Eine reformierte Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) einschließlich der Hamas und anderer palästinensischer Gruppierungen, wird bei vielen Palästinensern die Vorstellung wiederbeleben, dass die PLO immer noch das Recht auf Widerstand unterstützt. Auch wenn dieses Ergebnis noch in weiter Ferne liegt, ist es der einzige Weg in eine positive Zukunft.
Jüngste Berichte deuten darauf hin, dass Hamas und Fatah unter Vermittlung mehrerer arabischer Staaten an einer Vereinbarung über die Bildung einer technokratischen »Regierung« für Palästina arbeiten sowie darauf, dass die Hamas das Prinzip eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 akzeptiert und einer »wiederbelebten« Palästinensischen Befreiungsorganisation beitritt.
Dies ist ein alter, schon oft erklungener Refrain. Und genau wie bei all den anderen Malen gibt es ernsthafte zu überwindende Hindernisse, damit ein derartiges Abkommen zustande kommt. Große Skepsis ist angebracht. Mehr noch: Diese Pläne sind eingebettet in eine umfassendere Bemühung der Vereinigten Staaten, zusammen mit Ägypten, Jordanien, Katar, Saudi‐Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Bidens unerfüllbaren Wunschtraum von der Beendigung des Gaza‐Konflikts auf eine Formel zu bringen. Dabei sollen alle Geiseln freigelassen, ein palästinensischer Staat geschaffen und ein umfassendes Abkommen erzielt werden, das eine Normalisierung zwischen Saudi‐Arabien und Israel beinhaltet.
Das ist nur eine weitere von Bidens Hirngespinsten. Die Vorstellung, dass ein solch monumentales Abkommen ohne Israels Duldung oder gar Beteiligung zustande kommen könnte, ist absurd. Mehr noch, Israel könnte die gesamte Vereinbarung einfach dadurch zerstören, indem es mit seinem Plan zur Durchsetzung seiner militärischen Macht in Rafah voranschreitet, wie es bereits damit begonnen hat. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat mehr als deutlich gemacht, dass er nicht die Absicht hat – und auch keinen Anreiz hat –, von diesem mörderischen Kurs abzuweichen.
Aber die Gespräche könnten dennoch von Bedeutung sein. Verschiedene Aspekte der Verhandlungen werden auf verschiedenen Wegen behandelt. Einer davon ist das Bemühen von Saudi‐Arabien und Katar, eine Vereinbarung zwischen Hamas und Fatah für eine neu gestaltete Palästinensische Befreiungsorganisation und eine technokratische Palästinensische Autonomiebehörde zu schmieden, die den Weg für eine Allparteienregierung ebnen würde.
Dies ist natürlich ein altbekannter und abgenutzter Refrain, da wiederholte Bemühungen um Einheitsregierungen völlig gescheitert sind. Doch angesichts der massiven von Israel angerichteten Zerstörungen im Gazastreifen und des harten Durchgreifens im Westjordanland gibt es für die beiden großen palästinensischen Fraktionen allen Grund, sich zusammenzuraufen und einen Weg zu finden.
Die Tatsache, dass Katar und Saudi‐Arabien den Prozess vermitteln, stimmt zuversichtlich. Denn die Saudis werden sich wahrscheinlich an die amerikanisch‐israelische Linie halten, wenn es um ein »Tag danach«-Abkommen für den Gazastreifen geht, die eine Beteiligung der Hamas ausschließt. Aber die Tatsache, dass sie mit Katar zusammenarbeiten, deutet darauf hin, dass sie die Realität anerkennen; nämlich, dass jeder die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad und andere bewaffnete Gruppierungen ausschließende Plan – auf den die USA und Israel sicher bestehen werden – scheitern wird, bevor er überhaupt begonnen hat.
Wenn diese Art von Pragmatismus seitens der Saudis vorhanden ist, könnte es Hoffnung für eine solche Vermittlung geben.
Der Schlüsselfaktor sowohl für die Hamas als auch für die Fatah ist ihre Hilflosigkeit, solange sie auf sich allein gestellt sind.
»Niemand kann den Gazastreifen ohne die Hamas regieren und letztere kann nicht ohne die legitime palästinensische Regierung regieren«, sagte ein Fatah‐Beamter dem palästinensischen Journalisten Daoud Kuttab. »Daher ist dies eine dringend notwendige Heirat, die keine Seite ablehnen kann.«
Anders ausgedrückt: Am so genannten »Tag danach« wird die Hamas immer noch in die Gesellschaft des Gazastreifens eingebettet sein. Ihr Netzwerk, das sie in fast zwei Jahrzehnten der Verwaltung des Streifens aufgebaut hat, wird der Schlüssel zum Wiederaufbau der Gesellschaft des Gazastreifens sein. Auch wenn die von den Fatah‐Vertretern gewählte Bezeichnung »legitime« palästinensische Regierung ihre eigene politische Sichtweise widerspiegelt, wird die Hamas die Fatah und ihre Beziehungen zu den großen arabischen Staaten sowie ihren Puffer zum Westen brauchen, um sich wieder aufzurichten. Katar wird nicht in der Lage sein, die Verwaltung des Gazastreifens allein zu unterstützen, wie es das vor dem 7. Oktober getan hat.
Die israelisch‐amerikanische Hürde
Dies ist für die Hamas keine so große Veränderung, wie es vielleicht den Anschein haben mag. Vor sieben Jahren akzeptierte die Hamas formell die Idee eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967. Diese Vereinbarung wurde von Israel oder den Vereinigten Staaten nie anerkannt oder in irgendeiner Weise berücksichtigt.
Das Argument gegen die neue Hamas‐Charta war, dass dieselbe Charta nach wie vor Anspruch auf das gesamte historische Palästina erhebt und das Recht auf Rückkehr in all die Orte fordert, aus denen die Palästinenser 1947 – 49 vertrieben worden waren. Natürlich schien es denselben Leuten nichts auszumachen, dass David Ben‐Gurion genau dieselbe Haltung vertrat, dass ein im Entstehen begriffener jüdischer Staat ein erster Schritt zur Sicherung eines umfassenden Groß‐Israel sei, das schließlich einen Massenzustrom von Juden aus der ganzen Welt beherbergen würde.
In jüngerer Zeit heißt es in der ursprünglichen Likud‐Charta von 1977 ganz klar: »Zwischen dem Meer und dem Jordan wird es nur israelische Souveränität geben.« Die Charta wurde zwar überarbeitet, um den politischen Führern des Likud etwas mehr Spielraum zu geben, aber dieser Grundsatz wurde nie widerrufen. Im Januar erklärte der Likud‐Vorsitzende und israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ausdrücklich, dass er keine palästinensische Kontrolle des Gazastreifens dulden würde. Ebenso deutlich äußerte er sich über das gesamte Gebiet des historischen Palästina und sagte, dass sein »Beharren über die Jahre hinweg die Gründung eines palästinensischen Staates verhindert hat, der eine existenzielle Gefahr für Israel dargestellt hätte«.
»Solange ich Premierminister bin«, sagte Netanjahu, »werde ich weiterhin mit Nachdruck darauf bestehen.«
Kein einziger Präsident der Vereinigten Staaten hat jemals einen Einwand dagegen erhoben. Die Doppelstandards zwischen Israel und den Palästinensern sind so geläufig wie ein Sonnenaufgang. Sollten die arabischen Staaten es jedoch ernst meinen, werden sie eine Formulierung akzeptieren, bei der die Hamas und andere militantere Gruppen ihre individuellen Ideologien beibehalten, so wie es politische Parteien überall auf der Welt tun, ohne dass dies notwendigerweise die Haltung der Regierung ist.
Das jüngste Scheitern der Mission des CIA‐Chefs Bill Burns in Kairo hat gezeigt, dass Israel kein Interesse an der Beendigung seiner Völkermordkampagne im Gazastreifen hat. Trotz der Tatsache, dass die israelischen Operationen im Gazastreifen wahrscheinlich zum Tod von Dutzenden seiner Geiseln geführt haben und der Tatsache, dass durch Verhandlungen weit über 100 von ihnen befreit werden konnten, hat Netanjahu deutlich gemacht, dass er sich nur mit der Art von Operation – einer gefährlichen Rettungsaktion unter dem Deckmantel eines weiteren Massakers – zufrieden geben wird, die er letzten Sonntag durchgeführt hat.
Diese Haltung wird sich mit Sicherheit bis hin zur völligen Weigerung erstrecken, mit einer palästinensischen Regierung zu verhandeln, die irgendein Element der Hamas einschließt.
Es ist eine offene Frage, ob die katarisch‐saudische Zusammenarbeit mit den palästinensischen Fraktionen erfolgreich sein kann, wenn der breitere amerikanische Plan scheitert, was er sicherlich tun wird. Sollte sie jedoch Früchte tragen, müssen wir abwarten, ob die Saudis bereit sein werden, eine palästinensische Einheitsregierung angesichts der amerikanischen Ablehnung zu unterstützen. Vieles wird davon abhängen, was die Saudis zu diesem Zeitpunkt denken. Wenn sie das Gefühl haben, dass ein Einlenken gegenüber den Amerikanern ihnen den Verteidigungspakt und die nukleare Unterstützung verschafft, die sie von Washington erwarten, werden sie die Palästinenser wie eine heiße Kartoffel fallen lassen.
Wenn sie andererseits glauben, dass sie, indem sie den Palästinensern beistehen, eine Art langfristiger palästinensischer Unabhängigkeit oder zumindest so viel davon erreichen können, dass sie einen großen Sieg für sich verbuchen können und immer noch in der Lage sind, die Normalisierung mit Israel gegen die von den USA gewünschten Vergünstigungen einzutauschen, werden sie voll dabei sein.
Das ist durchaus möglich, denn wenn eine für das palästinensische Volk annehmbare Lösung gefunden wird, wird ein amerikanischer Präsident, egal welcher Partei, trotz der Tritte und Schreie der USA und Israels immer noch die gleichen politischen Anreize für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi‐Arabien und Israel haben. Und Israel wird, wenn die palästinensische Freiheit eine vollendete Tatsache ist, allen Grund haben, die Beziehungen zu Saudi‐Arabien zu normalisieren.
Was macht diesen Versuch der palästinensischen Einheit anders?
Der im Exil lebende ehemalige prominente Fatah‐Führer Muhammad Dahlan hat dies in einem Interview mit der New York Times ausführlich beschrieben. Dahlan hat nach wie vor gute Verbindungen zu Leuten in der Hamas und zu vielen in der Fatah‐Partei, sowohl zu denen, die Abbas unterstützen, als auch zu denen, die gegen ihn sind.
Dahlan wiederholte die Ansicht, dass die arabischen Staaten versuchen, einen Weg zur Beendigung des Gemetzels im Gazastreifen zu finden. Damit soll ein unaufhaltsamer Weg zur Beendigung der ständigen Konfrontation zwischen Israel und den Palästinensern eingeschlagen werden, die sie als Zweistaatenlösung definieren. Im Gegensatz zum Ansatz der Regierung Biden konzentrierten sich die saudi‐katarischen Bemühungen, wie er es beschrieb, auf die Vermittlung von Vereinbarungen zwischen den palästinensischen Gruppierungen, anstatt ihnen das Ergebnis zu diktieren.
Dahlan wies auch israelische Einwände zurück, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass diese Gespräche in dem Bewusstsein geführt werden, dass Israel und die USA die Ergebnisse ablehnen werden. Dieses Bewusstsein verheißt Gutes, denn jeder Erfolg bei der Wiederzusammenführung der Fraktionen wird davon abhängen, dass man den Vereinigten Staaten und Israel die Stirn bietet.
Eine Chance zur Einigkeit
Das unmittelbare Gebot für die Fatah und insbesondere für die Hamas besteht darin, das Gemetzel in Gaza zu beenden. Tatsache ist, dass dieser « Tag danach«-Plan, selbst wenn er erfolgreich sein sollte, dies nicht bewirken wird. Im Gegenteil, er wird nur das Gefühl Israels vertiefen, dass alle Palästinenser unerbittliche Feinde sind, eine Ansicht, die das Weiße Haus unter Biden mit Sicherheit wie ein treuer Chor wiederholen wird.
Aber es würde die politische Landschaft für die Palästinenser dramatisch verändern. Die neue Palästinensische Autonomiebehörde würde zunächst eine technokratische Regierung sein. Eine neu gestaltete, alle wichtigen palästinensischen Gruppierungen umfassende PLO, wird, wenn auch nur stillschweigend, von einem Großteil Europas, der gesamten arabischen und muslimischen Welt und den Vereinten Nationen begrüßt werden.
Pragmatisch gesehen ist eine PLO unter Beteiligung der Hamas genau das, was wir brauchen. Sie wird bei vielen Palästinensern die Vorstellung wiederbeleben, dass die PLO, auch wenn sie hauptsächlich diplomatische Lösungen verfolgt, immer noch das Recht auf Widerstand unterstützt – eine Haltung, die viele als leere Rhetorik ansehen, wenn Abbas und seine Verbündeten sie überhaupt erwähnen. Das wird ihr viel mehr Legitimität verleihen. Es bedeutet auch, dass das palästinensische Gemeinwesen im weiteren Sinne beginnen kann, sich von der hoffnungslosen Wahl zwischen einer unfähigen und korrupten Fatah und einer autoritären und islamistischen Hamas zu lösen. Diese Parteien werden weiterhin einen bedeutenden Teil der palästinensischen Politik ausmachen, aber es wird Raum für weitere Optionen geben, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Fatah und Hamas.
Die Tatsache, dass diese Neuausrichtung und Reform der PLO nicht dazu beitragen wird, Israels Ansturm zu stoppen, ändert die Dinge nur, wenn man glaubt, dass irgendetwas diesen Ansturm stoppen kann, abgesehen von massivem, wirkungsvollem Druck von außen, der nicht in Sicht zu sein scheint, obwohl es einige hoffnungsvolle Anzeichen gab. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Israel aufhören wird, bis Netanjahu entweder aus dem Amt gezwungen wird oder glaubt, seine Position durch die Vollendung seines Völkermordprogramms gesichert zu haben. Die einzige Alternative zu diesen Möglichkeiten ist, dass die Amerikaner Biden und den Demokraten so viel Ärger machen, dass sie den Waffenfluss zumindest vorübergehend stoppen.
Aber Israels barbarisches Verhalten hat bereits Millionen von Menschen auf der ganzen Welt verärgert. Viele von ihnen haben Israel entweder früher unterstützt oder ihm nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Daher ist der Zeitpunkt für eine einheitliche palästinensische Führung besonders günstig, um sich endlich zusammenzuschließen und die beträchtliche Unterstützung zu kanalisieren, die sie in der ganzen Welt, sogar in den Vereinigten Staaten, genießt.
Dieser Artikel wurde zuerst in englisch am 16. Februar 2024 auf Mondoweiss veröffentlicht
Bild: Als Zeichen der Einheit fand am 2. März 2024 in der libanesischen Hauptstadt Beirut eine Demonstration zur Unterstützung Palästinas und seines Widerstands statt, an der Fahnen und Märtyrer der palästinensischen und libanesischen Widerstandsgruppen teilnahmen. Zu den anwesenden Fahnen gehörten die der Hamas, des PIJ, der Hisbollah, der PFLP, der DFLP, der PFLP‐GC, der Fatah, der Amal, der SSNP, der Libanesischen Kommunistischen Partei und der Bewegung der Arabischen Strömung (Resistance News Network)