschen daran hindert, das für sie jeweils Naheliegende zu tun: bei höheren Profiten im Ausland statt im Inland zu investieren; die Kaffeemaschine aus China zu kaufen, um Kostenbeteiligungen an Sozialagenden zu vermeiden; Erntehelferinnen und Industriearbeiterinnen aus anderen Staaten auszunutzen; in ein anderes Land einzuwandern, weil die Stromversorgung dort (noch) funktioniert; nach nationalgesellschaftlich finanziertem Studium im Ausland eine lukrative Professur anzunehmen .…

Im Kapitalismus kann nur ein Obrigkeitsstaat ein identitäres Siedlungsgebiet herstellen und erhalten. Der Obrigkeitsstaat muss durch Kapital‐ und Arbeitskraftverkehrskontrollen und andere Einschränkungen der »freien Marktwirtschaft« permanent dafür sorgen, dass die Kollektividentität mehr gilt als der wirtschaftliche Erfolg.

Ein Obrigkeitsstaat funktioniert nur, wenn die jeweils wirtschaftlich Mächtigen mitspielen. Die wirtschaftlich Mächtigen spielen nur dann mit, wenn der Obrigkeitsstaat in ihrem Interesse agiert.

Andererseits läuft die Art und Weise, in der Menschen zumindestens im Konkurrenzkapitalismus für ihr Leben sorgen, nicht dem Anliegen »für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit« im bürgerlichen Sinn entgegen. Im Gegenteil drängt die kapitalistische Wirtschaftsweise, bevor die Siegerinnen marktwirtschaftlicher oder anderweitiger Wettbewerbe Oligarchien ausbilden, zu dieser politischen Dreieinigkeit hin – soweit die Wirtschaft funktioniert, d.h. soweit alle Beteiligten »etwas davon« haben und sich Auseinandersetzungen nur darum drehen, wer mehr »davon« abbekommt. In diesem Fall sind fast alle Beteiligten eher an Kompromisslösungen interessiert als an Streiks und Unterdrückung.

Gerät aber die kapitalistische Wirtschaftsweise in eine Krise, verwandeln sich die Rangeleien um das größere Stück vom Kuchen in Kämpfe um Brot und Eigentum. Mit sich verschärfender Krise werden politische Ideologie und Gewalt immer wichtiger, damit der Gesellschaftsladen mit seinen entgegengesetzten Interessen nicht auseinanderfliegt. In diesen Phasen, in denen die zusammenhaltende Wirtschaftskraft des gemeinsamen Nutzens schwindet, bekommen Rufe nach einem Obrigkeitsstaat und nach Kollektividentitäten zur Überbrückung der Gegensätze Konjunktur.

Unvollendete Gefahrenanalyse

An der Festlegung des AfD‐​Grundsatzprogramms können folgende Gruppen beteiligt gewesen sein:

  • eine mit vermischter demokratisch/​rechtsstaatlicher und antidemokratisch/​obrigkeitsstaatlicher Gesinnung und
  • eine mit konsistenter antidemokratisch/​obrigkeits­staatlicher Gesinnung, die hinsichtlich des Anliegens »für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit« taktisch‐​strategische Kompromisse einging.

Den Mitgliedern der Gruppen gemeinsam ist eine mental anscheinend existenzielle Bindung ihrer Identitäten an den Nationalstaat (nicht unbedingt an die Heimat oder »eigenen Leute«; das wird oft verwechselt und gilt auch für die Buchstabenplus‐​Szene).8

Eine Gruppe mit konsistenter demokratisch/​rechtsstaatlicher Gesinnung war an der Festlegung des AfD‐​Grundsatzprogramms eher nicht beteiligt, da das demokratisch/​rechtsstaatliche Anliegen vom antidemokratisch/​obrigkeitsstaatlichen wie in einer Säure zersetzt wird. Jemand mit konsistenter demokratisch/​rechtsstaatlicher Gesinnung kann vielleicht notweise im Rahmen der AfD tätig sein, weil anderswo Möglichkeiten zur regime‐​oppositionellen Einflussnahme fehlen.

Die Kompromissbereitschaft von konsistent antidemokratisch/​obrigkeits­staatlich Gesinnten, die beim Verfassen des AfD‐​Grundsatzprogramms mitgemacht haben könnten, würde deren Schwäche zeigen. In reiner Form, ohne demokratisches Mäntelchen, hat ihre Gesinnung zur Zeit wenig Chancen auf Massenzulauf, denn das Reservoir derjenigen, die eine mehr oder weniger konsistente antidemokratisch/​obrigkeits­staatliche Gesinnung haben, wird zum überwiegenden Teil vom herrschenden Regime abgeschöpft, das die Gesinnung mit entgegengesetzten Inhalten füllt: Globalismus, Glaube an Pseudowissenschaft, Gesundheitsdiktatur, Konstruktion entsprechend anderer Menschengruppen als Hassobjekte …

Ginge es darum, Leute mit solcher Gesinnung auf feindliche Lager zu verteilen, wären sie grundsätzlich beim jeweils schwächeren Lager weniger gefährlich untergebracht. Zynisch gesehen: Mit Messern und Brandstiftung lassen sich weniger Menschen verletzen und töten als mit staatlichen Spritzzwängen und Panzerlieferungen.

Solange die AfD, die sich von Messern und Brandstiftungen als politische Werkzeuge distanziert, in der Opposition ist, bringt ihr antidemokratisch/​obrigkeits­staatlicher Gesinnungsanteil hauptsächlich folgende Gefahren:

  • Förderung von Diskriminierungen Nicht‐​Gutdeutscher im Alltagsleben und, weil das Herumhacken auf ihnen normalisiert wird, von physischen Angriffen privater und staatlicher Banden gegen sie
  • Ablenkung der Regimeopposition und Problemlösungssuche auf einen Kampf gegen Nicht‐Gutdeutsche
  • Ausschluss oder Fernbleiben Nicht‐​Gutdeutscher von oppositionellen Zusammenschlüssen
  • Sammlung eines Massenanhangs, den dazu ausreichend Mächtige bei Interesse instrumentalisieren könnten, indem sie hinter den Kulissen die Partei übernehmen.

Diese Gefahren werden mindestens teilweise neutralisiert, indem

  • Nicht‐​Gutdeutsche und AfD‐​Mitglieder in politischen oder sozialen Bündnissen oder im Betrieb oder auch in Vertretungskörperschaften usw. zusammenarbeiten
  • AfD‐​Mitglieder auf Demos neben Nicht‐​Gutdeutschen herlaufen, ohne deren gleichberechtigte Teilnahme zu beanstanden
  • die AfD auch Anliegen propagiert, die in Richtung Demokratie, individuelle Freiheit und eigenständiges Denken gehen.

Die genannten Gefahrenneutralisationsarten beinhalten eine Ablösung des Bedürfnisses nach gutdeutscher Identität vom Monopolanspruch auf Staatsrepräsentanz und ‑gestaltung. Die Ablösung entspricht der Haltung, die Nicht‐​Gutdeutsche mit Bedürfnissen nach nationalen und allen möglichen Kollektividentitäten in Deutschland haben, ohne damit einen Monopolanspruch auf Staatsrepräsentanz und ‑gestaltung zu verbinden. Nicht auf alle Nicht‐​Gutdeutschen trifft das zu, aber es trifft genausowenig wie bei Gutdeutschen auf die Einzelnen in Abhängigkeit zu ihrer Gruppenzugehörigkeit zu. In allen identitären Gruppen gibt es »solche und solche«.

Das herrschende Regime kann sich auf eine Wirtschaftsmacht stützen, die ungleich größer ist die der antidemokratisch/​obrigkeits­staatlichen Gesinnung, die das AfD‐​Grundsatzprogramm ausdrückt. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu (vor-)nationalsozialistischen Zeiten. Der historische Nationalsozialismus hatte mächtige Kapitale der Finanzbranche und Industrie des Inlands und Auslands im Rücken. Das Großkapital brauchte nationalistische Ideologien zur Züchtung von Schlachtvieh für Eroberungskriege. Heute braucht es eher anti‐​nationalistische Ideologien, zum Beispiel, um gewinnbringend die Bevölkerungen auch verarmter Nationalwirtschaften zum Experimentiervieh der Pharmaindustrie machen zu können und digital unter Kontrolle zu bringen, oder um nationale Energie‑ und Argrarpolitiken kontrollieren und zu seinem Nutzen gleichschalten zu können. Nationalistische Ideologien werden nur gefördert, soweit und solange sie zur Zerschlagung nationaler Souveränitäten taugen. (Malen sich ukrainische Nationalistinnen nicht aus, was aus der Ukraine als Mitglied der EU würde?)

Wie sähe ein Regime in Deutschland aus, in dem die AfD Regierungseinfluss hat?

Naheliegenderweise würde die AfD sofort versuchen, den Wählerinnen ihre »Effektivität« als Regierungspartei zu demonstrieren.

Wirtschaftspolitisch könnte sie diese und jene Gesetze und die Steuerpolitik ändern, aber nicht die Wirtschaftskrise beheben oder auch nur an der Verschlimmerung hindern. In der Großindustrie, Infrastruktur und im Finanzbereich wäre nur in Ausnahmefällen ein Konkurrenzkapitalismus herstellbar. Für einen Konkurrenzkapitalismus in diesen Wirtschaftszweigen sind die Produktionen global zu sehr verflochten, die Einstiegsinvestitionen zu hoch, die Amortisationszeiten zu lang. Weltmarktvorteile und technologische Vorsprünge entstehen wie gehabt weitgehend nur mit Staatshilfe. Die Staatshilfe eines deutschen Staates ist derjenigen eines russischen, chinesischen, indischen Staats nicht gewachsen. Das gute Leben im kapitalistischen Deutschland beruhte auf Voraussetzungen, die unwiederbringlich verschwunden sind und heute, wenn es im Großen bei einer profitorientierten Wirtschaftsweise bleiben soll, am seidenen Faden der Bedienung von Schulden durch das Ausland hängen, mit denen die deutschen Exportüberschüsse finanziert werden. (Manche nennen nicht von ungefähr Deutschland »das China von Europa«.)

Der zweite Bereich, in dem die AfD »Effektivität« demonstrieren kann, liegt in der Verfolgung der von ihr konstruierten Gruppen Nicht‐​Gutdeutscher. Eine AfD an oder in der Regierung wird versuchen, Freiheiten, Rechte und Rechtssicherheiten von Asylsuchenden, Einwanderungswilligen und Eingewanderten zu beseitigen und die Exekutive auf muslimische Gemeinden und Sichtbarkeiten sowie auf systemlinke Strukturen zu hetzen. Mit sich vertiefender Wirtschaftskrise könnte die antidemokratisch/​obrigkeitsstaatliche Komponente der AfD erstarken.

Diktatorische Regierungspolitiken, die Systemlinke heute mittragen bis hinnehmen, würden – weil von der »falschen« Seite kommend – deren Widerstände, vielleicht eine Art Wiedervereinigung mit Linken, provozieren. Das transnational aufgestellte Kapital würde nationalistische Einflüsse der AfD auf die Wirtschaft bekämpfen. Insgesamt stünde eine AfD-(Mit-)Regierung auf wackeligen Füßen.

Wenn oder während eine Partei Masseneinfluss erlangt, kann sie aber auch zur potenziellen Bündnispartnerin mächtiger Kapitalfraktionen werden. Deren Vertreterinnen werden dann versuchen, im Verbund mit einer machthungrigen Parteifraktion, die es immer gibt, aus der Partei zu entfernen, was ihren Interessen widerspricht – vermutlich weniger blutig als seinerzeit bei der NSDAP. Um die Wahrscheinlichkeit der Instrumentalisierung einschätzen zu können, ist insbesondere die Entwicklung der AfD‐​Verbotsdiskussion interessant. Je leiser oder isolierter die Verbotsforderung bei AfD‐​Erfolgen, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Instrumentalisierung. Vor den Kulissen wäre diese Entwicklung an den Politikinhalten vielleicht zu spät erkennbar.

Dem Erfolg der AfD als Partei zuzuarbeiten, gewollt oder ungewollt, wäre mit und ohne Instrumentalisierung gefährlich. Wäre aber angesichts der Gefahr, die das gegenwärtige Regime darstellt, eine Zuarbeit gefährlicher, als der Gelegenheit entgegenzuarbeiten, in Form der AfD dem auf totale Kontrolle der Menschen zielenden, kriegstreiberischen Globalismus Sand ins Getriebe zu streuen? Lässt sich diese Frage verantwortlich klären, ohne dass Gefahreneinschätzungen der von der AfD als Nicht‐​Gutdeutsche vorgesehenen Menschen, die teilweise mit (durchaus distanzierungswürdigen) anti‐​sozialistischen, nationalistischen, sexistischen, … Positionen der AfD übereinstimmen, in den Klärungsprozess eingehen?

Querfront

Einflusslosigkeit macht manches einfacher. Bis auf vielleicht eine Strömung, die sich um Sarah Wagenknecht sammelt (wenigstens, solange die Massenmedien sie nicht fallen lassen), sind linke Strömungen in Deutschland faktisch zu schwach, um Wahlerfolge oder ‑misserfolge der AfD merklich beeinflussen zu können.

Sich nicht komplett von der AfD und/​oder ihren Anhängerinnen zu distanzieren, sondern nur von ihren antidemokratischen, obrigkeitsstaatlichen und unbuddhistischen Aspekten, Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Diskussion zu nutzen, soweit diese nicht zu Ausschlüssen von Nicht‐​Gutdeutschen führen, setzt Linke dem »Querfront«-Vorwurf aus. Dieser Vorwurf wird aber bereits dann erhoben, wenn sich Ziele Linker mit denen der AfD überlappen.

Dass sich Ziele überlappen, etwa hinsichtlich von Waffenlieferungen in die Ukraine oder der Auslieferung von Grundrechten an (im Vergleich zu 4‑Jährigen) moralisch und intellektuell verkümmerte Politikerinnen und Corona-»ExperInnen«, ist schlecht zu bestreiten. Aber wie kommt es überhaupt zu einer Überlappung und worin im Kern besteht sie?

In der oppositionellen Alltagspraxis wird deutlich, dass es nicht nur um eine oberflächliche Überlappung gehen kann. Der Anspruch, es nicht zu einer Überlappung kommen zu lassen, treibt Systemlinke in die Arme des herrschenden Regimes. Durch Überlappungsvermeidung scheint demnach etwas Wesentliches verloren zu gehen, das zur Regimeopposition nötig ist. Dieses Wesentliche kann nicht in der Regimeopposition an und für sich schon liegen. Denn eine Haltung der Regimeopposition teilten Linke mit Rechten in der Vergangenheit schon öfters, ohne sich von der dazu passenden »Extremismus«-Schelte beirren zu lassen. »Querfront«-Vorwürfe bei Überlappungen in Teilbereichen, etwa der Stationierung von US‐​Atomwaffen in Deutschland und darauf bezogene links/​rechts‐​vermischte Massendemonstrationen, veranlassten Linke früher nicht zu einer Distanzierung vom gemeinsamen Anliegen.

Wenn die Überlappung seit einiger Zeit Wesentliches zur Regimeopposition beinhaltet, muss dies eine Folge von Notwendigkeiten zur Erhaltung der bestehenden Ausbeutungs‐ und Herrschaftsverhältnisse sein. Ein kapitalistisches Deutschland konnte früher auch ohne Atomwaffen auf deutschem Boden funktionieren. Aber heute funktioniert Kapitalismus in Deutschland höchstens noch als Sahnehäubchen auf gemeinwohlorientiert gebackenem Apfelstrudel mit einfach‐​warenwirtschaftlich erzeugten Äpfeln. Die Auflösung nationaler Souveränitäten und der Umbau kapitalistischer zu neo‐​feudalen, nicht dem Wertgesetz unterliegenden Wirtschaftsweisen (dieser nicht zum erstem Mal), sind für die Westlichen Oligarchien zur Existenzfrage geworden. Nur deshalb kann eine pro‐​kapitalistische Haltung wie sie die AfD vertritt als regimeoppositionelle Haltung wirken.

Bei vielen Rechten und Linken ist es noch nicht angekommen, dass ihr traditionelles Feindbild nicht mehr stimmt. Daher sprechen es erstere als »Sozialismus/​Kommunismus« an und letztere als »Kapitalismus«. Das, dem ihre unfreiwillig praktisch als solche wirkende gemeinsame Opposition gilt, ist eine anti‐​sozialistische, anti‐​kommunistische Kapitalismustotengräberin. Zeitgleiche Angriffe gegen sie von verschiedenen Seiten bilden objektiv eine Querfront. Aufgrund dieses wahren Kerns des »Querfront«-Vorwurfs ist für linke Regimeoppositionelle eine Totaldistanzierung von der AfD praktisch unmöglich. Die Distanzierung kann von vornherein nur eine praktisch partielle und eine mentale, moralische, psychische und ideelle, sein.

Mit diesem Ergebnis wäre neu zu fragen: Wo und wann sind welche Distanzierungen von der AfD und/​oder ihren Anhängerinnen gefährlicher als Nichtdistanzierungen und umgekehrt? Zusätzlich stellt sich die Frage, inwieweit diese Frage praktisch überhaupt wichtig ist. Denn zu Distanzierungen und Nichtdistanzierungen kommt es, ohne dass sie als solche thematisiert zu werden brauchen. Sie folgen ohne besonderes Zutun aus der Verfasstheit der Linken. Diese schließt aus, Besitzlose in Gruppen mit weniger und mehr Rechten und Freiheiten einzuteilen. Wo dies geschieht oder droht, haben Linke nur die Wahl zwischen Distanzierung und Selbstaufgabe. Wenn andererseits Linke in Deutschland es beispielsweise unterlassen, zur Einwanderung oder zur Religionsfreiheit klare Haltungen zu entwickeln, wenn sie zu diesen Themen schweigen bzw. sich vor ihnen drücken, weil es um den Schutz auch von politisch nicht‐ bis anti‐​links eingestellten Besitzlosen geht, wirkt das praktisch als Nichtdistanzierung von der AfD und damit als Distanzierung von denen, die die AfD als Nicht‐​Gutdeutsche eingeteilt hat. Das Schweigen zu AfD‐​Themen in der Linken wird manchmal damit begründet, sich nicht auf das Agendasetting der AfD einlassen zu wollen. Aber ist diese Begründung stichhaltig, solange der gesellschaftliche Einfluss Linker für mindestens gleich wirksames Agendasetting nicht genügt?

Listen von AfD‐Reformvorstellungen

Es folgen zwei Listen von Reformvorstellungen im Grundsatzprogramm der AfD, grob sortiert nach Vereinbarkeit – nicht unbedingt: Befürwortung – mit linken Positionen. Da linke Positionen vielfältig sind, kann das eine oder andere für die einen oder anderen Linken falsch einsortiert sein.

Die Nummern beziehen sich auf Kapitel im Grundsatzprogramm.

Vorstellungen, die mit linken Positionen eher vereinbar sind

1 Parlamentarisches System

  • Volksentscheide in Anlehnung an das Schweizer Modell 
    • Volksentscheide über vom Parlament erlassene Gesetze
    • Überprüfbarkeit von Parlamentsbeschlüssen in eigener Sache durch das Volk (Diäten usw.)
    • Gesetzesinitiativen aus dem Volk
  • Trennung von Amt und Mandat 
    • Parlamentarierinnen sollen nicht mehr Teil der Exekutive sein und umgekehrt
    • Abschaffung der Funktion »politischer Beamter«, Vergabe von Beamten‐ und Richterposten nach Qualfikation
  • Gesetzliche Neuregelung der Parteienfinanzierung nach Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 
    • Unbeschränkte Kontrolle der den Parteien zufließenden Gelder durch die Rechnungshöfe und Veröffentlichung der Ergebnisse
    • Restriktive Neuordnung von Spendenregelungen zur Eindämmung von Korruption
    • Verbot der Beteiligung von Parteien an Unternehmen
    • Verbot der Annahme von Firmen‐​Spenden durch Parteien
  • Neugestaltung des Wahlsystems weg von der Parteien‐ hin zur Personenorientierung 
    • »freie Listenwahl« bei Landtags‐ und Bundestagswahlen mit Möglichkeit des Kumulierens, Panaschierens und Streichens von Kandidatinnen
    • Bindung von Abgeordnetenmandaten an Mindestwählerstimmen, ggf. Verkleinerung der Parlamente
    • weniger Abgeordnete pro Bürgerinnenanzahl, Verringerung der Anzahl der Abgeordneten in Landtagen und im Bundestag
  • Änderung GG § 54 zur Direktwahl der Bundespräsidentin
  • Eingrenzung von Privilegien und Missbrauchsmöglichkeiten durch Abgeordnete 
    • Amtszeitbegrenzung auf höchstens vier Legislaturperioden für nicht direkt gewählte Abgeordnete
    • Gesetz zur Eindämmung des Lobbyismus mit konkreten Rechten/​Pflichten/​Sanktionen für Abgeordnete und Lobbyvertreterinnen nach Vorbild anderer Demokratien
    • Transparenz der Nebentätigkeiten von Abgeordneten
    • Abgeordnete sollen ausschließlich eine früher ausgeübte Tätigkeit in begrenztem Umfang fortsetzen und nicht neue Nebentätigkeiten aufnehmen dürfen
    • keine privilegierte Altersversorgung für Abgeordnete, ggf. sollen die Abgeordneten privat vorsorgen
    • Einführung eines Straftatbestandes der Steuerverschwendung

2/​4/​9 Außenpolitik

  • keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten
  • Beteiligung deutschen Militärs außerhalb des NATO‐​Gebiets grundsätzlich (nur?) unter UN‐Mandat
  • Abzug aller in Deutschland stationierten alliierten Truppen und insbesondere ihrer Atomwaffen
  • »Fluchtursachen in den Herkunftsländern müssen bekämpft werden, auch wenn dies für die westliche Wirtschaft nachteilig ist« 
    • Exportstopp für hochsubventionierte landwirtschaftliche Produkte, Waffen, Altkleider, Giftmüll nach Afrika
    • Stopp der EU‐​Fischerei vor afrikanischen Küsten
  • grundsätzliche Ablehnung von Sanktionen gegen Staaten
  • EU
    • keine formelle EU‐​Außen‐ und Sicherheitspolitik, kein gemeinsamer Auswärtiger Dienst
    • Rückentwicklung der EU in Richtung Wirtschaftsgemeinschaft
    • keine EU‐​Streitkräfte
    • geordneter Austritt aus dem EURO (damit Fortfall der EU-»Rettungsmechanismen« ESM usw. bei weiterer Bedienung konkret gegebener Zusagen)

7/​8 Kultur, Bildung und Wissenschaft

  • Förderung von Möglichkeiten im In‐ und Ausland, Deutsch zu lernen
  • Ablehnung politisch »korrekter« Sprachvorgaben
  • Abschaffung der GEZ‐Zwangsfinanzierung 
    • Verschlüsselung der GEZ‐​Medien, so dass nur noch Zahlende sie sehen können
    • Wahl der Kontrollgremien durch die Zuschauenden
  • Förderung selbstorganisierter Medienangebote
  • Universitäten
    • freie Entscheidung der Universitäten über Art und Umfang ihres Studienangebots
    • Ersatz staatlicher Drittmittelvergaben durch eine höhere Grundfinanzierung
    • Deutsch als Lehrsprache erhalten
    • Abschaffung der Bachelor‐ und Mastergrade und Rückkehr zum Diplom, Magister, Staatsexamen
  • Schulen
    • Wahlfreiheit zwischen Ganz‐ und Halbtagsklassen
    • Erhalt von Förder‐ und Sonderschulen, keine Inklusion um jeden Preis
    • keine Frühsexualisierung und Verunsicherung von Kindern in Bezug auf ihre sexuelle Identität

9 Behandlung von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft

  • Rückkehrhilfen für Geflüchtete vor Krieg oder politischer oder religiöser Verfolgung bei Entfallen der Fluchtursachen; internationale Wiederaufbauprogramme (vereinbar mit linken Positionen bei Freiwilligkeit der Nutzung)
  • Errichtung von »Schutz‐ und Asylzentren in sicheren Staaten« in Herkunftsregionen von Flüchtlingsbewegungen unter UN‐ oder EU‐​Mandat »auf einem Niveau … das eine Weiterwanderung überflüssig macht«, zur Not durch Deutschland per Verträgen mit den Standortstaaten allein errichtet (vereinbar mit linken Positionen bei Freiwilligkeit der Nutzung)

2/​5/​9/​10/​11/​12/​14 Wirtschaft

  • bei Bankinsolvenzen sollen »Fremdkapitalgeber, Manager und Gesellschafter der Banken … vor Spareinlegern oder … Steuerzahlern in Haftung treten«
  • erhöhte Eigenkapitalquoten für Banken, Hedgefonds und »Schattenbanken«
  • transparente Handelsabkommensverhandlungen und Offenlegung von Handelsabkommen
  • Handelsabkommen nur unter Beteiligung des Bundestags
  • in Handelsabkommen keine Übertragung von Souveränitätsrechten auf Sonderschiedsgerichte
  • uneingeschränkte Beibehaltung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel
  • Öffentlich‐​Privat‐​Projekte: unabhängige fachtechnische Prüfung; Verhinderung überhöhter Beratungskosten und Lobby‐​Zugehörigkeit von Beratenden
  • Stärkung gemeinnütziger Wohnungsbaugenossenschaften und genossenschaftlicher Wohnprojekte
  • »umfassende Aus‐ und Weiterbildung, … Integration von immer noch Millionen zählenden Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt … Beendigung der Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern und Alleinerziehenden«
  • Privatisierungen
    • Privatisierungen nur nach Bürgerentscheiden
    • Offenlegung von Privatisierungsverträgen
    • keine Privatisierung der Grundversorgung mit Trinkwasser
  • Steuern
    • deutliche Erhöhung des Steuer‐Grundfreibetrags
    • Familiensplitting (Summe der Einkünfte wird durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt)
    • rechtsformneutrale Besteuerung von Unternehmen
  • Sozialsystem
    • Auszahlung des Kindergelds durch die Finanzverwaltung
    • gesetzlicher Mindestlohn oberhalb der Armutsgrenze und der Finanzierbarkeit einer minimalen Altersversorgung
    • keine vollständige Anrechnung von Arbeitseinkommen auf den staatlichen Unterstützungsbetrag
    • stärkere Berücksichtigung von Kinderzahl und Erziehungsleistung bei der Rente
    • Erhöhung der Sätze bei Pflege durch Angehörige; Ausbau der Betreuung der pflegenden Angehörigen
    • finanzielle Hilfen zur Vermeidung von Abtreibungen
    • Kostentransparenz in der Migrationsindustrie
  • Verbraucherschutz
    • Stärkung verbraucherschützerischer Einrichtungen (Stiftung Warentest, Verbraucherzentralen)
    • keine Abschwächung erreichter Verbraucherschutzstandards durch internationale Harmonisierungen
    • genauere Lebensmittelkennzeichnung bezüglich Herkunft und Inhaltsstoffen
    • Prüfungspflicht für chemische Inhaltsstoffe und Nahrungsergänzungsmittel; gesundheitliche Langzeitstudien
    • unabhängige Produkttests zur Kontrolle der Haltbarkeit als Maßnahme gegen deren künstlicher Verkürzung
    • neutrale Fremdprüfung importierter Textilien und Kinderspielzeuge auf Schadstoffe
    • Modernisierung und Verbesserung der Wasseraufbereitung
    • Verbot von in der Humanmedizin wichtigen Antibiotika in der (Massen-)Tierhaltung
    • Verbot von Antibiotikarückständen und multiresistenten Keimen in Tierfleisch
  • Energiegewinnung
    • Förderung der Erforschung sämtlicher Formen der Energiegewinnung
    • »Die endgültige Entscheidung über den Einsatz der Fracking‐​Technik an geeigneten Standorten müssen letztlich die vor Ort betroffenen Bürger fällen.«
    • Bürgerbeteiligung bei der Errichtung von Windkraftanlagen

10/​14 Digitalisierung und Datenschutz

  • kostenloses WLAN in öffentlichen Einrichtungen
  • Verwendung quelloffener Betriebssysteme und Software in der öffentlichen Verwaltung
  • zentrale Beschaffung der Hardware für die öffentliche Verwaltung und Prüfung auf Manipulationen
  • keine Einschränkung von Ende‐zu‐Ende‐Verschlüsselungen
  • Digitalisierung deutscher Literatur als Staatsaufgabe
  • Wiederherstellung des Bank‐ und Steuergeheimnisses; kein Austausch von Steuerdaten zwischen Institutionen und Staaten; »Datenaustauschprogramme wie FATCA und Swift dürfen nicht zur Überwachung der Bürger missbraucht werden.«
  • schnelles Internet im ländlichen Raum

10/​12/​13 Umwelt‐ und Tierschutz

  • verbesserter Gewässerschutz zum Schutz des Trinkwassers
  • Verbot von Glyphosat beim Pflanzenschutz, ehe die Unschädlichkeit für Mensch und Tier nicht fundiert nachgewiesen ist
  • Schluss mit »Klimaschutz« und »Energiewende«; keine finanzielle Belastung von CO2-Emissionen; keine staatliche Unterstützung von »Klimaschutz«-Organisationen
  • Durchsetzung artgerechter Tierhaltung in der Landwirtschaft, in Zoos, Zirkussen, Delphinarien, Privathaushalten
  • Zwang zur Verwendung des nächstgelegenen Schlachthofs; Einschränkung der Schlachttier‐Transportdistanzen
  • Verlagerung grenzüberschreitender Massentransporte schwerer Güter auf Schienen und Wasserwege
  • Ausbau und Modernisierung des Schienennetzes für Personen‐ und Güterverkehr; besserer Lärmschutz

Vorstellungen, die mit linken Positionen weniger vereinbar sind

3 Justizsystem

  • Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf 12
  • Erleichterung der Verhängung von Untersuchungshaft bei »dringendem Tatverdacht« bei Straftaten, die mit 1 Jahr oder mehr Gefängnis bestraft werden (§ 12 Abs. 1 StGB)
  • besonderer Schutz von »Amtspersonen«, Einführung eines eigenen Straftatbestands zu deren Schutz
  • »Sicherungsverwahrung« von »nicht therapierbaren« Tätern, »von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen«
  • »kein Datenschutz für Täter«; Abwägung des Datenschutzes mit dem damit verbundenen »Mehraufwand für die Ermittlungspersonen«

3/​9 Behandlung von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft

  • Erleichterung der Ausweisung »ausländischer Krimineller«; »Sicherungshaft«; Herabsetzung von Ausweisungsvoraussetzungen und Beschleunigung von Ausweisungsverfahren, damit die »gefährlichen« unter ihnen anderswo Menschen zerstechen und vergewaltigen
  • Lockerung gesetzlicher Abschiebungshindernisse
  • Abschaffung des Anspruchs auf Einbürgerung
  • Abschaffung von erleichterten Einbürgerungen für in Deutschland Geborene
  • Möglichkeit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei »bestimmten Tatbeständen«
  • Verdacht auf Zugehörigkeit zu »organisierter Kriminalität« soll als Ausweisungsgrund genügen
  • Zwang zur Internierung in »Schutz‐ und Asylzentren in sicheren Staaten« der »Herkunftsregion«, um Asylanträge stellen zu können
  • Abschiebung von Asylsuchenden in die »Schutz‐ und Asylzentren in sicheren Staaten« der »Herkunftsregion« bis zur Entscheidung über den Asylantrag
  • Abschaffung des individuellen Asylgrundrechts
  • Änderung der Genfer Flüchtlingskonvention zur Verhinderung von Massenmigration
  • Einführung von Bestrafungen für »Obstruktionen bei der zur Rückführung erforderlichen Passbeschaffung und Täuschungen der Behörden«
  • Kürzung der Sozialhilfe von Abzuschiebenden auf minimale Sachleistungen
  • Einschränkung der EU‐Freizügigkeit
  • »Wer sich der Integration verweigert, muss sanktioniert werden und letztendlich auch sein Aufenthaltsrecht verlieren können.«
  • kein Familiennachzug für anerkannte Asylsuchende
  • bevorzugte Einwanderung von Fachkräften, deren Ausbildung andere Volkswirtschaften finanziert haben, gegenüber der Ausbildung von eingewanderten »Unqualifizierten«

3/​9 Grenzüberwachung

  • Bewachung grüner Grenzen des Staatsgebiets durch die Bundeswehr, ggf. Errichtung von Zäunen/​Barrieren
  • »Aufbau eines flächendeckenden deutschen Grenzschutzes unter dem Dach der Bundespolizei«
  • »vollständige Schließung der EU‐Außengrenzen«

4/​9 Kriegs‐ und Außenpolitik

  • ständiger Sitz Deutschlands im UN‐Sicherheitsrat
  • »Fürsorgepflicht Deutschlands für die im Ausland lebenden deutschen Minderheiten«
  • Stärkung des europäischen Teils der NATO
  • Aufrüstung des deutschen Militärs »nicht nur zur Landesverteidigung … sondern … auch zur Bündnisverteidigung und Krisenvorsorge«
  • ständige militärische Kooperation Deutschlands mit NATO‐ und EU‐Staaten
  • Ausbau der Rüstungsindustrie und ‑forschung (genannt »wehrtechnische Fähigkeiten«)
  • Erhöhung der staatlichen Rüstungsausgaben (umschrieben mit: »Sicherheit und Freiheit Deutschlands … sind im Finanzhaushalt mehr als heute angemessen zu berücksichtigen«)
  • mehr Geld für Inlands‐ und Auslandsnachrichtendienste (ebenfalls mit rosa Farbe umschrieben)
  • allgemeine Wehrpflicht von 18 bis 25 Jahren für Männer mit Verweigerungsrecht als »Ausnahmefall«
  • stärkere Bindung von »Entwicklungshilfe« an »die sicherheitspolitische und außenwirtschaftliche Interessenlage Deutschlands« und Bindung an die Bereitschaft zur Aufnahme aus Deutschland abgeschobener Personen aus dem betreffenden Herkunftsland

5/​6 Bevölkerungspolitik

  • Familienpolitik zur Erhöhung der Geburtenrate 
    • »spezielle Förderung von Mehrkindfamilien« (nicht nur Beseitigung von Nachteilen)
    • »Bereitstellung zinsloser Darlehen für Eltern zum Erwerb von Wohneigentum, deren Schuldsumme sich mit jedem neugeborenem Kind vermindert«
    • Erlass von Bafög‐​Darlehen bei Fortpflanzung
    • Ausrichtung der Schwangerschaftskonfliktberatung auf den »Schutz des ungeborenen Lebens«

7/​8 Kultur, Bildung und Wissenschaft

  • »Stärkung der Wirtschaftlichkeit kultureller Einrichtungen«
  • Islambekämpfung
    • staatliche Zulassungspflicht für Imame
    • Zwang zur Predigt in Deutsch außer Koranrezitationen
    • Verbot der Auslandsfinanzierung von Moscheen und Moscheebauten
    • Predigtverbot für »Imame, die durch verfassungsfeindliche Agitation auffallen«
    • Abschaffung islamtheologischer Lehrstühle an Universitäten
    • Verbot von Minarett und Muezzinruf
    • Ausschluss islamischer Organisationen von der Möglichkeit, Körperschaften des öffentlichen Rechts zu werden
    • Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst; Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, für Lehrerinnen und Schülerinnen
    • Verbot von Islamschulen
  • Universitäten
    • Abschaffung von Professuren zur Gender‐Forschung
    • allgemeine Abschaffung von Zielvorgaben für Studierendenzahlen, Studienerfolg, Frauenanteile
    • Erhöhung von Studienanforderungen durch Aufnahmeprüfungen
  • Schulen
    • »nach oben und unten durchlässiges«, d.h. hierarchisch gegliedertes Schulsystem
    • verbesserte Disziplinierungsmöglichkeiten für Lehrerinnen
    • keine schulischen Ausnahmeregelungen zur Berücksichtigung des muslimischen Glaubens

9/​10/​14 Wirtschaft

  • weltweiter Abbau von Handelsschranken
  • Steuer‐​Wettbewerb zwischen Bundesländern; Steuer‐​Wettbewerb zwischen Kommunen
  • Verbot von Rettungsprogrammen des Bundes für überschuldete Bundesländer und Kommunen
  • Gebot für öffentliche Unternehmen, ihre Leistungen zu Gestehungspreisen abzugeben (damit keine Möglichkeit für Querfinanzierungen)
  • Orientierung der Zuwanderung am Arbeitsmarkt, anstatt der Produktion und Arbeit am Bedarf der einwandernden und ansässigen Menschen
  • Abschaffung von Vermögens‐ und Erbschaftssteuer
  • »Wettbewerb nationaler Steuersysteme«

Fußnoten

1 Die Ausdrücke »Linke« und »Systemlinke« sind diskussionswürdig. In diesem Beitrag scheint mir eine grob schwammige Unterteilung ohne Klärung, was »links« eigentlich sein soll, auszureichen. Als Andeutung aus AfD‐​Perspektive: »Links« sind Leute, die den Kapitalismus in Richtung Planwirtschaft zu überwinden versuchen und auf Demos herumlatschen, an denen AfD‐​Zugeneigte teilnehmen. »Systemlinks« sind Leute, die den Kapitalismus vielleicht in Richtung Planwirtschaft zu überwinden versuchen und auf Gegendemos »Wir impfen euch alle!« und »Nicht‐​ukrainische Nazis raus!« ohne den Teil »Nicht‐​ukrainische« schreien.

2 Beispiel für hochentwickelten Politmoralismus: Amadeu Antonio Stiftung 2021: deconstruct antisemitism! Politische Positionen sind offen bis verborgen Böses ausdrückender Satans-»Code«, den in den Kopf zu lassen, und sei es nur zur Prüfung und Diskussion, einem Beischlaf mit Succubus und Incubus gleichkommt. Um die Gläubigen zum Mitlaufen in Richtung Diktatur und Krieg zu bringen, genügt daher die Propagandatechnik des »Framing«.
Beispiel für unterirdische Moral, vorgestellt von Aya Velázquez: Freigeklagt: Die Geheimakte Corona‐​Expertenrat. Wenn die freigeklagten Ergebnisprotokolle der Sitzungen des sogenannten »Corona‐​ExpertInnenrats« einigermaßen vollständig sind, hätten diese Leute wohl einen Gefahren­abwägungs­unterlassungs­nobelpreis verdient.

3 Um die schöne, uns von der preußischen Bourgeoisie und Obrigkeit durch Schulzwang und Massenmedien vermittelte Normsprache nicht durch überzogene Ansprüche auf unbedingte Mitbenennung des Maskulinums mit Doppelpunkten oder dergleichen zu verschandeln, verwende ich das generische Femininum. Das Maskulinum ist – auch biologistisch gesehen (Gebärmutter! Y‑Chromosom!) – normalerweise im Femininum enthalten. Wer sich davon geneckt fühlt, möge folgenden Selbsttest machen: Welche Bilder entstehen in dir beim Satz »Nationalsozialisten marschierten durch das Viertel«? ― Drei Sekunden Augen schließen. ― Welche Bilder entstehen in dir beim Satz »Bauern blockierten mit ihren Treckern das Rathaus«? ― Drei Sekunden Augen schließen. ― Welche Bilder entstehen in dir beim Satz »Streikende Arbeiter verprügelten Streikbrüchige«? ― Drei Sekunden Augen schließen. ― Diejenigen, die sich (wegen des gegebenen Zusammenhangs: simuliert) spontan auch Nationalsozialistinnen und Bäuerinnen und faustschwingende Arbeiterinnen mit blauen Augen vorgestellt haben, verstehen das generische Maskulinum entsprechend seiner im Deutschen vorgesehenen Bedeutung. DDR‐​Sozialisierte könnten unter ihnen überrepräsentiert sein. Die anderen, mich einschließlich, reproduzieren mit ihren Vorstellungen Rollenklischees und haben Schwierigkeiten mit dem Deutschen, die das generische Femininum teilweise ausgleichen kann.

4 »Die Einzigen, die sich mit aller Entschlossenheit zur Sozialen Marktwirtschaft bekennen, sind wir […] Weil die Soziale Marktwirtschaft Arbeit und Anstrengung belohnt, setzt sie Wachstum frei und schafft Wohlstand. […] Rechtsstaat, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft werden immer wieder auf die Probe gestellt und müssen fortgeschrieben werden.« (FDP‐​Grundsatzprogramm S. 8f, 15 und 19)

6 Dienstbotinnenwahlrecht kam in Deutschland erst 1918 in die Demokratie‐​Tüte. Gleiches Wahlrecht für Frauen und Männer im bürgerlichen Stil wurde vermutlich erstmals in der südpazifischen Inselgruppe Pitcairn praktiziert, die dem britischen Königreich angegliedert war. Großteils stammten die etwa 100 bis 200 Inselbewohnerinnen von Polynesierinnen und Meuterern der Bounty ab. Unterstützt vom britischen Kapitän Russell Elliott entwarfen sie 1838 eine demokratische Verfassung mit gleichem Wahlrecht.

7 Die jetzige Bevölkerung Deutschlands bewohnt knapp 4 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands. 5 Prozent der Gesamtfläche sind von Verkehrswegen bedeckt und knapp 2 Prozent von Industrie‐ und Handelsunternehmen (M. Fehr: Wem gehört Deutschland? Faz 19.10.2020). Bei einer persönlichen Fläche für alle von 50 m², zum Beispiel Wohnungen in 4‑stöckigen Häusern von 50 m² pro Person plus 37,5 m² Gartenfläche pro Person, würde die gesamte Menschheit in Schweden oder auch Usbekistan hineinpassen: 8 000 000 000 · 0,00005 km² = 400 000 km².

8 Meldung aus der 2. Ersatzabteilung des 4. Feld‐​Artillerie‐​Regiments ins Kriegsministerium München 8.11.1917: »Gegenwärtig ist in Arbeiterkreisen davon die Rede, dass der deutsche Arbeiter kein besonderes Interesse am Ausgang des Krieges habe. Ob ihn die deutschen Arbeitgeber (Kapitalisten) aussaugten oder die englischen, das sei letzten Endes ziemlich einerlei! […] Außerdem war ich gestern auf dem hiesigen Kohlenamt Zeuge eines unliebsamen Vorkommnisses. Zwei Urlauber von der Front hatten sich eingefunden, um für ihre Familien Kohlen zu erhalten. Wie mir schien, ist ihnen nicht die erwartete Antwort geworden, und nun ergingen sie sich in Schimpfereien, in welche zum größten Teile auch die anwesenden Frauen einstimmten. ›Wir haben kein Interesse daran, dass wir siegen, davon hat höchstens der ‚Preuße‘ den Vorteil, der uns z. Zt. auch die Kohlen wegstiehlt; wir Bayern wären bei Frankreich viel besser aufgehoben als bei den Preußen, die uns gegenwärtig auch die Zwiebeln wegstehlen […]‹« (Bayrisches Hauptsaatsarchiv, Abt. Kriegsarchiv, MKr 2336, zit. n. Hellmut G. Haasis: Spuren der Besiegten Band III, Rowohlt 1984, S. 912)

Bild: AfD‐​Wagen in Mödlareuth am 03.10.2020 (Tag der Deutschen Einheit), Ausschnitt von PantheraLeo1359531 (Wikimedia)

4 thoughts on “Das AfD‐​Grundsatzprogramm

  1. Der Autor Sunnifa spricht von „Totalabgrenzung“. Tatsächlich wird in der Linken gemeinhin von einem „Abgrenzungsgebot gegen Rechts“ gesprochen. Dieses Gebot, manche sagen auch „Pflicht“, ist praktisch gemeint. Es soll eine organisatorische Distanz eingehalten werden; ein Zusammengehen mit der Rechten in Bündnissen und Kampagnen soll ausgeschlossen werden; eine politische Erklärung der Abgrenzung sei zu formulieren.

    Mit „Totalabgrenzung“ meint der Autor aber offensichtlich etwas mehr als gemeinhin unter „Abgrenzung“ verstanden wird. Was eigentlich? – Nicht meint er, was praktisch als nächster Schritt über eine einfache Distanzierung hinaus unternommen wird, wenn sie als dem politischen Kräfteverhältnis nicht mehr angemessen verstanden wird: die Aufnahme kämpferischer Aktionen gegen die gegnerischen Organisationen (als praktisches Beispiel: die Aktion Dagdelens auf jener „Friedendemonstration“ von Wagenknecht/​Schwarzer)

    Mit dem Wörtchen „Totalabgrenzung“ errichtet der Autor Sunnifa einen veritablen metapolitischen Strohmann. Eine absolute Abgrenzung ist tatsächlich nicht möglich; nicht auszuschließen, dass der zufällige Passant, der einen auf der Straße um Feuer bittet, ein Anhänger der AfD ist…

    Natürlich geht der Autor über diese einfache Unmöglichkeit einer „Totalabgrenzung“ hinweg. Er weist zusätzlich daraufhin, dass sie ja auch überhaupt nicht gegeben sei. Inhaltlich ließen sich viele programmatische „Überlappungen“ feststellen; letztlich träfen sich Rechte und Linke im gemeinsamen Ziel, den Status quo zu verteidigen. 

    Kein Wunder, dass er, einfach indem er von der praktischen Notwendigkeit von politischer Abgrenzung absieht, allenthalben nur „partielle Distanzierungen“ für möglich und wirklich praktikabel hält. 

    Dieser Taschenspielertrick ist allerding nur für diejenigen pausibel, die seine Fokussierung auf die Partei Die Linke und ihre verschiedenen Fraktionen mitmachen. Außerhalb dieses bürgerlichen Wahlvereins gibt es genug Gruppen und Organisationen auf die seine Beschreibung nicht zutrifft.

    (Dass diese Fokussierung des Autors auf die PdL – genauer: das Wagenknecht‐​Lager – sich einem moralischen Vorbehalt gegenüber anderen linken Spektren verdankt, ist nebenbei der ganze Witz des Textes des Sunnifa, der viel auf Polemik gegen linken Moralismus macht…)

    Es kann bei seiner Pseudo‐​Kritik nicht das Detail‐​Gehubere ausbleiben. Der Autor Sunnifa legt denn auch sehr viel wert darauf, herauszustellen, dass er sich besser als – wie anzunehmen – jeder AfDler im Parteiprogramm der AfD auskennt.

    Er hätte sich besser die historischen Programme der Faschisten vorgenommen; er hätte weniger Arbeit aufwenden müssen – und es hätte seine Argumentation nicht wesentlich verändert.

    Eigentlich ließe sich über den Sunnifa und der AfD mit Willy Brandt kurz sagen:

    „Es wächst zusammen, was zusammengehört“

    1. Vielen Dank für die Kritik, insbesondere für die klärenden Worte zum Begriff „Totalabgrenzung“. Das Wort „Totalabgrenzung“ hat sicherlich eine genauere Behandlung verdient, wenn auch der Gedankengang des Beitrags bei unterschiedlichen Deutungen des Wortes nachvollziehbar ist und insofern mehr als die gegebenen Andeutungen nur für spezielle Fälle nötig gewesen wären.

      Im gegenwärtigen Politalltag erheben Systemlinke gegen Linke den Vorwurf der „Rechtsoffenheit“, wenn letztere bestimmte Positionen einnehmen oder auch schon, wenn sie in ihren Aktivitäten oder Schriften bestimmte Positionen als diskussionswürdig vorkommen lassen. Bisher sind das meistens Positionen zu den Themen: Covid‐​19/​mRNA‐​Spritzungen, Ukraine‐​Krieg, Klima. Dem „Jour Fixe“ der Gewerkschaftslinken Hamburg, um ein Beispiel zu nennen, hat die GEW nach 20 Jahren auf Basis dieses Vorwurfs die kostenlose Raumnutzung im Gewerkschaftshaus untersagt (https://​gewerkschaftslinke​.hamburg…). Was genau die GEW unter „Rechtsoffenheit“ versteht, was „Jour Fixe“ konkret zu tun hätte, um die „Rechtsoffenheit“ zu schließen, wurde nicht gesagt. Verbote, bestimmte Positionen einzunehmen, werden nicht ausgesprochen, obschon es praktisch gerade darum geht. Ausschlaggebend war anscheinend die Teilnahme an Demonstrationen, die von Quantitätsmedien als „rechts“ geframed waren und sich gegen den Entzug von Grundrechten richteten. 

      Das Gebot der Abgrenzung von Rechts ist weniger aufgrund unzureichender Definitionen eine labberige Angelegenheit als aufgrund der Ausdehnung des Bereichs, auf den es bezogen wird. Morgen schon kann eine weitere als „rechts“ zu tabuisierende Position dazukommen. Die Erklärung „Tatsächlich wird in der Linken gemeinhin von einem ‚Abgrenzungsgebot gegen Rechts‘ gesprochen…“ könnte etwas aussagen, wenn „Rechts“ nicht als Hülse fungieren würde, die nach Belieben gefüllt wird. Die klassisch rechten Sachen – Rassismus, Nationalismus usw. – spielen bei der Durchsetzung des Abgrenzungsgebots von Systemlinken gegen Linke keine Rolle und lassen sich dem „Jour Fixe“ und auch anderen Linken, die mit systemlinken Sanktionen beglückt werden, beim besten Willen nicht anhängen. 

      Soweit die Tabuisierung von Positionen als „rechts“ funktioniert, wird Widerstand von Links gegen Entrechtung, Staatsüberwachung, GEZ‐​Medienmissbrauch, Kontrolle der Körper, Kriegstreiberei und Rüstung, Festigung der Macht von Oligarchien, Verarmung und Imperialismus auf für die bestehenden Herrschaftsverhältnisse ungefährliche Bahnen gelenkt bis verhindert. Dieser Effekt des Distanzgebots ist relativ neu, ab den 1990ern entstanden, würde ich schätzen. Der Beitrag stellt die These auf, dass der Effekt etwas mit geänderten Notwendigkeiten zur Erhaltung der Herrschaftsverhältnisse zu tun hat. Die These als „Taschenspielertrick“ abzutun, erspart allerdings Mühe, unterstützende Verhältnisse, die Systemlinke zu diesen Notwendigkeiten einnehmen, zu untersuchen.

      Die Partei, die sich katholischerweise „Die Linke“ nennt, ist ein Teil der Systemlinken. Wagenknecht repräsentiert eine oppositionelle Strömung, die sich aus der Systemlinken herausstülpt und deren Erfolg meiner Meinung nach mehr Nutzen als Schaden bringen würde. Eine „Fokussierung“ auf die PdL findet im Gedankengang des Beitrags nicht statt. Auch bedeutet der Versuch zu verstehen, was bei AfD‐​Mitgliedern und ‑Zugeneigten abläuft, nicht, zu meinen es besser zu wissen als „jeder AfDler“. Aber sowas zu glauben, erspart den Aufwand des Versuchs zu verstehen, der vor allem ein psychischer sein könnte, wenn’s innen so sehr schlottert, dass Denktabus nötig sind, um sich von Rechts abgrenzen zu können.

      Willy Brandts Ausspruch „Es wächst zusammen …“ bezieht sich meines Wissens auf den Mauerfall (siehe z.B. hier: https://​willy​-brandt​.de …). Im Zusammenhang mit den vorangehenden Sätzen der Kritik steht er unbegründet da. Aber er dient vielleicht als Ausdruck der Absicht der Kritik?

      Etwas, das der Beitrag in ein Verhältnis des Zusammengehörenden setzt, ist die antidemokratisch/​obrigkeitsstaatliche Gesinnung bei der AfD und die antidemokratisch/​obrigkeitsstaatliche Gesinnung bei Systemlinken und teilweise auch bei Linken. Diese Gesinnung hindert uns unter anderem durch die Ideologisierung praktischer Fragen, den anstehenden Epochenwechsel konstruktiv und in Richtung Emanzipation aus Verhältnissen zu bewältigen, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx). Kommen die antidemokratisch/​obrigkeitsstaatlichen Gesinnungen zusammen? Eher nicht. Sie konkurrieren um die Besetzung desselben mentalen Bedürfnisfelds, das auf dem Grund unserer Lebensverhältnisse entsteht. Die Besetzung dieses Felds mit rechten Ideologien schützt nach meiner Erfahrung die Betreffenden davor, auf die massive Propaganda der Quantitätsmedien und in Schulen hereinzufallen, die seit einiger Zeit im Gange ist.

  2. Danke auch für die präzisierende Antwort!

    Dass dem Hamburger jour fixe der Gewerkschaftslinken die kostenlose Raumnutzung von der GEW untersagt worden ist, wäre etwas, von dem man rechtzeitig informiert zu werden gewünscht hätte. .Auch in NRW gibt es gewerkschaftslinke Initiativen, die mindestens was das Thema Corona angeht, eine kritische Position vertreten. Anscheinend werden solche Informationen aber in den lokalen Bündnissen eher »unter der Hand« weitergegeben und nicht als Grund für eine Solidaritätserklärung betrachtet…

    Das wäre aber nur als Beispiel anzusehen (und es es mag von Ort zu Ort verschieden aussehen) für ein ein fundamentales organisatorisches Problem, das sich aus mangelnder Abgrenzung ergibt. Es ist die p o s i t i v e Seite des Abgrenzungsverhältnisses: die Solidarität der linken Gruppen untereinander! 

    Die Einheit und Kohärenz der eigenen Debatte geht flöten, wenn von der praktischen Notwendigkeit der kollektiven organisatorischen Abgrenzung abgesehen wird zugunsten einer individuellen und – wie die Erfahrung der letzten Jahre gelehrt hat: bloß i d e e l l e n Freiheit der demokratischen Meinungsäußerung. Die Offenheit gegenüber den »diskutablen« Inhalten, die in der Rechten vorkommen als prinzipielle zu behaupten, ist eben auch ideologisch, da diese (Inhalte) konkret als politische Gruppeninteressen artikuliert werden.

    Um bei dem obigen Beispiel der Anschaulichkeit wegen zu bleiben: Über Hamburg läßt sich leicht die Information erhalten, dass eine Soli‐​Veranstaltung für Assange wegen Raumenzug bei den Anthroposophen im Rudolf‐​Steiner‐​Haus abgehalten werden musste. Über die linke Gewerkschaftinitiative hingegen ließe sich auf der lokalen Bündnisebene nur schwer etwas in Erfahrung bringen. 

    Damit soll aber auch deutlich gemacht werden, dass das Kräfteverhältnis innerhalb der Corona‐​Dissidenz und der non‐​konformistischen Friedensbewegung eindeutig zugunsten der Rechten ausfällt. Das kann einem Blick »von Außen« nicht entgehen und bietet der konformistischen Linken natürlich jede Menge Gelegenheit zur Denunziation, was aber nicht das Problem ist. 

    Die schädliche Folge ist vielmehr der permanente Zug zur Selbtspaltung der Linken innerhalb der non‐​konformistischen Protesbewegung, solange sie auf eine klare organisatorische Abgrenzung verzichten. Das wäre nur effektiv mit einer eigenen formellen Organisation zu gewährleisten. 

    Es geht halt nicht um moralische Abgrenzung, die ist billig genug zu haben.

    Was die Frage angeht, was »rechts« ist, angeht: Auf die Klärung dieser Frage läßt sich bei der Behandlung der rein organisatorischer Notwendigkeiten verzichten, die erkannt und denen entsprochen werden sollte, um allererst die Frage beantworten zu können, was an der ganzen Chose überhaupt »links« sein kann.

    Solange das nicht der Fall ist, lässt sich, in Bezug auf »Rechts«, mit den Worten des Verfassers Sunnifa antworten:

    »In diesem Beitrag scheint mir eine grob schwammige Unterteilung ohne Klärung, was »links« eigentlich sein soll, auszureichen.«

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