
Serbien ist Schauplatz einer breiten Protestbewegung, deren Nährboden legitim ist, vor allem was die Jugend betrifft. Serbien war jedoch auch ein Laboratorium für Farbrevolutionen und verfügt immer noch über ein sehr aktives Netzwerk von Akteuren, die der US‐amerikanischen Soft Power untergeordnet sind. Besteht die Gefahr, dass die Forderungen der Bevölkerung für eine Agenda missbraucht werden, deren Ziele nicht demokratisch sind? Übersetzung eines Artikels von Philippe Scheller auf Investig’Action durch Heiner Biewer.
Im euro‐atlantischen Lager, in starker Bedrängnis und durch die Wahl von Donald Trump destabilisiert, scheint die Hoffnung zu schwinden, dass das Regime in Kiew den offenen Krieg, der seit 2014 über die Ukrainer gegen Russland geführt wird, gewinnen wird. Doch parallel dazu hat der vielfältige Druck aus allen Richtungen nie aufgehört und sich noch verstärkt, insbesondere in Georgien, Moldawien, Rumänien, der Slowakei und Serbien, wo jede Gelegenheit zur Destabilisierung von Regierungen, die der westlichen Doktrin nicht folgen, genutzt wurde und wird.
Serbien ist ein diesbezüglich ein »natürliches« Ziel, da es ein Kandidat für die Europäische Union ist, sich der NATO widersetzt und sich weigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen – sein erstes Verbrechen. Die serbische Regierung verurteilte jedoch die russische Intervention in der Ukraine, was im Einklang mit ihrer Haltung zum Kosovo steht, den sie als »gestohlene Provinz« betrachtet. Die USA haben im Übrigen vor kurzem das serbische Ölunternehmen NIS, das für das Land lebenswichtig ist und an dem Gazprom Neft seit 2008 die Mehrheit hält, mit finanziellen Sanktionen belegt.1
Serbiens zweites Verbrechen ist es, sich dem starken westlichen Drucks zur die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo nicht zu beugen. Die von der NATO (KFOR) unter UN‐Mandat besetzte Provinz im Süden Serbiens hatte am 17. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt. Es sei daran erinnert, dass die Ablehnung der Anerkennung von einer Mehrheit der UN‐Mitgliedstaaten geteilt wird, darunter fünf EU‐Länder: Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern. Die serbische Bevölkerung ist zu einem sehr großen Teil gegen die NATO eingestellt, die Serbien (einschließlich des Kosovo) im Laufe ihres von den Vereinten Nationen nicht erlaubten Angriffes im Jahr 1999 massiv bombardiert hatte. Auf der anderen Seite ist der tiefe Respekt, für manche sogar das Gefühl der Brüderlichkeit gegenüber Russland und seiner Bevölkerung in Serbien sehr weit verbreitet.
Die serbische Regierung beschuldigt nun ausländische Akteure, die aktuellen Proteste anzuheizen. Dieses Argument wird von der Opposition und den Demonstranten vom Tisch gewischt, was ihr gutes Recht ist. Dennoch deuten einige Fakten darauf hin, dass die Unruhen, die in Serbien seit dem Frühjahr 2023 ausgebrochen sind, nicht aus dem Nichts kommen und dass die Bewegung nicht so spontan ist, wie man glauben machen will.
1998 entstand in Serbien die Otpor-Bewegung, unterstützt vom US‐amerikanischen National Endowment for Democracy (NED), der Soros‐Stiftung und USAID, Organisiationen also, die eine führende Rolle beim Sturz von Slobodan Milosevic spielten.2 Srdja Popovic, Anführer der Otpor‐Bewegung, macht sich auf, die Welt zu erobern und gründete mit CANVAS (Centre for Applied Nonviolent Action and Strategies, Zentrum für angewandte gewaltlose Aktionen und Strategien) eine weitere Organisation. Diese bietet ihr »Know‐how« in rund 50 Ländern an, darunter in Georgien (für Kmara), Weißrussland (für Subr), der Ukraine (für Pora), in Russland, dem Iran, in Simbabwe, Vietnam oder auch in Venezuela – gegen die Regierungen Chavez und später Maduro. Im Januar und Februar 2011 sah man in den Straßen von Kairo das von ägyptischen Studenten hochgehaltene Otpor‐Symbol.3
Die Organisation Otpor erklärt, dass es keine erfolgreiche spontane Revolution gibt und dass alles auf die Planung und die angewandten Taktiken ankommt. Ihre Methode besteht aus vier Phasen: Situationsanalyse, operationelle Planung, Ausführung und schließlich technische Aspekte wie Logistik und Kommunikation. Die aktivistische Opposition in Serbien verfügt also tatsächlich über einen erfahrenen Kern, der mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist, um offensive Aktionen zur Destabilisierung der Regierung durchzuführen.4
Bis zum Amtsantritt von Donald Trump wurde der Apparat durch das Netzwerk der Oppositionsmedien unterstützt. Dazu gehört United Media, das in Serbien über ein umfangreiches und diversifiziertes Portfolio verfügt, welches Fernsehsender, Onlineportale – darunter insbesondere die Oppositionsplattform NOVA S – Printausgaben, Werbeagenturen und ein Vertriebsnetz umfasst. Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), das offiziell vom US‐Kongress und der CIA finanziert wird, ist neben dem unverzichtbaren Netzwerk der Open Society Foundation von George Soros ebenfalls aktiv.
Hauptansatzpunkt der Proteste ist die spürbare Verärgerung eines wachsenden Teils der Bevölkerung und der Jugend über die systemische Korruption, die im wirtschaftlichen und sozialen Bereich weit verbreitet ist und die im Mittelpunkt der Hauptangriffe der Oppositionsbewegungen gegen die Regierung von Präsident Vucic steht. Zu den wichtigsten Auslösern, die zu Massenprotesten führten, gehörten die Schießereien in Schulen in Belgrad (3. Mai 2023) und Mladenovac (4. Mai 2023),5 der Widerstand gegen das Vorhaben des Megakonzerns Rio Tinto, im Jadar‐Tal eine Lithiummine zu bohren,6 und dann, in jüngster Zeit, der Einsturz des Bahnhofsdachs in Novi Sad mit 17 Opfern, darunter 15 Tote.
In diesem Zusammenhang muss man kein scharfsinniger Geostratege sein, um zwei nicht konvergierende Agenden zwischen den als legitim zu bezeichnenden Bestrebungen – hauptsächlich der serbischen Jugend – und den versteckten Zielen der Destabilisierung oder gar des Sturzes der serbischen Regierung zu erkennen, was eine ausreichend chaotische Situation schaffen könnte, durch die die Russische Föderation einen »nicht feindlichen« Partner auf dem Balkan verlieren könnte.
Kann man hinter dem Radikalismus und der bis zum Äußersten gehenden Haltung der Führer der Protestbewegung, die sich jedem Kompromiss oder jeder von der Regierung vorgeschlagenen demokratischen Lösung widersetzen, eine transatlantische Agenda am Werk sehen? Präsident Aleksandar Vucic, der von den westlichen Medien als autoritärer, ja sogar diktatorischer Führer bezeichnet wird, hat mehreren Forderungen der Protestierenden nachgegeben, seine Regierung umgebildet und sogar ein Referendum und Neuwahlen vorgeschlagen, was die Opposition ablehnt: sie befürchtet, dass sich die Befragung in ein Plebiszit verwandeln wird und prangert vorauseilend einen manipulierten demokratischen Prozess an. Die Forderung nach Absetzung der derzeitigen Regierung zugunsten einer Übergangsregierung oder »Expertenregierung«, wie sie von einigen Anführern dieser im Aufbau befindlichen farbenfrohen Revolution geäußert wurde, verleiht ihr beunruhigende Aspekte der Vorbereitung eines Staatsstreichs, was auch in den Debatten in den serbischen Medien seinen Niederschlag findet.7
Verweise
1 US‐Sanktionen gegen Serbiens wichtigstes Öl‐ und Gasunternehmen, Euronews, 14.12.2024
2 Ukraine: the practice of protest, Le Monde diplomatique, Januar 2005
3 Friedliche Faust – Internationale Blaupause für den Regimewechsel, Le Monde diplomatique, Dezember 2019
4 Code Chavez, CIA contre Venezuela, Eva Golinger, édition Oser dire, 2006 Préface de Michel Collon p. 20, 27 – 32.
5 Operation Regime Change 2.0 in Serbien, Nachdenkseiten, 19. Juni 2023
6 Lithium: Sieg oder Pyrrhussieg gegen Bergbau‐Konzern Rio Tinto. Infosperber, 19. März 2022
7 »SOROS STECKT HINTER ALLEM!« Antic warnte: Dies ist eine farbige Revolution, es könnte ausländische Interventionen und Opfer geben, um Vučić zu stürzen Novosti 2. Februar 2025 (serbisch)
Französisches Original erschienen bei Investig’Action
Bild: David Peterson (Pixabay)
Die orchestrierten Massenmedien halten die Bevölkerung stumm und starr – außer für regierungsamtliche Gratismut‐ und Gutesgewissen-»Demonstrationen« ala »gegenrechts« – die von einflussreichen, profitorientierten Personen finanzierten »NGOs« aktivieren und radikalisieren Unzufriedene und Klein‐ und Kleinst‐Bewegungen.
Das perfekte Umfeld geschaffen zur Gedankenkontrolle und Machtanhäufung durch die Gewissen‐ und Skrupellosen.
Wo sind nur all die Anständigen und Ehrlichen hin?