Heraus zum proletarischen Klassenkampf gegen den DGB

Mit dem Ruf »Heraus zum 1. Mai« ruft der DGB jährlich einmal die Mitglieder der Gewerkschaften auf die Straße, dieses Mal für »Mach Dich stark mit uns!«. Zumindest einer der mächtigen DGB‐​Funktionäre hat das wohl falsch herum verstanden. Er hat sich selbst stark gemacht, wie die junge Welt berichtete:

»Der Volkswagen‐​Konzern pflegt ein recht enges Verhältnis zu seinen Betriebsratschefs. Sie sind zumeist nicht einfache Arbeitnehmervertreter, sondern agieren und kassieren im Multi‐​Milliarden‐​Konzern gelegentlich wie Topmanager. Zugleich sind sie Mitglieder des Aufsichtsrats des Gesamtkonzerns und in dessen Präsidiums. Das führt gelegentlich zu Problemen, die Öffentlichkeit und Justiz irritieren und letztere zum Handeln zwingen, wie jetzt erneut deutlich wird: Wegen möglicherweise überhöhter Betriebsratsvergütungen muss sich der frühere Vorsitzende des VW‐​Gesamtbetriebsrats Bernd Osterloh vor Gericht verantworten.«

Das Verfahren ist bis heute nicht abgeschlossen.

Betriebsräte statt Rätedemokratie

Das Betriebsrätegesetz, auf das Osterloh und viele andere »Betriebsratsfürsten« ihre innerbetriebliche Macht gründen, entstand 1920 als konterrevolutionäres Gesetz gegen die Forderungen der Arbeiter‐ und Soldatenräte nach einer Räterepublik, in der diese Räte gleichberechtigte Mitwirkungs‐ und Kontrollrechte in Staat und Wirtschaft bekommen sollten (Zur Geschichte des Betriebsräte‐ und des Betriebsverfassungsgesetzes).

Die damalige Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) zog alle Register, um diese Forderung nach einer revolutionären Räterepublik im Verein mit der Obersten Heeresleitung (OKH), der reaktionären Staatsbürokratie und den Unternehmerverbänden abzuschmettern. Im Laufe ihrer antidemokratischen Konterrevolution ließ die sozialdemokratische Regierung Tausende Rätedemokraten ermorden, die meisten durch die präfaschistischen Freikorps, die auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht umbrachten.

Mit dem Betriebsrätegesetz von 1920 wurde der Rätedemokratie der Wind aus den Segeln genommen. Es ist bis heute ein müder, weitgehend wirkungsloser Abklatsch rätedemokratischer Vorstellungen geblieben. Besonders die zentrale Bestimmung, daß die Betriebsräte vertrauensvoll mit der Unternehmungsleitung zusammenarbeiten müssen, verhindert eine wirklich effektive Vertretung der Arbeiterinteressen im Betrieb. Schon damals lehnten sich die Gewerkschaften nicht gegen die reaktionäre Sozialdemokratie auf, sondern folgten ihr wie ein Hündchen seinem Herrchen/​Frauchen. Dafür garantiert allein die immer noch weitgehende personale Übereinstimmung der Oligarchien in Gewerkschaften und Sozialdemokratie (sieben von acht Vorsitzenden der DGB‐​Gewerkschaften sind SPD‐​Mitglieder – Stand 2025).

»100 Jahre Sozialpartnerschaft – 100 Jahre zu viel«

Mit dieser Überschrift versah LabourNet Germany einen lesenswerten Bericht über die Jubelorgie zum 100‐​jährigen Bestehen der deutschen »Sozialpartnerschaft«:

»Da ist eine große Feier angesetzt, mit Bundespräsident und pipapo: 100 Jahre Sozialpartnerschaft. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände klopfen sich im Historischen Museum zu Berlin gegenseitig auf die Schulter. So ist am 16. Oktober 2018 ein Dokument der Zeitgeschichte entstanden, das belegt, wie abgehoben, wie weltfremd, wie gefangen in neoliberalen Denkstrukturen zumindest auch große Teile der deutschen Gewerkschaften sind – nach 100 Jahren ein weiteres historisches Ereignis«.

Angefangen hat diese »Sozialpartnerschaft« mit dem »Stinnes‐​Legien‐​Abkommen« 1918, das vom Unternehmerlager angestoßen wurde, um die revolutionären Forderungen der Arbeiterbewegung auszuhebeln. Mitgemacht hat damals nicht nur die Sozialdemokratie, mitgemacht haben auch die Gewerkschaften. Zumindest bei mir haben sich die Gewerkschaften mit dieser Jubelorgie endgültig lächerlich gemacht; denn wie kann man »Sozialpartner« nennen, wer seit Jahrzehnten den Sozialstaat zertrümmert, immer mehr Menschen in die Altersarmut verdammt, Wohnungen unbezahlbar macht und Löhne senkt? Für mich sind die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie spätestens damit am gegnerischen Ufer des Klassengrabens gelandet.

Oder, wie ich es formulierte:

»Die Funktionäre in den Parteien, Gewerkschaften, beim Staat, in den Parlamenten, bei den Arbeitgeberorganisationen, selbst in NonProfitOrganisationen sind austauschbar geworden. Sie haben in Ausbildung und/​oder Studium die gleiche totalitäre Ideologie aufgesaugt. Die Parteioligarchien und Parlamentsfraktionen erneuern sich zum großen Teil aus dem Mitarbeiterstamm, also durch Inzucht. Man begegnet den immer gleichen Sesselfurzern« (im Film »Matrix« ist es Mr. Smith).

Auffällig wird diese Austauschbarkeit immer dann, wenn Gewerkschafter Jobs beim Klassengegner übernehmen. Das passiert des Öfteren, weil Unternehmen dadurch engagierte Gewerkschafter auf ihre Seite locken können: Früher war Klaus Lang in der Leitung der IG Metall. Heute ist er Geschäftsführer eines Stahlwerks.

Selbst dort, wo es »nur« um Löhne und Tarife geht, agieren die Gewerkschaften, als seien sie beauftragt, die eigene Klientel ruhig zu stellen und zu weitgehende Forderungen zu verhindern, mit denen die Profite des Kapitals beschnitten werden könnten. Deutlich wurde das zuletzt bei den Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst (Ein Armutszeugnis).

Begründet wurde das Verhalten der Gewerkschaftsführungen von dem ver.di-Gewerkschaftssekretär Ralf Krämer 2012 mal so:

»Dabei wissen die Beschäftigten selbst, dass die Ergebnisse von Tarifverhandlungen hinter den Forderungen zurückbleiben werden und akzeptieren das auch, wenn nachvollziehbar nicht mehr durchsetzbar war, wie die in der Regel hohen Zustimmungsraten bei Abstimmungen über Tarifabschlüsse belegen.«

Das tun sie aber nicht immer: »Das am 6. April von Verdi‐​Chef Frank Werneke präsentierte, von der Bundestarifkommission öffentlicher Dienst (BTK öD) mehrheitlich beschlossene Tarifergebnis für die 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst hat in weiten Teilen der Mitgliedschaft für Enttäuschung und Empörung gesorgt«, wie ein Artikel in der jungen Welt belegt: Ein Armutszeugnis.

Eine ausführliche Beschreibung der sozialpartnerschaftlich organisierten Gewerkschaften und ihrer Drift in Rassismus und reaktionäre Gesellschafts‐ und Tarifpolitik beschreibt die junge Welt am Beispiel Österreichs: Disziplinierung statt Kampf.

Friedenspolitik à la Gewerkschaften

In seinem Blog schreibt der Journalist Norbert Haering am 13.04.2025:

»Der DGB unterwandert Ostermärsche mit einem Plädoyer für Aufrüstung«.

Deutlich wird das, wenn man die »Erklärung des DGB zu den Ostermärschen 2025« mit der »Gemeinsamen Stellungnahme der Kooperation für den Frieden und des Bundesausschusses Friedensratschlag« vergleicht.

Die klaren Forderungen der Friedensbewegung werden gar nicht erst aufgelistet:

  • Abrüstungsverhandlungen ja – Europäische Aufrüstung nein
  • Keine neuen US‐​Raketen in Deutschland
  • Diplomatie statt Kriegsverlängerung in der Ukraine
  • Keine Waffenlieferungen an Israel
  • Geld für Soziales, Gesundheit, Bildung, Klima usw. statt für Rüstung
  • Entwicklung sozialer Verteidigung statt Rüstungsforschung, zivile Konfliktbearbeitung statt Wehrdienst
  • Schutz von Kriegsdienstverweiger*innen und Geflüchteten

In der Überschrift seiner Erklärung schreibt der DGB:

»Frieden sichern, Verteidigungsfähigkeit erhöhen, Militarisierung stoppen«.

Im weiteren Text warnt er vor einer »blinden Militarisierung«. Er ist also nicht gegen Militarisierung schlechthin, sondern nur gegen die blinde (was immer das heißen soll). Der ganze Text wirkt, als hätte der DGB ihn von den Kriegstreibern in Politik und Rüstungsindustrie abgeschrieben. Damit setzt der DGB auch friedenspolitisch seine Tradition als treuer Vasall der SPD fort. Er findet auch die »Investitionen« in die Rüstungsindustrie ganz super (Hauptsache Arbeitsplätze). Auch daß ethische Ansprüche hinter den Ansprüchen der Gewerkschafter auf Arbeitsplätze zurückstehen müssen, hat Tradition:

»In den 1970er Jahren demonstrierten Gewerkschafter für Atomkraftwerke, um Jobs in öffentlichen Energiekonzernen zu sichern. Kieler Werftarbeiter streikten 1980 für den Export von Unterseebooten in das von einer Militärdiktatur beherrschte Chile« (obiger Link).

Völkermord in Palästina

»In ihrem 49‐​seitigen Report vom 13. März 2025 mit dem Titel ›More than a human can bear« (Mehr als ein Mensch ertragen kann) beschreibt die ›Unabhängige Internationale Untersuchungskommission betreffend das besetzte palästinensische Territorium einschließlich Ost‐​Jerusalem und Israel‹ Israels ›systematischen Gebrauch von sexueller, reproduktiver und anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt‹ seit dem 7. Oktober 2023 im besetzten palästinensischen Territorium« (Völkermordfall Gaza). Davon berichtet die Rechtsanwältin Dr. Jutta Stoll LL.M. auf der Webseite https://​www​.anwalt​.de/. Das von den zionistischen Kriegsverbrechern um Netanjahu und Spießgesellen in Palästina täglich begangene Massaker an den Palästinensern, darunter zehntausende Kinder, ist Völkermord.

Beim DGB steht das Jahr 2025 dagegen »im Zeichen der besonderen Verbindung mit dem israelischen Gewerkschaftsbund Histadrut«: »Wir sind stolz darauf, dass uns die Geschichte verbindet«, erklärte die DGB‐​Vorsitzende Yasmin Fahimi am 1. April auf einem Festakt anlässlich dieses Jubiläums eines vor 50 Jahren geschlossenen Partnerschaftsabkommens: Der DGB ist stolz darauf, Partner von Völkermördern zu sein.

Fazit

Wer die Regeln einer totalitären Gesellschaft akzeptiert, unterstützt sie. Das allein macht alle gewerkschaftlichen Bekenntnisse zu Demokratie, Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität zu purem Hohn.

Die Gründer der Arbeiterbewegung sahen die Aufgabe der Gewerkschaften noch ganz anders:

»Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, das heißt zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.« K. Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 152 (https://​marx​-forum​.de/​m​a​r​x​-​l​e​x​i​k​o​n​/​l​e​x​i​k​o​n​_​g​/​g​e​w​e​r​k​s​c​h​a​f​t​.​h​tml)

Dieser Beitrag erschien zuerst in Kolbs Freibeuterbriefen, 22. April 2025

Bild: Autowrack VW Käfer 1300 – Wikimedia Commons | ONordsieck, Vorwärts 1918 – Wikimedia Commons

https://​kolbsfreibeuterbriefe​.blogspot​.com/

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