Da gab es es doch mal das Lied von der Fahne, die man hoch halten solle. Im ähnlichen Takt spielt jetzt das Medien‐Lied von der Rüstung, die man immer weiter erhöhen müsse. Die Börse mit ihrem feinen Gehör für gesellschaftliche Zustände, hat umgehend reagiert: Von der Rheinmetall‐Rüstungs‐Aktie weiß sie: »Es geht wieder stark bergauf«. Man trägt wieder Stahlhelm.
Von Moskau nach Unterlüß
Da kann der Kanzler nicht fern bleiben und eilt zum Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Unterlüß im Nordosten des Landes Niedersachsen in der Lüneburger Heide. Ob der Standort so schlau gewählt war? Von Moskau nach Unterlüß sind es nur 23 h 58 min (2.093,9 km) mit dem Auto. Sehr viel länger brauchen auch die Panzer nicht, die jetzt seit Monaten aus dieser Richtung gesichtet werden. Natürlich nicht in Wirklichkeit, sondern nur in den deutschen Medien.
Große Lügen wiederholen
»Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben. Man kann die Lüge so lange behaupten, wie es dem Staat gelingt, die Menschen von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen der Lüge abzuschirmen. Deshalb ist es von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates.« Soweit der Propaganda‐Nazi Joseph Goebbels. An Wiederholungen mangelt es auch heute nicht.
Kriegstüchtiges Deutschland
Dass die westliche Führungsmacht mit bestem Beispiel vorangeht, versteht sich: Der US‐Senat bewilligt Milliardenhilfen für die Ukraine. Das Paket beinhaltet neben den Ukraine‐Hilfen 14 Milliarden Dollar Kriegshilfen für Israel, acht Milliarden Dollar für Taiwan und Verbündete in der Indopazifik‐Region. Da kann Deutschland nicht fernbleiben: Bundeskanzler Scholz ist zu einem Besuch in den USA eingetroffen. Kurz vor dem Besuch hatte sich CDU‐Rüstungsgspolitiker Roderich Kiesewetter für eine Verdreifachung des Bundeswehr‐Sondervermögens ausgesprochen: »Eine Erhöhung des Sondervermögens für die Bundeswehr würde ich nicht ausschließen. Es ist ja völlig klar, dass wir eher 300 statt 100 Milliarden benötigen, damit die Bundeswehr kriegstüchtig wird«, sagte Kiesewetter der Süddeutschen Zeitung. Widerspruch aus dem Kanzleramt? Im Gegenteil. Kanzler Scholz wußte zur Rüstungsproduktion, dass man Waffen »in Großserie statt in Manufaktur« herstellen sollte.
Niedergang der deutschen Wirtschaft
Parallel zur Hochrüstung spricht der US‐Branchendienst Bloomberg von »Niedergang« und »politischer Lähmung«, wenn er über die deutsche Wirtschaft textet. Ein wesentlicher Grund für den Niedergang sei der Wegfall des »billigen Erdgas aus Russland«. Doch statt das Verhältnis zu Russland zu normalisieren, wird das Verhandlungsangebot Putins im Interview mit dem US‐Journalisten Tucker Carlson im Staatsender Tagesschau als »Die Putin‐Verstehen‐Show« diffamiert. Doch die deutschen Politiker müssten das Angebot nur annehmen, um es auf seine Qualität zu prüfen. Aber solange die deutsche Außenpolitik in Washington und nicht in Berlin gemacht wird, kann daraus nichts werden.
Stalin‐Note 1952
Die Lage erinnert fatal an die sogenannte »Stalin‐Note« aus dem Jahr 1952, als die Regierungen der Sowjetunion, den USA, Großbritanniens und Frankreichs ein vereintes, souveränes, demokratisches Deutschland vorschlug. Dafür sollte das Land Neutralität wahren und alle Besatzungstruppen sollten abgezogen werden. Die Westmächte lehnten ab. Sie sahen in dem Vorschlag einen Versuch, die Westintegration und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik zu verhindern. Damit begann der Kalte Krieg, der oft genug nur knapp am Heißen vorbeischrammte.
Auch atomar ist normal
Politische Führungskräfte wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) und die SPD‐Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, haben sich offen für eine Debatte über eine gemeinsame nukleare Bewaffnung in Europa gezeigt. Frau Barley hatte die Verlässlichkeit des US‐Atomwaffen‐Schutzschirms in Zweifel gezogen und die Anschaffung eigener EU‐Atombomben ins Spiel gebracht: »Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden«. Und Herr Lindner weiß zur deutschen Atomrüstung zu sagen: »Der französische Präsident Emmanuel Macron hat verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen«. Noch vor Kurzem hätten solche Äußerungen als verrückt gegolten. Inzwischen werden sie von der deutschen Medienlandschaft als normal referiert.
Ein tödlicher Versuch
Auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in Rheinland‐Pfalz lagern nach Angaben von US‐Atomwaffenexperten noch immer etwa 20 Kernwaffen der US‐Armee. Im Ernstfall würden deutsche Piloten unter US‐Befehl diese Waffen mit Tornado‐Kampfjets ins Ziel bringen. Dieses Prinzip nennt sich »nukleare Teilhabe«. Schon als Teilhaber wäre man wieder wer, scheinen Lindner und Barley zu denken. Der Krieg ist wieder in Mode in einem Land, das sich anscheinend weder daran erinnern will, dass es um 1945 in Trümmern lag, noch dass der verlorene Krieg mit dem Versuch begann, die Russen zu besiegen. Ein ziemlich tödlicher Versuch.
Zuerst erschienen in der Rationalgalerie
Bild: »In Stalingrad. Köpfe unserer Grenadiere, die das Geschützwerk in Stalingrad stürmten (Originalbeschreibung).« PK‐Aufnahme: Kriegsberichter Gehrmann (PBZ), 27.11.42 [Herausgabedatum], Bundesarchiv, Bild 183‐R1222‐501/Gehrmann, Friedrich/CC‐BY‐SA 3.0