Anleitung zum Nichtantisemitismus
Teil 5: Pseudo‐Nichtantisemitismus

Der erste Teil dieser Anleitung behandelte die Frage, wie man bombensicher nichtantisemitische NS‐​Vergleiche hinbekommt. Wer sich daran hält und darüber hinaus nicht allzuviel herumplappert, kann mit historischem und demokratischem Bewusstsein glänzen und ist vor Antisemitismusvorwürfen sicher.

Schwieriger ist die Entwicklung einer in sich stimmigen nichtantisemitischen Grundhaltung, die im zweiten, dritten und vierten Teil erklärt wurde. Leider stoßen dabei nicht wenige Menschen, speziell des liberalen und linken Politspektrums, auf weltanschauliche und mentale Hürden, wodurch sie für antisemitische Anschauungen anfällig werden. Schutz bietet der Pseudo‐​Nichtantisemitismus – eine Notlösung, besser als Nichts, die der vorliegende letzte Teil der Anleitung behandelt.

Die fünf wohl größten Hürden zur Entwicklung einer nichtantisemitischen Grundhaltung, wie sie sich aus der bisherigen Anleitung ergeben, sind knapp zusammengefasst:

1. Die Nationalidentitätshürde
Ein übermäßig verallgemeinerndes sozialkonstruktivistisches Konzept von nationalen Identitäten erweckt den Anschein, Jüdinnen könnten abhängig vom Land, aus dem sie stammen oder in dem sie leben, wie andere Menschen auch irgendwelche Nationalidentitäten haben oder wie nichtjüdische Ausnahmemenschen auch das Konzept der Nationalidentität überhaupt verwerfen. Jüdischsein wird in beiden Fällen auf eine Religionszugehörigkeit bzw. G‑ttverbundenheit mit community‐ und familiär‐​sozialisationsbedingten bis individuell wählbaren Geistes‐ und Verhaltenspräferenzen reduziert. In der Konsequenz sind Jüdinnen als gleichberechtigte Mitglieder irgendwelcher Nationen anzusehen und wird eine religionsunabhängige jüdische Nationalidentität, wie sie dem Nichtantisemitismus zu Grunde liegt, als »nationalistisch« oder sogar »antisemitisch« zurückgewiesen.

2. Die Volksbegriffshürde
Eine wissenschaftsfeindliche praktizistische Ablehnung eines ethnisch geprägten Volksbegriffs mit eingebetteter Blut/​Boden‐​Bindung auch ohne lebensweltlichen Bodenbezug verleitet zur Ansicht, Menschen könnten unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit aus einem geografischen Gebiet in moralisch ungerechtfertigter Weise »vertreibbar« sein, bloß weil sie dort geboren oder aufgewachsen sind. Davon ausgehend werden angebliche »Vertreibungen« nichtjüdischer Personen aus dem geografischen Gebiet Palästina für ebenso ungerechtfertigt gehalten wie echte Vertreibungen jüdischer Personen aus nicht‐​israelischen geografischen Gebieten.

3. Die Respektshürde
Außer einem unangebrachten Respekt vor den anti‐​israelischen Haltungen selbsthasserischer Jüdinnen allgemein lässt insbesondere eine scheinheilige Achtung vor gewissen jüdischen Ultragläubigen und Scheu, deren anti‐​israelische Auslegungen der grundlegenden Schriften des Judentums zurückzuweisen, die Errichtung und Aufrechterhaltung des jüdischen Nationalstaats Israel als legitim debattierbar erscheinen.

4. Die Apartheidshürde
Eine irrationale Weigerung, gruppenidentitär hierarchisierten Staatswesen die Fähigkeit zur Demokratie zuzutrauen, und eine unkritische Haltung gegenüber internationalen »Rechtsnormen«E verleiten zu Fehlinterpretationen demokratisch‐​rechtsstaatlicher Maßnahmen, die zur Bildung und Sicherung einer deutlichen jüdischen Bevölkerungsmehrheit in Israel und zur Aufrechterhaltung des jüdischen Charakters des Staates unabdingbar sind, als »Apartheidspolitik«.

5. Die Humanitätsduseleihürde
Eine besonders unter Linken verbreitete gerechtigkeitsferne Ansicht, Besitznahmen legitimen Eigentums (mindestens) an nicht‐​menschengemachten Naturressourcen – Land‐ und Seegebiet, Wasser‐ und Rohstoffvorkommen – seien moralisch am Wohl und Wehe praktisch Betroffener zu messen, und nicht am Eigentumsrecht, das bei »Widerstand« gegebenenfalls gewaltsam durchzusetzen ist, verleitet zu Fehleinschätzungen legitimer Besitznahmen als »ungerecht« und/​oder »brutal«.

Für diejenigen, die sich überfordert fühlen, eine oder mehrere der genannten fünf Hürden zu überwinden, zeigen die folgenden Abschnitte Interpretationsmöglichkeiten auf, durch die sich die Hürden in Nichts auflösen.

Tatsächlich stellen sich bei vielen Nichtantisemitismus‐​Unfähigen im Bedürfnis, nicht als antisemitisch zu gelten, diese Interpretationen wie von selber ein, da sie auf einer abschüssigen Bahn der Dissonanzreduktion mit dem Selbstbild liegen. Allein ihre sprachliche Explikation mag hier und da etwas kompliziert erscheinen – ähnlich, wie eine Beschreibung des Vorgangs der Verdauung kompliziert ist, die Verdauung selber aber nur dann intellektuelle Reflexionen veranlasst, wenn sie nicht ordentlich funktioniert.

1. Die jüdische Nationalidentität ist eine widerständige Selbstidentifizierung

Zur Bildung einer religionsunabhängigen exklusiv jüdischen Nationalidentität ist keine Bezugnahme auf nationalistische Konzepte nötig.

Wie andere Selbstidentifizierungen – LGBTQ+, Māori, vegan, Frau, Proletarier, gut, WukanE usw. – ermöglicht die Selbstidentifizierung als »jüdisch« einen kollektiven Widerstand gegen Anfeindungen der Umwelt.

Widerständige Selbstidentifizierungen von Mitgliedern unterdrückter Gruppen sind grundsätzlich nicht legitim kritisierbar.

Um diesen Gedanken an den Nichtantisemitismus anzubinden und Zweifel am widerständigen Charakter einer religionsunabhängigen jüdischen Selbstidentifizierung auszuschließen, sind drei Aspekte zu beachten:

  1. Gehen widerständig Selbstidentifizierte Bündnisse mit herrschenden oder imperialistischen Mächten ein, verfällt der widerständige Charakter ihrer Selbstidentifizierung nicht.
  2. Es gibt nur eine richtige religionsunabhängige jüdische Selbstidentifizierung. Einwände gegen sie aus Kreisen derer, die sich als jüdisch identifizieren, sind als selbsthasserisch und/​oder extremistisch zu bewerten, am besten nicht zur Kenntnis zu nehmen.
  3. Der Antisemitismus ist eine ewige und allgegenwärtige Haltung nichtjüdischer Menschen derart, dass ein vormessianischer Weltzustand des ungenügenden Antisemitismus, bei dem die einzig richtige religionsunabhängige jüdische Selbstidentifizierung als nicht widerständig motivierte Positionierung der Überlegenheit über oder Gewaltrechtfertigung gegenE »Andere« fungieren könnte, unmöglich ist.

Zweifel am widerständigen Charakter der einzig richtigen religionsunabhängigen jüdischen Selbstidentifizierung können nicht nur durch religionsabhängige jüdische Selbstidentifizierungen entstehen, sondern bereits durch alternative religionsunabhängige jüdische Selbstidentifizierungen, etwa kulturell diversifizierenden wie im Narrativ vom »diskriminierten arabischen Juden« versus dem »säkularen diskriminierenden Aschkenasim«E. Daher ist für Menschen, die keine nichtantisemitische Grundhaltung zustande bringen, aus der ein Verständnis der einzig richtigen religionsunabhängigen jüdischen Selbstidentifizierung von selber folgt, die Beachtung der Ansagen einer zentralen Judendefinitionsansagestelle erforderlich.

Die allein maßgebliche Judendefinitionsansagestelle ist der israelische Staat – nicht etwa das israelische Oberrabinat, dessen Definition die jüdische Bevölkerung Israels sofort auf eine Minderheit reduzieren würde, wodurch die gegenwärtigen israelischen Staats‐ und Militäreinrichtungen als irgendetwas Nichtjüdisches anzusehen wären.

Vom Nichtantisemitismus unterscheidet sich die pseudo‐​nichtantisemitische Basierung der einzig richtigen jüdischen Selbstidentifizierung in ihrer Vulnerabilität gegenüber einer »palästinensischen« Selbstidentifizierung, die konsequenterweise ebenso anzuerkennen wäre wie die einzig richtige jüdische. Diese Anerkennung scheint eine Notwendigkeit zum »Ausgleich« zwischen beiden nahezulegen, insofern identitäre Bindungen an dieselben geografischen Territorien vorliegen. Ein »Ausgleich« könnte zum Beispiel konkret den Verzicht auf Judäa und Samaria und die dortigen Wasservorräte oder auf die Gasvorkommen vor der Küste Gazas bedeuten.

Mittel‐ bis langfristig wäre mit einer Haltung des »Ausgleichs« ein jüdischer Nationalstaat nicht aufrecht zu erhalten. Nach und nach würde er unvermeidlich zu einem Multikultigebilde mit überhandnehmenden MischehenE, Nakba‐​Gedenktagen und anderem Horror mutieren. Es genügt indessen, wenn die maßgeblichen Zuständigen das wissen und entsprechend handeln.

2. Das Gebietsrecht des jüdischen Volkes gründet in einem undebattierbar zu erfüllenden Gebietsbedürfnis

Um von der einmal akzeptierten richtigen religionsunabhängigen jüdischen Selbstidentifizierung bzw. Judendefinition einem Gebietsrecht des jüdischen Volkes näher zu kommen, ohne bei fehlender Religiosität auf ein biologistisch‐​völkisches Konzept verweisen zu müssen, sind zunächst zwei Vorstellungen wichtig:

  1. Alle unter die allein gültige Judendefinition fallenden Individuen sind als Sozialgebilde aufzufassen, dessen innere Gegensätze – seien es religiöse, wirtschaftliche, kulturelle, ethnisierte oder politische – sämtlichst von der Notwendigkeit der Abwehr äußerer Einflüsse bzw. Angriffe überlagert werden.
  2. Davon ausgehend ist vorauszusetzen, dass die Abwehrbarkeit der äußeren Einflüsse und Angriffe notwendig die Inanspruchnahme eines geografischen Territoriums erfordert.

Erstere Vorstellung sollte nur extrem anti‐​nationalen Kommunistinnen und Anarchistinnen schwer fallen, denn sie liegt jedem von normalen Menschen nicht hinterfragten Gedanken zugrunde, Klassengesellschaften brächten ein »nationales Interesse« für was auch immer hervor.

Zur Konkretisierung dieser Vorstellung sind natürlich nicht jüdische Gemeinden in mehrheitsmuslimischen Ländern zu wählen. Deren jüdische Bevölkerungen sind ziemlich religiös, weil diejenigen, die sich an die Mehrheitsgesellschaft anpassen, in ihr assimiliert werden und nach spätestens zwei Generationen komplett als jüdisch verschwinden. Maßstab ist die jüdische Bevölkerung christlich geprägter Gesellschaften, wo die Abwehr der Assimilation jüdische Gläubige, Un‐ und Andersgläubige, soweit sie nicht ermordet wurden, objektivE – nicht bloß subjektiv/​ideologisch – zu einem nationalstaatsfähigen und ‑bedürftigen Sozialgebilde zusammenschmiedeteE.

Die zweite Vorstellung entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass Angehörige bestimmter Sozialgebilde ohne geografische Gebiete, die sie international anerkanntermaßen ihr eigen nennen, durch international anerkannte nationalstaatliche Sozialgebilde regelmäßig untergebuttert werden. Paradebeispiele waren vor 1948 das jüdische und das armenische Volk, aktuell sind es das kurdische Volk und die Rohingya, jedoch nicht ein angeblich »palästinensisches« Volk wie im weiteren Verlauf noch deutlich wird.

Der Schein einer Schwierigkeit des jüdischen Rechts auf das geografische Gebiet (mindestens) Palästinas entsteht allein aus der Existenz eines konkurrierenden Gebietsanspruchs eines arabischen, angeblich »palästinensischen« Volkes. Die Existenz dieses Sozialgebildes kann im pseudo‐​nichtantisemitischen Denkrahmen auf ähnlichen Vorstellungen beruhen wie die Existenz des jüdischen Sozialgebildes. Doch worauf immer sie beruht: Religionsunabhängig scheint es zunächst so, als könne vom »palästinensischen« Volk genauso wenig wie von irgendeinem Volk – außer dem deutschen – verlangt werden, auch nur einen Teil des Gebiets zu räumen, in dem es seit Jahrhunderten ansässig ist, um einem anderen Volk Platz zu machen.

Damit trotzdem ein mit dem Nichtantisemitismus kompatibler Pseudo‐​Nichtantisemitismus denkbar wird, wurde in der Vergangenheit und wird teilweise noch heute etwa folgender Ansatz verfolgt:

Arabische bzw. »palästinensische« Gebietsansprüche sind unbeachtlich, weil (entsprechend Punkt 1 zu verstehende) jüdische Neuansiedlungen und jüdisches Staatsgebiet fast nur Landflächen betrafen, die zuvor menschenleerE waren, und zudem technologische Fortschritte es ermöglichen, auf den zuvor vom arabischen bzw. »palästinensischen« Sozialgebilde faktisch genutzten Landflächen eine wachsende Bevölkerung zu versorgen.

Obschon nicht alles an diesem Ansatz komplett falsch ist, verlor er in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Verbreitung gewisser historischer KenntnisseE über das Besiedlungsgeschehen Israels an Glaubwürdigkeit. Aussagen »palästinensischer« »Vertriebener« sind nicht mehr so einfach ignorierbar. Ein Pseudo‐​Nichtantisemitismus, der dies nicht berücksichtigt, droht als Haltung Ungebildeter und Verbretterter marginalisiert zu werden.

Ein weiterer Ansatz zur nichtreligiösen Begründung des Gebietsanspruchs besteht in der Bestreitung der Existenz eines nationalstaatsgeeigneten »palästinensischen« Sozialgebildes. Tatsächlich existiert lediglich ein arabisches, mehr schlecht als recht nationalstaatsgeeignetes Sozialgebilde, wie alle BeteiligtenE wissen. Da das arabische Gebilde bereits über eigenes Gebiet verfügt (Syrien, Jordanien, Libanon usw.), sind dessen Ansprüche auch noch auf das geografische Gebiet Palästina völlig überzogenE.

Leider beeindruckt dieser Ansatz nichtjüdische Nicht‐​Israelis wenig. Analogiebildungen liegen allzu nahe. Würde man eine ethnische Säuberung zum Beispiel Bayerns durchführen und für nicht so schlimm erklären, weil die bayerischen Ureinwohnenden genausogut in Sachsen und Hessen wohnen könnten, wäre insbesondere bei den unflexiblen Halb‐ und Nichturbanisierten Bayerns kaum mit Verständnis zu rechnen – sogar, wenn eine deutsche Regierung oder EU‐​Kommission das Territorium Bayerns völlig rechtmäßig zum menschenfreien Klimaschutzgebiet erklärt hätte, um die Welt zu retten.

Auf mehr Anerkennung könnte angesichts des hohen ethischen Niveaus christlich geprägter Gesellschaften ein Argument stoßen wie: Eine ethnische Säuberung Bayerns von Menschen, die während des deutschen Wirtschaftsaufschwungs im 20. Jahrhundert aus Anatolien einwanderten und in Bayern unaufgefordert Kinder zeugten, ist moralisch akzeptabel, weil anatolische Familien in Anatolien genug Platz hätten und sowieso dahin gehören. Das analoge Argument bezüglich Israel lautet: Erst die jüdische Wirtschaftstüchtigkeit ermöglichte im 20. Jahrhundert eine arabische Masseneinwanderung in das geografische Gebiet Palästina. Arabische Neulinge der ersten bis dritten Generation »zum Gehen aufzufordern«, wie es seinerzeit die Premierministerin Israels, Golda Meir, ausdrückteE, ist nicht weiter schlimm. Unpraktischerweise gelten in der Wissenschaftsszene späte arabische Einwanderungen in das geografische Gebiet Palästina bevölkerungsstatistisch als eher unbedeutendE.

Für nicht‐​religiöse Menschen mit der einzig richtigen jüdischen Selbstidentifizierung die wohl größte Bedeutung zur Begründung ihres Gebietsanspruchs hat der Hinweis: Vor 2000 Jahren waren wir schon einmal da. Bleibt diese Begründung ohne religiösen Bezug, hat sie leider dermaßen unangenehme Konsequenzen, dass sie außerhalb Israels wenig Anerkennung findet. Denn der Nachweis, wer »vor 2000 Jahren schon da« war, erfordert ein geeignetes und gesellschaftspolitisch richtig zu deutendes genetisches Inventar. Diesbezüglich machen schon die ethniegemixten Gründerväter der israelitischen Stämme Probleme, die zudem in Kooperation mit Frauen von sonstwoher Kinder zeugten. Beim gegenwärtigen Stand der WissenschaftE würden einen Wettlauf um genetische Anwesenheitsnachweise im geografischen Gebiet Palästina vor 2000 Jahren zahlenmäßig nichtjüdische bzw. nichtjüdisch (christlich, muslimisch) gewordene Ureinwohnende der Gegend gewinnen, ergänzt durch jüdische Ureinwohnende als Minderheit. Um so leichter hätten es beispielsweise unzählige Menschen mit Wohnhaft in Amerika, unter Vorweis passender genetischer Tests sämtlichen Landbesitz Weißer in Afrika zu enteignen. Hinzu käme das Problem der bevorzugten Zeitspanne: Weshalb 2000 und nicht auch 7000 oder 700 Jahre? Leute aus Anatolien und dem Kaukasus hätten dann Anspruch auf ausgedehnte landwirtschaftliche Flächen in Europa, die ihre Vorfahren mit enormen Anstrengungen allererst urbar machten. Große Bevölkerungsteile Osteuropas könnten als Nachkömmlinge westslavischer Stämme Mecklenburg beanspruchen.

Zur Überflüssigmachung der erwähnten und weiterer aus nicht‐​nichtantisemitischer Sicht problematischer nichtreligiöser Gebietsanspruchsbegründungen sind zwei Probleme zu lösen:

  1. Wie lässt sich der kollektive Anspruch eines »palästinensischen« Sozialgebildes auf Palästina einem (entsprechend Punkt 1 verstandenen) kollektiven jüdischen Gebietsbedürfnis unterordnen?
  2. Wie lässt sich ein individuelles »Recht auf Heimat« in dem Sinn, dort, wo man geboren wurde oder lange gelebt hat, bleiben zu dürfen, einem (entsprechend Punkt 1 verstandenen) jüdischen Gebietsbedürfnis unterordnen?

Im Nichtantisemitismus folgt die Unterordnung des »palästinensischen« Gebietsanspruchs unter das jüdische Gebietsrecht als schlichte Konsequenz seines Volks‐ und Nationskonzepts. Im Pseudo‐​Nichtantisemitismus kann die Unterordnung außer auf religiösen Interpretationen heiliger Schriften nur auf etwas menschheitsgeschichtlich Unvergleichlichem beruhen. Dieses Unvergleichliche bietet bekanntlich der von der Regierung und Wirtschaftselite Deutschlands organisierte und von artigen christlich geprägten deutschen Normalbürgerinnen und ‑bürgern durchgeführte Völkermord an den Jüdinnen Europas.

Nur der Holocaust ist religionsunabhängig in der Lage, dem jüdischen Sozialgebilde in nicht‐​nichtantisemitischer Perspektive jene Besonderheit zu verleihen, durch die es sich nicht neben andere Sozialgebilde als gleichartige einzureihen hat.

Damit der Holocaust als Basis eines dem »palästinensischen« Anspruch übergeordneten jüdischen Gebietsbedürfnisses funktionieren kann, muss er aus dem Zusammenhang der Menschheitsgeschichte herausgelöst werden, sobald ein Zusammenhang die Unterordnung »palästinensischer« Gebietsansprüche unterlaufen könnte und zu verworrenen antisemitischen Schlussfolgerungen wie solche von Edward SaidE motiviert, der meinte:

»Man darf nicht damit fortfahren, andere zu Opfern zu machen, nur weil man selbst einmal ein Opfer war.«

Hier liegt der tiefere Grund, NS‐​Verbindungen wie sie im ersten Teil dieser Anleitung behandelt wurden, unter strenger Kontrolle zu halten. Falsche NS‐​VerbindungenE führen zu falschen Schlussfolgerungen hinsichtlich des Gebietsbedürfnisses.

Die Basierung eines dem »palästinensischen« Anspruch übergeordneten jüdischen Gebietsbedürfnisses auf den Holocaust enthält eine verhüllte Infragestellung des Existenzrechts Israels, da sie nahe legt: ohne den Holocaust wäre das Existenzrecht Israels aufgrund des konkurrierenden »palästinensischen« Gebietsanspruchs legitim debattierbar. Daher stellt diese Basierung im Vergleich zu der des Nichtantisemitismus eine Inkonsequenz dar.

Das scheint zunächst nur ein theoretisches Problem zu sein. Durch seine Brauchbarkeit als Negativfolie einer Westlichen »judäo‐​christlichen«E Identität, die sich einer »islamischen« Welt entgegenstellen lässt, wurde der Holocaust der Historisierung entrissen und zu einem dauerhaft politikrelevanten Element. Doch enthistorisierte dies zugleich die jüdische Opferrolle. In der Folge wird die Überordnung des jüdischen Gebietsbedürfnisses angreifbar, sobald das (entsprechend Punkt 1 zu verstehende) jüdische Sozialgebilde die Opferstatus‐​Erwartung enttäuscht.

Bereits ein gewöhnliches Verhalten wie gewöhnliche nationalstaatsgeeignete Sozialgebilde genügt zur Infragestellung der Holocaust‐​basierten Überordnung des jüdischen Gebietsbedürfnisses, beispielsweise in Angelegenheiten der Wirtschaftsentwicklung nach dem Muster des Neoliberalismus, der nutzlos gewordene Soldaten nach traumatisierenden TötungserfahrungenE verarmen lässt, Geiz gegenüber Holocaust‐​ÜberlebendenE an den Tag legt und eine rechtlos gehaltene migrantische Arbeitskräfteflut in den Kibbuzim willkommen heißtE, um die Weltmarktexportpreise konkurrenzfähig zu halten, aber insbesondere in Angelegenheiten des Völkermordes. Wie mit letzterem umzugehen ist, wird später noch behandelt.

Trotz seiner Inkonsequenz ist aus nichtantisemitischer Sicht der pseudo‐​nichtantisemitische Holocaust‐​Begründungsbezug besser als nichts, da er Kritik an den zur Aufrechterhaltung Israels als jüdischen Staat nötigen Maßnahmen in den Umkreis der Holocaust‐​Leugnung bringt. Um so beklagenswerter ist es, wenn in dieser Frage bei so wichtigen Institutionen wie dem deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz weder der nichtantisemitische noch der pseudo‐​nichtantisemitische Standpunkt etabliert ist, worauf mit Genugtuung die linksextremistische Kommunistische Organisation hinweist, indem sie einen aktuellen Bericht des Bundesamtes zitiert:

Im Verfassungsschutzbericht heißt es: »›Dennoch basiert die Agitation von Linksextremisten gegen den Staat Israel nicht auf antisemitischen Beweggründen und richtet sich nicht gegen Jüdinnen und Juden als solche. Sie ist vielmehr im antiimperialistischen Weltbild der meisten dogmatischen Linksextremisten begründet, wonach Israel ‚Kapitalismus‛ und ‚Imperialismus‛ zugeschrieben wird.‹

Diese Aussage im Artikel des Verfassungsschutzes ist bemerkenswert und sollte unbedingt von uns genutzt werden. Die öffentliche und mediale Hetze gegen die Palästina‐​Bewegung speist sich maßgeblich aus dem Antisemitismus‐​Vorwurf, den der Staat an dieser Stelle selbst zurückweist.«

Man freut sich hier etwas zu früh, denn entscheidend sind nicht Agitationsbasierung und Beweggründe, sondern Tatsachen. Aus der Tatsache, dass Israel ein jüdischer Staat ist, folgt, dass sich Kritik gegen diesen Staat gegen jüdische Menschen richtet. Alle Kritik gegen Israel, die sich auf spezifisch israelische Aspekte bezieht, ist dadurch, dass sie sich nicht auch gegen nichtjüdische Nationalstaaten richtet, antisemitisch, da sich praktisch nicht widerlegen lässt, dass sie nur deshalb gegen Israel erhoben wird, weil dieser Nationalstaat jüdisch ist. Mit der Besonderheit der israelischen Politik im Vergleich zur Politik anderer Nationalstaaten vertieft sich daher der antisemitische Charakter anti‐​israelischer Kritik. Der einzige Ausweg, der sich hier bietet, bestünde darin, Israel den jüdischen Charakter abzusprechen. Das aber wäre antisemitisch und würde Existenzrechtsdebatten Tür und Tor öffnen.

3. Anti‐​israelische Einsprüche jüdischer Un‐ und Ultragläubiger sind tolerabel, ändern aber nichts

Aus der Gebietsbedürfnisbegründung mit den Holocaust folgt: Israel ist nicht eine politmilitärisch zusammengeschusterte Entität wie zum Beispiel Jugoslawien oder die DDR oder Syrien oder Libyen oder Libanon oder die Russische Föderation oder die Volksrepublik China usw., deren Existenzrecht verfallen oder territorial vermindert werden kann, sobald Erwägungen maßgeblicher Kreise es angezeigt erscheinen lassen. (NATO‐​Staaten wie Deutschland, Frankreich, USA gleichen bezüglich ihres Existenzrechts Israel, wodurch der Pseudo‐​Nichtantisemitismus in diesen Ländern durch Projektionsprozesse begünstigt wird.)

Desweiteren folgt, dass das Existenzrecht Israels nicht nur durch Abschaffungsforderungen des Nationalstaats oder Einschränkungen des von der UNO zugebilligten Territoriums bestritten wird, sondern unter vielem anderem auch durch Forderungen

  • nach Aufhebung des (entsprechend Punkt 1 zu verstehenden) jüdischen Charakters Israels zugunsten eines Multikultistaats
  • nach Einhaltung von UNO‐​ResolutionenE, die z.B. eine Ausdehnung des israelischen Territoriums verbieten, obgleich diese – allein schon aufgrund von Feindseligkeiten benachbarter Bevölkerungen – zur Verteidigung Israels erforderlich ist
  • nach Nichtbestreitung des Existenzrechts menschlicher SchutzschildeE anti‐​israelischer Terrororganisationen
  • nach Errichtung weiterer, von Israel unabhängiger Nationalstaaten zur Repräsentation des gesamten jüdischen Volkes, zum Beispiel auf dem Gebiet Hessens.

Einige jüdische Ultragläubige mögen religionsspezifische Gründe zur Ablehnung Israels haben. Da diese Gründe religionsspezifisch sind, besitzen sie keine Allgemeingültigkeit. Erst recht nicht allgemeingültig können pathologische Aussagen sich selbst hassender JüdinnenE sein. Trotzdem: Wenn es überhaupt eine moralische Legitimität gibt, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, so liegt sie bei den Opfern des Holocaust bzw. den Nachfahren der ÜberlebendenE, nirgendwo sonst, insbesondere nicht bei selbstverschuldet obdachlosen, antisemitischen TodessüchtigenE.

Gegenüber anti‐​israelischen Haltungen nichtjüdischer Kreise ist eine gewisse Intoleranz von Seiten der Allgemeingesellschaft geboten, da mit Toleranz der Einfluss solcher Haltungen kaum eingedämmt werden könnte. Gegenüber anti‐​israelischen Haltungen jüdischer Kreise hingegen genügen auf pseudo‐​nichtantisemitischer Seite Toleranz, Mitleid und Unschlüssigkeit, denn wegen deren Seltenheit in einer weltweit nur rund 15 Millionen Menschen betragenden Menge lässt sich das ErforderlicheE auch ohne allgemeingesellschaftliche Unterstützung umsetzen.

Hinsichtlich der Verträglichkeit des israelischen Nationalstaats mit der jüdischen Religion ist in der Toleranzfrage eine weitere Unterscheidung angebracht:

Für Nichtantisemitismus‐​Unfähige, die diese Frage aufgrund eigener Religiosität ernst nehmen, sollte die Antwort auf sie unhinterfragbar positiv, also gewissermaßen intolerant, ausfallen. Denn Zweifel an der Verträglichkeit des israelischen Nationalstaats mit der jüdischen Religion können solche Menschen unter Mitschleppen religiöser Moralvorstellungen zur Verlagerung religiös basierter Nichthinterfragbarkeiten ins profane Minenfeld moralischer Abwägungen treiben, bei denen das Existenzrecht Israels wie das x‑beliebiger irdischer Nationalstaatsprojekte dadurch relativierbar wird, was zu seiner praktischen Durchsetzung nötig ist, ob zum Beispiel hunderttausend, zehntausend oder nur hundert Kinder legitim zerfetzt werden dürfen, bevor Territorialeinschränkungen in Frage kommen. Nichtantisemitismus‐​Unfähige vergleichsweise, denen die Frage der Verträglichkeit des israelischen Nationalstaats mit der jüdischen Religion nicht so wichtig ist, so dass sie die Nichthinterfragbarkeit des Existenzrechts Israels entsprechend von vornherein religionsunabhängig wesentlich mit dem Holocaust begründen, können moralische Abwägungen dieser Art zumeist komplett vermeiden, da mit dem Holocaust kein anderes Massentöten vergleichbar ist.

In seiner Funktion als israelischer Minister für Kulturerbe drückte Amichai Elijahu die Nichthinterfragbarkeit des Existenzrechts Israels und die darin enthaltene Maßlosigkeit des moralisch Legitimen lediglich mit anderen Worten aus, als er einen Atombombenabwurf auf Gaza in Erwägung zog. Schlichte Implikationen des Nichtantisemitismus wie diese liegen für so bedeutende Mainstream‐​Medienformate wie die deutsche »Tagesschau« noch außerhalb des öffentlich Vertretbaren, so dass Elijahus Äußerung als »rechtsextremistische« Entgleisung gebrandmarkt wurde. Aus nichtantisemitischer Sicht mag sie das gerne sein. Um so maßvoller wirkt das konventionelle Sprengmaterial, das in der Größenordnung von zwei Hiroshima‐​BombenE bisher auf Gaza abgeworfen werden musste, um nach dem 7. Oktober 2023 die Sicherheit Israels zu erhöhen.

Natürlich ist der Nationalstaat Israel mit der jüdischen Religion verträglich, folgt sogar aus ihr. Davon zeugen nicht nur die in der Bibel beschriebenen AusrottungsfeldzügeE, aus deren g‑ttlicher Anordnung sich folgern lässt, dass ein derartiges Vorgehen aus jüdisch‐​religiöser wie auch christlicher Sicht nicht für sich schon als moralisch illegitim abzulehnen ist. (Der Islam macht hier mit Appellen an ein individualisiertes Moralempfinden gewisse Schwierigkeiten, etwa in Sure 7:28 – 29, siehe unten.)

Wie eng der Nationalstaat Israel mit der jüdischen Religion verbunden ist, zeigt sich unter anderem in der Nationalsprache Israels, die nach erfolgreichen kulturellen Feldzügen gegen das seit dem 15. Jahrhundert im Gebiet verbreitete JiddischE und das Arabisch der nicht arabisch zu sein habenden Jüdinnen erblühte und heute allen zum Lesen fähigen jüdischen Israelis ein natürliches, muttersprachlich‐​unmittelbares Verständnis der grundlegenden Schriften des Judentums eröffnet. Wenn hier und da auch ein paar Diakritika, Konsonanten und Phoneme über die Klinge sprangen, formt das moderne HebräischE durch die korrekte Auslegung der religiösen Schriften, die es induziert, die Basis der kulturellen Einheit gläubiger und ungläubiger Jüdinnen. בטחון bitahon zum Beispiel bedeutet zugleich »G‑ttvertrauen« und »militärische Sicherheit«, so dass die israelische Zeitung Haaretz titeln kannE:

»Das Wort des Tages
Bitahon: Glaube an Gott – und das Verteidigungsministerium

Das Vertrauen darauf, dass irgendetwas da draußen dich retten wird – sei es eine Gottheit oder eine Armee –, kann beruhigend sein.«

Unabhängig von der Bibel bzw. dem Tanach bezeugen säkulare Geschichtswissenschaften die Verbundenheit des jüdischen Volkes mit dem geografischen Gebiet Palästina in dessen diversen Versuchen zur – selbstredend berechtigten und nie terroristischen – militanten Vertreibung jeweiliger Fremdherrschaften. Die makkabäischen, zelotischen, sikarischen, irgunischen … Aktivitäten, die Aufstände Bar Kochbars, die späteren gegen Gallus und HeracliusE und die modernen gegen die britische Mandatsmacht und das Arabertum beweisen die tiefe Verwurzelung des (einen, wahren) Zionismus im Judentum – wenn auch zu allen Zeiten von jüdischer Seite Kritik daran vorgebracht wurde und die Aufstände zu Zeiten jüdischer Mehrheitsbesiedlung als etwas Nicht‐​Zionistisches missverstanden werden könnten, zu dem eingesessene Bevölkerungsgruppen aller Arten erfahrungsgemäß getrieben werden, wenn eine Herrschaft allzu sehr in ihrer angestammten Lebens‐ und Wirtschaftsweise herumfuhrwirkt.

In der historischen Reihe der Versuche zur Errichtung militärgestützter jüdischer Staatswesen ist das moderne Israel natürlich nicht als ein vormessianischer Versuch mehr zu beurteilen, aus dem früher oder später eine vorübergegangene Phase werden wird. Der jüdische Nationalstaat Israel ist – wie einige andere Staaten auch – ein bis zum Ende der Zeit unumstößliches Endresultat der Menschheitsgeschichte.

Zusätzlich ist zu beachten, dass sich »palästinensische« Militanz nicht in eine historische Reihe gewalttätiger Aufstände gegen waffengestützte Unterdrückung einordnen lässt, wie sie gegen das Römische Reich, in den USA, Algerien, Südafrika und vielen anderen Zeiten und Ländern und kaum jemals ohne Abschlachtungen Unschuldiger durch Aufständische stattfanden.

»Palästinensische« Militanz ist grundsätzlich illegitim, weil sie antisemitisch ist. Denn da Israel ein jüdisches Staatswesen ist, sind zur Vermeidung von Antisemitismus sämtliche seiner Maßnahmen der Umsiedlung, Landübertragung, Sicherheitswahrung usw. allerhöchstens über vom Staatswesen bereitgestellte legale Wege anfechtbar, niemals in Konfrontation gegen es. Nichtantisemitismus‐​Unfähigen, die nicht der Meinung sind, dass als rechtmäßig erklärte Maßnahmen der Umsiedlung, Landübertragung, Sicherheitswahrung usw. sowieso immer widerstandslos zu akzeptieren sind, steht eine pseudo‐​nichtantisemitische Haltung ohne Selbstwidersprüche mit dem Gedanken offen, dass Widerstand gegen oberflächlich vergleichbare Maßnahmen nichtjüdischer Staatswesen nicht antisemitisch sein kann und daher Chancen auf Legitimierbarkeit besitzt.

Muslimische Gläubige können bei der Intoleranzentwicklung gegenüber anti‐​israelischen Haltungen jüdischer Ultragläubiger auf besondere Schwierigkeiten stoßen, da Aussagen im Koran deren Deutungen zu entsprechen scheinen. So werden in einer der Koran‐​Übersetzungen (von denen keine mit dem Koran verwechselt werden sollte)1 sämtliche Landzuteilungsfunktionen auf dem Planeten Erde, anstatt Lord Balfour oder der UNO oder der israelischen Regierung oder dem Immobilienkapital, G‑tt zugewiesen:

»(Und) Moses sagte zu seinem Volk: ›[…] Wahrlich, die ganze Erde gehört Gott: Er gibt sie zum Erbe solchen von Seinen Dienern, wie Er will; und die Zukunft gehört den Gottesbewußten!‹« (Sure 7:128)

Speziell über die Landzuteilungen an die Kinder Jakobs, dessen Personenname nach einer Rauferei mit G‑tt oder einem Engel in »Israel«E geändert wurde 2, heißt es:

»UND, SIEHE, Moses sagte zu seinem Volk: ›O mein Volk! Gedenkt der Segnungen, die Gott euch erteilt hat, als Er unter euch Propheten erhob und euch zu euren eigenen Herren machte und euch (Begünstigungen) gewährte, wie Er sie keinem sonst in der Welt gewährt hatte. O mein Volk! Tretet ein in das heilige Land, das Gott euch versprochen hat; aber kehrt nicht zurück (von eurem Glauben), denn dann werdet ihr verloren sein!‹« (Sure 5:20 – 21)

Nachdem sich allzu viele Kinder Israels von G‑tt abwandten, »[…] überschattete sie Schmach und Demütigung, und sie verdienten die Last von Gottes Verdammung: all dies, weil sie darauf beharrten, die Wahrheit von Gottes Botschaften zu leugnen und die Propheten gegen alles Recht zu töten: all dies, weil sie sich (gegen Gott) auflehnten und darauf beharrten, die Grenzen dessen zu überschreiten, was recht ist.« (Sure 2:61)

Der Koran‐​Gelehrte Scheich ›Atiyyah SaqrE gibt wohl eine mehrheitliche Position unter den rund zwei Milliarden muslimischen Gläubigen wieder, wenn er zusammenfasst:

»Allah hat niemals ein Volk aufgrund einer rassischen oder ethnischen Einheit auserwählt, sondern Er hat bestimmte Menschen aufgrund des Islam auserwählt. […] Die Kinder Israels waren, als sie dem Islam folgten, das beste Volk; sie waren Muslime, während andere polytheistisch oder ungläubig waren. […] Das Heilige Land ist immerdar das Land, das für die Dienenden Allahs bestimmt ist, die Ihm alles hingeben. […] Allah, der Allmächtige, weiß es am besten.«

Innermuslimische Auseinandersetzungen setzen wie auch Auseinandersetzungen zwischen den Abrahamitischen Großreligionen und innerchristliche bei der Frage ein, wer »die Dienenden Allahs« sind. Dazu heißt es in der Koran‐​Übersetzung zum Beispiel:

»Wenn die Anhänger der Bibel nur (wahren) Glauben und Gottesbewußtsein erlangen würden, würden Wir fürwahr ihre (früheren) schlechten Taten tilgen und sie fürwahr in Gärten der Seligkeit eingehen lassen; und wenn sie nur wahrhaft die Torah und das Evangelium befolgen würden und all (die Offenbarung), die ihnen von ihrem Erhalter von droben erteilt worden ist, würden sie fürwahr von all den Segnungen der Himmel und der Erde zu sich nehmen. Einige von ihnen verfolgen einen rechten Kurs; aber was die meisten von ihnen angeht – schlimm ist fürwahr, was sie tun!« (Sure 5:65 – 66)

»Was solche (von den Ungläubigen) angeht, die nicht wegen (eures) Glaubens gegen euch kämpfen und euch auch nicht aus euren Heimstätten vertreiben, Gott verbietet euch nicht, ihnen Güte zu erweisen und euch ihnen gegenüber völlig gerecht zu verhalten: denn, wahrlich, Gott liebt jene, die gerecht handeln. Gott verbietet euch nur, euch in Freundschaft solchen zuzuwenden, die wegen (eures) Glaubens gegen euch kämpfen und euch aus euren Heimstätten vertreiben oder (anderen) helfen, euch zu vertreiben […]« (Sure 60:8 – 9)

Dem entsprechen manchmal offene muslimische Arme, mit denen jüdische anti‐​israelische Ultra‐ und Ungläubige in den angeblich »besetzten« GebietenE und bei anti‐​israelischen Aktivitäten, sogar in BerlinE, empfangen werden … manchmal auch nichtE.

In der Koran‐​Übersetzung heißt es außerdem:

»Es SOLL KEINEN Zwang geben in Sachen des Glaubens.« (Sure 2:256)

Zusätzlich warnt die Koran‐​Übersetzung vor allzu großer Selbstsicherheit bei der Erhebung von Wahrheitsansprüchen – weshalb Koran‐​Gelehrte vor gewöhnlichen Gläubigen oftmals widersprüchliche Koran‐​Auslegungen durchdeklinieren, anstatt christlich‐​zivilisiert die falschen zu verketzern, und selbst vertretene mit dem Disclaimer abschließen: Allah weiß es am besten.

»Wie es ist, betet der Mensch (oft) für Dinge, die schlecht sind, als ob er für etwas beten würde, das gut ist: denn der Mensch ist geneigt, (in seinen Urteilen) hastig zu sein.« (Sure 17:11)

»[…] wann immer sie eine schmachvolle Tat begehen, pflegen sie zu sagen: ›Wir fanden unsere Vorväter dies tun‹ und ›Gott hat es uns geboten.‹« Sag: ›Siehe, niemals gebietet Gott Taten der Abscheulichkeit. Wollt ihr Gott etwas zusprechen, von dem ihr kein Wissen habt?‹« (Sure 7:28 – 29)

Wenn daher muslimische Gläubige schon nicht ihr Koran‐​Verständnis dahingehend korrigieren wollen, Gebietsübergaben G‑ttes an die Kinder Israels als bedingungslos anzuerkennen und die Kinder Israels mit denjenigen Staatsbürgerinnen Israels zu identifizierenE, deren Personalausweis den Vermerk »jüdisch« enthält, so ist ihnen in einer zivilisierten WeltE doch zumindestens zuzumuten, ihr Koran‐​Verständnis nicht durch gewalttätiges Vorgehen gegen diese GebietsübergabenE anderen aufzwingen zu wollen.

4. Israel kann seinen jüdischen Charakter aufrecht erhalten, ohne demokratisch‐​rechtsstaatliche Kompromisse machen zu müssen

Wie schon in der Frage des Besiedlungsgeschehens zur Zeit und vor der israelischen Staatsgründung entstehen unter Bedingungen noch ungenügend zensierter sozialer MedienE Gefahren, dass der Pseudo‐​Nichtantisemitismus zu einer Sache von Ungebildeten und Verbretterten verkommt, wenn allzu viele Tatsachen ignoriert werden. Worauf es ankommt, ist, unangenehme Tatsachen richtig zu deuten, anstatt sie zu verschweigen.

Durch den Terroranschlag am 7. Oktober 2023 entstand eine außergewöhnliche, emotional aufgeladene gesellschaftliche Situation. Um die normale Situation darstellen zu können, werden in diesem Abschnitt weitestgehend nur die Verhältnisse vor dem Terroranschlag geschildert.

Es ist zwischen folgenden Bevölkerungsgruppen zu unterscheiden:

  • rund 1,6 Millionen arabische – also unmöglich jüdische (Folge 4) – Israelis, entsprechend knapp 18 % der israelischen Bevölkerung
  • rund 5,3 Millionen arabische Andere, die unter israelischer Aufsicht bzw. Eindämmung stehen: 
    • rund 400.000 »ständig Einwohnende« in Ost‐​Jerusalem und auf den Golanhöhen (israelische Zivilverwaltung mit militärischer Unterstützung)
    • etwa 1,3 Millionen Einwohnende der Gebiete A in Judäa/​Samaria (anerkannte zivile und polizeiliche »palästinensische« Selbstverwaltung mit Untergliederung nach H1 und H2)
    • etwa 1,5 Millionen Einwohnende der Gebiete B in Judäa/​Samaria (zivile »palästinensische« Selbstverwaltung mit israelischer polizeilicher und militärischer Unterstützung)
    • rund 150.000 Einwohnende der Gebiete C in Judäa/​Samaria (israelische Militärverwaltung)
    • rund 2 Millionen Einwohnende Gazas, Tendenz rapide sinkend (nicht anzuerkennende zivile und polizeiliche »palästinensische« Selbstverwaltung)3

Israel hat eine jüdische Bevölkerung von rund 7 MillionenE. Es versteht sich von selbst – sogar unabhängig vom Sicherheitsaspekt –, dass man im Land nicht einfach so 7 Millionen arabische Elemente und womöglich noch zusätzlich Millionen angeblicher »Vertriebener«E herumlaufen, ‑wohnen, ‑wirtschaften lassen kann, ohne den jüdischen Charakter des Staates und der Gesellschaft aufzugeben. Mit einem Anteil von knapp 20 % arabischer Israelis ist eine äußerste Grenze erreicht (Folge 3).

Arabische Israelis stehen bereits seit 1966 nicht mehr unter Militärrecht. Wenn sie einen unbekanntenE Teil ihres Land‐ und Immobilenbesitzes verlorenE, so geschah dies nach rechtlich geregelten Maßgaben, die nicht zuletzt der Sicherheit Israels dienten (Folge 3). Staatliche Kompensationsangebote schlugen viele der angeblich Enteigneten aus politischen Gründen in den Wind. Häufig handelte es sich sowieso nicht um Privateigentum, sondern um Eigentum zusammengebrochener muslimischer Stiftungen oder eines nicht mehr existierenden Kalifats oder um Niemandsland, dessen Eigentumsverhältnisse aufgrund fehlender Eigentumsregister oder aufgrund von Gebühren‐ und Steuerzahlungsgeiz der betreffenden Ackerbaufamilien unregistiert geblieben sind.

Die heute 1,6 Millionen arabischen Israelis besitzen volle staatsbürgerliche Rechte, verfügen im Parlament über eigene politische Parteien und könnten ihre Kinder in die öffentlichen jüdischen Schulen schicken, wenn sie wollten. Da viele das nicht möchten, finanziert der israelische Staat öffentliche arabischsprachige Schulen, an deren finanzieller und qualitativer Gleichstellung intensiv gearbeitetE wird und deren Unterricht wie der an jüdischen Schulen auch gesetzesgemäßE »auf den Werten der jüdischen Kultur und Errungenschaften der Wissenschaft, auf der Liebe zum Heimatland und der Loyalität gegenüber dem Staat und dem jüdischen Volk beruht«, wobei seit dem Jahr 2000 in arabischen Schulen sogar Kultur und Geschichte der arabischen Bevölkerungsgruppen »zu berücksichtigen« sind – jedenfalls soweit mit dem (einen, wahren) Zionismus vereinbarE. Darüber hinaus gibt es sogar einige jüdisch‐​arabische Schulen, die sich selbst liebende jüdische Israelis nur in extremE seltenen Fällen, und ohne Personenschäden zu verursachen, angreifen. (Dass die Angreifenden keine muslimischen Terrorbanden sind, hat nichts zu besagen.)

Rund 10 % der arabischen Israelis leben in jüdisch‐​arabisch gemischten größeren Städten, oft in romantischen arabischen ViertelnE.

Lediglich 4 % der arabischen Israelis, also nur wenige Zehntausend, wohnen seit wenigen Jahrzehnten in nicht anerkannten Siedlungen, aus denen sie je nach staatlichem Planungsbedarf jederzeit, natürlich bei staatlichen Kompensationsangeboten, umzusiedeln bereit sindE. Die restlichen 86 % leben zum größten Teil in arabischen Gemeinden mit eigenen Gemeinderäten, deren Zuständigkeitsbereich immerhin 3 % des israelischen LandesE umfasst.

Einschränkungen bezüglich der Wohnortwahl innerhalb Israels haben nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern ergeben sich aus den demokratischen Entscheidungsbefugnissen lokaler Gemeindevertretungen bezüglich der Personen, denen sie eine Ansiedlung gewähren möchten (Gesetz über die Anerkennung durch Gemeinden von 2011E). Umfragen von 2021 und 2022E zeigen, dass 45 bis 60 % der jüdischen Israelis ein getrenntes Leben von arabischen Israelis bevorzugen. Das ist zu respektieren – auch wenn nur rund 18 % der arabischen Israelis ebenso denken. Der Unterschied entsteht unter anderem daraus, dass arabische Israelis immer wieder eine erhöhte Gewaltbereitschaft in »Aufständen« an den Tag legen, die sich angeblich gegen angebliche HausdemolierungenE und Moscheenstürmungen richten – als wäre es unmöglich, gegen unrechtmäßige Staatseingriffe friedlich und gesetzlich vorzugehen.

Da arabische Israelis nicht unter Wehrpflicht stehen und sich nur sehr wenige freiwillig zu den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF – Israeli Defence Forces) melden, stehen den meisten ein paar soziale Vergünstigungen nicht zu: PreisnachlässeE bei diversen Gütern und Events sowie den Stromkosten, verschiedene Steuerermäßigungen, Vergünstigungen für Kinder, bessere AufstiegschancenE im öffentlichen Dienst, vergünstigte KrediteE, Bevorzugung bei Landkäufen, 90 % niedrigere Studiengebühren

Im Übrigen bestehen Probleme wie sie auch in anderen Demokratien bei nichtweißen ethnischen Minderheiten ganz normal sind und an deren Behebung der israelische Staat arbeitet: vermehrte Armut, relativ weniger Ausbildungsplätze, Unterrepräsentanz in Führungspositionen, höhere Mordraten untereinander, höhere Kindersterblichkeit usw. usf.

Die von antisemitischer Seite häufig kritisierte Nichtübertragbarkeit des staatsbürgerlichen Status’ bei Eheschließungen von Israelis mit arabischen Anderen aus Judäa und Samaria dient der Sicherheit und Erhaltung Israels als jüdischen Staat. Dem dienen auch die Aberkennungsmöglichkeit der israelischen Staatsbürgerschaft und die Folter. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Israels ist Folter in praktisch ausreichend ungenau bestimmten »Ausnahmefällen« nicht nur bezogen auf arabische Gefangene rechtmäßig und daher nicht diskriminierend. Ähnliches gilt leider noch nicht für den Verlust der StaatsbürgerschaftE nach ausreichend ungenau bestimmten terroristischen Aktivitäten. Bei Inhaftierungen, Universitätsrausschmissen und Entlassungen nach Veröffentlichungen von Aussagen in sozialen Medien, die der IDF Kriegsverbrechen vorwerfen oder allzu viel Mitleid mit den Kollateralschäden der israelischen Sicherheitsmaßnahmen zeigen, besteht immerhin im Prinzip BehandlungsgleichheitE.

Trotz ihrer weitgehenden Gleichstellung fühlen sich einige arabische Israelis diskriminiert, was sich durchaus als Indikator antisemitischer Einstellungen interpretieren lässt. Einer als »repräsentativ« bezeichneten Umfrage des »Israeli Democracy Institute«E aus ruhigeren Zeiten, Mai 2020, zufolge, hält sich der Antisemitismus jedoch in Grenzen:

Befragt wurden 1001 jüdische und 179 arabische Israelis ab 18 Jahren.
84,5 % der jüdischen und 44 % der arabischen Befragten gaben an, dass sie sich dem Staat Israel zugehörig fühlen. 65,5 % der jüdischen und 35 % der arabischen Befragten finden, dass das politische System Israels auch gegenüber arabischen Bürgerinnen demokratisch ist. (Im Übrigen beurteilten 58 % der Befragten Israels Führung als korrupt – eine Unterscheidung zwischen »jüdisch« und »arabisch« fehlt bei dieser Aussage; der jüdische Teil der Befragten meint das sicherlich nicht antisemitisch).4

Tatsächlich nicht mit jüdischen Israelis gleichgestellt sind lediglich die rund 5,3 Millionen arabischen Anderen, die in Ost‐​Jerusalem, Judäa und Samaria, auf den Golanhöhen und in Gaza leben und seit einigen Jahrzehnten unter israelischer Aufsicht bzw. Eindämmung stehen.

Laut Angaben von Amnesty InternationalE bekam nach dem erfolgreichen Verteidigungskrieg 1967 nur etwa eine halbe Million arabischer Anderer kein »Palästinensisches Ausweispapier«, wodurch sie unter das gewöhnliche Ausländerrecht fielen bzw. in Deutschland und andernorts als »staatenlos« gelten, so dass dortige Behörden aus den Augen verloren, wie viel »Palästinenserinnen« in ihren Ländern eigentlich aufgelaufen sind. In Einzelfällen mögen durchaus Härten entstanden sein – die jedoch nicht dem israelischen Staat zuzuschreiben sind, da Betroffene die dreimonatige Einwohnerregistrierung verpassten, zum Beispiel weil sie – damals meist handylos – vor den Kriegshandlungen geflohen waren oder auswärts arbeiteten und von den Registrierungsanforderungen nichts wussten oder weil sie nach antisemitischen Aktivitäten den Behördenumgang scheuten oder später aus unbekannten Gründen nicht in den israelisch verwalteten Einwohnerregistern vermerkt oder aus ihnen verschwunden waren.

Von keinem Staat sonst außer von Israel wird verlangt, Menschen mit Staatsbürgerschaft solchen ohne Staatsbürgerschaft gleichzustellen. Dennoch zeigt sich der israelische Staat integrationsbereit. So dürfen einigeE der Einwohnenden Ost‐​Jerusalems, das Israel seit 1980 offiziell zu seinem Staatsgebiet zählt, an regionalen und lokalen Wahlen teilnehmen und bekommen Sozialhilfe wie israelische Staatsbürgerinnen – jedenfalls solange sie regelmäßig durch Beibringung von Quittungen und dergleichen nachweisenE, ohne größere Unterbrechungen in Ost‐​Jerusalem gewohnt zu haben, solange bei unangemeldeten Kontrollbesuchen nichts Gegenteiliges festgestellt wird und solange das israelische Innenministerium nicht findet, dass sie als Sicherheitsrisiken aus Ost‐​Jerusalem ausgewiesen werden sollten. Diejenigen, die Israel die Treue schwören und etwas Hebräisch können, dürfen sogar israelische Staatsbürgerinnen werdenE – sobald die Verwaltung dazu kommt, ihre Anträge zu bearbeiten. Zudem wurde seit 1967 der größere Teil der Landflächen Ost‐​Jerusalems im arabischen Eigentum nicht enteignetE. Dass der jordanische Staat vor 1967 kein ordentliches Eigentumsregister zustande bekam und einige arabische Andere Registrierungsfristen verpassen, bloß weil sie ihnen nicht mitgeteilt werden oder weil man den Behördenumgang oder Steuern scheut, mag bedauerlich sein, ändert aber die Rechtsstaatlichkeit der SituationE nicht.

Auch ist einem jüdischen Staat nicht zuzumuten, in seiner Hauptstadt Baugenehmigungen für eine arabische Bevölkerung zu erteilen, bloß weil diese sich fast ebenso stark vermehrt wie die jüdische. Gleichwohl zeigt sich die Jerusalemer Stadtverwaltung großzügig, indem sie rund einem DrittelE der arabischen Familien Ost‐​Jerusalems in ungenehmigten Gebäuden zu wohnen gestattet, die sie weitgehend nur bei konkretem Bedarf abreißen lässt.

Vor allem wird gesundheitlich das Nötige getan, wie bereits 1990 der langjährige damalige Bürgermeister Jerusalems und Träger des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels sowie des Bayerischen Verdienstordens, Teddy Kollek, in der ihm eigenen sympathisch‐​ungekünstelten Ausdrucksweise klarstellteE:

»Für das jüdische Jerusalem habe ich in den letzten fünfundzwanzig Jahren etwas getan. Für Ost‐​Jerusalem? Nichts! Was habe ich getan? Nichts. Bürgersteige? Nichts. Kulturelle Einrichtungen? Keine einzige. Doch haben wir ein Abwassersystem für sie installiert und die Wasserversorgung verbessert. Wissen Sie, warum? Glauben Sie, das war zu ihrem Besten, zu ihrem Wohl? Vergessen Sie es! Es gab dort einige Fälle von Cholera, und die Juden hatten Angst, sich anzustecken, also haben wir eine Kanalisation und ein Wassersystem gegen Cholera installiert«.

Nur etwa 100.000 Einwohnenden in Vororten Ost‐​Jerusalems entstanden durch Sicherheitswalls minimale Unannehmlichkeiten, da sie auf dem Weg zur DialyseE oder ArbeitE Sicherheitssperren zu passieren und militärische GenehmigungenE vorzulegen haben.

Die große Mehrheit der arabischen Anderen, bis auf einige Tausend nicht registrierte Kinder und einige Tausend ungünstig VerheirateteE (seit 2003 gilt ein Umzugsverbot von Gaza nach Samaria/​Judäa), besitzt zum jeweiligen Wohnort passende grüne oder blaue AusweispapiereE mit klarem rechtlich geregelten Status. Insbesondere haben sie das Recht, in den betreffenden Gebieten leben und bei den israelischen Sicherheitskräften Passierscheine zum Übergang zwischen den verschiedenen Gebietstypen beantragen zu dürfen, die sie entsprechend vernünftiger Erwägungen der jeweils Zuständigen erhalten oder auch nichtE.

An die wenigen hundert freundlichen israelischen SicherheitspostenE, die zur Sicherung der seit den Oslo‐​Abkommen der 1990er Jahre wachsenden Anzahl jüdischer Ansiedlungen in wachsender Anzahl nötig werden, sollten sich die arabischen Anderen eigentlich mittlerweile genauso gewöhnt haben, wie daran, dass Autobahnen zwischen jüdischen Ansiedlungen für Nichtisraelis verboten sind und hier und da Verkehrswege gesperrt oder abgerissenE werden müssen, so dass einigen wenigen Betroffenen auch bei gültigen Papieren Umstände entstehen, zur Schule oder zum Lohnarbeitsplatz oder auf ihre Felder oder zum Opa im Nachbardorf zu gelangen oder ihre Krämerläden weiterzuführen.

Davon, dass Meinungsäußerungen, Versammlungen, Demonstrationen und deren Vorbereitung durch neutrale Militärgerichte mit mehrjährigen Gefängnisstrafen geahndet werden, wenn israelische Militärangehörige sie nicht genehmigt haben, sind in der Regel lediglich Elemente betroffen, die Unruhe stiften wollen. Hat nicht die Covid‐​Zeit bewiesen, dass vernünftige Menschen jederzeit bereit sind, auf Grundrechte zu verzichten, sobald die Regierung es für angemessen erklärt?

Derartige Maßnahmen der israelischen Regierung, ergänzt durch gebietsweise Ausgangssperren bei jüdischen FestivitätenE, hier und da ein paar harmlose Kläpse während der Arbeit, nächtliche Hausdurchsuchungen durch die IDF, Sicherheitsverwahrungen aufsässiger Kinder, das gelegentlicheE Abknallen Steine werfender JugendlicherE usw., sind allein dem Unverstand und der Gewaltbereitschaft der »palästinensischen« Bevölkerung zuzuschreiben.

Um davon abzulenken, wird zur Untermauerung des Apartheidsvorwurfs eine angeblich ungleiche Verteilung von Wasser in Judäa und Samaria angeführt. Hierzu ist nur zu sagen, dass Araberinnen traditionell nichts an Swimmingpools und grünen Rasenflächen gelegen ist. Der israelische Staat hat stets sichergestellt, dass die »palästinensische« Bevölkerung Samarias und Judäas nicht verdurstet. Auch sollte nicht übersehen werden, dass zur Beschaffung von Trinkwasser und zur Bezahlung von Trinkwasser benötigte Arbeitszeit nicht mit antisemitischen Umtrieben verbracht werden kann.

In Gaza liefen die Dinge nicht erst seit der neuen Wasserpolitik ab dem 7. Oktober 2023 etwas anders als in Judäa und Samaria – jedoch aus rein politischen Gründen, die ebenfalls nichts mit »Apartheid« zu tun haben.

2006, bei den letzten allgemeinen Wahlen zum Legislativrat, d.h. dem Parlamentsersatz des Staatsersatzes »Palästinas«, die unter genauester internationaler Beobachtung stattfanden und als fair gelten (was Schlimmes über die Wahlberechtigten einschließlich der christlichen aussagt), verlor die kompromissbereite, sozialdemokratische Fatah gegen den politischen Arm der Hamas. Letzterer gewann die Mehrheit im Legislativrat und strebte eine Koalitionsregierung des Konsenses an – wie eine Kurzanalyse bei der Konrad‐​Adenauer‐​Stiftung feststellte. Da die De‐​Fraktionierung der arabischen Anderen in ihrer Haltung gegenüber Israel eine GefahrE darstellt, mussten die gewählten Hamas‐​Abgeordneten zum Teil in israelische Gefängnisse verbracht und zum Teil von der Fatah abgesetzt werden, der mit etwas Elendserzeugung durch Unterstützungsentzug von Seiten der US‐​Regierung und EU‐​Führung und durch Einbehaltung der in den »palästinensischen« Gebieten gezahlten Steuern von Seiten der israelischen Regierung nachgeholfenE werden musste. Daraufhin ergriff der bewaffnete Arm der Hamas im Gazastreifen die Regierungsmacht. Von der Hamas und anderen geforderte Neuwahlen, die eigentlich alle paar Jahre stattfinden sollten, verschobE der Präsident des Staatsersatzes »Palästinas«, Mahmoud Abbas (Fatah), im Einvernehmen mit der israelischen Regierung und anderen interessierten Regierungen seither, da Hamas‐​Erfolge zu befürchten sind.

Wenn arabische Andere falsche politische Entscheidungen treffen, wie 2006 bei der Wahl der Hamas und anschließenden Duldung bis Unterstützung ihrer militärischen Machtergreifung und zunehmend geschickter gemachten Do‐​It‐​Yourself‐​Raketen‐​Abschüsse ins aberkannte Ex‐​Wohngebiet der Eltern und Großeltern, muss eben damit gerechnet werden, dass der israelische Staat einen Sicherheitswall um Gaza baut und die Lebensmittelzufuhr einschränktE, um den Aufbau von allzu viel Muskelmasse bei potenziell Gewalttätigen einzudämmen, oder alle paar Jahre für mehr Sicherheit sorgt: Operation »Gegossenes Blei« 2008/​09 mit rund 1.400 Toten und 100.000 Wohnungslosen; Operation »Wolkensäule« 2012 mit rund 170 Toten und 500 Wohnungslosen; Operation »Fels in der Brandung« 2014 mit rund 1.000 Toten und 85.000 Wohnungslosen; Operation zur Niederschlagung des »Großen Marsches der Rückkehr«E 2018/​19 mit rund 220 Toten und 75 Beinamputierten; Operation »Hüterin der Mauern« 2021 mit etwa 250 Toten, rund 250 zerstörten Gebäuden und 6 beschädigten Krankenhäusern; Operation »Keingenozid« 2023/​25 mit mindestens 48.000 Toten, ein paar KopfschusskindernE und rund 1,7 Millionen Wohnungslosen.

Bei der vorletzten und letzten, noch laufenden Operation arbeitete die IDF mit Präzisionsbombardements, deren Ziele mit Hilfe künstlicher IntelligenzE (KI) nach Algorithmen errechnet wurden, denen kein vernünftiger Mensch »Apartheid« vorwerfen kann, da sie sich am Individuum orientieren. Das KI‐​System funktioniert grob etwa so: Potenzielle Mitglieder von Terrororganisationen erhalten einen anhand vieler Daten – Gesichtserkennung, Handyüberwachung und Pipapo – bestimmten Skalenwert von 1 bis 100, dessen Höhe darüber entscheidet, wie viele Tote bei ihrer gezielten Tötung als Kollateralschäden in Kauf genommen werden dürfen. Auf Basis dieser Ergebnisse ermittelt ein KI‐​Modul namens »Where’s Daddy«/«Wo ist Papa« in Echtzeit, wann Personen mit hohem – oder auch niedrigenE – Skalenwert zuhause auftauchen, und schlägt das passende Wohnhaus als Beschussziel vor, das Angehörige der IDF nach 20 Sekunden Überlegung freigeben oder auch nicht. Durch diesen humanen Faktor wurden in Gaza viele Frauen gerettet, denn die 20 Sekunden reichten meistens aus, um das Geschlecht des Zieles herauszufinden. Da man davon ausgeht, dass in den Terrororganisationen Gazas keine Frauen mitmachen, gilt bei weiblichen Zielen als klar, dass sich die KI getäuscht haben muss. Man mag das »Sexismus« nennen, denn Söhne, die z.B. mit dem Handy vom Hamas‐​Papa zuhause aufkreuzen, werden weniger wahrscheinlich gerettet. Absehbar werden derartige Mankos mit der Zeit behoben und die in Gaza erprobten Technologien der Terrorbekämpfung zahlreichen demokratischen Staatswesen unterschiedlicher Mehrheitsethnien zugute kommen, so dass auch von daher nicht von »Apartheid« die Rede sein kann.

Sämtliche der hier nur angedeuteten Umgangsweisen des israelischen Staats mit den arabischen Anderen sind rechtsstaatlich fundiert, von der Knesset gedeckt und fußen letztlich auf demokratischen Mehrheitsentscheidungen der israelischen Bevölkerung.

Allerdings stellten einige gesetzlich ungedeckte Aktivitäten aus jüdischen Siedlungen heraus bereits vor dem 7. Oktober 2023 ein gewisses rechtsstaatliches Problem dar. Manchmal geraten dabei »palästinensische« Häuser in BrandE oder auch arabische Ziele vor eine der 150.000 Schusswaffen in SiedlerbesitzE. Mit der Verteilung einiger tausend Schnellfeuergewehre und anderer Armee‐​Waffen an interessierte Siedlungsangehörige durch das israelische Ministerium für SicherheitE nach dem 7. Oktober erhöhten sich die Zahlen nicht rechtsstaatlich gedeckter Erschießungen, Verletzungen, Brandstiftungen und VertreibungenE etwas. Da es aber nach wie vor bzw. jetzt erst recht fast immer um berechtigte Kollektivbestrafungen nach vorangegangenen arabischen Provokationen und Gewalttaten geht, würde es undemokratischer Zwangsmittel bedürfen, den israelischen Sicherheitskräften ein konsquentes Durchgreifen dagegen abzuverlangen.

5. Die zur Landesbesiedlung nötigen Maßnahmen sind an sich gewaltfrei

Sollte der letzte Abschnitt den Eindruck erweckt haben, die »palästinensische« Bevölkerung könnte in Verhältnissen leben, unter denen deutsche Büroangestellte zu den Waffen greifen würden? Sind in den angeblich »besetzten« Gebieten zur Motivierung bewaffneten »Widerstands« besondere Religiosität oder Fanatismus nötig oder reicht gewöhnliche Alltagserfahrung? Spielen Religiosität oder Fanatismus vielleicht erst eine Rolle, wenn es um die Überwindung der Angst geht, sich unter Lebensgefahr einem mächtigen und selbstverschuldet als »brutal« empfundenen Apparat entgegenzustellen?

Der Nichtantisemitismus kann dertige Fragen getrost offen lassen, da er einem jüdischen Nationalstaat (mindestens) im geografischen Gebiet Palästina entgegenstehende Lebensbedürfnisse der arabischen Anderen nicht als berücksichtigenswert in Erwägung zu ziehen braucht. Ob deren Lebensbedingungen zumutbar oder erträglich sind, ist hinsichtlich des Existenzrechts und Siedlungsgebietsbedarfs Israels letztlich egal. Trotzdem: Bei der Umsiedlung in die arabischen Nachbarländer, oder wohin immer sie wollen, sei der »palästinensischen« Bevölkerung jegliche Unterstützung und jeder Komfort gegönnt, soweit die internationale Gemeinschaft dafür aufkommt. Der Nichtantisemitismus ist eine im Kern friedliche und menschenfreundliche Haltung.

Der Pseudo‐​Nichtantisemitismus konnte lange Zeit unangenehme sozio‐​politökonomische Fragen der Gewaltentstehung vermeiden. Über die Lebensverhältnisse der »palästinensischen« Bevölkerung brauchte man nichts allzu Genaues wissen und konnte jegliche bewaffnete Aggression gegen Israel als übertriebenen FanatismusE angesichts eines eigentlich zumutbaren und erträglichen Lebens betrachten. Das funktioniert sogar im deutschsprachigen RaumE zunehmend schlechter.

Für weitere Verwirrung sorgt die Verbreitung von Kenntnissen über das VölkerrechtE, das bewaffneten »Widerstand« gegen angebliche Besatzungen und Kolonialherrschaften genehmigt, aber die jahrzehntelange Verweigerung einfacher Grundrechte wie ordentliches Verurteiltwerden vor längerer Gefängnishaft, Kollektivstrafen und das KI‐​gestützte Zuwarten, bis Terroristen zuhause in ihren Betten neben Kinderzimmern gut treffbare Ziele für Luftbombardements abgeben, auch dann verbietet, wenn die angebliche Besatzungs‐ bzw. Kolonialmacht eindeutig im Recht ist und andernfalls mehr Soldatinnen als unbedingt nötig opfern müsste.

Ein Pseudo‐​Nichtantisemitismus von gebildeten, demokratisch eingestellten Menschen kann kaum umhin, vom israelischen Staat im Umgang mit der »palästinensischen« Bevölkerung gewisse Zugeständnisse zu verlangen, die den israelischen Sicherheits‐ und Existenzinteressen zuwiderlaufen.

Seit dem 7. Oktober 2023 spielt hierbei ein Missverständnis eine Rolle: Die Bombardierung Gazas wird häufig als übertriebene emotionale Reaktion beurteilt. In der Öffentlichkeit spielt die Emotionalisierung der Ereignisse natürlich eine große Rolle. Doch mit und ohne 7. Oktober stellt das Plattmachen von Häusern ein rationales Vorgehen dar, um bei geringstmöglichen Verlusten an militärischem Personal und entsprechend ruhig bleibender »Heimatfront« Bodeninvasionen in städtischen Gebieten durchführen zu können. Anzunehmen, derartige Invasionspläne wären nicht bereits vorbereitet gewesen, hieße wahrscheinlich, die Planungskompetenz der IDF zu unterschätzen. Ob und wann diese die Durchführung einer Bodeninvasion für zweckmäßig halten, hängt höchstens unter anderem von den Aktivitäten der militärisch klar unterlegenen Gegenseite ab. Auch ist kaum davon auszugehen, dass ein in Operationen der psychologischen Kriegsführung hochqualifizierter Militärapparat darauf warten muss, bis eine diesbezüglich klar unterlegene Gegenseite »Begründungen« liefert, die sich nicht ohne deren aktives Zutun bereitstellen ließen.

In verkürzter nichtantisemitischer Perspektive scheinen »humanitäre« Interventionen, wie sie immer mal wieder die UNO oder auch die EU und sogar die US‐​Regierung lostreten, ein Ausdruck anti‐​israelischer und damit antisemitischer Haltungen zu sein. Doch sind es gerade solche Interventionen zu Gunsten der »palästinensischen« Seite, die deren bewaffnete Aggressionen gegen Israel delegitimieren. Wer von der UNO und westlichen Regierungen unterstützt wird, hat bewaffneten »Widerstand« nicht nötig!

Eine tiefergehende Analyse ergibt: Hätten bisherige Interventionen zu Gunsten der »palästinensischen« Seite mehr als nur kosmetisch gewirkt, wären mittlerweile die anti‐​israelischen Abkommen von OsloE umgesetzt und (entsprechend Punkt 1 zu verstehende) jüdische Siedlungsaktivitäten in den angeblich »besetzten« Gebieten unterbunden worden. Andererseits rücken die Interventionen in der öffentlichen Meinungsbildung demokratischer Staaten die Mächte, die sie lostreten und zugleich durch Waffenlieferungen, Geld und diplomatische Deckung die Durchsetzung der israelischen Sicherheits‐ und Existenzinteressen ermöglichen, in eine »Mitte der Vernunft«, in der sie gut dastehen und zu deren beiden Seiten verabscheuungswürdige extremistische Elemente liegen.

Mit Letzterem sollte aber nicht übertrieben werden: Von westlichen Regierungen sanktionierte »Siedler« sind »Radikale« oder »Extremisten«, nicht etwa »Terroristen« wie die Angehörigen der Hamas und anderer islamistischer Organisationen, für die es keine »judistischen« und »christistischen« Pendants gibt, so dass die Gleichsetzung der Hamas, HisbollahE usw. mit islamistischen Organisationen wie dem Islamischen Staat, Al‐​Nusra usw. viel leichter fällt als zum Beispiel die Gleichsetzung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit dem Ku‐​Klux‐​Klan. (Dass eine Unterscheidung zur islamistischen, Frauenrechte und israelische Verteidigungslandnahmen achtenden Haiʾat Tahrir asch‐​Scham in Syrien nötig werden würde, konnte niemand ahnen, lässt sich aber durch geeignete WortwahlenE kurzfristig beheben und auch wieder umkehren, falls es in Syrien zu allzu umfangreichen Pogromen gegen Andersgläubige oder zu anti‐​israelischen Allüren kommt.)

Kaum auf rein deklarativen und sprachlichen EbenenE zu behebende Schwierigkeiten für den Pseudo‐​Nichtantisemitismus entstehen, wenn die IDF aus nicht‐​jüdischisraelischem Blickwinkel allzu offensichtlich oder massenhaft Nichtkämpfende tötet.

[WICHTIGER HINWEIS: In einer Nacht‐ und Nebelaktion erließ der deutsche Bundestag 2022 eine Gesetzesänderung, die Leugnungen, Verharmlosungen sowie Billigungen aller möglichen für solche erklärte Völkermorde und Kriegsverbrechen unter Strafe stellt, wenn Richterinnen finden, dass sie sich dazu eignen, den »öffentlichen Frieden« zu stören (was bedeutet, dass sie ihn nicht nachweislich zu stören brauchen). Deshalb sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in dieser Anleitung zum Nichtantisemitismus Kriegsverbrechen und Völkermord im geografischen Gebiet Palästina in keinster Weise geleugnet, verharmlost oder gebilligt werden sollen.]5

Weshalb sollte das Töten einiger Hundert Nichtkämpfender durch die Hamas Terrorismus sein, das Töten zigtausender Nichtkämpfender durch die IDF aber Selbstverteidigung?

Der Kern einer Antwort wurde unter Punkt 2 gegeben: Entsprechend der einzig legitimen Judendefinitionsansagestelle als jüdisch qualifizierte Nichtkämpfende zu töten, ist wie auch das Töten als jüdisch qualifizierter Kämpfender per se antisemitisch und daher illegitim. Was pseudo‐​nichtantisemitisch noch fehlt, ist eine Begründung der Legitimität der Tötung als nichtjüdisch qualifizierter Nichtkämpfender durch die IDF. Beiden Seiten gleichermaßen (oder quantitativ gesehen vor allem der IDF) Terrorismus bzw. Kriegsverbrechen zu unterstellen, würde auf eine »Dilemma«-Haltung und damit Propagierung eines Multikultistaats hinauslaufen, also auf AntisemitismusE.

Gleich zu Beginn der Bombardierung Gazas tauchte in den Massenmedien die Erzählung vom »Anklopfen« auf, nach der die IDF durch harmlose Warnraketen und andere Maßnahmen Zivilpersonen Gelegenheit verschaffte, sich vor der Bombardierung ihres Wohnhauses in Sicherheit zu bringen. Abgesehen davon, dass sich auf diese Weise keine Bewaffneten unter den Zivilpersonen töten lassen, so dass der militärische Zweck von Wohnhausbombardierungen fragwürdig wird, ließ sich nach einigen Hunderten getöteten Nichtkämpfenden kaum mehr vermitteln, diese seien zur Flucht zu doof oder zu lahmarschig gewesen. Später teilten Medien wie die pro‐​israelische BBC überflüssigerweise auch noch mit, die IDF habe einen beträchtlichen Teil der Nichtkämpfenden in Gebieten bebombt, die sie zuvor als »sichere Zonen«E ausgewiesen hatte.

Als weiteres Argument zur Legitimierung des IDF‐​Vorgehens wird der Gebrauch »menschlicher Schutzschilde« durch die islamistischen Terrororganisationen angeführt. Doch auch, wenn »menschliche Schutzschilde« nicht nur durch die IDF benutzt würden, bliebe deren Tötung durch die IDF völkerrechtlich und in nicht‐​nichtantisemitischer Sicht ein Kriegsverbrechen. Ein Feind, der sich hinter »menschlichen Schutzschilden« verbirgt, wäre vom Militär – gleich etwa den störenden Gebirgen in Afghanistan und Jemen – als taktisch‐​strategischer Nachteil zu behandeln, der nicht durch Sprengung der »menschlichen Schutzschilde« behoben werden kann. Im konkreten Fall Gazas müssten aufgrund ungeeigneter Versteckmöglichkeiten und der israelischen Luftüberwachung die Terrormilizen zudem im freien Feld auf eine Bombe warten, um dem Vorwurf der Nutzung »menschlicher Schutzschilde« zu entgehen.

Wie lässt sich der Unterschied, dass die Tötung Nichtkämpfender durch die Hamas illegitimer Terrorismus ist, die Tötung Nichtkämpfender durch die IDF aber legitime Selbstverteidigung, pseudo‐​nichtantisemitisch denken? Braucht es nicht komplizierter Gedankenwindungen, dem bewaffneten Kampf einer Gruppe, die angeblich unter »völkerrechtswidrigen« Verhältnissen lebt, den Charakter der Selbstverteidigung abzusprechen und ihn einer Gruppe, die die angeblich »völkerrechtswidrigen« Verhältnisse angeblich aufrecht erhält, zuzusprechen?

Nicht unbedingt!

Den zur Behebung dieser Schwierigkeit nötigen Grundgedanken übten fast alle von uns bereits in Kindertagen:

Mitkind X hat aber angefangen!

Mit wachsender Lebenserfahrung lernen leider viele, dass das Leben so simpel nicht istE, und auch, dass es soetwas wie »Gewaltspiralen« gibt: Die eine Seite provoziert, die andere beleidigt, die eine haut, die andere haut doller, die eine sticht, die andere zahlt heim, die eine zahlt die Heimzahlung heim … 6

Um dem bei minimaler Lebensreife damit nahe gelegten anti‐​israelischen Multikulti-»Dilemma«-Denken zu entgehen, hilft es wenig, das Wort »Gewaltspirale« unbedingt zu vermeiden, wie es ein internes Papier der ARD zur Berichterstattung im »Nahostkonflikt« empfiehlt.7

Erwachsene benötigen echte Gründe, um sich selbst überzeugend vertreten zu können:

Die Anderen haben aber angefangen!

Im vorliegenden Fall haben die Anderen seit rund 100 Jahren angefangen. Das sind vier Generationen: immer wieder angefangen oder nie aufgehört anzufangen.

Einzusehen, dass eine Bevölkerungsgruppe mit der Eigenschaft, immer wieder oder ständig Ärger oder Schlimmeres vom Zaun zu brechen, eingehegt und kontrolliert werden muss, sollte nicht allzu schwer fallen. Der Gedanke, dass das nötige Ausmaß der Einhegung und Kontrolle von der Intensität abhängt, mit der die Eigenschaft durchschlägt, folgt von selber.

Stützen lässt sich diese Einsicht, egal um welche Bevölkerungsgruppe es geht, praktisch immer auf historische Fakten, auf ellenlange Listen nachweislicher Gewalttätigkeiten und Kompromisslosigkeiten, wie sie nur wenige Bevölkerungsgruppen nicht hergeben, da sie ab einem gewissen Umfang immer ergiebige Gemische bilden. Gemisch A: Abu Dschaʿfar Muhammad ibn Musa al‐​Chwārizmī, der Mufti von Jerusalem, Shadia Abu Ghazalah, Sindbad und saudische WeihnachtsmarktangreiferE – Gemisch B: Trotzki, Netanjahu, Marx, Ahrendt, Stalin und Rothschild – Gemisch C: Tante Hertha, Eichmann, Quandt, von der LeyenE und der Vergewaltiger zwei Straßen weiter …

Von »palästinensischen« CIS‐​Frauen erzogene »palästinensische« CIS‐​Männer machen sich hierbei nicht schlecht. Ob gewehrbewaffnetE, handybewaffnetE oder sandalenbewaffnetE: sie sind dermaßen kriminell, dass etwa 40 % von ihnen bereits hinter Gittern saßenE. Neuerdings schämen sie sich noch nichtmal, Demütigungen ihrer »Manneswürde« zuzugeben, indem sie nach ihrer Freilassung antisemitische Propaganda gegen teilweise gerechtfertigeE Gruppenvergewaltigungen durch israelisches Gefängnispersonal verbreitenE. Zugegeben: Dies unpraktischerweise, nachdem israelische Strafverfolgungsbehörden trotz intensiver Suche bisher keine Vergewaltigungsopfer des Hamas‐​Terrors am 7. Oktober 2023 auftreibenE konnten. Aus »palästinensischen« Kreisen stammende antisemitische Vernichtungsdrohungen, die vor dem Hintergrund der europäischen Geschichte besonders ernst zu nehmen sind, wiegen das aber mehr als auf, wenn sie sich vielleicht auch nicht gerade auf militärisch so mächtige Staatswesen stützen können wie das iranische RegimeE.

Für den Pseudo‐​Nichtantisemitismus, wenn er mit nach heutigen Maßstäben demokratischen und liberalen oder linken Positionen vereinbar sein soll, kommt es darauf an, die Einsicht in die Existenz von Bevölkerungsgruppen, deren Eigenschaften ihre Einhegung und Kontrolle nötig machen, nicht »rassistisch« finden zu müssen.

Eine erste Maßnahme hierfür ist die Sonderbeurteilung von Babies und Kleinkindern der betreffenden Bevölkerungsgruppe. Deren Verletzung bis Tötung hat grundsätzlich unbeabsichtigt und also, falls sie stattfindet, unvermeidlich zu sein. Unvermeidlichkeit in dieser Hinsicht kann nur durch die Erwachsenen und eventuell älteren Kinder und Jugendlichen der betreffenden Bevölkerungsgruppe erzeugt werden – was diese noch schlimmer, geradezu dämonisch, macht.

Eine zweite Maßnahme zur Herstellung von Nichtrassismus besteht darin, die Einsicht in die Existenz von Bevölkerungsgruppen, deren Eigenschaften ihre Einhegung und Kontrolle nötig machen, zu verengen: Sie gilt nicht etwa genausogut für schwarze Bevölkerungsgruppen in Südafrika oder Nordamerika oder für jüdische in Europa. Da sich für diese Gruppen – wie für fast alle Bevölkerungsgruppen, nicht zuletzt der weißen deutschen – ellenlange Listen mit faktischen Belegen für deren Gewalttätigkeiten und KompromisslosigkeitenE erstellen lassen, beruht ihre Nichtanerkennung als einzuhegendes und zu kontrollierendes Gefahrenpotenzial auf einer bewusst oder unbewusst eingenommenen Haltung, derartige Listen nicht als Begründung gelten zu lassen.

Diese Haltung mag aus einer Willensentscheidung, einer Moral, einer Kindheitstraumatisierung, einer schönen Kindheit und/​oder wirksamer Propaganda resultieren. Dasselbe gilt für eine Haltung der Anerkennung von Bevölkerungsgruppen als einzuhegendes und zu kontrollierendes Gefahrenpotenzial aufgrund von ellenlangen Listen mit faktischen Belegen für deren Gewalttätigkeiten und Kompromisslosigkeiten. Eher selten ist konsequentes Denken im Spiel, d.h. die Haltung, Listen mit faktischen Belegen für Gewalttätigkeiten und KompromisslosigkeitenE entweder überhaupt nicht als Begründung für den Einhege‐ und Kontrollbedarf von Bevölkerungsgruppen gelten zu lassen, oder sie immer gelten zu lassen, so dass mehr oder weniger die gesamte Menscheit einhege‐ und kontrollbedürftig wird. Beides ist kein Rassismus.

Weshalb stellt das Geltenlassen einer Liste faktischer Gewalttätigkeiten und KompromisslosigkeitenE der »palästinensischen« Bevölkerungsgruppe als Begründung für deren Einhege‐ und Kontrollbedarf keinen Rassismus dar? Ganz einfach: Kein bekannter Rassismus bezieht sich bloß auf eine »palästinensische« Bevölkerungsgruppe. Tatsächlicher Rassismus würde mindestens nicht‐​palästinensische muslimische, arabische und/​oder braune Leute einbeziehen. Einen speziellen, nur auf eine »palästinensische« Bevölkerungsgruppe bezogenen Mini‐​Rassismus kann es nicht geben, denn an einen derartigen Rassismus hätten nur liberal bzw. links und demokratisch eingestellte (natürlich nicht-»palästinensische«) Menschen Bedarf und diese erfinden sich per definitionem keinen Rassismus, da sie liberal bzw. links und demokratisch eingestellt sind.

Es spricht also nichts dagegen, an eine »palästinensische« Bevölkerungsgruppe zu glauben, die seit 100 Jahren dermaßen Ärger macht, dass ihr aus Sicherheitsgründen Grundrechte nicht gewährt werden können und Massentötungen Maßnahmen eines friedlichen Nationalstaats mit einer friedliebenden ZivilgesellschaftE darstellen, die durch »palästinensischen« Fanatismus und Hass aufgezwungen sind.

Wer so weit nicht gehen möchte, aber trotzdem gerne pseudo‐​nichtantisemitisch wäre, sei jedoch beruhigt: Aus nichtantisemitischer Sicht schadet es nicht allzu sehr, wenn Kreise Kritik am militärischen Vorgehen Israels üben, die keinen Einfluss auf entscheidende Kapitalfraktionen und Regierungen nehmen, weil für sie politische Massenstreiks sowieso nicht in Frage kommen. Es genügt völlig, in öffentlichen Meinungsbildungsprozessen den bewaffneten »Widerstand« als illegitim zu isolieren und dadurch für Spaltung zu sorgen. Was vom unbewaffneten »Widerstand« übrig bleibt, ist zu tragbaren GeldE- und HumankapitalnachteilenE behandelbar.

Fußnoten

1 Willkürlich habe ich die Übersetzung von Muhammad Assad gewählt. Bei der Gelegenheit: zur christlichen Bibel gibt es bemerkenswerte Übersetzungsunterschiede z.B. von Jeremia 7:3 und 7:7. Schlachter 2000: »3 So spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels: Bessert euren Wandel und eure Taten, so will ich euch an diesem Ort wohnen lassen! … 7 dann will ich euch an diesem Ort wohnen lassen, in dem Land, das ich euren Vätern gegeben habe, von Ewigkeit zu Ewigkeit.« Luther: »3 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Bessert euer Leben und Wesen, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort. …7 so will ich immer und ewiglich bei euch wohnen an diesem Ort, in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben habe.« Schlachter 2000 entspricht eher der Übersetzung des Tanach hier.

Manche Bibelverse deuten darauf hin, dass das biblische Zionsideal nicht auf Exklusion und Rausschmiss nichtjüdischer Personen aus dem heiligen Land hinausläuft, sondern im Gegenteil auf Inklusion: bisherige nichtjüdische Personen werden auf G‑ttes Pfaden wandelnd nach Zion strömen und ihre »Schwerter zu Pflugscharen« machen (Jesaja 2:2 – 4, auch z.B. Jesaja 56:3 – 7, Psalm 87:4 – 6, Hesekiel 47:22).

2 Zur Nationalstaatsbezeichnung wurde »Israel« in einer Ad‐​hoc‐​Entscheidung 1948E.

3 Zahlenquellen (alle in Englisch): The Israel Democracy Institute: Statistical Report on Arab Society in Israel: 2021; Wikipedia: Arab localities in Israel; Council on Foreign Relations 2024: Who Governs the Palestinians?

4 Dies ist kein Zitat und keine Übersetzung, da das »Israeli Democracy Institute« am Anfang des Dokuments, Seite 2, dergleichen verbietet.

5 Bei der Gesetzesänderung handelt es sich um eine Art Überanpassung an das EU‐​Recht. Eine Relativierung des Holocaust droht laut Bundestagsrechtsausschuss nicht, u.a. weil für dessen Leugnung usw. die Gefängnisstrafen erhöht wurden.

6 Den muslimischen Familien der großen Städte, die während der Gewalttätigkeiten der 1920er/​1930er Jahre jüdische Nachbarfamilien in ihren, inzwischen von jüdischen Familien bewohnten Häusern versteckten, wird ein Denkmal gesetzt werden, sobald niemand mehr eine Rückgabe der HäuserE verlangt.

7 Der Gleichsetzerei der Gewalt, die damit unterbunden werden soll, arbeitet das Wort »Konflikt« nur scheinbar entgegen. In Gaza steht eine Miliz aus rund 30.000 Freiwilligen einem hochmodernen staatlichen Militärapparat mit global‐​hegemonialen Kapitalinteressen im Rücken entgegen. Die im Wort »Konflikt« unterstellte Gleichheit der Seiten sorgt in der öffentlichen Meinungsbildung für begrüßenswert gleiche Bewertungsmaßstäbe des Ungleichen.

Bild: Raum Tel Aviv nach der Besetzung 1948, Wikimedia | Meitar Collection

One thought on “Anleitung zum Nichtantisemitismus
Teil 5: Pseudo‐Nichtantisemitismus

  1. (Einige) Juden erklären sich selbst zum einzigartigen, herausragenden »auserwählten Volk Gottes« und sehen sich seit Pharaos Zeiten, also seit 4.000 Jahren, unterdrück und verfolgt.Sollte man sich als Jude da nicht mal selber Fragen stellen wie das kommt, anstatt immer auf andere zu zeigen?

    Juden, wo sie verfolgt werden, verdienen Schutz, wo Juden ANDERE VERFOLGEN, verdienen sie Verachtung und Widerstand. Juden sind nämlich auch nur Menschen. Und nicht bessere und nicht schlechtere als andere.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert