Die Hintergründe der Invasionen im Irak, in Libyen, Syrien, Gaza, Libanon und jetzt im Iran

Im Dezember 2002 brachten wir eine Sonderausgabe mit dem Titel »Behind the Invasion of Iraq« heraus (später von Monthly Review Press als schmales Buch unter dem gleichen Titel veröffentlicht). Die eigentliche Invasion fand drei Monate später statt, aber als wir den Artikel schrieben, war sie bereits absehbar. Behind the Invasion fand wahrscheinlich eine größere Leserschaft als alle anderen unserer Publikationen.1 Das lag wiederum an den heftigen Protesten, die damals weltweit gegen die bevorstehende Invasion stattfanden. In vielen Ländern, darunter auch Indien, gab es riesige Demonstrationen.

Wir erwähnen heute Behind the Invasion, weil es damals offenbar ein viel besseres Verständnis dafür gab als heute, was auf die Region zukommen würde. Während des Verlaufs der Ereignisse hätte man eine noch größere Klarheit über die Natur des Prozesses erwarten können, doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Daher lohnt es sich, einige der vor 23 Jahren vorgebrachten Punkte noch einmal zu wiederholen.

Seit Trump sein Amt angetreten hat, sind gerade einmal sechs Monate vergangen. Doch schon hat er zwei Länder, den Jemen und den Iran, direkt militärisch angegriffen. Viele Anhänger Trumps waren davon überrascht, denn er hatte im Wahlkampf versprochen, die Beteiligung der USA an Kriegen im Ausland zu beenden. Online‐​Experten behaupten, Trump sei nicht den Interessen der USA gefolgt, sondern den Anweisungen Netanjahus.2

Nun hat Trump einen Waffenstillstand (am 24. Juni) erklärt und öffentlich seine Verärgerung über Israel zum Ausdruck gebracht. Viele Kommentatoren sehen darin eine Bestätigung für die unterschiedlichen Ziele Israels und der USA. Sie behaupten, Trump sei nun klar geworden, dass er von Netanjahu in den Krieg hineingezogen worden sei, weshalb er sich so aufgeregt habe. Allerdings kann man Trumps Aussagen wenig Glauben schenken: Er bedient sich immer wieder irreführender Äußerungen, um seine Gegner einzulullen. Wir haben dies im Zusammenhang mit Gaza gesehen, und erst vor wenigen Tagen hat Trump eine Verhandlungsshow mit dem Iran inszeniert, während er Israel grünes Licht für die Bombardierung gab.

Tatsächlich ist die direkte Aggression der USA gegen den Iran nur der jüngste Schritt in einer mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Abfolge von Ereignissen. Sie ist Teil einer Politik, die in Washington und nicht in Tel Aviv formuliert wurde. Trumps Kriegspolitik steht im Einklang mit der Kriegspolitik seiner Vorgänger.

Gedächtnisverlust

Die Diskussion über den Krieg in den westlichen Medien (die auch die Berichterstattung über den Krieg in Ländern wie Indien dominiert) konzentriert sich auf das iranische Atomprogramm, als ob die USA und Israel in erster Linie von ihrer Entschlossenheit motiviert wären, den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu erwerben. Nun sagen einige Kommentatoren voraus, dass der Iran, nachdem die Bomben der USA die befestigten Atomanlagen des Landes nicht zerstören konnten, nun dazu veranlasst sein könnte, Atomwaffen als Schutz vor Angriffen zu bauen. Einige befürchten tatsächlich, dass weitere Länder nach dem Schicksal des Iran den Weg in die Atomwaffenproduktion einschlagen könnten.

Diese Sichtweise setzt einen Gedächtnisverlust hinsichtlich der Ereignisse der letzten 23 Jahre voraus. Die USA haben sich zielstrebig daran gemacht, die gesamte Region im Sinne ihrer imperialistischen Interessen umzugestalten. Bush, Obama, Biden und Trump haben Krieg gegen den Irak, Syrien und Libyen geführt; Israel, ein Stellvertreter der USA, hat Krieg gegen den Libanon, Syrien und den Jemen geführt, ganz zu schweigen von Gaza und dem Westjordanland. Für jede Invasion wurden unterschiedliche Vorwände verwendet: Die USA griffen den Irak an, um ihn daran zu hindern, Massenvernichtungswaffen zu besitzen; Libyen, um die Menschenrechte zu verteidigen; Syrien, um das Wachstum des Islamischen Staates3 zu verhindern; und heute den Iran, um ihn daran zu hindern, Atomwaffen zu erwerben. Bei jeder Gelegenheit haben sich die dominierenden westlichen Medien auf den Vorwand konzentriert. Der Vorwand wird verworfen, sobald die Invasion ihr eigentliches Ziel erreicht hat.

Wäre es die oberste Priorität der USA gewesen, den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu erwerben, hätten sie das Atomabkommen von 2015 – den Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan – umgesetzt, in dem der Iran im Gegenzug für die Aufhebung der Sanktionen auf das Recht auf Urananreicherung verzichtete. Die erste Trump‐​Regierung zog sich jedoch 2018 einseitig aus dem Joint Comprehensive Plan of Action zurück, und obwohl Biden während seines Wahlkampfs versprochen hatte, den Joint Comprehensive Plan of Action wieder in Kraft zu setzen, entschied sich seine Regierung stattdessen dafür, die Politik von Trump I fortzusetzen. Trump II hat den Staffelstab übernommen und läuft weiter. Es gibt eine perfekte Kontinuität.4

Von 2002 bis heute

Versetzen wir uns zurück ins Jahr 2002, vor der Invasion des Irak. Ein Großteil der Region wurde von Kräften regiert, die sich in unterschiedlichem Maße weigerten, sich dem Imperialismus der USA zu unterwerfen. Muammar al‐​Gaddafi war Präsident L5ibyens; Baschar al‐​Assad war Präsident Syriens; Saddam Hussein war noch Präsident des (stark geschwächten, aber nicht unterwürfigen) Irak; der Iran unter der Islamischen Republik befand sich nach dem Krieg mit dem Irak6 auf dem Weg der Erholung; und im Libanon verfügte die Hisbollah über großen Einfluss und Ansehen, nachdem sie zwei Jahre zuvor den Süden des Landes von der israelischen Besatzung befreit hatte. In Palästina war die zweite Intifada noch im Gange, und Saudi‐​Arabien und andere Staaten des Golf‐​Kooperationsrats konnten sich aus Angst vor Widerstand in der eigenen Bevölkerung nicht offen mit dem israelischen Regime versöhnen.

Um seine Kontrolle über die Region wiederherzustellen, musste der Imperialismus der USA diese Hindernisse beseitigen, konfessionelle Spaltungen fördern und den Widerstand der Bevölkerung niederschlagen. Sein letztendliches Ziel war es, den langjährigen Widerstand der Menschen in der Region zu brechen. Die Invasion des Irak im März 2003 war lediglich der erste Schritt in diesem Programm.

Heute sind Truppen aus den USA im Irak stationiert. Folglich kann die irakische Regierung ihre Souveränität nicht ausüben; Libyen befindet sich in einem verarmten und chaotischen Zustand; im Zentrum eines verwüsteten Syrien herrscht ein pro‐​amerikanisches islamistisches Regime, während weite Teile des Landes von den USA und Israel besetzt sind; Die Hisbollah hat schwere Schläge erlitten und befindet sich in der Defensive, während der Botschafter der USA wie ein römischer Prokonsul die libanesische Politik diktiert und Israel den Libanon nach Belieben angreift; Israel führt in Gaza einen Völkermord an der Bevölkerung, während die von Mahmoud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde als Handlanger der israelischen Besatzer im Westjordanland fungiert. Eine Reihe arabischer Regierungen in der Region haben trotz überwältigender Widerstände der arabischen Massen Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zu Israel unterzeichnet.

Zwei Jahrzehnte der Aggression und Subversion durch die USA und Israel haben zu einem schrecklichen Rückschritt in der gesamten Region geführt. Die Diskussion über den aktuellen Angriff auf den Iran von diesem Hintergrund zu isolieren, erfordert eine bemerkenswerte Propaganda‐​Anstrengung seitens der Imperialisten.

Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert

Die Argumentation in »Behind the Invasion of Iraq« (Hinter der Invasion des Irak) lautete im Wesentlichen wie folgt – der Zweck der folgenden langen Zusammenfassung wird, wie wir hoffen, klar werden, wenn wir zur Gegenwart zurückkehren. Der Imperialismus der USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts war nur scheinbar allmächtig; tatsächlich war seine wirtschaftliche Stärke im Niedergang begriffen. Die Herrschenden der USA versuchten, diese durch den Rückgriff auf ihre militärische Macht zu stützen. Ein Ausdruck des schwindenden wirtschaftlichen Status der USA waren ihre riesigen Handelsdefizite, die sie durch Kredite aus dem Rest der Welt finanzierten. Die USA konnten dies tun, weil der Dollar die weltweit führende internationale Währung und damit das weltweit wichtigste Mittel zur Vermögensspeicherung war. Globale Investoren und Zentralbanken kauften Staatsanleihen der USA und andere Finanzanlagen der USA und finanzierten damit die Schulden der USA. (Larry Summers fasste diesen Parasitismus zustimmend zusammen: »Wenn China uns Dinge zu wirklich niedrigen Preisen verkaufen will … und wir ihnen dafür Papier geben, das wir drucken … dann halte ich das für ein gutes Geschäft.«7) Diese endlose Versorgung mit goldenen Eiern hing jedoch davon ab, dass die USA die oberste imperialistische Macht blieben und der Dollar die dominierende internationale Währung blieb. Tatsächlich hing jener letzte Status vom ersteren ab.

Die USA waren besorgt über das Potenzial der Europäischen Union, sich zu einem Rivalen zu entwickeln, und über den Euro als Konkurrenz‐​Währung; in Asien befürchteten sie mittelfristig eine Herausforderung durch China. Ein Teil des US‐​Kapitals hielt es für notwendig, solchen potenziellen Herausforderungen präventiv entgegenzutreten und damit die globale Vorherrschaft der USA zu festigen und auszubauen. Dies spiegelte sich in der Gründung des »Project for a New American Century« wider, einer Denkfabrik, aus der das außenpolitische Team von George W. Bush hervorging. (Diese Politik fand später ihren Niederschlag in der im September 2002 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie der USA.

Der Bericht des Project for the New American Century »Rebuilding America’s Defenses: Strategy, Forces and Resources for a New American Century« (Wiederaufbau der amerikanischen Verteidigung: Strategie, Streitkräfte und Ressourcen für ein neues amerikanisches Jahrhundert) aus dem Jahr 2001 stellte offen fest: »Die USA streben seit Jahrzehnten eine dauerhaftere Rolle in der regionalen Sicherheit am Golf an. Der ungelöste Konflikt mit dem Irak liefert zwar die unmittelbare Rechtfertigung dafür, doch geht die Notwendigkeit einer substanziellen amerikanischen Präsenz am Golf über die Frage des Regimes von Saddam Hussein hinaus«. Der »Project for the New American Century«-Bericht erklärte, dies sei »selbst dann erforderlich, wenn Saddam von der Bildfläche verschwinden sollte«, da »der Iran sich als ebenso große Bedrohung für die Interessen der USA erweisen könnte wie der Irak«.

Das Project for the New American Century gab nicht vor, dass all dies zum Wohle der Welt notwendig sei; es unterstützte einen »Plan zur Aufrechterhaltung der globalen Vorherrschaft der USA, zur Verhinderung des Aufstiegs einer rivalisierenden Großmacht und zur Gestaltung der internationalen Sicherheitsordnung im Einklang mit den Prinzipien und Interessen der USA«.8 Viele bekannte Kritiker der heutigen Außenpolitik der USA, wie John Mearsheimer, teilen ausdrücklich dieses Ziel, das Entstehen großer rivalisierender Mächte zu verhindern; sie unterscheiden sich lediglich darin, wo der Schwerpunkt liegen sollte. So ist beispielsweise Mearsheimer der Ansicht, dass das Engagement der USA in der Ukraine und in Westasien davon ablenkt, China direkt ins Visier zu nehmen, das er als die größte Bedrohung ansieht.

Die Ereignisse vom 11. September 2001 boten eine Gelegenheit, den Plan des Project for the New American Century in die Tat umzusetzen. Die US‐​amerikanische Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice erzählte dem Journalisten Nicholas Lemann, dass sie die leitenden Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats zusammengerufen und sie aufgefordert habe, ernsthaft darüber nachzudenken, »wie man diese Chancen nutzen kann«, um die amerikanische Doktrin und die Gestalt der Welt nach dem 11. September grundlegend zu verändern. Das Ziel wurde bald von der Verhinderung des »Terrorismus« auf die Verhinderung der Anhäufung von Massenvernichtungswaffen »in den Händen unverantwortlicher Staaten« ausgeweitet. Dieser Vorwand diente damals für den Irak und heute für den Iran.

Behind the Invasion argumentierte, dass

[…] die USA planen, die Invasion des Irak als Sprungbrett für eine drastische Umgestaltung Westasiens zu nutzen. Die Bush‐​Regierung erwägt aktiv die Invasion verschiedener Länder und den Sturz der Regierungen in der gesamten Region – darunter Iran, Saudi‐​Arabien, Syrien, Libyen, Ägypten und Libanon. Begleitet werden soll dies von einer Art »Endlösung« der Palästinenserfrage durch Israel – sei es in Form von Massenvertreibungen oder Kolonisierung.

Wie Tariq Aziz, Saddams Vizepräsident, bemerkte, wollten die USA nicht nur einen »Regimewechsel«, sondern einen »Regionswechsel«. Der Verlauf der Ereignisse in den letzten zwei Jahrzehnten hat dies weitgehend bestätigt.

Sicherung der Vorherrschaft der USA

Die Eroberung des westasiatischen Öls durch die USA, so argumentierte Behind the Invasion, diente dazu, ihre Vorherrschaft unter den imperialistischen Mächten zu sichern. Unter anderem würde dadurch sichergestellt, dass der Großteil des Erdölhandels in US‐​Dollar abgewickelt würde, wodurch Herausforderungen für die Vorherrschaft des Dollars abgewehrt würden. »Im weiteren Sinne glauben [die USA], dass eine solche Wiederherstellung ihrer Vorherrschaft (in militärischer Hinsicht und bei der Kontrolle strategischer Ressourcen) das Entstehen ernsthafter imperialistischer Herausforderer wie der Europäischen Union verhindern wird.«

Gleichzeitig waren die USA der Ansicht, dass die direkte Kontrolle über die Erdölvorkommen der Region ihnen ein weiteres wichtiges Druckmittel gegenüber China verschaffen würde, dessen Abhängigkeit von Erdölimporten im Laufe des nächsten Jahrzehnts erheblich zunehmen würde. Daher hatten China und Russland eine Sicherheitsplattform namens »Shanghai Five« (später »Shanghai Six«) gegründet, die aus China, Russland und bestimmten zentralasiatischen Staaten bestand, um den Vorstößen der USA in der Region entgegenzuwirken.

Israel wurde eine Schlüsselrolle zugeteilt

Behind the Invasion argumentierte, dass Israel eine Schlüsselrolle in den Plänen der USA zur Besetzung und Kontrolle der Region zugeteilt worden sei. Israel würde nach einer geeigneten Gelegenheit suchen, seine Streitkräfte zu mobilisieren und die Palästinenser nach Jordanien zu vertreiben. Sollte diese Aktion Widerstand seitens der Nachbarstaaten hervorrufen, würde dies Israel nur eine willkommene Gelegenheit bieten, seine überwältigende militärische Macht gegen sie einzusetzen und sie zu vernichten.

Israels Angriff auf die Palästinenser und anschließend auf die arabischen Staaten würde somit die Invasion der USA im Irak und in einigen anderen Staaten ergänzen. Israel würde als lokaler Vollstrecker der amerikanischen Macht die militärische Vorherrschaft in der Region übernehmen.

Israel würde auch die USA dazu drängen, den Iran anzugreifen. Ein Analyst wird mit den Worten zitiert, dass »der Iran unter starken Druck gesetzt werden wird, sein Atom‐ und Raketenprogramm aufzugeben, oder mit einem Angriff der Streitkräfte der USA rechnen muss. […] Zumindest werden die USA einen Aufstand gegen das islamische Regime im Iran anstacheln, um es durch eine royalistische Regierung oder eine aus den USA stammende iranische Exilregierung zu ersetzen.«

Umgestaltung im Ausland und im Inland

Im Einklang mit ihren umfassenderen Zielen bei der Invasion des Irak erklärten die USA

[…] nun offen das Ende des Systems der Vereinten Nationen, was auch immer das wert sein mag: Dies war der Inhalt von Bushs Rede vor den Vereinten Nationen, in der er erklärte, dass die Vereinten Nationen irrelevant seien, wenn sie nicht die Vorherrschaft der USA absegnen. Die neue Doktrin ist im Dokument zur nationalen Sicherheitsstrategie der USA enthalten, das das Recht der USA auf Präventivschläge gegen »aufkommende« oder potenzielle Bedrohungen erklärt und warnt, dass die USA bereit sind, einseitig zu handeln, wenn andere imperialistische Mächte ihrem Beispiel nicht folgen.

Die Invasion des Irak war zwar ein kostspieliges und riskantes Glücksspiel, aber kein persönliches Projekt von George Bush, sondern ein Projekt der herrschenden Klassen der USA:

Obwohl anfangs unter hochrangigen Strategieexperten und Politikern in den USA einige warnende Stimmen zu hören waren, scheint nun unter den herrschenden Klassen der USA ein breiter Konsens über diese außergewöhnliche Abenteuertum und diese einseitige Aggression zu bestehen. Es ist bezeichnend, dass die USA trotz Rezession und wirtschaftlicher Unsicherheit, trotz wachsender Haushalts‐ und Zahlungsbilanzdefizite bereit sind, eine massive, unbefristete Militäroperation auf den Kopf zu stellen.Offensichtlich glauben Unternehmen aus den USA, dass der potenzielle Gewinn den Krieg rechtfertigt oder dass ein Verzicht auf den Krieg schwerwiegende Folgen für sie hätte.

Das umfassendere Projekt zur Umgestaltung der Region, um die Vorherrschaft der USA zu verlängern, würde die direkte Besetzung einiger Länder erfordern – was möglicherweise heftigen Widerstand der besetzten Völker hervorrufen würde.

Gleichzeitig wird der interne Unterdrückungsapparat in den USA gestärkt und Panik, Unterwerfung unter die Autorität und andere Elemente des Faschismus werden geschürt.

Behind the Invasion kam zu folgendem Schluss:

Das gleichzeitige Aufkommen weltweiter Widerstände und Widerstandsbewegungen, der Widerstand anderer imperialistischer Mächte und die tiefgreifende Schwäche der Wirtschaft der USA lassen vermuten, dass sich die Ereignisse nicht so entwickeln werden, wie es sich der Imperialismus der USA wünscht.

Rückblick

Wie inzwischen deutlich geworden sein dürfte, soll diese lange Zusammenfassung zeigen, dass die jüngsten Entwicklungen in Palästina, Syrien und Iran keine isolierten Ereignisse sind und auch nicht einzelnen Personen wie Trump und Netanjahu zugeschrieben werden können, genauso wenig wie der Irakkrieg allein das Werk von George W. Bush war. Vielmehr sind diese Ereignisse Ausdruck der weiteren Entfaltung eines Plans, der auf den imperialistischen Interessen der USA in einer sich wandelnden Welt basiert – dem Kampf um »Wirtschaftsraum im Allgemeinen«.9

Wie sich später herausstellte, war die Europäische Union nicht in der Lage, sich politisch und wirtschaftlich zu konsolidieren und damit eine Herausforderung für die imperialistische Vorherrschaft der USA darzustellen. Die französischen Präsidenten Chirac und Schröder, die sich gegen die Invasion des Irak ausgesprochen hatten, wurden von Sarkozy und Merkel abgelöst, die beide wieder untergeordnete Beziehungen zu den USA herstellten. China und Russland entwickelten sich zu einer größeren Herausforderung. (Die Sicherheitsplattform »Shanghai Five« entwickelte sich später zur »Shanghai Cooperation Organisation«, die irgendwann zu einer Konkurrenz zum Nordatlantikpakt werden könnte.)

Die Frage der Vorherrschaft des Dollars wurde wiederholt von Trump selbst in den Vordergrund gerückt. Er hat Ländern, die Alternativen zum Dollar als internationale Währung in Betracht ziehen, wiederholt mit massiven Zöllen gedroht. Dennoch waren die ersten sechs Monate seiner zweiten Amtszeit tatsächlich geprägt von: einer breiten Diskussion in den Medien über die Zukunft des internationalen Status des Dollars, der Herabstufung der Bonität von Staatsanleihen der USA durch Moody’s und einer größeren Volatilität des Marktwerts des Dollars und der Staatsanleihen der USA. Ein führender Finanzexperte kommt zu dem Schluss, dass die geringfügige Herabstufung durch Moody’s zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Finanzen der Regierung der USA haben dürfte, aber »symbolisches Gewicht hat und ein weiterer Indikator dafür ist, dass die Sonderstellung der USA … zu Ende geht«.

»Endlose Kriege«, wie Trump sie in seinem Wahlkampf verspottete, sind nicht billig. Das Watson Institute for International and Public Affairs an der Brown University schätzt, dass die Kriege nach dem 11. September die USA 8 Billionen US‐​Dollar an direkten Haushaltskosten gekostet haben. Die Ausgaben der USA für Israels Militäroperationen und damit verbundene Operationen der USA in der Region im Zeitraum vom 7. Oktober 2023 bis zum 30. September 2024 werden vom Watson Institute konservativ auf mindestens 22,76 Milliarden Dollar geschätzt, Tendenz steigend. Alle diese Ausgaben wurden natürlich aus denselben Mitteln finanziert, nämlich durch Kredite der Regierung der USA, die wiederum vom Rest der Welt finanziert werden.

Während die USA versucht haben, potenzielle Herausforderer ihrer Hegemonie abzuschrecken, haben sich ihre militärischen Rivalen oder potenziellen Rivalen bislang davon ferngehalten, sich den Aggressionen der USA und Israels direkt entgegenzustellen.10 Selbst wenn sie die Angriffe Israels und der USA auf den Iran kritisieren, beschränken sich Russland und China darauf, ihre Vermittlung zwischen den beiden Seiten anzubieten. Die USA und Israel konnten bisher mit außerordentlicher Straffreiheit agieren.

Der Widerstand gegen das hegemoniale Projekt der USA wurde von relativ armen Regierungen und den Volksmilizen der Dritten Welt organisiert. Trotz der enormen Ungleichheit der Mittel auf beiden Seiten konnten die USA ihren Willen nicht durchsetzen. So brauchten die USA Jahre blutiger Operationen, um ihre Macht im Irak zu stabilisieren, und selbst jetzt erfordert diese Dominanz eine fortgesetzte militärische Präsenz. Die Besetzung Afghanistans konnte nicht aufrechterhalten werden und endete mit einer demütigenden Flucht. Die von den USA unterstützten fundamentalistischen Kräfte in Syrien brauchten 14 Jahre, um selbst die durch tödliche Sanktionen der USA stark geschwächte Assad‐​Regierung zu stürzen. Der Verbündete der USA, Saudi‐​Arabien, konnte die Ansarallah‐​Regierung im Jemen trotz umfangreicher militärischer Unterstützung und Waffenlieferungen aus den USA nicht unterdrücken. Die jüngsten direkten Angriffe der USA und Israels haben sich als unfähig erwiesen, Ansarallah zu vertreiben oder zu unterwerfen. Der Iran hat, wie zuvor Syrien, andere Widerstandskräfte in der Region trotz jahrzehntelanger unerbittlicher Sanktionen nachhaltig unterstützt. Und nun hat das iranische Raketenprogramm mit erheblichen Vergeltungsmaßnahmen gegen Israel reagiert.

Fernerhin sind es die einfachen Menschen in vielen Ländern, darunter auch in den USA selbst, die angesichts der Unterdrückung auf den Straßen und an Hochschulen protestieren, trotzige Aktionen gegen Waffenhersteller unternehmen und die Propaganda des Imperialismus der USA gründlich entlarven.

Kurzum, die jüngste direkte Aggression der USA gegen den Iran ist weder auf das iranische Atomprogramm als solches zurückzuführen, noch ist sie das Ergebnis einer Täuschung Trumps durch Netanjahu oder der Macht der Israel‐​Lobby in den USA. Vielmehr handelt es sich um einen weiteren Schritt in dem Vorhaben, die Hegemonie der USA über die Region wiederherzustellen, als wichtiger Bestandteil der Festigung ihrer globalen Hegemonie.

Wie schrecklich auch immer die Verwüstungen sein mögen, die die USA und ihre Stellvertreter dabei über die Menschen bringen, dieses Projekt ist zum Scheitern verurteilt. Wie wir in Behind the Invasion festgestellt haben:

Die Geschichte wiederholt sich nicht und kann sich auch nicht wiederholen, da sich alle Akteure und der politische Kontext im Laufe der historischen Entwicklung verändert haben. Das bleibende Vermächtnis der großen antikolonialen Kämpfe ist das antiimperialistische Bewusstsein der Menschen weltweit, die sich – ungeachtet der Schwächen ihrer Organisation – weigern, sich einer solchen Unterwerfung zu fügen.

Verweise

1 Unsere eigene Ausgabe wurde zweimal nachgedruckt. Das Buch wurde ins Tamilische, Norwegische, Deutsche und Türkische übersetzt, Teile davon wurden unter anderem ins Griechische, Portugiesische und Schwedische übersetzt. Die Webversion verzeichnete innerhalb kurzer Zeit über 200.000 Zugriffe.

2 Ein repräsentatives Beispiel: „Andrew Napolitano: Was ist Ihrer Meinung nach der wahre Grund dafür, dass Donald Trump ein rechtmäßiges, inspiziertes und genehmigtes Urananreicherungsprogramm in einem souveränen Land bombardiert und zu zerstören versucht hat? Jeffrey Sachs: Nun, weil Benjamin Netanjahu ihm das gesagt hat. Also hat der Präsident seine Befehle befolgt.« – Interview, 23. Juni 2025

3 Die USA finanzierten auch einen bewaffneten Aufstand gegen die Assad‐​Regierung und verhängten Wirtschaftssanktionen, die so brutal waren, dass sie mit einem Krieg vergleichbar waren, um die Menschenrechte in Syrien zu verteidigen.

4 Die Tatsache, dass die Obama‐​Regierung 2015 den Joint Comprehensive Plan of Action abgeschlossen hat, zeigt, dass die herrschenden Kreise in den USA zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Optionen für den Umgang mit dem Iran abgewogen haben. Die schließlich von den aufeinanderfolgenden Regierungen Trump und Biden beschlossene Politik markierte jedoch die endgültige Entscheidung für eine direkte Konfrontation.

5 Welche Kompromisse einige dieser Kräfte im Laufe der Jahre auch immer mit dem Imperialismus eingegangen sein mögen, sie genügten dem Imperialismus der USA in der neuen Situation nicht, die eine vollständige Unterwerfung verlangten. Die Messlatte lag so hoch, dass selbst der völlig kompromittierte Arafat belagert und schließlich beseitigt werden musste.

6 Nach dem großen Volksaufstand, der den Schah von Iran stürzte, sahen die USA und ihre Verbündeten Iran als Bedrohung für ihre Kontrolle über die Region und inszenierten daher den Irak‐​Iran‐​Krieg. Iran ging ungebrochen daraus hervor, musste jedoch einen hohen Preis in Form von Menschenleben und wirtschaftlichen Entbehrungen zahlen.

7 »Tariffs, Decline and the Promise of AI: A Conversation between Larry Summers and Niall Ferguson«, https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​S​y​-​f​n​5​M​W​FIk

8 Hervorhebung hinzugefügt.

9 Wie einige heutige Kommentatoren behauptete Karl Kautsky, der wichtigste marxistische Theoretiker der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, dass der Imperialismus eine vom Finanzkapital bevorzugte »Politik« und keine Notwendigkeit sei und dass »der Imperialismus nicht mit dem ›heutigen Kapitalismus‹ gleichgesetzt werden darf«. Lenin argumentierte hingegen, dass der Imperialismus ein Zwang der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus sei, der »den Kampf um die Rohstoffquellen, um den Kapitalexport, um Einflussbereiche, das heißt um Bereiche für profitable Geschäfte, Konzessionen, Monopolgewinne und so weiter, um Wirtschaftsräume im Allgemeinen« mit sich bringe. Ein wesentliches Merkmal des Imperialismus sei »die Rivalität zwischen mehreren Großmächten im Streben nach Hegemonie, das heißt nach der Eroberung von Territorium, nicht so sehr direkt für sich selbst, als vielmehr zur Schwächung des Gegners und zur Untergrabung seiner Hegemonie«. – Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus [Übersetzung der Zitate nicht mit Standardübersetzung abgeglichen].

10 Russland hat die Assad‐​Regierung in Syrien zunächst unterstützt, da es dort einen wichtigen Marinestützpunkt hatte. Allerdings spielte es kürzlich eine dunkle Rolle bei der Machtübernahme durch islamistische Fundamentalisten.

Bild: Beerdigung der Märtyrer des Iran‐​Israel‐​Krieges in Teheran (Mostafa Tehrani Tasnimnews CC BY 4.0)

Im englischen Original erschienen bei https://​rupe​-india​.org/

https://​rupe​-india​.org/

2 thoughts on “Die Hintergründe der Invasionen im Irak, in Libyen, Syrien, Gaza, Libanon und jetzt im Iran

  1. Die Vorgänge um Russland, China und Iran, überhaupt die »Geopolitik« (also die Politik, die sich nicht auf eigene Angelegenheiten, Innenpolitik, oder dem Verhalten unmittelbare Nachbarn bezieht), und insbesondere die regelmäßig schädigenden Maßnahmen und heimtückischen und klandestinen bzw. offen militärischen Aktionen von USGBIL, können einzig und alleine im Kontext mit der Entwicklung der BRICS und dem Fall der Dollarherrschaft sowie des »Commonwealth«, der untergründigen Herrschaft des »britischen Empires« erklärt werden.

    »Vorherrschaft der USA«? Nein. Vorherrschaft eine pahraonischen Clique die sich hauptsächlich auf USGBIL stützt, und die ihre Pfründe, ihr Vermögen und ihre Macht schützen – gegen alle anderen Weltbewohner.Und mit, wenn nötig, brutalsten Mitteln.

    1. „Vorherrschaft der USA“? Nein. Vorherrschaft eine pahraonischen Clique die sich hauptsächlich auf USGBIL stützt, und die »ihre« Pfründe, »ihr« Vermögen und ihre Macht schützen – gegen alle anderen Weltbewohner.Und mit, wenn nötig, brutalsten Mitteln.

      Korrektur: »Ihr« Vermögen, etc. Wohlgemerkt: alles durch Raub, Betrug, Heimtücke und Gewalt angeeignet.

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