Von Dezember 2021 bis April 2023 tagte der Corona‐Expertenrat der Bundesregierung. Der Arzt Christian Haffner hat nun die Sitzungsprotokolle freigeklagt. Eine erste Analyse des brisanten Dokuments.
Vor wenigen Tagen, am 16. Juni 2023, gelang dem Arzt Christian Haffner eine Sensation: Nach einem einjährigen Rechtsstreit mit dem Bundeskanzleramt erstritt er auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erfolgreich die Protokolle des sogenannten Corona‐Expertenrats der Bundesregierung. Das Gremium hatte vom Dezember 2021 bis April 2023 unter der Maßgabe höchster Vertraulichkeit getagt. Es setzte sich zusammen aus dem Who‐is‐Who medienbekannter Protagonisten der Coronazeit, wie Christian Drosten, Alena Buyx, Viola Priesemann, Lothar Wieler oder Hendrik Streeck. Gesundheitsminister Karl Lauterbach wohnte dem Kreis regelmäßig bei, Justizminister Marco Buschmann war einmal zu Gast. Pikant: Der Corona‐Expertenrat begleitete den internen Meinungsbildungsprozess der Ampel‐Koalition zu ihrem Gesetzesentwurf einer Allgemeinen Impfpflicht, die am 7. April 2022 schlussendlich im Bundestag abgelehnt wurde. Die freigeklagten Protokolle zeigen: Der Expertenrat hatte der Bundesregierung sowohl die allgemeine Impfpflicht, als auch die Weiterführung von Corona‐Maßnahmen im Herbst 2022 nahegelegt – und das, obwohl dem Gremium eigentlich bewusst war, dass die Impfung nicht vor Übertragung schützt, die Bevölkerung längst Maßnahmen‐müde und Omikron auf dem Vormarsch war. Die brisanten Dokumente geben einen erschütternden Einblick in das geschlossene Weltbild von »Experten«, die bereit sind, ihre wissenschaftliche Ideologie über das Wohlergehen der Bürger zu stellen.
Die Protokolle des Corona‐Expertenrats und das Begleitschreiben des Bundeskanzleramts wurden am Mittwoch, 28.06.2023 von Christian Haffner zum freien Download zur Verfügung gestellt. Die Protokolle lagen mir mit freundlicher Genehmigung bereits seit Samstag, 17. Juni 2023 vor. Für das entgegengebrachte Vertrauen und seine hartnäckigen Bemühungen um ein zentrales Dokument der Corona‐Politik, das in meinen Augen viele Fragen beantworten wird, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei Christian Haffner bedanken. Der Artikel liegt auch in englischer Übersetzung vor.
Es war ein langer und zäher Prozess. Am 30. Juli 2022 beantragte der Arzt Christian Haffner die Protokolle des Corona‐Expertenrates nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), da sie ihm von hoher Bedeutung für den politischen Meinungsbildungsprozess im Kabinett Scholz und der Ampel‐Koalition erschienen. Letztere hatte am 7. April 2022 – mitten im Zeitraum, als der Expertenrat tagte – im Bundestag über ihren Gesetzesentwurf einer Allgemeinen Impfpflicht abstimmen lassen, der schlussendlich abgelehnt wurde. Fassungslos, wie es zu so einer demokratischen Entgleisung kommen konnte, und überzeugt davon, dass eine Antwort darauf möglicherweise in der Beratungstätigkeit des Expertenrats zu finden sei – dessen Wirken sorgsam unter Verschluss gehalten wurde – kämpfte Haffner ein Jahr lang hartnäckig um die Freigabe der Dokumente.
Der IFG‐Antrag, den Haffner am 31. Juli 2022 über das Portal FragDenStaat gestellt hatte, wurde im September 2022 das erste Mal abgelehnt. Sein Anwalt legte Einspruch ein; dieser wurde erneut abgelehnt. Anfang Januar 2023 landete der Fall vor Gericht, das der Klägerseite recht gab und seitens des Bundeskanzleramts die Herausgabe der Dokumente gemäß Informationsfreiheitsgesetz (IFG) forderte. Das Kanzleramt wiederum zögerte die Erfüllung des Gerichtsbeschlusses durch wiederholte Anträge hinaus.
Am 16. Juni 2023, ein Jahr nach seinem Antrag, erhielt Haffner schlussendlich die Dokumente – mit gewissen Einschränkungen: Die Namen der Urheber konkreter Vorschläge in den Protokollen wurden durchgängig geschwärzt, mit Ausnahme von Politikern und Beamten. Verglichen mit ähnlich brisanten Datensätzen, etwa dem Emailverkehr der COVID‐19 Task Force des Bundesministeriums des Inneren, wurde in den Protokollen des Expertenrats relativ wenig geschwärzt. Jede Schwärzung wird im 50‐seitigen Begleitschreiben sorgfältig begründet. Meistens geht es dabei um die persönliche Sicherheit der Teilnehmer des Gremiums, die sich in einer politisch angespannten Lage diversen Anfeindungen aus der »Reichsbürger‐ und Querdenkerszene« ausgesetzt sähen. Das Vertraulichkeitsinteresse der Betroffenen überwiege daher das Recht auf Informationsfreiheit, wie das Kanzleramt in seinem juristischen Begleitschreiben detailliert ausführt:
Die o.g. punktuellen Schwärzungen betreffen insbesondere die Namen der Mitglieder, von denen einzelne Beiträge stammen, auf einzelne Mitglieder rückführbare Informationen, die zu schützenden Quellen bestimmter Informationen (insbesondere, wenn (Zwischen-)Ergebnisse aus nicht veröffentlichten Studien betroffen sind), die Namen von bestimmten Pharmaunternehmen/Medikamenten, wenn Einschätzungen zu deren Wirksamkeit getroffen wurden sowie im Einzelfall bestimmte Vorschläge, wenn sie Teilnehmenden zuzuordnen sind und zu befürchten ist, dass die Zuordnung eine Gefährdung der betroffenen Person zur Folge haben könnte.
Die Gefahrenlage für Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker, Staatsorgane sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird durch die bereits in der Klageerwiderung dargestellte Berichterstattung belegt. Zumindest einzelne umgesetzte oder diskutierte ›Corona‐Maßnahmen‹ der Bundesregierung werden noch heute sehr kontrovers diskutiert. Die diesbezügliche Debatte ist weiterhin emotional und politisch stark aufgeladen, so dass einzelne Corona‐Themen weiterhin als „Aufregerthemen“ mit nicht verlässlich abschätzbarem Mobilisierungspotential einzuordnen sind. Hier sind politische Entscheidungsträger oder wissenschaftliche Berater in Bezug auf Ihre Mitwirkung an der Corona‐Politik der Bundesregierung weiterhin Angriffen aus der Reichsbürger- und Querdenkerszene ausgesetzt. Hierbei handelt es sich nicht nur um ›verbale Ausfälle‹ im Internet, sondern es liegt in Teilen dieser Szene eine erhebliche Gewaltbereitschaft vor, die für einzelne exponierte Personen sogar ständigen Personenschutz erfordert. Eine Gewährung des Informationszugangs ohne Schwärzung des Urhebers von Sitzungsbeiträgen würde in Bezug auf Einschätzungen zu Corona‐relevanten Themen die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und das Leben der Mitglieder und Gäste des Corona‐ExpertInnenrats derart konkret gefährden, dass die Informationsbelange des Klägers dahinter zurückstehen müssen. […] Es ist davon auszugehen, dass die Reichsbürger- und Querdenkerszene durch Kenntnisnahme entsprechender Informationen einzelne Mitglieder, die möglicherweise für besonders einschneidende Maßnahmen plädiert haben, zur Zielscheibe ihrer Gewalt nimmt.
Die beschriebene Gefährdung gilt insbesondere für dieses Verfahren, das durch die Plattform fragdenstaat.de begleitet wird, womit eine unmittelbare online‐Stellung der herausgegebenen Dokumente und entsprechende Verlinkbarkeit und sehr breite Zugänglichkeit entsteht.
Sollten Zweifel an der Einschätzung einer fortbestehenden Gefahrenlage für Mitglieder oder Gäste des Corona-ExpertInnenrats bestehen, wird um Hinweis des Gerichts gebeten. Die Beklagte wird dann die Gefahrenlage durch weitere Berichterstattung in den Medien und sozialen Netzwerken belegen.«
Obwohl Christian Haffner den Datensatz aller Sitzungen des Expertenrates angefordert hatte, enthält das ihm ausgehändigte Dokument nur 25 von 33 Sitzungen, bis einschließlich 12. Juli 2022. Die acht Sitzungen, die nicht enthalten sind, lagen zwar im Zeitraum nach seiner Antragstellung am 31. Juli 2022, doch die Forderung bezog sich unmissverständlich auf alle Sitzungen. Haffners Anwalt hat diesbezüglich bereits beim Bundeskanzleramt nachgehakt.
Die Sitzungen des Expertenrates erfolgten regulär per Videokonferenz, mit Ausnahme einer Präsenzsitzung am 31. Mai 2022 im Internationalen Konferenzsaal des Bundeskanzleramtes.
Die Mitglieder des Corona‐Expertenrats
Die Mitglieder des Expertenrats waren 19 von der Bundesregierung ausgewählte Personen, die sich zuvor ziemlich eindeutig positioniert hatten. Die Mehrheit war in öffentlich‐rechtlichen Talkshows aufgetreten. Es nahmen 18 Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen teil, sowie ein Landrat, der Eröffnungsredner und Schirmherr, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Bundeskanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, Bundeswehr‐General Carsten Breuer aus dem Krisenstab, sowie weitere, wechselnde Fachleute. Den Vorsitz übernahmen Heyo K. Kroemer, der Vorstandsvorsitzende der Charité, sowie die durch TV‐Auftritte bekannt gewordene Virologin Melanie Brinkmann von der TU Braunschweig. Über die Hintergründe der Teilnehmer wurde bereits viel publiziert, daher sei an dieser Stelle nurmehr ein kurzer Überblick geboten. Prominente Mitglieder des Gremiums wie Christian Drosten, Alena Buyx, STIKO‐Chef Thomas Mertens, RKI‐Chef Lothar Wieler, Hendrik Streeck, sowie die »Corona‐Modellierer« Viola Priesemann und Michael Meyer‐Herrmann dürften durch ihre Medienprominenz allenthalben bekannt sein und bedürfen keiner gesonderten Vorstellung mehr.
Bei den weniger bekannten Mitgliedern der Gremiums handelt es sich um Reinhard Berner, den Direktor der Kinderklinik der Uniklinik Dresden, Cornelia Betsch, eine Nudging-Expertin und Leiterin COSMO‐ und PACE‐Studie, Jörg Dötsch, den Direktor der Kinderklinik Köln, Christine Falk, die Präsidentin der Gesellschaft für Immunologie, den Psychologen und Nudging-Experten Ralph Hertwig vom Center for Adaptive Rationality (Spezialgebiete: »Human judgement and decision making«), Lars Kaderali von der Uni Greifswald, Christian Karagiannidis, der Leiter des durch Unregelmäßigkeiten aufgefallenen DIVI‐Intensivregisters, Johannes Niessen, der Leiter des Gesundheitsamtes Köln, Leif Erik Sander, ein Charité‐Infektiologe und Twitter Impf‐Influencer, sowie Stefan Sternberg, der Landrat des Landkreises Ludwigslust‐Parchim, der sich öffentlich für strenge Kontaktbeschränkungen und flächendeckendes Boostern ausgesprochen hatte. Bemerkenswerterweise war, ebenso wie schon bei den anderen Expertengremien der Bundesregierung, kein einziger Epidemiologe mit dabei.
Ein regelmäßiger Gast des Forums, neben Karl Lauterbach, war Carsten Breuer, Bundeswehr‐Generalmajor und Leiter des Corona‐Krisenstabs des Kanzleramts, der im Juni 2022 in einem SPIEGEL-Interview verlautbart hatte, man werde im Herbst zwischen 50 und 60 Millionen Menschen impfen müssen und dafür die nötige Infrastruktur aufbauen. Wohlgemerkt: Im Herbst 2022.
Auch Wolfgang Schmidt, Bundeskanzleramtsminister und Bundesminister für besondere Aufgaben, wohnte regelmäßig dem Expertenrat bei. Als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes nimmt er eine Vernetzungsfunktion ein, da ihm die Kommunikation zwischen Kanzleramt und Nachrichtendiensten untersteht.
Gesondert hervorzuheben ist eine personelle Überschneidung zwischen dem Corona‐Expertenrat und dem teilweise parallel tagenden Sachverständigenausschuss zur Evaluierung der Corona‐Maßnahmen: Hendrik Streeck. Zunächst waren Heyo K. Kroemer, der Vorstandsvorsitzende der Charité, sowie Christian Drosten Teilnehmer in beiden Gremien, bis Kroemer am 21. Dezember 2021 und Drosten am 28. April 2022 freiwillig den Sachverständigenausschuss verließen. Kroemer hatte bis zu seinem Ausscheiden sogar den Vorsitz in beiden Gremien inne. Drosten nannte als Grund für sein Ausscheiden eine unzureichende Ausstattung des Sachverständigenrats. Strenggenommen hätte es die personelle Überschneidung jedoch gar nicht geben dürfen. Auch wenn Hendrik Streeck als vergleichsweise unverdächtige Personalie gilt: Wenn jemand Maßnahmen evaluieren soll, die er zuvor selbst empfohlen hat, so steht zumindest der Verdacht der Befangenheit im Raum, der als Interessenkonflikt hätte aufgeführt werden müssen.
Im Folgenden sollen die Kernpunkte der einzelnen Sitzungen des Expertenrates zusammengefasst und kritisch kommentiert werden. Aufgrund der Komplexität des Themas wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Es gilt, vollständig zu eruieren, wie sich die Empfehlungen des Corona‐Expertenrates während des 2G‐Winters 2021/2022 auf das politische und gesellschaftliche Klima in Deutschland ausgewirkt haben.
Erste Sitzung: 14. Dezember 2021
Die erste Sitzung eröffnete Bundeskanzler Olaf Scholz. Er dankte den Teilnehmern für ihre Mitarbeit. Die Gruppe solle als unabhängiger Beraterstab tätig sein, eingebunden in einen engen fachlichen Austausch zwischen Expertenrat, Kanzleramt und Krisenstab. Heyo K. Kroemer und Melanie Brinkmann wurden mit dem Vorsitz beauftragt. Bundesminister Karl Lauterbach und Bundeskanzleramtsminister Wolfgang Schmidt waren in der ersten Sitzung zugegen und stellten ihre regelmäßige Teilnahme in Aussicht. Lauterbach betonte die Bedeutung wissenschaftlicher Grundlagen für politische Entscheidungsfindungen, betonte jedoch, dass die Politik die Entscheidungen träfe. Es wurde eine strikte Vertraulichkeit der Beratungen sowie eine einheitliche Kommunikation nach außen vereinbart. Für das nächste Treffen sollten die Teilnehmer Fachwissen über die neue Omikron‐Variante zusammentragen, das aufgrund der angenommenen Dringlichkeit bereits drei Tage später anberaumt wurde.
Zweite Sitzung: 17. Dezember 2021
In der zweiten Sitzung wurde darauf verwiesen, dass angesichts von Omikron »keinerlei Grund zur Entwarnung« bestehe. Ein Modellierer stellte Szenarien zur Omikron‐Variante vor und folgerte daraus, Boosterimpfungen und eine Reduzierung der Kontakte seien »dringend notwendig, um die rasche Ausbreitung von Omikron zu verlangsamen«.
Im Hinblick auf Kinder und Jugendliche stellten die Experten fest, dass offene Schulen wichtig seien. Das »PCR‐Poolingverfahren« an Schulen würde gut funktionieren. Eine Beweisgrundlage für diese Behauptung – etwa, wieviele Infektionen das Testen an Schulen effektiv verhindert hat – wurde nicht genannt.
Im weiteren Verlauf ging es um das Thema Krisenkommunikation. Die Experten monierten, die Bevölkerung nähme die Omikron‐Variante nicht ernst genug. Furchtappelle würden ins Leere laufen, die Risikokommunikation sei schwieriger geworden. »Positive Botschaften für die Pandemie‐müde Gesellschaft« seien nötig – über die sozialen Medien, im Radio und im Fernsehen. Die Bedeutung des Impfens wurde noch einmal ausdrücklich betont. Angedacht wurden personalisierte Impfeinladungen und die zentrale Erfassung des Impfstatus in Form eines Impfregisters.
Rückblickend erscheinen die Zeilen »positive Botschaften für die Pandemie‐müde Gesellschaft« vollkommen losgelöst von der Lebenswirklichkeit des deutschen Maßnahmenwinters 2021: Während der Expertenrat hinter verschlossenen Türen über neue Maßnahmen nachdachte, waren Ungeimpfte jenseits von Supermarkt‑, Rathaus‐ und Arztbesuchen via 2G‐ und 3G‐Regeln vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und wurden tagtäglich an den medialen Pranger gestellt. Sind das die »positiven Botschaften«, von denen der Expertenrat hier sprach? Und wenn ihm an »positiven Botschaften« wirklich gelegen wäre – warum mahnte er dann in Anbetracht des vergifteten gesellschaftlichen Klimas nicht zur Besonnenheit?
Dritte Sitzung: 21. Dezember 2021
In der dritten Sitzung wurde »aufgrund von Reaktionen in [der] Presse« noch einmal an die Vertraulichkeit der Gruppe als »wichtiges Element« appelliert:
Vertraulichkeit könne eine Stärke des Gremiums sein.
In der Kommunikation nach außen hin solle »Zurückhaltung gewahrt« werden, um die »Vertraulichkeit des fachlichen Austauschs« zu schützen. Zitate oder Aussagen mit Rückschlüssen auf die interne Meinungsbildung der Gruppe sollten nach Möglichkeit vermieden werden, jedes Mitglied dürfe aber über Informationen im Zusammenhang mit der eigenen fachlichen Tätigkeit sprechen.
Das Kanzleramt wurde als »Auftraggeber« festgelegt. Auch wurde darauf hingewisen, dass ein »geeigneter Name des Gremiums für die Zielrichtung und die öffentliche Wahrnehmung wichtig« sei. Die Mitglieder wurden angehalten, Namensvorschläge einzureichen. Es ist vielsagend im Hinblick auf die angestrebte, öffentliche Wahrnehmung des Gremiums, dass man sich für den Titel »Expertenrat« entschied.
Offenbar herrschte Einigkeit unter den Experten, dass im Winter 2021 in Deutschland noch immer nicht genug für die Impfung geworben würde. Die Gruppe erbat sich daher eine Prüfung seitens des Bundeskanzleramts, ob die Werbung für die COVID‐19‐lmpfung nicht noch ausgebaut werden könne. Denkbar wäre beispielsweise ein Werbespot gleich im Anschluss an die Tagesschau.
Auch die Dauer des Genesenenstatus auf europäischer Ebene wurde thematisiert:
Es [wurde] über die Entwicklung auf [der] europäischen Ebene zur Dauer des Impfstatus informiert. Auf EU‐Ebene erfolgte die Festlegung auf eine Beschränkung der Geltungsdauer auf 9 Monate.
Die Aussage erfolgte in Anwesenheit von RKI‐Chef Lothar Wieler, dessen RKI nur knapp einen Monat später, am 17. Januar 2021, die Dauer des Genesenenstatus in Deutschland von sechs auf drei Monate verkürzt hatte, obwohl dieser in Deutschland bereits drei Monate unter dem europäischen Richtwert lag. In Anbetracht der Tatsache, dass RKI‐Chef Lothar Wieler über den europäischen Richtwert von neun Monaten bestens informiert war, erscheint der deutsche Sonderweg noch absonderlicher.
Vierte Sitzung: 28. Dezember 2021
In der vierten Sitzung stellten die Experten fest, dass Omikron eine geringere Krankheitsschwere hervorruft als Delta. Die Hospitalisierungsrate liege niedriger: So gingen die Krankenhaus‐Einweisungen gemäß einer Studie des Imperial College um 30 bis 70 Prozent zurück, der Peak sei schnell erreicht, und die Zahlen würden schnell wieder sinken. Zwar breite sich Omikron mit einem hohen R‑Faktor aus, die Viruslast von Infizierten sei jedoch reduziert. Eine Übertragung von Daten aus anderen Ländern auf Deutschland sei allerdings nur bedingt möglich, »da der Immunstatus abweiche«. Mit unbelegten Annahmen wie diesen ließ sich ein nationaler Alleingang hervorragend rechtfertigen.
Festgestellt wurde auch, dass »die Booster‐lmpfung gut gegen einen schweren Verlauf schützt, eine Erkrankung aber nicht ausschließt«, was bedeutet, dass die Impfung eben nicht vor Übertragung schützt, und dies dem Expertenrat auch bewusst war.
Erneut sei eine hohe Belastung der Krankenhäuser zu erwarten, durch quarantänebedingte Personalausfälle und eine verringerte Bettenkapazität. Unklar bleibt, warum die Experten Hinweise auf eine geringere Gefährlichkeit von Omikron offenbar in ihre Prognosen überhaupt nicht mit einbezogen.
Wie lange die aktuelle Welle laufe, sei »sehr abhängig vom Verhalten der Menschen«. Das im Expertenrat vorherrschende Paradigma wird hiermit deutlich: Der Mensch ist das Problem. Der Mensch muss sein Verhalten ändern, um Corona bekämpfen zu können. Der spätere Evaluationsbericht des Sachverständigenausschusses konnte einen solchen Zusammenhang nicht bestätigen. Er folgerte: »Insgesamt ist ein Zusammenhang zwischen der Inzidenz und der Stärke der Maßnahmen nicht erkennbar.« Die Mitglieder des Expertenrates gingen von unbelegten Vorannahmen aus.
Fünfte Sitzung: 4. Januar 2022
Direkt in der Einleitung der dritten Sitzung wurde seitens des Vorsitzes gemahnt, dass
seitens des Gremiums keine Einmischung in die Arbeit von anderen Institution[en] mit gesetzlichem Auftrag erfolgen sollte.
Es stellt sich die Frage, warum so eine Warnung überhaupt nötig war – und in welche »andere Institution mit gesetzlichem Auftrag« sich der Expertenrat offenbar eingemischt hatte.
Es wurde konstatiert, dass in Großbritannien »nach bisherigen Daten überwiegend Ungeimpfte in Krankenhäusern behandelt« würden. Auf Normalstationen sei ein Zuwachs von Omikron‐Patienten zu erkennen, die Belastung der Intensivstationen bliebe jedoch moderat.
Die Booster‐lmpfung biete einen Schutz vor einer Omikron‐Infektion, eine Zweifach‐Impfung nicht. Der Anteil von Omikron in Deutschland liege bereits bei 50 Prozent – Tendenz steigend.
Ein scheinbar harmlos wirkender Satz im Protokoll offenbart einen ethischen Abgrund:
[Die] Appelle vor Weihnachten haben gewirkt.
Der Begriff »Appell« ist hier ganz klar als Verniedlichung und Verklärung der politischen Situation in Deutschland an Weihnachten 2021 zu verstehen: Ungeimpfte unterlagen strengsten Kontaktbeschränkungen. Öffentlich‐rechtliche Medien und Faktenchecker‐Flagschiffe gaben Tipps, wie an Weihnachten mit Ungeimpften in der Verwandtschaft umzugehen sei: Man solle einen Test von ihnen verlangen, oder, noch besser, sie gleich ganz ausladen. Personen des öffentlichen Lebens verstiegen sich zu Aussagen wie »Ungeimpfte lasse ich zu Weihnachten nicht rein«.
Die zahllosen Diffamierungen und Grundrechtsverletzungen entzweiten ganze Familien – doch die schweren persönlichen Schicksale mündeten im Expertenrat lediglich in das zynische Resümee: »[Die] Appelle vor Weihnachten haben gewirkt«.
Der Expertenrat erbat sich vom Kanzleramt eine Übersicht zu Maßnahmen anderer europäischer Länder, »um bessere Einschätzungen treffen zu können«. Seltsam, dass man das deutlich entspanntere Vorgehen anderer Länder zwar zur Kenntnis nahm, sich aber in Folge kein Stück daran orientierte.
Im Hinblick auf Omikron sei eine Kommunikation der »Sinnhaftigkeit« von Impfungen und freiheitsbeschränkenden Maßnahmen besonders wichtig. Die Experten bemängelten das »Fehlen einer integrierten Kommunikationsstrategie« und schlugen zu diesem Thema noch einmal eine »gesonderte Befassung« vor. Es sei »[w]ichtig […], darauf hinzuweisen, dass die Letalität durch die Impfungen abgenommen« hätte.
Lauterbach stellte seinen Vorschlag für ein modifiziertes Quarantäneregime vor, das zwischen allgemeiner Bevölkerung und Pflegeberufen unterschied. Lauterbachs Vorschlag muss im Zusammenhang damit betrachtet werden, dass Kliniken damals reihenweise positiv geteteste, aber oft völlig gesunde Mitarbeiter in Quarantäne schicken mussten. Eine Änderung der Quarantäneregeln für Pflegepersonal wurde durch die massiven Personalausfälle praktisch unausweichlich.
Am Ende der Sitzung einigte man sich darauf, sich weiter mit den Themen digitale »Patientenakte« und »Impfregister« beschäftigen zu wollen.
Sechste Sitzung: 12. Januar 2022
In der sechsten Sitzung wurde die Behauptung aufgestellt, dass hauptsächlich ungeimpfte Patienten behandelt würden: Seit Mitte Dezember gäbe es im RKI eine Erhebung zum Impfstatus von Infizierten, wonach 61,8 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf Ungeimpfte zurückgingen. Es zeichne sich ab, dass Omikron zu erhöhten Zahlen auf Normalstationen, aber nicht im Intensivbereich führe. Der Omikron‐Anteil in Deutschland läge bereits mindestens bei 60 Prozent. Man war sich sicher: Aufgrund »umfangreicher Kontaktbeschränkungsmaßnahmen« hätte Deutschland eine »langsamere Anstiegskurve im Vergleich zu anderen Ländern«.
Bundeskanzleramtsminister Wolfgang Schmidt verwies auf die geplante Impfkampagne und eine notwendige Digitalisierung des Gesundheitssystems, inklusive einer elektronischen Patientenakte.
»Falschinformationen« müssten »identifiziert und entkräftet werden«. Die Experten waren sich einig, dass »die Kommunikation« noch deutlich verbessert werden müsse. Von der Politik wurden »klare Aussagen« gefordert, letztere würden Gesellschaft und Politik »entlasten«. Auch ein Zentrum für Gesundheitskommunikation wurde in Erwägung gezogen.
Kleiner Realitätsabgleich: An »klaren Aussagen« herrschte im Winter 2021 in Deutschland wahrlich kein Mangel.
Siebente Sitzung: 18. Januar 2022
In der siebenten Sitzung teilte Prof. Kroemer mit, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann auf eigenen Wunsch gerne einmalig das Expertengremium besuchen würde. Einschätzungen hierzu nähme er per Mail entgegen.
In der Diskussion ging es unter anderem um die »Verantwortung der Medien« sowie »die Thematisierung des Themas in der Bildung«. Welches Thema hier wohl gemeint sein könnte? Wolfgang Schmidt berichtete, es werde geprüft, welche Zielgruppen noch gezielt angesprochen werden müssten. Alle Verbände in Deutschland sollten angehalten werden, Informationsmaterial an ihre Mitglieder zu versenden:
So könne zügig eine große Masse erreicht werden.
Im Bericht zur Lageentwicklung wurde konstatiert, dass New York die Spitze des Infektionsgeschehens offenbar schon hinter sich hätte, was »auf einen nur kurzzeitigen Höhepunkt der Omikron‐Welle« hinweise. In Deutschland gehe die Delta‐Welle weiter zurück, da »alle Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Welle (.) gut wirksam« seien. Dafür liege der Omikron‐Anteil mittlerweile bei über 90 Prozent, mit nur wenigen Intensivfällen.
Die Widersprüche allein in diesem Absatz sind überwältigend: Den Rückgang der Delta‐Welle sprach man der Wirksamkeit der Maßnahmen zu – die aber dann seltsamerweise nicht gegen Omikron wirkten, das mittlerweile über 90 Prozent der Fälle ausmachte. Dass es absurd ist, eine natürliche Verdrängung von Delta durch Omikron der Wirksamkeit der Maßnahmen zuzuschreiben, dürfte auch ohne Fachkenntnisse in Virologie einleuchten.
Achte Sitzung: 25. Januar 2022
In der achten Sitzung war der Schwerpunkt »Kinder und Jugendliche«. In einer »Stellungnahme zu Pädiatrie« wurde die
Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie (Krankheitslast, LongCovid, Zusammenhang mit Diabetes, etc.) inklusive sekundärer Krankheitslasten (Gewichtsprobleme, psychische und psychosomatische Beschwerden, etc.) und entsprechender Risikofaktoren
eruiert. Es sei notwendig, das »Kindeswohl in der Pandemie [zu] erhalten«. Auch hier wurde wieder als Allheilmittel empfohlen, eine »Datenbasis zu den Auswirkungen der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen zu generieren«. Kindeswohl und Infektionsschutz ließen sich sehr wohl in Einklang bringen. Man wolle sich noch einmal mit den Quarantäneregeln an Schulen beschäftigen.
Worte wie diese müssen auf Eltern in Deutschland rückblickend wie blanker Hohn wirken: Während der Expertenrat tagte und dort wohlfeile Worte über das Kindeswohl austauschte, zwang man ihre Kinder bis zu acht‐neun Stunden täglich unter Masken – in einigen Schulen sogar bis in den Hochsommer hinein, obwohl die Maßnahmen offiziell längst aufgehoben waren.
Immerhin wurden psychische und soziale Folgeschäden für Kinder – etwas euphemisierend bezeichnet als »sekundäre Krankheitslasten« – überhaupt einmal im Gremium benannt. Konsequenzen für politische Empfehlungen zog der Expertenrat daraus allerdings keine.
Im »aktuellen Lagebericht« wurde festgestellt, dass Omikron grundsätzlich einen milderen Verlauf verursache und zu verringerten Liegezeiten führe. Außerdem schütze eine durchgemachte Omikron‐Infektion auch gegen Delta:
Eine Omikron‐lnfektion schützt durch zusätzlich entstandenen Booster des Immunsystems auch gegen Infektion mit Delta‐Variante.
Spätestens ab dieser Erkenntnis hätte jede staatliche Einmischung in die private Impfentscheidung Geschichte sein müssen. Sofort wurde eine Relativierung hinterhergeschoben:
Bei ungeimpften Personen fällt der Immunschutz gegen Delta allerdings geringer aus.
Who cares? Auf dieser Grundlage hätte niemals über eine Impfpflicht entschieden werden dürfen. Doch noch in der gleichen Sitzung bat ein Experte die Politik um eine »praktikable Lösung im Umgang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht (§ 20a IfSG)«. Er beklagte:
Die bereits stark belasteten Gesundheitsämter könnten die vorgesehenen aufwändigen Verwaltungsverfahren zur Überwachung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und der Sanktionierung vermutlich erst nach Wochen oder Monaten bis zu einem Betretungs‐ oder Tätigkeitsverbot umsetzen. Es werde empfohlen, die Regelung des § 20a ffSG anzupassen; statt der jetzt vorgesehenen Ermessensentscheidung der Gesundheitsämter sollte ein unmittelbar kraft Gesetzes eintretendes Tätigkeits- und Betretungsverbot vorgesehen werden (bei Schaffung einer Härtefallregelung, die es Arbeitgebern ermöglicht, vorübergehend Nichtimmunisierten auch über den 15. März 2022 hinaus die Ausübung der Tätigkeit zu ermöglichen). Wenn keine Korrektur des Gesetzes erfolgt, seien Bund und Länder gefordert, den Gesundheitsämtern ›Leitplanken‹ für die Ermessensentscheidungen an die Hand zu geben. Andernfalls droht ein heterogener Umgang bei der Umsetzung der Impfpflicht in den Bundesländern und bei 380 Gesundheitsämtern. Im Kern geht es dabei um eine Klarstellung, ob bei unklarem Sachverhalt und in der Ermessensabwägung im Zweifel ein Verbot auszusprechen ist. Auch ist dringend zu klären, ob die Gefahr erheblicher Störungen des Betriebs einer Gesundheitseinrichtung in die Ermessensentscheidung einfließen darf. ChefBK [Wolfgang Schmidt] sagt zu, sich des Themas anzunehmen; Gesundheitsminister der Länder haben bereits einen entsprechenden Auftrag erhalten.
Es ist schon fast eine Meisterleistung, so viele antidemokratische Vorstöße in einem einzigen Wortbeitrag unterzubringen. Der »Experte« bekräftigte eine Verletzung der Grundrechte von Angehörigen des Pflegesektors, ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Würde und freie Berufsausübung. Zudem empfahl er nichts Geringeres als die Aushebelung des Föderalismus, indem er eine bundeseinheitliche Regelung per Gesetz forderte, für etwas, das vorher im Ermessensspielraum der Gesundheitsämter der Länder lag. Er hätte voraussehen müssen, dass mit der neuen Härtefallregel de facto alles beim Alten bliebe, und nur ein kafkaesker, bürokratischer Mehraufwand für Kliniken und Mitarbeiter hinzukäme: Um ungeimpfte Mitarbeiter behalten zu können und Engpässe zu vermeiden, würden Kliniken voraussehbar auf die Härtefallregel zurückgreifen müssen. Dem Virus dürfte ein solcher Härtefall deutschen Bürokratie‐Fetischs hingegen herzlich egal gewesen sein.
Neunte Sitzung: 1. Februar 2022
In der neunten Sitzung wurde erörtert, wie eine »Exitstrategie« aussehen könnte und wie mit »Eindämmungsstrategien« umzugehen sei. Übersetzt: Wie man aus einer gescheiterten Eindämmungspolitik gesichtswahrend wieder herauskommt. Auch »Kommunikation und ihre Auswirkungen während der Pandemie« wurden erneut auf die Tagesordnung gesetzt.
Die Bedeutung des Boosters, gar des doppelten Boosters gegenüber der Zweifach‐Impfung wurde noch einmal besonders betont:
Belastbare Studien zu Wirkung einer vierten Impfung (bspw. aus Israel) liegen zwar noch nicht vor, doch laut israelischen Behörden soll [die] vierte Impfung [den] Schutz vor Erkrankung nochmals deutlich heben. Auch [ — — ] beschäftigt sich aktuell mit vierter Impfung […] für besondere Personengruppen.
Offenbar reichten Aussagen israelischer Behörden fürs Erste für die Experten aus, um die vierte Impfung überhaupt in Betracht zu ziehen.
Anschließend wurde über die einrichtungsbezogene Impfpflicht diskutiert. Fehlendes Personal führe zu hohen Belastungen der Kliniken sowie der Gesundheitsämter durch eine arbeitsintensive Kontrolle von Tätigkeitsverboten. Zudem wurden »arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu Klagen und Widerspruchsverfahren befürchtet«. Daher sei es
empfehlenswert, bundeseinheitliche Regelungen zur Entlastung der Gesundheitsämter zu schaffen (bspw. durch Vorgaben bei der Bewertung zu möglichen Ermessensspielräumen sowie eine Klarstellung, dass der AG bereits in der Pflicht ist, bei fehlendem Impfnachweis entsprechend zu handeln).
Das Thema werde bereits intensiv zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und den Gesundheitsministern der Länder diskutiert.
Ein Thema der Sitzung war der »Stand der Geschäftsordnung mit Fokus [auf] Befangenheit«. Zum Hintergrund besagter »Befangenheit« macht das Protokoll keine weiteren Angaben.
Die Gültigkeit des Genesenenstatus müsse bundeseinheitlich geregelt werden, »da einige Bundesländer unterschiedlich agieren und dies zu Missverständnissen führt.« Das Bundesgesundheitsministerium habe sich dem Thema bereits angenommen und stimme sich mit den Gesundheitsministern der Länder ab.
Schlussendlich wurde angekündigt, dass Justizminister Marco Buschmann gerne an der nächsten Sitzung teilnehmen würde. Sofern es diesbezüglich Einwände gäbe, möge man sich an Professor Kroemer wenden.
Zehnte Sitzung: 9. Februar 2022, mit Marco Buschmann
Zentrale Sitzung zum Thema Impfpflicht
Die zehnte Sitzung am 9. Februar 2022, in Anwesenheit von Justizminister Marco Buschmann, ist die zentrale Sitzung im Hinblick auf den Gesetzesentwurf zur allgemeinen Impfpflicht, der im April zur Abstimmung vorgelegt wurde. Sie dauerte zweieinhalb Stunden, etwa eine Stunde länger als sonst. Das Sitzungsprotokoll ist durchsetzt von inhaltlichen Widersprüchen: So heißt es, Omikron sei zwar ein »separater Serotyp«, glücklicherweise lägen die Varianten jedoch hinsichtlich der Eigenschaften noch so nah beieinander, dass »die vorhandenen Vakzine aktuell grundsätzlich gut bei allen bekannten Corona‐Varianten vor schwerer Erkrankung oder Tod« schützten.
Eine durch Omikron hervorgerufene Infektion biete »daher« keinen ausreichenden Schutz gegenüber anderen Varianten.
Welch eine Herleitung: Weil die Vakzine so gut wirkten, bewirke Omikron keine Kreuzimmunität bei älteren Varianten wie Alpha und Delta. Gleichzeitig lägen Omikron und die älteren Varianten noch so nah beieinander, dass die Impfung sowohl bei Omikron als auch bei Delta hervorragend wirke. Um es mal mit Jens Spahn zu sagen: Da muss man erstmal um zwei Ecken denken.
Dass Omikron eine Kreuzimmunität zu anderen Varianten generiert, wurde in Gegenwart des Justizministers Marco Buschmann rundheraus geleugnet, obwohl der Expertenrat dies zwei Wochen zuvor selbst festgestellt hatte:
Weiter heißt es:
Infektionen bewirken eine lokale Schleimhautimmunität, die eine Impfung nicht leisten kann.
Korrekt – und spätestens an dieser Stelle hätte jede Diskussion über eine Impfpflicht beendet sein müssen. Warum Impfungen jedoch trotzdem notwendig seien, wurde im Folgenden recht abenteuerlich begründet:
Ziel müsse zunächst [s]ein, durch eine hohe Impfquote die schwere Krankheitslast in der Bevölkerung zu reduzieren und im Anschluss durch mehrfache erworbene aber mild verlaufende Infektionen den Übertragungsschutz über die Schleimhautimmunität aufzubauen. Grundvoraussetzung dafür ist aber eine sehr hohe Impfquote insbes. [insbesonders] bei der vulnerablen Gruppe. Diese Impfquote wird derzeit und vss. [voraussichtlich] auch in Kürze nicht erfüllt. […]
Neue Serotypen werden in absehbarer Zeit (auch nicht im kommenden Herbst/Winter) nicht erwartet bzw. erscheinen höchst unwahrscheinlich. Insofern bietet auch in naher Zukunft eine Impfung mit aktuellem Vakzin grundsätzlich hohen Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod.
Bei Wegfall aller physikalischen Maßnahmen (u. a. Maske) wird sich vss eine hohe Dynamik ergeben. Masken haben eine hohe Effizienz auch zum Schutz vor neuen Varianten.
Aktuell bliebe die Zahl der Intensivbelegungen zwar konstant, kritisch sei aber die hohe Zahl von Personalausfällen durch Infektion oder Quarantäne im Gesundheitsbereich. »Infektionen« meint hier »positive Tests«, da alle Mitarbeiter des Gesundheitssystems täglich getestet und bei einem positiven Test sofort nach Hause geschickt wurden – unabhängig davon, ob jemand überhaupt Krankheitssymptome aufwies. Die hohen Personalausfälle durch Quarantänen im Gesundheitsbereich, die hier bemängelt wurden, waren daher selbstfabriziert.
Es folgt der zentrale Abschnitt des Dokuments: Die Diskussion zur Impfung und Impfpflicht, im Beisein von Bundesjustizminister Marco Buschmann.
Die Gruppe derer, die aufgrund von Impfreaktionen nicht geimpft werden könne, wurde von den Experten als »relativ gering eingeschätzt«; hier könnten Vektorimpfstoffe helfen. Es gelte:
Höchster Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod entsteht auf Basis einer vollständigen Impfung (dreifach) sowie einer anschließenden Infektion.
In vorangegangen Sitzungen hatten die Experten jedoch bereits festgestellt, dass bei Omikron kaum noch schwere Erkrankungen oder Tod auftraten, die Intensivstationen sich leerten und Omikron bereits einen Anteil von 90 Prozent an den Varianten in Deutschland hatte. Eine »Verhinderung von Krankheit und Tod« taugte nicht mehr als tragfähiges Argument, wenn bei Omikron die Sterberaten ganz von selbst heruntergingen.
Zudem verringert Impfung die Übertragbarkeit des Virus.
Bei dieser Aussage handelt es sich erwiesenermaßen um eine wissenschaftliche Falschbehauptung, die zum damaligen Zeitpunkt bereits widerlegt war. Dass im Rahmen der Impfpflicht‐Debatte diese Falschbehauptung gegenüber dem Justizminister erneut als wissenschaftliche Tatsache präsentiert wurde, ist skandalös.
Die Experten gaben nun ihre Einschätzung zur Impfpflicht ab. Der zweite Teil des folgenden Statements ist im Protokoll geschwärzt.
Kommunikation zu Impfpflicht:
Auf der Datenbasis von Umfragen stagniert Impfkampagne, der Anteil der Impfgegner bleibt konstant. Ungeimpfte bleiben demnach weiterhin eher skeptisch gegenüber einer Impfung. Anreize werden hier nicht reichen. Eine Beratung und Öffentlichkeitsarbeit werden trotzdem weiterhin als notwendig und wichtig erachtet.
Der zentrale Satz in diesem Abschnitt lautet »Anreize werden hier nicht reichen«. Was insinuiert werden soll, ist klar: An der Impfpflicht führt kein Weg vorbei. Zwar waren die Experten sich darüber im Klaren, dass die Impfbereitschaft der Bevölkerung bereits ausgereizt war – doch anstatt die freie Impfentscheidung der Bürger zu respektieren, wird hier angedeutet, dass dann eben Zwang her müsse. Immerhin bequemte man sich noch, den Uneinsichtigen gnädigerweise auch »Beratung und Öffentlichkeitsarbeit« zukommen zu lassen.
Im Folgenden wird der Unterschied zwischen einer Pandemie und einer Endemie erläutert:
Im Vergleich zu einer Pandemie sollte in einer Endemie ein Virus keine hohe Übertragbarkeit mehr besitzen. Der R‑Wert sollte konstant unter l liegen. Neben der Verhinderung der schweren Erkrankung in der aktuellen Situation müsse auch eine Schleimhautimmunität in der Bevölkerung erreicht werden. Dann wären ähnlich wie bei Influenza nur spontane Virusausbrüche (bspw. im Herbst/Winter) möglich.
Der R‑Wert lag allerdings schon im Märt 2020 unter Eins. Corona zeigte von Anfang an, genau wie Influenza, ein saisonales Muster. Folgt man der Argumentation der Experten, war Corona schon von Beginn an endemisch – ganz ohne Impfung:
Im Hinblick auf die »Aktuelle Lageentwicklung« heißt es:
In Ergänzung der Aussagen in TOP 2 zur aktuellen Lage wird darauf hingewiesen, dass die Hospitalisierungsinzidenz in allen Altersstufen steigt. Aktuell scheint keine Überlastung des Gesundheitssystem erkennbar, allerdings müssen die Daten weiter beobachtet werden, insbesondere durch den Anstieg der Fallzahlen von Omikron-Fällen in der älteren Bevölkerungsgruppe. Kritisch bleibt die Anzahl der Todesfälle, welche in der Berichterstattung und Bevölkerung wenig wahrgenommen wird.
Mehr Verlust von Realitätsbezug, als diese Zeilen ausdrücken, ist wohl kaum vorstellbar: Im 2G‐Winter 2021 wurde die Bevölkerung 24/7 praktisch auf allen medialen Kanälen mit Corona‐Todeszahlen beschallt. Und obwohl zum Zeitpunkt der zehnten Sitzung tiefster Winter war – Höhepunkt der Erkältungssaison – war »[a]ktuell […] keine Überlastung des Gesundheitssystem erkennbar«. Auf dieser Grundlage hätte niemals über eine allgemeine Impfpflicht abgestimmt werden dürfen – doch sie wurde in der gleichen Sitzung sogar als notwendig deklariert, denn »Anreize werden hier nicht reichen«. Ignoranter kann man sich über die körperliche Selbstbestimmung von Menschen kaum hinwegsetzen.
Auch eine Weiterführung der Maskenpflicht wurde erwogen:
Es herrschte zudem die einhellige Meinung, dass eine dauerhafte Rechtsgrundlage zur Maskenpflicht sinnvoll wäre, da Masken hohe Wirksamkeit ohne hohen Aufwand erzielen. Mögliche Maßnahmen und Öffnungsschritte wurden abgewogen und diskutiert.
Die bekannte internationale Cochrane‐Studie vom 30. Januar 2023 hat indes keine signifikante Wirksamkeit von Masken belegen können. Auch vor 2020 hatten sowohl Lehrbücher, als auch die WHO stets von einem Maskenzwang im Alltag abgeraten.
In Vorbereitung auf die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz wurden seitens der Experten konkrete Handlungsempfehlungen vorgestellt:
- »Wenn Zahlen stabil gehalten, gutes Frühjahr und guter Sommer.
- Solange Anstieg der Zahlen, keine Öffnungsschritte.
- Wenn Inzidenzen fallen und Krankenhausbelastung akzeptabel, dann Öffnungsschritte, aber dauerhaft Masken nutzen.
- Bei Öffnung Rebound möglich.
- Datenlage etablieren für weitere dauerhafte wissenschaftliche Einschätzungen.«
Mal abgesehen von der Zumutung der infantilisierenden Sprache, die im Hinblick auf Grundrechtseinschränkungen für 84 Millionen Bundesbürger bizarr anmutet, hat sich inzwischen auch in der Breite die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich bei Corona um ein klassisches Erkältungsvirus handelt, das sich wie alle Erkältungsviren saisonal verhält. Das heißt auch, dass Zahlen im Winter keinen Einfluss auf die Zahlen im Sommer haben, da das Virus ständig alterniert. Niemand weiß, welches Erkältungsvirus im nächsten Winter in welcher Schwere dominieren wird. Von herbeigetesteten Inzidenzen im Winter »Zahlen« im Sommer ableiten zu wollen, muss klar als das benannt werden, was es ist: Pseudowissenschaft.
Der Expertenrat unterbreitete den Ministerpräsidenten zudem konkrete politische Handlungsanweisungen, anstatt einfach nur die wissenschaftliche Datenlage vorzustellen, auf deren Grundlage die Minister dann politische Entscheidungen hätten treffen können. Da die Empfehlungen zudem auf falschen Annahmen beruhten, wurde die Corona‐Politik der Regierung Scholz im Rahmen des Expertenrats nachweislich von Pseudowissenschaft bestimmt.
Am Ende der Sitzung ging es noch kurz um die Situation von Kindern und Jugendlichen. Einen dringenden Handlungsbedarf sahen die Experten aber offenbar keinen: Den Mitgliedern wurde erstmal ein Abstimmungsbericht zur Ansicht vorgelegt – es gab keine Eile. Die tägliche Belastung der Kinder durch Masken und Tests im Schulalltag vertrug sich demnach offenbar bestens mit dem »Kindeswohl«.
Elfte Sitzung: 15. Februar 2022
In der elften Sitzung wurde festgestellt, dass die Hospitalisierungsinzidenz nur noch marginal steige. Zwar stiegen die Neuaufnahmen, allerdings bliebe die Intensivbelegung praktisch konstant, was auf kürzere Liegezeiten bei Omikron zurückzuführen sei. Die Anzahl der Todesfälle auf Intensivstationen stagniere. Insgesamt habe Deutschland eine vergleichsweise niedrige Sterberate.
Ein Experte berichtete von einer Studie, die auf geringere Effizienz der Impfung bei Omikron hindeutete. Auch eine rasche Abnahme des Impfschutzes wurde konstatiert: Vier Monate nach der Impfung läge dieser nur noch bei 78 Prozent. Eine weitere Studie zeige auf, dass Omikron zwar »neutralisierende Antikörper« hervorrufe, allerdings vorwiegend gegen Omikron.
Im Folgenden wurde das Thema »psychologische Folgen in der Bevölkerung« diskutiert. Die Suche nach psychologischer Unterstützung und die Inanspruchnahme von Beratungsangeboten hätten im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen. Gleichzeitig hätten die Befragten ein geringeres Risikoempfinden gegenüber Corona. Die Impfbereitschaft bei »Erwachsenen und Eltern« sei weitgehend ausgereizt. Dass »Eltern« – die ja auch Erwachsene sind – hier separat benannt wurden, sollte wohl auf das gegebenenfalls noch in der Bevölkerung vorhandene Potenzial zur Kinderimpfung hinweisen. Die Mehrheit der Ungeimpften würde sich aus Angst und aus fehlendem Vertrauen nicht impfen lassen.
Klare, einfache und einheitliche Regelungen und Kommunikation könnten bei der Akzeptanz und Impfbereitschaft helfen.
Es stellt sich die Frage, mit welchen »klaren, einfachen und einheitlichen Regeln« man den damaligen 2G‐Winter noch hätte steigern wollen. Die Experten wussten, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung bereits ausgeschöpft war, und denjenigen, die sich nicht impfen lassen wollten, Angst und fehlendes Vertrauen zugrunde lagen. Die Gefühle der Menschen, ihre Würde und ihr Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung schienen für die Experten jedoch keine Rolle zu spielen.
Am Ende der Sitzung wurde mahnend darauf hingewiesen, dass bis Ende Februar 2022 etwa 100.000 Impfdosen verfallen würden.
Zwölfte Sitzung: 22. Februar 2022
In zwölften Sitzung wurde konstatiert, dass die Situation in den Krankenhäusern stabil sei, und das Gesundheitssystem der Omikron‐Welle standhalte.
Ein Experte berichtete über neueste Zahlen zu Novavax: Die Wirksamkeit liege bei 90 Prozent. Novavax sei »eine gute Alternative für Personen mit unerwünschten Nebenwirkungen auf einen mRNA‐lmpfstoff«. Implizit wurde damit suggeriert, dass auch impfgeschädigte Personen sich ruhig nochmal impfen lassen könnten – mit Novavax. Eine zugegebenermaßen gewagte Idee, bereits impfgeschädigten Menschen eine weitere, schlecht erforschte Medikation mit unerforschten Wechselwirkungen zur ersten zu empfehlen.
Generalmajor Breuer berichtete, die nationale Chargenfreigabe für Novavax sei am selbigen Tag erfolgt. Ein anderer Teilnehmer ergänzte, die Nachfrage nach Novavax sei jedoch gering. Um Vertrauen zu erhöhen, müssten eventuelle Nebenwirkungen diesmal gut kommuniziert werden:
Sollten sich in der Anwendung unerwünschte Nebenwirkungen zeigen, müssten diese schnell und gut kommuniziert werden, um die Akzeptanz für den neuen Impfstoff zu erhalten (Lehre aus AstraZeneca).
Diskutiert wurde auch eine »Vorbereitung auf den Herbst«. Alle waren sich einig, dass auch über den 19. März 2022 hinaus ein »Instrumentenkasten im Infektionsschutzgesetz« bestehen bleiben müsse. Bundeskanzleramtsminister Wolfgang Schmidt verwies diesbezüglich auf einen laufenden Abstimmungsprozess.
Auch der geplante Evaluationsbericht des Sachverständigenausschusses kam zur Sprache. Dieser werde im Sommer stattfinden und bilde die Grundlage für eine Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes. Schmidt betonte, gegebenenfalls könne man Systeme aus anderen Ländern zum Vorbild nehmen und ergänzte:
In der politischen Debatte zur allgemeinen Impfpflicht könne die Auffassung der Expertinnen und Experten sinnvoll und hilfreich als Orientierung sei[n].
An welchen Ländern wollte man sich im Hinblick auf eine allgemeine Impfpflicht orientieren? Österreich, wo die Impfpflicht scheiterte – oder etwa dem Vatikan?
Für die anvisierten Herbstmaßnahmen wurde eine Systematik vorgestellt. Dabei müsse der »Eindruck eines Wunschzettels vermieden werden«. Ein Experte erkundigte sich nach Unterstützungsmöglichkeiten für die Gesundheitsämter bei der »Administrierung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht«. Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt verwies auf die »Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministeriums, der Länder und Kommunen, sowie den zeitlichen Vorlauf«.
Lag hier erstmals eine gewisse Spannung – wegen zuviel Einmischung der Experten in politische Entscheidungsprozesse – vor? In späteren Berichten wird dies noch deutlicher zutage treten.
13. Sitzung: 2. März 2022
In der 13. Sitzung war Gesundheitsminister Karl Lauterbach anwesend, der über »Schwierigkeiten« berichtete:
BM Lauterbach berichtet über die Schwierigkeiten bei der politischen Debatte zur allgemeinen Impfpflicht und im Verfahren zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Er verweist zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht auf die 30‐seitige Handreichung des BMG. Bei der Impfkampagne arbeite man derzeit an adäquatem mehrsprachigem Informationsmaterial.
In den Kliniken ist ein Anstieg der Geboosterten zu verzeichnen.
Worin die »Schwierigkeiten bei der politischen Debatte zur allgemeinen Impfpflicht« lagen, wird im Protokoll nicht näher benannt.
Ein Experte berichtete zu neuen Modellierungen. Einige Modelle wiesen auf eine »Delta‐Welle im Sommer« hin. Lobende Erwähnung finden »mehrsprachige, moderierte Onlinesprechstunden für bestimmte Communitys […] zur Steigerung der Impfquote«. Ein Experte empfiehlt »ein gezieltes Vorgehen gegen organisierte Desinformation«. Ein Experte fordert, eine Impfaufklärung gehöre in die Lehrpläne von Schulen:
dass in Schulen besser über Impfung aufgeklärt werden müsse. Ggf. könnten die Kultusministerien gebeten werden, eine Impfaufklärung durch den ÖGD [Öffentlicher Gesundheitsdienst] in den Lehrplänen vorzusehen. [ — — — ] unterstützt diesen Hinweis.
Im Abschnitt über die Vorbereitung der Herbst‐Maßnahmen folgt ein verstörender Satz:
Wichtig sei zu bedenken, dass die Bevölkerung eine gewisse Erholung brauche (Resilienz).
Ein Oszillieren zwischen Zwang und Lockerungen ist übrigens eine beliebte Foltermethode in Gefängnissen wie Guantánamo, da jeder Zwang sich irgendwann abnutzt, und die Härte des Zwangs erst dann wieder richtig spürbar ist, wenn es dazwischen auch mal Lockerungen gegeben hat. Ein solcher Satz, der kalkuliert damit spielt, Menschen zunächst mit »Lockerungen« eine gewisse Erholung zu verschaffen, nur um sie dann erneut mit Zwang zu traktieren, ist eine Methode aus den dunkelsten Foltergefängnissen dieser Welt.
Impfzentren sollten als »skalierbare Struktur« verstetigt werden.
Aus gegebenem Anlass wurde auch die »Infektiologische Situation in der Ukraine« thematisiert:
Die Flüchtlingsbewegungen in Folge des Krieges in der Ukraine könnten auch Auswirkungen auf das inländische Infektionsgeschehen haben.
Ein Satz wie dieser macht schlichtweg sprachlos, angesichts der zynischen Reduzierung Kriegsgeflüchteter auf eine angebliche Rolle als Krankheitsüberträger. Doch den Experten schien diese Frage wirklich Kopfschmerzen zu bereiten:
Zwar waren vor Kriegsausbruch die Infektionen in der Ukraine zuletzt rückläufig, doch bei der Erfassung der ersten Geflüchteten seien rund 10 % vollständig und 20 % einmal geimpft gewesen. Viele würden keinen Impfnachweis mit sich führen.
Man stelle sich das kollektive Entsetzen im Expertenrat vor: Kein Impfnachweis! Weniger als 20 Prozent geimpft! Mit der Ankunft der ersten Ukraine‐Geflüchteten in Deutschland wurden Maßnahmen‐Hardliner wie die Damen und Herren vom Expertenrat vor ein moralisch‐ethisches Dilemma gestellt: Einerseits galt es, sich möglichst humanitär und selbstlos zu zeigen – andererseits musste eine Impfrate von 20 Prozent bei den im Expertenrat vorangegangenen Diskursen unweigerlich Schnappatmung auslösen. Einerseits gehört es sich nicht, traumatisierte, soeben erst vor dem Krieg geflohene Menschen sofort mit Impfvorgaben zu traktieren – andererseits musste man gegenüber der einheimischen Bevölkerung noch Härte zeigen, da schließlich eine allgemeine Impfpflicht anvisiert war. Gleichzeitig musste der Eindruck einer Ungleichbehandlung zwischen Einheimischen und Geflüchteten vermieden werden. Die moralische Beklemmung ist den Zeilen deutlich anzumerken:
Im RKI werde eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Das RKI wird im Laufe der 10. KW erste Empfehlungen herausgeben. Unter anderem soll auch auf den Umgang mit Sinovac‐Geimpften eingegangen werden.
Am Ende der Sitzung erkundigte sich ein Experte nach dem Sachstand zu den vom Verfall bedrohten Impfstoffdosen. Generalmajor Carsten Breuer sicherte zu, sich um Informationen zu deren Verbleib zu kümmern.
14. Sitzung: 15. März 2023
In der 14. Sitzung wurde ein Rückgang der »Compliance«, der Folgebereitschaft der Bevölkerung, im Hinblick auf Corona‐Maßnahmen festgestellt:
Befragungsergebnisse [der] [ — ]-Studie zeigen, dass ein Teil der Bevölkerung nicht mehr auf Kontakte verzichten möchte. Das s. g. [sogenannte] Verzichtverhalten geht demnach zurück. Der wahrgenommene Schweregrad einer COVID‐Erkrankung sinkt. Das Maskentragen wird in der Bevölkerung eher in Gesundheitseinrichtungen sowie im ÖPNV akzeptiert, am wenigsten in der Arbeit, Schule und im Restaurant. Ein weiterer Wunsch der Bevölkerung sind einheitliche, deutschlandweite Regelungen zum Infektionsschutz. Geimpfte befürworten Schutzmaßnahmen eher als Ungeimpfte.
Mehrere Expertlnnen kritisieren den aktuellen Stand der Änderungen des IfSG, wie das Zurückfahren von Maßnahmen trotz steigender Infektionszahlen entgegen der Empfehlung des ExpertInnenrats.
Mehrere Mitglieder des Expertenrats sprachen sich also im Hinblick auf die geplanten IfSG‐Änderungen für härtere Maßnahmen als die Bundesregierung aus. Geplant war, dass es den Ländern ab April 2022 nur noch möglich sein sollte, die Maskenpflicht im Rahmen sogenannter »Hotspots« beizubehalten. Stärker einschränkende Maßnahmen seien nur noch gerechtfertigt, wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. Dies ging dem Expertenrat jedoch offenbar nicht weit genug:
Notwendig seien weiterhin bundeseinheitliche Maßnahmen sowie schnelle Interventionsmaßnahmen, um Handlungsfähigkeit im Herbst zu gewährleisten.
Man spekulierte über kommende Szenarien: Bliebe Omikron? Komme Delta zurück? Dominierten irgendwann Rekombinanten wie Deltakron, oder gäbe es gar eine neue zoonotische Übertragung? Die Eigenschaft von Omikron, breite Kreuzimmunität hervorzurufen, schien im Expertenrat nicht ansatzweise verstanden worden zu sein.
Auch die Impfkampagne der Bundesregierung wurde von den Experten kritisch bewertet. Das Protokoll führt nicht aus, worin genau besagte Kritik besteht.
Am Ende der Sitzung wurde erneut der »Umgang mit Vertraulichkeit gegenüber der Presse« thematisiert. Auch hierzu gibt das Protokoll keine Details an.
15. Sitzung: 22. März 2022
In der 15. Sitzung wurde im »aktuellen Lagebericht« ein steigender Anteil Geboosterter auf Intensivstationen festgestellt: Dieser läge inzwischen bei 47 Prozent. Gleichzeitig sei vielerorts bis zu ein Drittel der Belegschaft von Ausfällen betroffen.
Ein Experte berichtete von einem Land – der Name ist in den Protokollen geschwärzt – bei dem nur noch Lockdown‐Maßnahmen geholfen hätten, da die Impfrate der Bevölkerung zu »schlecht« sei:
Die Epidemie ist nur durch Lockdown‐Maßnahmen unter Kontrolle gebracht worden. Das Impfprofil der Bevölkerung ist sehr schlecht (kaum Ältere geimpft).
Deutlich wird hier, dass der Expertenrat noch immer an die Bekämpfung eines saisonalen Atemwegsvirus durch Lockdowns glaubte – und sich mit »Impfung oder Lockdown« wieder hervorragend pro Impfung argumentieren ließ. Dass dies einer Erpressung gleichkam, schien man zu übersehen.
Als Nächstes wurde die Booster‐Impfung thematisiert. Der zweite Booster müsse unbedingt bei älteren Menschen besser bekannt gemacht werden. Viele würden noch bis zum Herbst oder auf einen angepassten Impfstoff warten wollen. Wichtig sei in der Kommunikation, »genau zu erklären, warum jetzt geimpft werden solle«.
Doch die »Complacency« der Bevölkerung und das freiwillige Schutzverhalten würden weiter sinken, trotz einer steigenden Infektionswahrscheinlichkeit mit Omikron:
Wenn die Pflicht zum Maskentragen wegfällt, wird auch das Maskentragen zurückgehen.
Deutlich wird, dass dem Expertenrat sehr wohl bewusst war, wie Maßnahmen‐müde die Bevölkerung war. Dennoch waren sie mit den »Lockerungen« in den Änderungen des IfSG ab März 2022 nicht zufrieden:
Es wird erneut Kritik an der Änderung des IfSG geübt. Seitens des ExpertInnenrates seien u.a. klare, einheitliche Maßnahmen gefordert worden, die so keinen Niederschlag im Gesetz gefunden haben. Eine Reduzierung der Todesfallzahlen könne nicht bei gleichzeitiger Öffnung und derzeit geringer Impfquote erreicht werden.
Der Expertenrat trieb demnach die Politik vor sich her: Die IfSG‐Änderungen waren ihm nicht streng genug. Dies führte zu einer kleinen Intervention von Wolfgang Schmidt und Karl Lauterbach: Sie betonten die Wichtigkeit des Expertenrats für politische Entscheidungsträger, wiesen jedoch auf »mögliche Schwierigkeiten […] im politischen Aushandelungs‐ und Entscheidungsprozess« hin. Das Neufassung des IfSG sollte auch dazu dienen, »auf andere biologische Notlagen vorbereitet zu sein.«
Am Ende der Sitzung wurde erneut die Wichtigkeit von Vertraulichkeit als Grundlage für die Arbeit des Expertenrates hervorgehoben, und alle Mitgliedern dazu angehalten. Offenbar lag ein konkreter Anlass für die Notwendigkeit einer Wiederholung der Verschwiegenheitsforderung vor, der aber im Protokoll nicht näher benannt wird.
Die Vertraulichkeit der Beratungen im ExpertInnenrat stellt eine wesentliche Grundlage der Arbeit dar. Zu dieser Vertraulichkeit gehört auch, dass interne Diskussionen und Dokumente nicht an die Öffentlichkeit getragen werden. Öffentliche Äußerungen zum sachlichen Inhalt der Stellungnahmen können von jedem Mitglied getätigt werden, nur sollte dies ohne den Verweis auf Inhalte oder Abläufe der internen Beratungen erfolgen und auch keine internen Voten widerspiegeln.
16. Sitzung: 29. März 2022
In der 16. Sitzung wurde konstatiert, der »Anteil der Geboosterten auf den Intensivstationen« liege mit 45 Prozent zwar »relativ hoch« – umgehend wurde aber ergänzt, dies sage »nichts über die Impfeffektivität« aus.
Diskutiert wurde auch eine europäische Vernetzung in Form einer zentralen europäischen Datenbank. Ein erster Ansatz bestehe bereits durch HERA (Health Emergency Preparedness and Response). Das Kanzleramt kündigte an, sich über den Sachstand der derzeitigen Entwicklung des Programmes informieren zu wollen.
Des Weiteren wurde das Testen an Schulen thematisiert:
Die aktuelle Teststrategie (inbs. Testen von asymptomatischen Kindern in der Schule) wird umfassend diskutiert: Aufgrund des aufwachsenden Immunschutzes der Bevölkerung ist keine zwangsläufige Testung bei symptomlosen Personen notwendig. Andererseits gibt die Inzidenz der Neuinfektionen einen wichtigen Überblick über das Infektionsgeschehen und ist ein ›eingeübter‹ Parameter. Wenn sich weder die Virulenz des Virus ändere noch die Immunflucht‐Eigenschaften, seien Bürgertestungen kaum mehr zu rechtfertigen.
Es wurde nicht etwa mit dem Kindeswohl argumentiert, sondern mit »Inzidenzen als wichtiger Überblick über das Infektionsgeschehen«, von dem sich die Experten offenbar nicht so gern trennen wollten, weil sie ein »eingeübter Parameter« seien. Mit anderen Worten: Die Kinder hätten sich ohnehin bereits daran gewöhnt. Doch die Tests ließen sich schlichtweg nicht mehr rechtfertigen, sofern sich die Virulenz des Virus nicht noch einmal signifikant ändere. Dass im Hinblick auf das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen damit argumentiert wurde, was gegenüber der Bevölkerung noch gerade so zu rechtfertigen sei, ist erschreckend.
Unter dem Programmpunkt »Verschiedenes« erklärt »BKAmt« – vermutlich vertreten durch Wolfgang Schmidt – dass
die Stellungnahmen des Expertlnnenrates in die politische Entscheidungsfindung intensiv einbezogen werden, Entscheidungen selbst allerdings den politischen Akteuren vorbehalten sind. Zahlreiche Impulse aus einzelnen Stellungnahmen z.B. zur Digitalisierung und Kommunikation seien weiter in der internen Diskussion. Man bleibe auch zu diesen Themen mit dem Expertlnnenrat im Gespräch.
An dieser Stelle ist deutlich eine zwischenmenschliche Reibungsfläche spürbar, weil man im Kanzleramt offenbar die Empfehlungen des Expertenrats als zu klare politische Handlungsanweisungen wahrnahm.
17. Sitzung: 5. April 2022
Die 17. Sitzung lag zwei Tage vor der Abstimmung zur Allgemeinen Impfpflicht (7. April 2022) im Bundestag. Bemerkenswert ist, dass die Beschreibungen des »allgemeinen Lagebildes« zu jenem Zeitpunkt komplett kontraindikativ für die Rechtfertigung einer allgemeinen Impfpflicht waren, die bevorstehende Abstimmung jedoch – zumindest im Protokoll – mit keinem einzigen Wort erwähnt wurde.
Inzwischen seien 50 Prozent der Neuaufnahmen auf den Intensivstationen geboostert. Schnell wurde hinzugefügt, es handele sich hierbei aber vor allem um Personen mit Immundefizit, daher sei mit dieser Zahl keine Aussage über die Impfeffektivität verbunden. Selbstverständlich nicht.
Das Infektionsgeschehen in Deutschland stabilisiere sich, die Inzidenz sinke in allen Altersgruppen. Der Höhepunkt der Omikron‐Welle sei überschritten, die Gesamtzahl der Arztbesuche wegen akuter Atemwegserkrankungen sei rückläufig und der Schweregrad von respiratorischen Behandlungen nehme ab. Zudem sinke der Anteil der Patienten mit COVID‐19 als Hauptdiagnose.
Was die Experten hier beschreiben, ist das ganz natürliche Abflauen einer saisonalen Erkältungswelle, inklusive des Eingeständnisses, dass auch bei Geboosterten schwere Verläufe vorlägen, da diese inzwischen 50 Prozent der Intensivfälle ausmachten. Warum also, wenn die Experten all dies wussten, gaben sie der Politik keinen Hinweis, dass eine Impfpflicht unnötig ist? Hatten sie sich bereits so sehr auf eine Impfpflicht eingestellt, dass ihnen ein Umdenken aus ideologischen Gründen nicht mehr möglich war?
Die Änderungen bei den Quarantäne- und Isolierungsregeln werden unter den Mitgliedern diskutiert. Es besteht Konsens, dass diese unabhängig vom Inhalt gut kommuniziert werden müssen.
Vielsagend: Wir wissen zwar noch nicht, was wir eigentlich beschließen, aber was wir beschließen, muss anschließend gut kommuniziert, ergo verkauft werden. Für den Herbst wurde sogar angedacht, einen eigenen Twitter‐Kanal einzurichten, um die kommunikative Reichweite zu erhöhen.
Zu guter Letzt erwünschten sich die Experten noch »eine Rückmeldung der Bundesregierung zum Umgang mit den bisherigen Stellungnahmen«. Offenbar war eine solche Rückmeldung nicht erfolgt, man fühlte sich übergangen. Teilnehmer des Expertenrates, die schon Merkel beraten hatten, hatten sich wohl an das gute Gefühl gewöhnt, dass ihre Einschätzungen sakrosankt waren und die Politik diesen uneingeschränkt Folge leistete.
18. Sitzung: 19. April 2022
Die 18. Sitzung war die erste nach der gescheiterten Abstimmung zur Allgemeinen Impfpflicht im Bundestag. Im Protokoll wurde das Abstimmungsergebnis jedoch nicht erwähnt. Ein auffälliges Schweigen dafür, dass das Thema in den Wochen zuvor noch ausgiebig im Expertenrat diskutiert wurde.
Die klinischen Zahlen seien weiterhin rückläufig. Aus einem aktuellen Lancet-Artikel gehe jedoch hervor, dass die Übersterblichkeit in Deutschland etwa doppelt so hoch liege wie angenommen. Rasch wurde ergänzt, in anderen Ländern liege die Übersterblichkeit allerdings noch deutlich höher. Über die hohe Übersterblichkeit wurde nun diskutiert. Inhalte der Debatte – etwa, welche Gründe die Experten hier vermuteten, werden im Protokoll nicht genannt.
In die Stellungnahme wird aufgenommen, dass die Erfassung des Compliance‐Verhaltens der Bevölkerung wichtig bleibt und an geeigneter Stelle fortgesetzt werden sollte.
Es drängt sich die Frage auf: Wofür Compliance der Bevölkerung? Wenn doch alle Parameter rückläufig waren und sich die klinische Situation saisongemäß beruhigt hatte – wozu dann noch »Compliance«? Weil sich möglicherweise die Lust daran, anderen Menschen vorschreiben zu können, wie diese zu leben haben, inzwischen unter den Experten verselbstständigt hatte?
19. Sitzung: 26. April 2022
Auch in der 19. Sitzung wurde eine Fortsetzung des »positiven Trends« beim Infektionsgeschehen konstatiert. Ein Experte – ich tippe auf Christian Drosten – stellte »neue Varianten« aus den USA, Südafrika und Indien vor. Zwar gäbe es noch keine Hinweise auf eine Erhöhung der Krankenhausbelegungen, und in Deutschland spielten die Varianten bislang kaum eine Rolle – dennoch sei es wichtig, »die weitere Entwicklung sehr genau zu beobachten«.
Die Experten legten erneut eine Aufrechterhaltung der Impfzentren nahe, damit sie im Herbst schnell wieder aktiviert werden könnten.
Es wurde auch gewarnt, die klinische Versorgung von Kindern könne womöglich im Herbst schwerer gewährleistet werden, da zusätzlich zu Corona mit vielen Influenza‐ und RSV‐Fällen zu rechnen sei. Dass die für den Herbst befürchtete hohe Krankheitslast bei Kindern möglicherweise mit Immunschulden zusammenhängen könnte, die durch Lockdowns, 2G und Schulschließungen verursacht wurden, kam den Experten nicht in den Sinn.
Für den 31. Mai wurde die erste Präsenzsitzung im Kanzleramt angekündigt.
20. Sitzung: 10. Mai 2022
In der 20. Sitzung zeigte sich im aktuellen Lagebild erneut keine große Veränderung – dafür hätten »normale Pneumonien« zugenommen. Ein Experte – vermutlich Christian Drosten – berichtete wieder über neue Varianten in Südafrika. Dort seien vor allem »genesene Ungeimpfte« betroffen.
Es wird deutlich, dass dem Expertenrat im Hinblick auf Corona in Deutschland langsam die Themen ausgingen, da nun regelmäßig weit entfernt liegende Orte, an denen sich noch irgendein Infektionsgeschehen feststellen ließ, thematisiert wurden.
[Ein Experte] betont die Wichtigkeit der Ausweitung der Gesundheits‐ und Risikokommunikation, welche nicht allein durch eine Werbekampagne erfüllt ist. Hier ist eine abgestimmte Vorgehensweise zwischen den zentralen Institutionen wie RKI und BZGA wichtig. Es wird angeregt, Impfungen in Schulen durchzuführen.
Es bleibt unverständlich, warum ohne die geringste Gefährdungslage durch Corona für Kinder der Expertenrat weiterhin Kinderimpfungen an Schulen empfahl.
Es wird der Vorschlag eingebracht, dass der Expertlnnenrat sich des Themas globale Impfstoffverteilung annehmen könnte.
Könnte der plötzliche Anflug von Altruismus eventuell in Zusammenhang mit den verfallenden Impfstoffdosen stehen?
Am Ende der Sitzung wurde beschlossen, dass der Expertenrat ab sofort nur noch zweiwöchig tagen sollte.
21. Sitzung: 24. Mai 2022
In der 21. Sitzung wurde im Hinblick auf das »Pandemiegeschehen in Deutschland« festgestellt, dieses nehme zwar weiterhin ab, befinde sich aber »weiterhin auf einem relativ hohen Niveau«. Der letzte Disclaimer war natürlich notwendig.
In Ermangelung von Corona‐Themen in Deutschland, die ja den eigentlichen Sachgegenstand des Expertenrats ausmachten, ging es nun fast in der gesamten Sitzung fast nur noch um Affenpocken. Ein Experte – vermutlich Christian Drosten –
»beschreibt die aktuelle Lage zu den Affenpocken.« Das Infektionsgeschehen sei »äußerst dynamisch«: Bislang gebe es 260 Verdachtsfälle, »auf jedem Kontinent«. Diese schnelle Verbreitung in der menschlichen Population sei »beachtlich«.
Man fragt sich unweigerlich: 260 Verdachtsfälle weltweit – was genau ist daran jetzt »beachtlich«?
Ein »typisches Symptom« sei »die Bildung einer Pocken‐typischen Hautveränderung, insbesondere im Intimbereich«, was laut Protokoll »Rückschlüsse über die Übertragung« zuließe. Man stehe »noch ganz am Anfang des Ausbruchs«. In Deutschland gebe es derzeit noch wenig Impfstoff und Medikamente gegen Affenpocken, ein Versuch des Reimports sei »derzeit in Verhandlung«.
Bereits zu einem Zeitpunkt, als Deutschland nicht das geringste Problem mit Affenpocken hatte, versuchte man sich an einer Medikamenten‐ und Impfstoffbeschaffung. Hat man vom großen Affenpocken‐Ausbruch 2022 in Deutschland je wieder etwas gehört? Ist dies möglicherweise eine gute Metapher für die Realitätsbezogenheit des Corona‐Expertenrats?
In punkto »Stellungnahme Herbst/Winter« fällt ein bemerkenswertes Statement:
Wichtig sei auch, sich grundlegend zu einigen, ob der Expertlnnenrat sich von der Containment‐Strategie ganz lösen möchte oder diese noch verfolgt.
Zur Erinnerung: Die sogenannte Containment‐Strategie wurde erstmals im März 2020 im Rahmen der COVID‐19 Task Force des Bundesministerium des Inneren von zwei China‐Fans in den deutschen Diskurs eingebracht. Vorher wurde im RKI und allen vorliegenden Pandemie‐Leitfäden Herdenimmunität als Immunisierungsstrategie empfohlen. Letztere wurde von den KPCh‐freundlichen Regierungsberatern als »unethisch« gebrandmarkt, und suggeriert, COVID‐19 ließe sich mit Eindämmungsmaßnahmen à la China sogar gänzlich zum Verschwinden bringen, sofern diese nur streng genug seien. Einer der beiden China‐Fans, Otto Kölbl, hatte mehrfach öffentlich erklärt, vor der Task Force des BMI seien viele Experten in Deutschland noch vom Konzept »Herdenimmunität« überzeugt gewesen – Kölbl zufolge auch Christian Drosten. Doch durch die vehemente, konzertierte Ablehnung dieses Konzept im Rahmen der COVID‐19 Task Force seien diese schlussendlich auf Linie gebracht worden.
Die Eindämmungsstrategie ist inzwischen sogar im Mutterland China gescheitert: Xi Jinping hatte nach dem letzten Lockdown in Shanghai, bei dem Menschen sich verzweifelt vor Hunger aus Hochhäusern stürzten, im Dezember 2022 die Null‐COVID‐Strategie in China für beendet erklärt.
Die deutsche Corona‐Politik unter Merkel, und in Fortführung unter Scholz, orientierte sich in ihren Grundzügen zwar am Eindämmungskonzept, aber echten Maßnahmen‐Fans gingen die politischen Maßnahmen in Deutschland nie weit genug. Zwei Autoren des Expertenrates waren direkt an der NoCovid-Kampagne beteiligt gewesen: Melanie Brinkmann und Michael Meyer‐Herrmann. Heyo K. Kroemer, Viola Priesemann und weitere Mitglieder des Gremiums befürworteten die Strategie.
Wenn im Expertenrat zur Diskussion gestellt wurde, ob man sich vom Eindämmungskonzept nun »ganz« lösen wolle, oder ob dieses überhaupt »noch verfolgt« würde, so kommt dies dem Eingeständnis eines Scheiterns gleich. So sterben pseudowissenschaftliche Ideologien: Leise, heimlich und verdruckst, in Hinterzimmern, ohne dass auch nur die kleinste Lehre aus dem eigenen Irrtum gezogen würde.
22. Sitzung: 31. Mai 2022
Präsenzmeeting im Kanzleramt, Internationaler Konferenzsaal
Die 22. Sitzung war die erste Präsenzsitzung des Gremiums und fand im Internationalen Konferenzsaal des Kanzleramts statt. Vor Sitzungsbeginn wurde die bisherige Arbeit des Gremiums intern bewertet:
Insgesamt wird die Arbeit des Expertlnnenrats als positiv und konstruktiv bewertet. Hervorgehoben wurde die hohe Vertraulichkeit untereinander. […]
Auch die Frage, welche Wirkung die Stellungnahmen auf die politischen Entscheidungsträger haben, wurde diskutiert. Gerade fachübergreifende Stellungnahmen […] bieten die Möglichkeit, mit politischen Entscheidungsträgern des Gesundheitsministeriums oder Bundeskanzleramts in den Dialog zu treten.
Zu Beginn der Sitzung bewertet der Auftraggeber, das Kanzleramt, die Arbeit der Gruppe und äußert sich voll des Lobes:
Von Seiten des Bundeskanzleramts und des Bundesministeriums für Gesundheit wird die Arbeit des Expertlnnenrats mit seinen Stellungnahmen und Empfehlungen sehr wertgeschätzt. Der Mitgliederkreis habe an entscheidenden Punkten und in wichtigen Phasen der Pandemie durch seine Beratung weitergeholfen (z. B. in Vorbereitung von Bund-Länder-Treffen zum Thema Corona). Ein Fortbestehen des Corona‐Expertlnnenrats, auch in der derzeitigen Besetzung, ist von Seiten der Bundesregierung erwünscht. Der Krisenstab gibt an, dass die Bundesländer vom Nutzen der Empfehlungen des Expertlnnenrats überzeugt sind.
Uneingeschränktes Lob für den Expertenrat – und schlussendlich ein »Durchbruch«:
Insgesamt wird eine Abkehr vom anlasslosen Testen asymptomatischer Kinder und Jugendlicher von Seiten des Expertlnnenrats empfohlen.
Zur Erinnerung: Es war Ende Mai. An den Schulen gab es gemäß der Änderungen des IfSG vom 18. März 2022 keine bundeseinheitliche Testpflicht mehr. Ende April hatten bereits zwölf von 16 Ländern die Testpflicht an Schulen beendet. Der Expertenrat hechelte somit mit seiner sinnlosen Stellungnahme der Lebensrealität einen Monat hinterher. Die Empfehlung der Abkehr vom Testen an Schulen stand in Zusammenhang mit einer Abkehr vom Inzidenzwert allgemein: Dieser habe ausgedient, da er nicht mehr in der Lage sei, die Bevölkerung »zum eigenverantwortlichen Handeln zu motivieren«:
Angesprochen wurde zudem die geeignete Darlegung der Infektionslage in der öffentlichen Wahrnehmung. Die 7‑Tage‐lnzidenz sei zwar hinreichend be‐ und anerkannt, jedoch habe sie gegebenenfalls nicht mehr die geeignete Durchsetzungskraft, um z. B. die BürgerInnen zum eigenverantwortlichen Handeln zu motivieren. Besser geeignet seien hierfür Surveillance‐Systeme, die z. B. im Ampelformat einfache Informationen über die Krankheitsschwere liefern. Hier komme es auf eine gute Kommunikation an.
Der Begriff »eigenverantwortliches Handeln« wurde von den Autoren offensichtlich als Chiffre für »freiwillige Compliance mit den Corona‐Maßnahmen« verwendet. Ende Mai 2022 beeindruckte der Inzidenzwert in der Tat niemanden mehr.
23. Sitzung: 14. Juni 2022
Die 23. Sitzung wurde geleitet von Melanie Brinkmann. In der aktuellen Lageentwicklung wurde festgestellt
dass die Sommerwelle im vollen Gang sei.
Ein Vergleich mit dem BA.4/5‑lnfektionsgeschehen in Südafrika sei schwierig, da hier die BA.2‑Welle ausblieb und grundsätzlich die Immunisierung der Bevölkerung auf Infektionen und weniger auf Impfungen zurückzuführen sei.
Es stellt sich die Frage, warum in Südafrika eine Welle ausgefallen war, OBWOHL dort niemand geimpft ist. Warum stellten die Experten sich diese Frage nicht?
Kurz angesprochen wurde ebenfalls eine Studie, die gezeigt hat, dass bei Kindern die Impfung einen besseren Schutz bietet als die Infektion, womit nochmals auf die Wichtigkeit der Kinderimpfung hingewiesen wurde.
Im selben Bericht, nur einen Absatz weiter, hieß es:
Aus dem Bereich der Kinder‐ und Jugendmedizin ist zu vermelden, dass es praktisch keine stationäre Krankheitsaktivität bzgl. COVID‐19 gibt. PIMS-Fälle sind bereits nach Delta seltener, nach Omikron praktisch gar nicht mehr aufgetreten. Allerdings gibt es – regional unterschiedlich – eine Häufung akuter Atemwegsinfektionen durch RSV und Influenza A und anhaltend eine außergewöhnlich hohe Krankheitsaktivität an viralen Gastroenteritiden durch Rota‐ und Adenoviren.
Wie ist es möglich, festzustellen, dass es kein stationäres Infektionsgeschehen bei Kindern mehr gibt, aber gleichzeitig die Wichtigkeit der Kinderimpfung zu betonen? Ging man wirklich zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass diese nebenwirkungsfrei sei und daher für Kinder in jedem Fall ein positives Schaden/Nutzen‐Verhältnis aufweise?
Auch in dieser Sitzung widmeten sich die Experten erneut ausgiebig dem Thema »Compliance«, der Folgebereitschaft der Bevölkerung:
Nach den Ergebnissen [der] [ — — ]-Studie beschäftigt die Corona‐Pandemie die Bevölkerung zunehmend weniger. Bei einer Befragung zu den drei in der aktuellen Stellungnahme beschriebenen Szenarien zeigte sich, dass Personen zu bestimmten Schutzmaßnahmen (z. B. Maskentragen) eher bereit sind, und zwar unabhängig vom Szenario. Aktualisierungsbedarf wurde auf der Homepage der BZgA festgestellt, welche z.B. keine Informationen zur Corona‐Schutzimpfung bei Kindern Ü5 enthält.
Man fragt sich, wenn dem Expertenrat so bewusst war, dass die Bevölkerung sich »zunehmend weniger« für die Corona‐Pandemie interessierte, warum man erstere dann nicht einfach in Ruhe lassen konnte. Doch das Gegenteil war der Fall: Für den Herbst wurde der Vorschlag eines »Ampelsystems« – in schöner semantischer Analogie zur Ampel‐Koalition – eingebracht, damit die Bevölkerung sich stets über die Gefährdungslage informieren könne. In den Landesministerien war das Interesse an den Ratschlägen aus dem Expertenrat offenbar ungebrochen groß:
Aufgrund der hohen Nachfrage aus den Landesministerien wird am 21. Juni auf Einladung von ALin 3 eine Informationsveranstaltung mit den Gesundheitsministerien der Länder stattfinden, bei der Mitglieder des Expertlnnenrates die Herbst/Winter‐Stellungnahme vorstellen und anschließend Fragen der TeilnehmerInnen beantworten.
24. Sitzung: 28. Juni 2022
In der 24. Sitzung wurde erneut Personalmangel in den Kliniken beklagt. Es würden wieder vermehrt ältere Patienten über 60 eingeliefert:
Eine erneute Kommunikation, gerichtet an die Risikogruppen zur 3. und 4. Impfung, sei sehr wichtig, die Impflücken seien nach wie vor zu groß. Angesprochen wurde diesbezüglich ebenfalls, dass mittelständische Unternehmen mit angesprochen werden sollten, um auf die Impfung aufmerksam zu machen.
Es folgten äußert brisante Aussagen zum Myokarditis‐Risiko für junge Menschen:
[ — — ] hat die Literatur zur 4. Impfung aufgearbeitet. Im Ergebnis sei die Evidenz für eine 2. Booster‐Impfung für unter 70-Jährige relativ gering. Bzgl. des Myokarditis‐Risikos bei jungen Patienten gebe es keine validen Aussagen, ob das Risiko mit der Anzahl der verabreichten Impfstoffdosen steigt. Gerade bei einer Myokarditis sind langfristige Schäden, die erst mit zeitlichem Abstand zu den akuten Erkrankungen auftreten, zu beobachten.
Hatte man der Bevölkerung nicht eingetrichtert, es gebe keine Langzeitfolgen bei der Impfung? Und in dieser internen Diskussion wurden nun »Schäden, die erst mit zeitlichem Abstand zu den akuten Erkrankungen auftreten«, als gegeben vorausgesetzt, die lediglich »zu beobachten« seien? Warum gab es hinter verschlossenen Türen einen anderen Kenntnisstand, als den, der nach außen hin kommuniziert wurde? Es bleibt unklar, warum der Expertenrat, trotz einer Zurkenntnisnahme möglicher langfristiger Schäden junger Menschen im Falle einer impfbedingten Myokarditis, nicht spätestens ab diesem Moment von einer Kinderimpfung abriet, sondern sie sogar im Gegenteil noch ausdrücklich weiter empfahl. Die STIKO wiederum, deren Präsident Thomas Mertens Teilnehmer des Gremiums und bei der 24. Sitzung anwesend war, rückte erst am 25. Mai 2023 von ihrer Empfehlung der COVID‐19 Impfung für Kinder ab – knapp ein Jahr später.
Im letzten Punkt der Sitzung geht es um den Sachverständigenrat des Evaluationsberichts. Man wolle dafür am Freitag ein Papier vorlegen. Noch sei unklar, ob ein Konsens (zwischen Expertenrat und Sachverständigenausschuss) erzielt werden könne, doch es gebe inhaltliche Überschneidungen.
25. Sitzung: 12. Juli 2022
An der 25. Sitzung nahm ein Public Health‐Experte aus Israel teil. Er berichtete von den Erfahrungen der datengestützten Impfkampagne in Israel:
Aufgrund der sehr guten Datenlage (›digital twins‹) konnte in Israel die Effektivität der Corona‐Schutzimpfung sehr früh durch Studien belegt und auch kommunikativ vermittelt werden.
»Digital twins« meint ein digitales Abbild einer Person, das alle relevanten Daten enthält. Über das Verkaufsargument »Gesundheitsprävention« lässt sich die Technologie gut begründen. Einmal implementiert, kann sie auf beliebig viele Bereiche ausgeweitet werden und bildet die Grundlage für eine »digitale Identität«.
Aus der [ — — ] lässt sich ableiten, dass die Informationshäufigkeit über Corona deutlich abgenommen hat. Die Risikowahrnehmung steigt zwar leicht an, dennoch ist keine Verhaltensänderung bei den Befragten erkennbar. Nur 37% der Befragen wissen, dass die STIKO eine Impfung ab 5 Jahren empfiehlt.
Ging man davon aus, wenn mehr als 37 Prozent über die Impf‐Empfehlung der STIKO ab 5 Jahren Bescheid wüssten, gäbe es noch mehr Eltern, die ihre Kinder impfen lassen würden?
»Dennoch ist keine Verhaltensänderung bei den Befragten erkennbar« – warum auch, es war Hochsommer, keine Erkältungssaison. Warum war es den Experten derart wichtig, selbst im Hochsommer eine Verhaltensänderung der Bevölkerung zu bewirken? Die Experten monierten, die Regierung Scholz halte sich derzeit kommunikativ zurück: »Nicht‐Kommunizieren sei auch eine Form der Kommunikation«:
Als lessons learned aus der Pandemie wird resümiert, dass es immer noch keine effiziente und resiliente Kommunikationsstruktur gibt. Die Politik halte sich derzeit kommunikativ zurück. ›Nicht Kommunizieren‹ sei auch eine Form der Kommunikation. Die BZgA tritt zu wenig in Erscheinung, das RKI hat die Aufgabe Expertlnnen zu informieren, nicht die gesamte Bevölkerung.
Falls diese Zeilen überhaupt noch eines Kommentars bedürfen, dann die Frage, unter welchem Stein die Experten gelebt haben, wenn sie der Meinung sind, es sei von Regierungsseite her nicht genug über Corona kommuniziert worden – und welchen Mehrwert es bringen soll, sich im Sommer mit einem Atemwegsvirus zu beschäftigen, das einen erst im Winter wieder ereilt.
Am Ende der Sitzung berichtete das Bundeskanzleramt über den aktuellen Stand des neuen Infektionsschutzgesetzes, das am 22. September 2022 in Kraft treten sollte.
Zusammenfassende Einschätzung des Dokuments
Die freigeklagten Protokolle des Expertenrats sind ein Schlüsseldokument zum Verständnis des politischen und gesellschaftlichen Klimas im Winter 2021/2022 in Deutschland, als nie dagewesene Grundrechtseinschränkungen für 25 Prozent der Bevölkerung in Form von 2G‐Regeln galten, Kinder unter Masken gezwungen, Berufsverbote erteilt und zahllose Existenzen zerstört wurden. Die rechtliche Ausgrenzung Ungeimpfter wurde begleitet von einem medialen Dauerfeuer der Diffamierung, während die Ampelkoalition den Versuch unternahm, im April 2022 im Bundestag eine allgemeine Impfpflicht durchzusetzen – gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung.
Die Protokolle des Corona‐Expertenrats zeigen auf: Die unverständlich, kopflos und rigide anmutenden Corona‐Maßnahmen in Deutschland, über die im Ausland nicht selten der Kopf geschüttelt wurde, hatten eine ideologische Grundlage – und ein zentrales Element davon war der Corona‐Expertenrat.
Der Expertenrat empfahl der Bundesregierung eine allgemeine Impfpflicht, gegen den Willen der Bevölkerung. Die Empfehlung wurde auch dann nicht revidiert, als die saisonale Erkältungswelle schon am Abflauen war und die Omikron‐Variante dominierte, die eine breite Herdenimmunität hervorrief. Im Beisein von Justizminister Marco Buschmann wurde zudem die medizinische Falschbehauptung kolportiert, die Corona‐Impfung verringere das Risiko einer Übertragung.
Der Expertenrat bestärkte Landesregierungen darin, Berufs‐ und Betretungsverbote für ungeimpftes Pflegepersonal noch rigoroser umzusetzen, und schlug vor, den Ermessensspielraum der Gesundheitsämter der Länder durch bundeseinheitliche Regelwerke zu ersetzen.
Im Fokus des Expertenrates standen ganz klar nicht nur der vermeintliche Infektionsschutz, sondern auch Social Engineering-Ziele, eine dauerhafte Verhaltensänderung der Bevölkerung – und dies sogar noch im Sommer 2022, als dafür nicht die geringste medizinische Notwendigkeit mehr vorlag.
Der Expertenrat warb rigoros für Kinderimpfungen ab fünf Jahren, obwohl ihm mögliche Langzeitschäden durch eine impfbedingte Myokarditis bei Kindern und Jugendlichen bekannt waren. Anstatt das medizinisch einzig Richtige zu tun – der Politik zu empfehlen, die Kinderimpfung umgehend auszusetzen – wurden weitere Empfehlungen dafür ausgesprochen. Als besonders pikant ist hierbei die Tatsache zu bewerten, dass Thomas Mertens, der Leiter der Ständigen Impfkommission, am Expertenrat teilnahm und daher nachweislich über das ungeklärte Myokarditis‐Risiko bei Kindern informiert war – wenn die Info nicht sogar von ihm selbst eingebracht wurde. Dass die STIKO ihre Empfehlung für die Kinderimpfung nicht umgehend aussetzte, sondern im Gegenteil sogar weiter empfahl, könnte möglicherweise auch juristische Aspekte – wie die Haftung für Schäden – beinhalten.
Zwischen den Zeilen lesen sich Spannungen zwischen Expertenrat und Kanzleramt heraus: So beschweren sich die Ratsmitglieder des Öfteren, die Politik halte sich nicht ausreichend an die von ihnen ausgesprochenen Empfehlungen, während seitens der politischen Vertreter an mehreren Stellen im Protokoll darauf verwiesen wurde, die finale politische Entscheidungsgewalt liege bei der Politik. Aus den Protokollen lässt sich der Versuch herauslesen, demokratische Strukturen und Entscheidungsprozesse durch das Diktat eines Szientismus zu untergraben.
Doch das Versagen des Corona‐Expertenrates geht Hand in Hand mit dem Versagen eines politischen Personals, das nicht in der Lage war, logische Inkonsistenzen und die ideologische Einseitigkeit in den Stellungnahmen des Expertenrates zu erkennen. Dass man den Expertenrat erst im April 2023 auflöste, ist nur einer von vielen Skandalen rund um ein Gremium, das aus einem vollkommen intransparenten Hinterzimmer Einfluss auf die Politik nahm – und dessen politische und gesellschaftliche Aufarbeitung noch ganz am Anfang steht. Die vorliegenden Protokolle bieten hierzu den entscheidenden Schlüssel.
Christian Haffner – der Arzt, der die Dokumente freigeklagt hat – fordert nun die Einrichtung einer unabhängigen Enquête‐Kommission zur Aufarbeitung der Corona‐Maßnahmen in Deutschland:
Die dürftigen Protokolle des Corona‐Expertenrates, auf denen viele Coronamaßnahmen basierten, zeigen, dass eine neutrale Enquête‐Kommission zur Aufarbeitung der Corona‐Krise dringend nötig ist. Es geht auch darum, eine Wiederholung zu vermeiden und die Bevölkerung in Zukunft vor politisch‐ideologischen Übergriffen durch den Staat zu schützen.
Bild: Mitglieder und Gäste des Corona‐Expertenrats der Bundesregierung, Collage: Aya Velázquez