Alles, was sich bewegt, ist rot: Dialektischer Optimismus gegen BRICS‐Nihilismus

Denn alles, was lebt, ist heilig, Leben vergnügt sich beim Leben;
Denn die Seele der süßen Wonne kann niemals befleckt werden.
Feuer umhüllen den irdischen Globus, doch der Mensch wird nicht verzehrt.

William Blake, America: A Prophecy (1793)

»Sie müssen wissen, dass Sie für die BBC arbeiten – und alle Menschen, Sie arbeiten für Al Jazeera, Al Arabiya – dass jeder in Syrien, die Bevölkerung Syriens, sehr, sehr sicher weiß, dass Sie lügen.«1

Tout ce qui bouge, n’est pas rouge: Nicht alles, was sich bewegt, ist rot. In den späten Nullerjahren hatte man das Gefühl, dass dieser Satz – zusammen mit dem thematisch verwandten Schlagwort Farbenrevolution – die bestimmende politische Erkenntnis der Ära zusammenfasste.

Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, dass er tatsächlich den Zeitgeist einer wiederauflebenden kommunistischen Bewegung in den letzten zwei Jahrzehnten einfängt – zumindest in bestimmten Teilen der Jugend, jedenfalls im Westen – und zwar als Reaktion auf die Beschleunigung des umfassenden Angriffs der globalen herrschenden Klasse auf die Menschheit, vollzogen inmitten einer Flut von Desinformation und Desorientierung, in der sich die Versklaver und Besatzer überall in den geraubten Leichen erschlagener Revolutionäre maskieren.

Dieser Artikel wird versuchen, eine angemessene Einschätzung der jüngsten Ereignisse zu geben; es wird der Standpunkt vertreten, dass alle, die den Sturz der Klassengesellschaft und die Errichtung einer wirklich gerechten Gesellschaftsordnung anstreben, dem syrischen Volk und seinem unerschütterlichen Widerstand gegen das Imperium unter der Führung von Bashar Al‐​Assad unermesslich viel zu verdanken haben.

Erstens verdanken wir ihm die Heilung des ideologischen Krebses, den wir wohl etwas unbeholfen als »farbrevolutionär‐​ultralinker‐​interventionistischer‐​Liberalismus« bezeichnen könnten. Damit ist die ununterbrochene Zwangsdiät aller kompatibel‐​linken Knotenpunkte gemeint, die darauf bestehen, dass jede imperiale Geheimdienstoperation auf der ganzen Welt in Wirklichkeit eine schöne, edle »antiautoritäre« Rebellion gegen Milosevic‐​Mugabe‐​Stalin‐​Hitler‐​Gaddafi‐​Assad‐​Aristide sei.

Jetzt jedoch ist es durchaus berechtigt zu hoffen, dass ihnen auch die endgültige Niederlage der gewaltigen Maschinerie der Desorientierung und Desinformation verdankt werden könnte, die die herrschende Klasse mit enormen Kosten und Anstrengungen ausgearbeitet hat, um diese grundlegende Einsicht in seinen eigenen faschistischen Wechselbalg zu vereinnahmen, zu verdrehen und zu kooptieren: den Multipolarismus.

Siehe unten die Diskussion mit dem Autor des hiesigen Artikels mit den Leuten des des Podcast What’s Left?

Denn es galt und gilt: Nicht alles, was sich bewegt, ist rot. Alles, was als Revolution vermarktet wird, ist es mit Sicherheit nicht. Das ist im Syrien von heute deutlich genug. Die Agenten der herrschenden Klasse haben diese Einsicht jedoch in ihr Gegenteil verkehrt: Durch eine Unzahl verschiedener Kanäle versuchten diese, sie durch die Überzeugung zu ersetzen, dass nichts, was sich bewegt, rot ist: dass es keine Hoffnung gibt, die man in einer Revolution von unten suchen könnte.

Dann nutzten sie die gerechtfertigte Hingabe, die echte Volksführer wie Assad, Nasrallah oder Mozgowoi hervorriefen, um die Sehnsucht nach fähigen Führern wie diesen in eine feige Machtanbetung der sehr erfolgreichen Konterrevolutionäre zu verdrehen, die solche Führer verraten und ermorden und die immer dreister in revolutionärem Gewand herumstolzieren: Putin, Xi, Jeffrey Sachs!

Als diese skandalöse Verkehrung der Realität ihren Höhepunkt erreicht hatte, begannen sogar offene Faschisten wie Modi und die Bharatiya Janata Party und der Kronprinz des Königreichs Saudi‐​Arabien, Mohammad Bin Salman, dem Spektakel eine absurde Aura des antisystemischen Potenzials zu verleihen, die glanzvoll vermarktete Mystik des BRICS‐​Multipolarismus. Groteske Larouche‑, Dugin‐ und Buchanan‐​Materialien (siehe den berüchtigten Larouche‐​Reflux‐​Komplotismus des »Kulturmarxismus« von Gabriel Rockhill und der American Communist Party, der kaum vom Original oder den Breivik‐​Manifest‐ und Žižek‐​Versionen zu unterscheiden ist) wurden ausgegraben und neu mobilisiert, um diejenigen, die der Farbrevolution kritisch gegenüberstehen, in die Liebe zur Ordnung zu locken. Man tauschte die materialistische Analyse gegen die verstaubtesten und karikaturhaftesten Formen einer »vernünftigen« geostrategischen »Realpolitik« ein.

Anmerkung des Übersetzers: Pat Buchanan ist eine amerikanische politische Persönlichkeit, deren paläokonservativer2 Anti‐​Interventionismus oft als oppositionelle Außenseiterperspektive vermarktet wird, die vorgibt, den amerikanischen Imperialismus aus einer nationalistischen/​chauvinistischen Perspektive zu kritisieren. Sie stützt in betrügerischer Weise die Vorstellung, dass Amerika aus naivem Altruismus als »Weltpolizist« agiert. Dabei überschneidet sie sich stark mit extremeren reaktionären und verschwörerischen, oft strukturell, wenn nicht offen antisemitischen, Denkweisen, wie sie mit der John Birch Society oder dem Larouchianismus in Verbindung gebracht werden. Die Larouche‐​Sekte3 ist in Deutschland über das Schiller‐​Institut und die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) aktiv. Diese breitere Ideenkonstellation ist in Deutschland bei vielen Anhängern von Wagenknecht, der AfD und der Reichsbürgerbewegung verbreitet. Sie haben bei den absteigenden kleinbürgerlichen Gegnern der Corona‐​Maßnahmen und des Ukraine‐​Krieges erheblichen Anklang gefunden. Derlei Vorstellungen finden sich in Medien wie Compact und in abgeschwächter Form teilweise bei Manova, Anti‐​Spiegel, Apolut und dergleichen.

Auch wenn sich viele dagegen sträubten, so obliegt es uns doch, darauf zu bestehen, dass das dialektische Pärchen nach wie vor wahr ist und seine Kraft nun voll zur Geltung kommen kann: Denn in einem anderen Sinne ist alles, was sich bewegt, rot. Es ist diese rote Flut alles Lebenden, die das Imperium der Oberherren im Visier hat: um sie zu erobern oder zu vernichten, wenn sie sich nicht fügen – wie Gaza, wie Syrien.

Alles, was sich bewegt, ist rot, mit der einzigen quantitativ vernachlässigbaren Ausnahme des Ausbeuters, des Feindes. Das Leben lehnt sich gegen den Faschismus auf; die Menschheit strebt unweigerlich nach Befreiung. Für uns fühlt sich die Lage düster an, aber Solidarität – so kraftvoll als »die Zärtlichkeit der Völker«4 beschrieben von Che Guevara, dessen »Blut rot war und dessen Herz links schlug«, – könnte die Kräfte der nihilistischen Machtanbetung doch noch überwältigen.

Einer unserer Vorteile ist ihr dreister Hang zur Selbstdarstellung. In ihren grotesken und inkohärenten Verrenkungen, mit denen sie die Geschichte des syrischen Kampfes – des arabischen Kampfes, des menschlichen Kampfes – umzuschreiben versuchen, offenbaren die BRICS‐​Lautsprecher überall ihre Erbärmlichkeit, ihren Hass auf die Massen und ihre Liebe zum Knüppel. Sie stellen sich für alle sichtbar als unsere Feinde bloß. Hört den türkischen Dichter Năzim Hikmet:

Sie sind die Feinde der Hoffnung, meine Geliebte,
die Feinde des fließenden Wassers
des fruchttragenden Baumes,
eines wachsenden und sich verbessernden Lebens.
Denn der Tod hat seinen Stempel auf ihre Stirn gedrückt
– verfaulte Zähne, verfaultes Fleisch –
Sie werden stürzen und verschwinden
und nie wiederkehren.
Und gewiss, meine Geliebte, gewiss,
in diesem schönen Land wird die Freiheit
frei umher gehen
wird in ihrer herrlichsten Aufmachung umher gehen
in den Blaumännern der Arbeiter.5

Vom Leben und Sterben der Farbenrevolution

Nach der Niederlage der ersten Welle der kommunistisch‐​sozialistischen Revolution und der Zerschlagung des real existierenden Sozialismus machte sich die herrschende Klasse daran, sich systematisch von allen Zugeständnissen und Kompromissen zu verabschieden, die die noch in kapitalistischen Verhältnissen gefangenen Arbeiter errungen hatten. Dies war die Folge des fast tödlichen Schlags, den die herrschende Klasse erlitt, als die globalen revolutionären Massen sich selbst und ihre Ressourcen dem Zugriff der Ausbeutung durch die Eigentümer entzogen. Mit der Rückeroberung dieser verlorenen Länder und Menschen – durch List, Verrat und ungezügelten Contra‐​Terror – beschleunigte die nun weltweit herrschende Klasse ihre Reconquista und war bestrebt, anstelle der Institutionen des Klassenfriedens ihre durchgehende Diktatur über die gesamte Menschheit zu errichten.

Eine große Anzahl von Pseudoautoritäten wurde gesponsert, um die Massen der Menschheit abzulenken, zu stören und zu desorientieren, während die herrschende Klasse zynisch ihr Projekt der erneuten Versklavung, Ausmerzung und Einsperrung der Menschheit unter dem Deckmantel des Gegenteils startete: eine große, explosive Epoche der Befreiung, des Jubels über einstürzende Mauern und gestürzte Despoten, der Feier von Unterschieden in Gleichheit durch Verschmelzung und Hybridität und so weiter.

Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Universitäten hatten Trotzkisten und andere verwirrte und böswillige Intellektuelle die Arbeiter des Kerns, mit denen sie zankten, gelehrt, dass ihre Sozialdemokratie, ihre Wohlfahrtsstaaten und der relativ komfortable Lebensstil, den die meisten Menschen in der Ersten Welt erreichen können, ein Bestechungsgeld sei, das sie aus den Superprofiten der Peripherie erhalten. Trotzkisten und jetzt auch Scheinkommunisten verbreiten diese Fehlinterpretation von Lenins Werk immer noch.

Dabei war das Gegenteil der Fall: Es waren gerade die Siege der Massen in der Peripherie, die die Profite schmälerten und sie wesentlich unsicherer machten. Das wiederum zwang die imperialistische Bourgeoisie dazu, sich stärker auf die einheimische Arbeiterschaft zu verlassen und somit aus einer Position beispielloser Schwäche heraus zu verhandeln. (Die berüchtigten Rechtfertigungen für den Volcker‐​Schock sollten dies allen klar machen). Dies und die sozialen Bewegungen des Kerns, die die interne Superausbeutung in der Kernarbeiterschaft beseitigten und die Klasseneinheit stärkten, führten zu einer Periode des weltweiten Vormarsches der Arbeitermacht (das sind weitere Fakten, die im Widerspruch zu den jetzt vorherrschenden verderblichen pseudolinken Fabeln stehen).

Man könnte die Zugeständnisse und Kompromisse der sogenannten »dreißig glorreichen Jahre« der Macht der Arbeiterklasse sehr schematisch auf Suavys »drei Welten« der Ära des Kalten Krieges übertragen.

In der ersten Welt war die herrschende Klasse gezwungen, den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat oder verschiedene Varianten davon zu akzeptieren. Wegen der dadurch geschaffenen sozialen Bedingungen hatte sie Mühe, den Kräften zu widerstehen, die für die Überwindung der internen Kolonisierung und der Superausbeutung entlang ethnischer, geschlechtlicher, sexueller und konfessioneller Linien kämpften.

Im Umgang mit der Zweiten Welt waren sie gezwungen, zumindest rhetorisch einen minimalen »liberalen« Konsens in Bezug auf bürgerliche Freiheiten, Menschenrechte, internationales Recht und so weiter zu akzeptieren – obwohl sie nie aufhörten, diesen sowohl in der Praxis als auch in der Propaganda zu untergraben.

Schließlich waren sie in der Dritten Welt oder in den blockfreien Staaten gezwungen, eine Reihe nationalistischer antikolonialer Staaten und deren progressive, auf Entwicklung ausgerichtete Programme zu tolerieren, mit ihnen zu verhandeln, sie zu umwerben oder sogar zu unterstützen, wo immer sie nicht direkt eine Diktatur errichten konnten.

Dies ergab sich, wie wir anmerken sollten, sowohl aus dem revolutionären Druck innerhalb dieser Länder als auch aus den dynamischen Erfordernissen, die sowohl Märkte als auch Ressourcen für das kapitalistische System verlangten, das durch die oben beschriebene Situation gerettet und am Leben erhalten worden war.

Wie selbst Keynes nur vage begriff, als er bemerkte, dass der Kapitalismus, um zu überleben, die »Euthanasie des Rentiers« benötigen würde, waren die von Marx so klar beschriebenen, selbstzerstörerischen Tendenzen des kapitalistischen Systems durch die massive Zerstörung des Zweiten Weltkriegs und den teilweisen globalen Sieg des Sozialismus teilweise aufgehalten und umgelenkt worden.

Während der genaue Wendepunkt, an dem die herrschende Klasse die Oberhand gewann, umstritten ist, würden nur wenige bestreiten, dass sich das Blatt der Geschichte (wenn auch nur vorübergehend) für mindestens zwei Jahrzehnte und vielleicht sogar für ein halbes Jahrhundert gewendet hat. Wie die Freie Linke Zukunft in ihrer Erklärung zum Tag des Sieges 2023 betonte:

»Der Faschismus ist wieder da. Überall auf der Welt, bewaffnet und an der Macht. Unsere Helden und Märtyrer wehmütig mit Liedern zu besingen, mit Märschen, Reden und Mahnwachen zu ehren, reicht längst nicht mehr. Die unbequeme und unwiderrufliche Wahrheit ist anerkennen: Der Befreiungskampf muss erneut gefochten werden – und zwar von uns.

Die demokratischen Freiheiten und der hohe Lebensstandard im Westen des vergangenen halben Jahrhunderts waren weder ein Geschenk der ›kapitalistischen Produktivität‹ noch einer wohlwollenden herrschenden Klasse. Ganz im Gegenteil. Der Sozialdemokratismus war ein durch ein Kräftegleichgewicht im Klassenkampf bedingter Waffenstillstand. Er wurde den westlichen herrschenden Klassen durch die organisierte Macht der Arbeiterklassen mittels stetiger Sedimentierung von Siegen durch jahrzehntelange Arbeitskämpfe im imperialen Kern selbst abgerungen. Aber mehr als alles andere wurde die Sozialdemokratie im Westen durch den real existierenden Sozialismus im Osten und die Siege und antiimperialistischen Volksregime im Süden möglich. Sie war ein Produkt der Volksmacht, der Siege der Massen, ihrer vollständigen oder teilweisen Befreiung aus dem Griff der vielköpfigen Hydra aus Kapitalismus, Imperialismus und Faschismus. Die sozialdemokratischen Resultate wurden durch einen entschlossenen Klassenkampf errungen. Und sie wurde verloren als Ergebnis eines ebenso entschlossenen – bewussten, koordinierten und ›verschwörerischen‹ – Kampfes seitens der herrschenden Klasse.

Die große Welle der Befreiung, ausgelöst durch die Oktoberrevolution, hat ihren Tiefpunkt erreicht. Große einst von fortschrittlichen Kräften mit den Kommunisten an der Spitze befreite Teile der Welt sind vom Klassengegner zurückerobert worden. Das gilt nicht nur im Ausland, sondern auch hier bei uns. Mit dem weltweiten Sieg der Konterrevolution in den 90er‐​Jahren hat sich die herrschende Klasse daran gemacht, jeden Zentimeter der ehemals sozialistischen Welt erneut zu versklaven und das, dessen sie nicht habhaft werden konnte, zu zerstören. Ebenso eifrig hat sie sich daran gemacht, wirtschaftlichen Errungenschaften zurückzudrängen: den existenzsichernden Lohn, gerechte Renten, menschenwürdige Wohnungen – ja, bald dürfte dank des extremen energiepolitischen Angriffs auf die Massen sogar ein warmes, beleuchtetes Zuhause zu einem seltenen Privileg werden!

Und es ist nicht nur das ›Soziale‹ in der ›Sozialdemokratie‹, das so gut wie verschwunden ist. Mit ungeheuerlicher Dreistigkeit setzt die herrschende Klasse die pervertierten Reste unserer früheren sozialen Freiheiten als Waffen gegen unsere letzten verbliebenen Bürgerrechte ein:

Gesetze gegen Volksverhetzung werden eingesetzt, um die Kritik an der Nazi‐​Propaganda zu kriminalisieren; das Gesundheitssystem wurde in einen riesigen Apparat der Überwachung, der Folter, der Eugenik und der Entvölkerung verwandelt; legitime ökologische Bedenken werden kooptiert, um der Bevölkerung ihre eigene Verarmung und Versklavung als gerechten Sieg von Mutter Erde zu verkaufen; das Telekommunikationsnetz wird zu einem riesigen Käfig um uns herum geschweißt.«6

In ähnlicher Weise wurde weltweit jede Schlacht zur Wiederversklavung der Menschheit – insbesondere für ein leichtgläubiges und chauvinistisches westliches Publikum – als ihr Gegenteil verpackt. Daher die Allgegenwart der »Farbenrevolution«. Ähnlich wie der Begriff »Faschismus« war dies ursprünglich (und ist in manchen Kreisen auch heute noch) ein Gegenstand der Selbstidentifikation. Er fand jedoch auch in der wirklich systemfeindlichen Linken schnell weite Verbreitung als nützliches Kürzel – nicht nur für die anfängliche Welle der von der westlichen Intelligenz orchestrierten, pseudopopulären Angriffe auf die Reste von Macht und Reichtum der Arbeiterklasse in der gesamten ehemaligen Sowjetunion und ihrem Umkreis, sondern letztlich für die gesamte damit zusammenhängende Konstellation von Mitteln und Methoden, mit denen die imperialistischen Angriffe auf die Volksmacht auf der ganzen Welt durchgeführt und vermarktet wurden, um sie einem liberalen und linken Publikum (insbesondere im Westen) zu verkaufen.

Nachdem der Sozialismus‐​Kommunismus in Osteuropa und dem größten Teil Zentral‐ und Ostasiens weitgehend besiegt worden war, befanden sich die bedeutendsten Überreste des Volksvermögens und der Volksmacht auf der Welt mit ziemlicher Sicherheit in Westasien und Nordafrika – insbesondere in den Staaten, die durch das ineinandergreifende Erbe des Panarabismus, Panafrikanismus, der Blockfreiheit und, auf kompliziertere Weise, der antisystemischen Strömungen des politischen Islam, die allen voran mit der Islamischen Revolution im Iran in Verbindung stehen.7

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Staaten institutionalisierte Ausdrucksformen zutiefst instabiler und oft sehr einseitiger Waffenstillstände im Klassenkampf waren, sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene. Diese Tatsache hat ihre komplexe Geschichte besonders anfällig für Fehlinterpretationen und oft absichtliche Falschdarstellungen in den antidialektischen pseudolinken Narrativen und Denkmustern gemacht, die die Propagandisten der herrschenden Klasse unablässig zu säen versuchen, um das gegenseitige Verständnis, die Solidarität und die Zusammenarbeit unter den Massen zu untergraben.

Besonders desorientierend waren die facettenreichen Verzerrungen dieser globalen Umgestaltung auf der Ebene des Spektakels. Allen voran die weltweite Ausstrahlung des Millenniums‐​Propagandaspezials, des viel gefeierten Endes der Geschichte. Die herrschende Klasse bot im Stil einer Montage die Lynchjustiz an einigen ihrer eigenen Handlanger auf, gemischt mit einer Reihe populärer Anführer und einigen Kompromisskandidaten dazwischen.

Auf einer tieferen ideologischen Ebene wurde im Rahmen des Spektakels jedoch ein gewaltiger Produktionsprozess irrationaler und scheinheiliger Abstraktion angeworfen. Mittels moralischer Feigenblätter als Ersatzfiguren wurde immer offener ein Bild der tugendhaften globalen herrschenden Klasse im Gegensatz zur sündigen Menschheit konstruiert, willfährige Ersatzfiguren anstelle von echtem Fortschritt positioniert. Insbesondere bei Obamas erstem Anlauf wurden alle Auswirkungen des schwarzen Widerstands und Fortschritts diesem inhaltsleeren Trugbild zugeschrieben, während die echten schwarzen Massen kriminalisiert und enteignet wurden. Die Führung von Ferguson wurde ermordet und durch Handlanger der Demokraten ersetzt.

Otto von Bismarck, bekannt dafür, die herrschende Klasse Deutschlands durch die Errichtung des ersten modernen Wohlfahrtsstaates zur Abwehr der drohenden sozialistischen Revolution geführt zu haben, beschrieb Politik bekanntermaßen als »die Kunst des Möglichen, des Erreichbaren in einer gegebenen Situation«, sprich die Kunst des Nächstbesten.8 Diese rudimentäre Wahrheit scheint vielen sogenannten Marxisten heute ständig zu entgehen. Sie scheinen nur in idealisierten Abstraktionen zu denken und können sich Siege oder Niederlagen der herrschenden Klasse nur in bestimmten flachen und stereotypen Bildern aus der Vergangenheit vorstellen. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, folgenden zentralen Punkt von Marx zu begreifen:

»Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.«9

Dieser grundlegende Menschenverstand ist notwendig, um zu verstehen, dass die folgende Sequenz Teil einer einheitlichen Geschichte ist: Zu einem bestimmten Zeitpunkt im globalen Klassenkrieg arbeiteten die USA daran, Saddam Hussein als die beste der realen Möglichkeiten angesichts des damaligen Kräfteverhältnisses zu installieren, als die »nächstbeste« Sache gegenüber einem reinen haschemitischen Monarchen. Zum anderen wollte oder konnte die herrschende Klasse keinen wirklichen irakischen Staat mehr dulden, keine auch nur annähernd funktionierende Anordnung kollektiver Macht und kollektiven Eigentums der irakischen Massen – selbst innerhalb einer Hierarchie, die einst der globalen kapitalistischen Akkumulation diente.

Unser Verständnis dieser Veränderungen darf sich nicht auf die oberflächliche »Figuren auf dem Schachbrett«-Geopolit-Klugscheißerei beschränken, die so viele zu verführen scheint: Der Inhalt der Politik und der eigentliche Charakter eines Staates stehen in einer grundlegend dialektischen Beziehung zum Gleichgewicht des internen und externen Klassenkampfes. Marx beobachtete zum Beispiel, wie die französische Bourgeoisie in ihrem Taumel in Richtung Reaktion während der Zweiten Republik richtig erkannte, dass die archetypisch »liberale« und »bürgerliche« Politik in dem Maße, in dem sie zu einer Waffe in den Händen der Arbeiterklasse zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen geworden war, im Wesentlichen »sozialistisch« wurde:

»Handelte es sich um Petitionsrecht oder um Weinsteuer, um Preßfreiheit oder um Freihandel, um Klubs oder um Munizipalverfassung, um Schutz der persönlichen Freiheit oder um Regelung des Staatshaushaltes, das Losungswort kehrt immer wieder, das Thema bleibt immer dasselbe, der Urteilsspruch ist immer fertig und lautet unveränderlich: ›Sozialismus!‹ Für sozialistisch wird selbst der bürgerliche Liberalismus erklärt, für sozialistisch die bürgerliche Aufklärung, für sozialistisch die bürgerliche Finanzreform. Es war sozialistisch, eine Eisenbahn zu bauen, wo schon ein Kanal vorhanden war, und es war sozialistisch, sich mit dem Stocke zu verteidigen, wenn man mit dem Degen angegriffen wurde.

Es war dies nicht bloße Redeform, Mode, Parteitaktik. Die Bourgeoisie hatte die richtige Einsicht, daß alle Waffen, die sie gegen den Feudalismus geschmiedet, ihre Spitzen gegen sie selbst kehrten, daß alle Bildungsmittel, die sie erzeugt, gegen ihre eigne Zivilisation rebellierten, daß alle Götter, die sie geschaffen, von ihr abgefallen waren. Sie begriff, daß alle sogenannten bürgerlichen Freiheiten und Fortschrittsorgane ihre Klassenherrschaft zugleich an der gesellschaftlichen Grundlage und an der politischen Spitze angriffen und bedrohten, also ›sozialistisch‹ geworden waren. In dieser Drohung und in diesem Angriffe fand sie mit Recht das Geheimnis des Sozialismus, dessen Sinn und Tendenz sie richtiger beurteilt, als der sogenannte Sozialismus sich selbst zu beurteilen weiß […].«10

Mit der Niederlage des real existierenden Sozialismus wurden die Kompromisse des Kalten Krieges für die globale herrschende Klasse untragbar. Dies lag nicht nur daran, dass sie es sich jetzt leisten konnte, jene zu demontieren, sondern auch daran, dass sie es jetzt musste: Mäßig freie, ermächtigte Menschen, ein Mindestmaß an Kontrolle über ihre Lebensbedingungen, den von ihnen geschaffenen Wohlstand und seine Verteilung – ob »zu Hause« im imperialen Kern unter den sogenannten »Arbeiteraristokratien« oder »im Ausland« an Orten wie Jugoslawien, Irak, Libyen oder Syrien – genießend, stellten eine inakzeptable Bedrohung für die globale herrschende Klasse und ihre globalen Pläne dar.

Eine ausführlichere Darstellung der Konsolidierung und Transformation der herrschenden Klasse im letzten halben Jahrhundert sowie ihrer aktuellen Entwicklung und Ambitionen findet sich in »Imperialismus heute ist Verschwörungspraxis«, »Multipolarismus ist Neo‐​Kautskyismus« sowie in Molly Kleins Substack und Vorträgen. An dieser Stelle soll jedoch lediglich betont werden, dass die derzeit von der herrschenden Klasse betriebene globale und umfassende Versklavung der Menschheit mit selbst begrenzten Autonomiebestrebungen überall auf der Welt unvereinbar ist.

Diese Autonomiebestrebungen bieten unter anderem Möglichkeiten für die solidarische Nutzung des gesellschaftlichen Mehrwerts (zum Beispiel bei der Unterstützung der Palästinenser), die Produktion unabhängiger journalistischer, literarischer oder kultureller Werke (wie sie Syrien einst hervorgebracht hat) oder die Entwicklung von Selbstverteidigungskapazitäten. Der Kapitalismus verlangte nach großen Bevölkerungen und Wirtschaftswachstum – aber genau das wird jetzt von der postkapitalistischen Avantgarde der herrschenden Klasse bedroht.

Unter diesen Umständen wurde die Verteidigung von Vereinbarungen, die einst von der herrschenden Klasse als akzeptable Alternative zum Kommunismus toleriert wurden, »sozialistisch« oder sogar »kommunistisch«. Genau in dem Sinne, wie Marx es oben beschreibt: Es wurde sozialistisch, ein Land gelegen selbst in der Ödnis zu haben, in dem es eine nationale Armee oder umherstreifende Söldnerbanden geben konnte, die sich mit einer Scud zu verteidigen können, sollten sie mit einer Tomahawk angegriffen werden.

In diesem Zusammenhang können wir die enorme Bedeutung des Krieges gegen Syrien im Besonderen ermessen. Denn vielleicht mehr als bei jedem anderen Thema begann der ideologische und propagandistische Würgegriff, den die herrschende Klasse nach dem 11. September auf das politische Bewusstsein der Bevölkerung ausgeübt hatte, bei Syrien zu bröckeln – und zwar vor allem dank des erfolgreichen militärischen Widerstands gegen das Imperium unter der Führung von Assad, der Syrischen Arabischen Armee und ihren regionalen Verbündeten.

Mit der Zerstörung der Zwillingstürme kündigte die herrschende Klasse eine neue Phase ihrer globalen imperialen Reconquista an. Natürlich lieferte der Angriff einen Vorwand für zwei lang geplante Kampagnen: die erste – »im Ausland« – gegen alle Spuren von Volksmacht in Westasien und Nordafrika, insbesondere dort, wo sie sich um bedeutende Ölressourcen konzentrierte; die zweite – an der »Heimatfront« – gegen formelle Bürgerrechte und den sozialdemokratischen Konsens gegen offene Engstirnigkeit und Chauvinismus.

Symbolisch gesehen diente die Entscheidung zur Zerstörung der Zwillingstürme zweifellos auch dazu, unter anderem die Ernsthaftigkeit ihrer Absicht zu signalisieren, die Überreste der Finanzordnung der Nachkriegszeit zu demontieren und den amerikanischen Arbeitern alle imperialen Privilegien und Schutzmaßnahmen zu entziehen, die ihnen ihre Staatsbürgerschaft und ihr Wohnsitz ihrer Meinung nach gewährten. In Bezug auf die Propaganda scheint es auch der erste groß angelegte Einsatz dessen gewesen zu sein, was seitdem zum überwältigend dominierenden Stil des Wahrnehmungsmanagements geworden ist.

Denn mit der Entfaltung der 9/​11‐​Operation wurde der Öffentlichkeit einerseits eine lächerliche, dreist inkohärente, rasend rassistische und islamfeindliche »offizielle Geschichte« der Ereignisse vom Bush‐​Cheney‐​Regime präsentiert (sie war in der Tat so inkohärent, dass man sie kaum als Geschichte bezeichnen konnte, sondern eher als eine Sammlung von Affekten). Das Fehlen einer bedeutenden Opposition – was zum großen Teil der Niederlage des Kommunismus geschuldet war – bedeutete jedoch andererseits, dass dieselbe herrschende Klasse eine vorgetäuscht kritische Darstellung – nur geringfügig weniger rassistisch, islamfeindlich und inkohärent – fabrizieren konnte, die als ihre eigene Opposition im Spektakel positioniert werden konnte. Wie die Freie Linke Zukunft vor einiger Zeit feststellte:

»Die imperialistische herrschende Klasse sorgte dafür, das linke Kräften, die ihr Programm hätten stoppen können, auf das desaströse ›Blowback‐​Narrativ‹ aufsprangen, demnach sich bei 9/​11 also um eine unbeabsichtige Folge der US‐​Politik handele. Das war äußerst attraktiv für die kleinbürgerlichen, loyalen »linken« Gegner der herrschenden Klasse, die unaufhörlich an ihre eigene Klugheit und die angebliche Unfähigkeit der Herrschenden glauben. Es schmeichelte all ihren Vorurteilen, gab ihnen »Recht« – als ob das Problem des Imperialismus eine schlechte Strategie wäre! Ferner lieferte es ihnen endloses Material für hämisches, selbstgerechtes Gezeter. Natürlich wurden sie dabei dazu verführt, die zutiefst rassistischen, islamfeindlichen und orientalistischen Annahmen zu akzeptieren, die notwendig sind, um eine solch lächerliche Geschichte zu glauben. Und es verpflichtete sie zu einem fanatischen, absurden Revisionismus hinsichtlicher der historischen Rolle der USA in Westasien und Nordafrika (und natürlich auch im Inland). Auf diese Weise gelang es der herrschenden Klasse, große Teile der Führung der »Linken« auf eine Linie einzuschwören, die 1) die unverzichtbarsten Elemente des offiziellen Narrativs verstärkte, 2) den Widerstand der Bevölkerung gegen das faschistische Bush‐​Cheney‐​Regime völlig verwirrte, spaltete und desorientierte und 3) sie von der großen Mehrheit der Arbeiterklasse entfremdete, insbesondere der nicht‐​weißen Arbeiterklasse, die keine Skrupel hatte, eine offensichtliche »Verschwörung« als das zu erkennen, was sie war.«11

Es lohnt sich, sich die Absurdität des Moments ins Gedächtnis zu rufen: Trotzkistische Sekten mit einer Mitgliederzahl im niedrigen vierstelligen Bereich beschimpften überall Menschen, die 9/​11 durchschauten, als vermeintliche »Entfremder der Massen«, während 9/​11 Truth eine Anhängerschaft von fast 200 Millionen Amerikanern und Milliarden Menschen weltweit hatte. Die Schikanierung linker Intellektueller und sozialer Knotenpunkte war hysterisch. Offene Agenten und ihre zuverlässigen »kompatiblen linken« bürgerlichen Verbündeten erreichten durch Infiltration und Terror, dass die Linke die Führung der antikriegerischen und antiimperialistischen Militanz und Kritik aufgab und ihre neue Flutwelle, die 9/​11‐​Wahrheits‐ (und Strafverfolgungs‐) Bewegung, entstand. Wir können hier nur andeuten, wie dies den Grundstein für die spektakuläre Aneignung des »Dissens« durch die Rechte im Westen legte, die ihren Höhepunkt im Trumpismus und dem beklagenswert desorientierten Widerstand gegen das Covid‐​Programm erreichte.12

Die Nachwirkungen des 11. September, bei denen die Linke erfolgreich von Betrügern geführt wurde, waren der Kontext, der es vielen, selbst sehr aufrichtigen Progressiven ermöglichte, dazu verleitet zu werden, die Bandbreite reaktionärer islamischer Bewegungen, die seit langem vom Imperialismus kultiviert werden, einerseits mit wirklich fortschrittlichen, antiimperialistischen islamischen Kräften andererseits zu vermischen.13

Dies schuf einen ideologischen Nährboden, auf dem die Desorientierung und Desinformation des sogenannten »Arabischen Frühlings« gedeihen konnte. Es besteht kein Zweifel daran, dass es unter vielen Regierungen in der arabischen Welt viel Unzufriedenheit gab. Sie litt unter einer von der Wall Street orchestrierten Hungersnot, ächzte unter autoritären Maßnahmen. Auch wenn letztere in vielen Fällen anfangs durch die Notwendigkeit gerechtfertigt waren, den endlosen Verschwörungen des Imperiums zu widerstehen, diente sie inzwischen hauptsächlich als Knüppel zur Verteidigung der Anpassung an dieses Imperium und (wenn auch verdeckt) an dessen lokale Vorreiter: die zionistische Entität auf der einen Seite und die saudisch‐​wahhabitische auf der anderen. Die Berichterstattung der imperialistischen Medien selbst ist ausnahmslos ein zuverlässiger Gradmesser für die Echtheit dieser Aufstände. Man denke beispielsweise an das nahezu vollständige Schweigen über die Proteste in Bahrain, die im Februar 2011 begannen.

Im Laufe der frühen 2000er Jahre gewann eine gewisse Menge an wirklich kritischer innerstaatlicher Opposition im imperialistischen Kern erneut an Dynamik. Diese Entwicklung war trotz (zugleich aber auch wegen) der endlosen Flut an Propaganda und der zunehmenden Verfestigung der extremsten, fanatisch reaktionären Vorhut der herrschenden Klasse an der Spitze des von den USA geführten Weltreichs zu beobachten. Trotz der bitteren Niederlage des real existierenden Sozialismus und der daraus resultierenden Einschüchterung der organisierten kommunistischen Bewegung. Bald darauf folgte die effektive Desorientierung und Kooptierung großer Teile der altermondialistischen Bewegung (zum Teil durch ein Programm, das zweifellos ein wichtiger Prototyp für die BRICS‐​Operation war: das Weltsozialforum).14

Ein bemerkenswertes Indiz für die wachsende Bedrohung durch die Bevölkerung war in der Tat die Unfähigkeit der herrschenden Klasse, jegliche positive Bezugnahme auf Sozialismus und Kommunismus einfach zu verbieten, insbesondere nach der sogenannten »großen Rezession« – stattdessen mussten sie massiv in einen ausgeklügelten Apparat investieren, um falsche, faschistische Pseudo‐​Alternativen zu fördern (der berüchtigtste Fall ist mit ziemlicher Sicherheit Slavoj Žižek – zu dem Molly Kleins ausführliche Kritik für das Verständnis der heutigen Techniken der herrschenden Klasse zur Wahrnehmungssteuerung und Sozialtechnik absolut unverzichtbar ist). Dies wurde durch den realen, konkreten und populären Widerstand gegen das Imperium erheblich gestärkt. Zu den bemerkenswerten Momenten des Widerstands gehören:

  • Die (wenn auch unvollständige) Umsetzung der Bolivarischen Revolution und die erfolgreiche Vereitelung des Putsches in Venezuela im Jahr 2002 durch Chavez.
  • Die »rosa Flut«.
  • Die Schwierigkeiten, mit denen die USA, Frankreich und Kanada bei ihrem Projekt zur Beseitigung der Lavalas‐​Bewegung in Haiti konfrontiert waren.
  • Das Überleben des jemenitischen Widerstands gegen den vom Imperium an das Königreich Saudi‐​Arabien delegierten völkermörderischen Angriff.
  • Simbabwes Beharren auf einem unabhängigen Kurs gegen endlose imperialistische Schikanen.
  • Der Sieg der Hisbollah im Jahr 2006.
  • Die Zweite Intifada.
  • Die Naxalitenaufstände in Indien.
  • Die Aufstände im Irak.
  • Die erfolgreichen Atomtests der Demokratischen Volksrepublik Korea.

Gleichwohl konnte sich in den 2000er Jahren keine wirklich systemkritische linke Bewegung – geschweige denn eine ernstzunehmende kommunistische Bewegung – in nennenswertem Umfang etablieren. Tatsächlich war die anfängliche Reaktion des westlichen Auslands auf den »Arabischen Frühling« kläglich, da große Teile der linken Kräfte auf einen Großteil, wenn nicht sogar auf die gesamte Marketingkampagne hereinfielen. Obwohl es einigen bemerkenswerten Widerstand gegen den besonders dreisten und schamlosen Angriff auf die Libysch‐​Arabische Dschamahirija gab, blieb dieser marginal. Auch wurde er durch die weit verbreitete Unwilligkeit, die absurden und rassistischen Lügen der Imperialisten vollständig zu widerlegen, stark geschwächt.

In Syrien scheint es jedoch, dass die herrschende Klasse ihre Fähigkeit, die Schneekugel zu schütteln und die gewünschte Umgestaltung ohne nennenswerten Widerstand herbeizuführen, ernsthaft überschätzt hat. Vielleicht lag dies daran, dass sie die Legitimität und Beliebtheit der Baath‐​Regierung nicht verstanden – unter der, im Gegensatz zu Staaten, die fast vollständig zu Marionetten des Imperiums geworden waren, wie Ägypten, die Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht so leicht fehlgeleitet werden konnte.

Was hier wichtig ist, ist zu erkennen, inwieweit der unerschütterliche Widerstand des syrischen Volkes unter der Führung von Bashar Al‐​Assad nicht nur dem Imperium eine erstaunliche und heldenhafte Niederlage beigebracht und seine regionalen Pläne für einen wirklich bemerkenswerten Zeitraum vereitelt hat, sondern überdies dabei half, das Rückgrat der Hegemonie der Menschenrechtsinterventionisten im Geist des »Euston Manifesto« nach dem Kalten Krieg über die Linke zu brechen. An dieser Stelle ist es von entscheidender Bedeutung, sich an den Stil und die Kultur der Politik zu erinnern, die zu Beginn des »Arabischen Frühlings« unter der heimischen westlichen Linken vorherrschten – auch wenn dies vielleicht sehr schwierig ist, weil es sich jetzt wie ein völlig anderes Universum anfühlt als das, in dem wir jetzt leben.

Im krassen Gegensatz zu der tiefen und anhaltenden Boshaftigkeit und dem Zynismus, die heute praktisch alle politischen Diskurse im Mainstream durchdringen, war Obamas erste Amtszeit von einem Idealismus geprägt, der bis zur Süßlichkeit übertrieben war (und selbstverständlich ausschließlich rhetorischer und symbolischer Natur war). Tatsächlich scheint es fast völlig in Vergessenheit geraten zu sein, dass die Takfiri‐​Todesschwadronen, von denen die meisten inzwischen stillschweigend anerkennen, dass sie von Anfang an die überwiegende Mehrheit der »Rebellen« ausgemacht haben, in der ursprünglichen offiziellen Darstellung völlig fehlten. Der imperialistische Angriff auf Syrien wurde anfangs von einer regelrechten Armee von Spionen mit einer überwiegend linksliberalen – oder sogar ultralinken, anarchistischen – Titelgeschichte vermarktet. Darin dominierten fast ausschließlich erfundene Zusammenschlüsse radikaler Basis‐​Koordinierungskomitees und der »Freien Syrischen Armee«.

Die Weigerung großer Teile der Syrischen Arabischen Armee überzulaufen und der sich in die Länge ziehende Kampf machten die Aufrechterhaltung der Propaganda immer schwieriger. Die aufrichtige Reaktionsfähigkeit und Reformbereitschaft der Regierung wie auch die Arbeit echter, unabhängiger Journalisten, die die Realität aufdeckten – insbesondere Sharmine Narwani und Vanessa Beeley gebührt Anerkennung – trugen allesamt dazu bei, nicht nur die Propaganda über Syrien selbst, sondern auch den breiteren Propagandarahmen zu untergraben, in den sie eingebettet war.

Einige Agenten, wie Molly Crabapple, versuchten so lange und so schamlos, terroristische salafistische Söldner als demokratische Rebellen zu verkaufen, dass sie sich selbst beinahe diskreditierten. Noch aufschlussreicher ist jedoch die Entwicklung von Agenten wie Ben Nortion, Rania Khalek oder Max Blumenthal. Dabei sollten wir jedoch keineswegs deren schamlosen Eskapaden vergessen, mit denen sie versuchten, dass die Wahrheit die Massen erreicht. Angefangen von ihrem zensierten Plagiat von Beeleys Enthüllungsbericht über die Weißhelme bis hin zu ihrer Kampagne gegen Mutter Agnes oder Blumenthals Angriffen auf Narwanis frühe ISIS‐​Berichterstattung sowie Saad‐​Gorayeb von Al‐​Akhbar.

Die »Syrische Revolution« ist sowohl in der Realität als auch in der Propaganda grundlegend gescheitert. Mit ihr ist für einen großen Teil ihres vermeintlichen Publikums auch die Idee der »Farbrevolution« gescheitert. Ebenso wie die damit verbundenen Narrative über den real existierenden Sozialismus, die Natur des Kalten Krieges und die globale Herrschaft des kollektiven Imperialismus der (immer direkter) von den USA dominierten imperialistischen Triade.

Dieser zunächst sehr produktive politische intellektuelle Pessimismus über die Rhetorik des Linksliberalismus, der von den die »Syrische Revolution« vorantreibenden Aktivisten so zynisch mobilisiert worden war – zusammengefasst in dem Schlagwort »nicht alles, was sich bewegt, ist rot« –, wurde jedoch selbst von anderen oder in vielen Fällen mit atemberaubender Dreistigkeit von denselben Agenten wie Ben Norton, Max Blumenthal und Rania Khalek im Rahmen einer Konstellation von vorgeblich konkurrierenden, gar noch offenerer faschistischen Erzfeinden vereinnahmt, pervertiert und von jedem »Optimismus des Willens« abgespalten: die Rede ist von der Konstellation der »anti‐​woken«, antiliberalen, antidemokratischen, »multipolaren« Hydra des Dengismus, Putinismus, Lulaismus und so weiter. Dieser Wandel ist in Molly Kleins Vortragsreihe über das »Greyzone Con Game« (Teil 1, Teil 2, Teil 3) gut dokumentiert und analysiert, sodass wir hier nicht weiter darauf eingehen müssen.

Wir können und müssen Assad und seinen wahren Verbündeten wie Soleimani oder Nasrallah dafür danken, dass sie durch ihre bemerkenswerten Prinzipien, ihre Opferbereitschaft und ihr Engagement für die Menschheit nicht nur eine, sondern zwei der schädlichsten Täuschungen unserer Zeit aufgedeckt haben. Denn Assad hat zunächst den entscheidenden Nagel in den Sarg der »kompatiblen Linken« des falschen Ultralinkstums der »Farbrevolution« geschlagen.

Dieser Widerstand (und parallele Kämpfe auf der ganzen Welt, insbesondere im Donbass) zwang die globale herrschende Klasse zur massiven Ausarbeitung des multipolaren Betrugs. Es handelt sich bei diesen immensen, schwierigen und sehr kostspieligen Bemühungen um die Desorientierung, Kooptierung und Rückgewinnung der anti‐​systemischen Energien der Massen und der Dynamik der Peripherie, die in Persönlichkeiten wie Assad, Nasrallah, Mozgovoi und anderen eine Führung gefunden hatten.

Im Bereich der Propaganda hat dies vor allem die Form einer Reihe von Ideologien und Stilen angenommen. Diese versuchen die Frustration und Verbitterung, hervorgerufen durch die schamlosen Lügen des westlichen Linksliberalismus, in einer offen nihilistischen und faschistischen, klugscheißerischen Machtanbetung einzufangen – oft erstaunlicherweise unter dem Deckmantel des Kommunismus.15

Wie bereits oben erwähnt, kann man sich für eine Schematisierung dieser umfassenderen Innovation in der Praxis und Propaganda der herrschenden Klasse insbesondere auf »Multipolarismus ist Neo‐​Kautskyismus« beziehen. Hier ist jedoch zu betonen, inwieweit wir hoffen können, dass dieser schädliche Unsinn zunehmend unhaltbar wird. Das ungeheure Verbrechen der weltweit herrschenden Klasse an der gemeinsamen Zerstörung der Arabischen Republik Syrien kann nicht verschleiert oder schöngeredet werden. Es entlarvt endlich den abscheulichen Betrug der multipolaren Schein‐​Opposition gegen das Imperium und ihre Handlanger in Medien wie Politik.

Die rote Flagge, die schwarze Flagge

Betrachten wir zur Veranschaulichung ein besonders groteskes Artefakt, in dem der moralische, politische und intellektuelle Bankrott des Multipolarismus in krassem Konturen hervortritt. Moreno Pasquinelli spielt eine führende Rolle in der italienischen Gruppe »Fronte del Dissenso« und dadurch auch in »Den Dritten Weltkrieg verhindern – Internationale Initiative für Frieden«. Vor kurzem veröffentlichte er auf der Website des »Fronte del Dissenso« einen Artikel über Syrien: »Le otto cantonate die manichei« (Die acht Schnitzer der Manichäer). Darin sind die monströsen Verdrehungen offensichtlich, die notwendig sind, um die schwarze Flagge rot zu färben – das heißt, die Takfiri als Revolutionäre und eine Niederlage als Sieg auszugeben.

Von Anfang an zeigt Pasquinelli Flagge, indem er den charakteristischen imperialistischen Diskurs aufgreift und von der »Implosion des Assad‐​Regimes« spricht. Somit unterstellt er erstens, dass diese offensichtliche Niederlage durch externe Aggressoren in erster Linie das Ergebnis interner Faktoren (»Implosion«) war. Und zweitens, dass die Arabische Republik Syrien – in Wirklichkeit einer der demokratischsten Staaten in der Region – alles andere als das, nämlich ein »Regime« war.

Noch absurder ist, wenn Pasquinelli in vorsätzlicher Ignoranz der Lehren der letzten drei Jahrzehnte behauptet, dieser selbstverständliche Sieg für das, was er als »amerikanische zionistische Achse« bezeichnet, sei in Wirklichkeit nicht unbedingt ein solcher. Hinterlistig definiert er einen solchen Erfolg ausschließlich als »amerikanische zionistische Pax«, das heißt als »Stabilisierung des prekären Gleichgewichts im Nahen Osten zu deren Vorteil«.

Solche Bemerkungen sind, selbst bei wohlwollender Auslegung, beispielhaft für die Art von Schubladendenken, das die Realität unserer heutigen Zeit, die Parameter und Einschränkungen, in denen die herrschende Klasse agiert, nicht begreifen kann. Was hat die herrschende Klasse der USA in den letzten drei Jahrzehnten unternommen, um den »Frieden« oder die »Stabilität« in irgendeiner Form in Westasien oder Nordafrika zu fördern? Ist es für unsere Genossen wirklich so schwer zu erkennen, wie immer wieder das »Scheitern« des »amerikanischen« Staates bei der Erreichung seiner erklärten Ziele den Klasseninteressen der Herrschenden zugutekommt – können sie die Rhetorik nicht durchschauen und die Praxis nicht analysieren?

In ihrer Einführung zu Wittgensteins Tractatus berichtete G.E.M. Anscombe von folgender Begebenheit mit ihm:

»Einmal begrüßte er mich mit der Frage: ›Warum sagen die Leute, dass es natürlich war zu denken, dass die Sonne um die Erde kreist und nicht die Erde um ihre eigene Achse?‹ Ich antwortete: ›Ich nehme an, weil es so aussah, als würde die Sonne um die Erde kreisen.‹ ›Nun‹, fragte er, ›wie hätte es ausgesehen, wenn es so ausgesehen hätte, als würde sich die Erde um ihre eigene Achse drehen?«16

Manchmal hat man das Gefühl, dass auch unsere Möchtegern‐​Genossen unter einer ähnlichen prä‐​kopernikanischen Denkblockade leiden. Sie können sich nicht aus der Routine befreien, in der sie sich das Wesen des Imperiums in vereinfachten Bildern aus dem Kalten Krieg und – schlimmer noch – in verkürzten Darstellungen imperialer Konflikte aus der vor‐​kapitalistischen Ära vorstellen. Nehmen wir jedoch den Kerngedanken des Multipolarismus einmal ernst – nämlich, dass das amerikanische (geführte) Imperium seine Hegemonie verliert, im Niedergang begriffen ist, ja gar kollabiert – und fragen uns wirklich, wie das aussehen würde?

Welche historischen Präzedenzfälle können wir heranziehen, um ein solches Phänomen zu verstehen? Obwohl die Anhänger von Dugin und Larouche, die jetzt ständig und koordiniert von US‐​amerikanischen, chinesischen und russischen Geheimdiensten gefördert werden, unablässig versuchen, uns mit veralteten Bildern – von Griechenland und Rom, dem Qing‐​China oder der Goldenen Horde – den Kopf zu verdrehen, sollte man sich in erster Linie den ersten großen kapitalistisch‐​imperialistischen Hegemon ansehen: Großbritannien.

Als das britische Empire nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund interner und externer Faktoren seine formale imperiale Position nicht mehr aufrechterhalten konnte, wehrte sich seine herrschende Klasse nicht kategorisch gegen das Erlöschen des Lichts oder verbrannte sich in einem verzweifelten und zerstörerischen Anfall – wie wir jetzt glauben sollen, dass es die herrschenden Klassen der imperialen Triade angesichts der vermeintlichen multipolaren Bedrohung tun. Aber es sagte auch nicht leise Servus (wenngleich es sich sehr darum bemühte, es so darzustellen) und ging.

Stattdessen wurde der britische imperialistische Apparat mehr oder weniger nahtlos in eine umfassendere, von den USA dominierte Ordnung integriert. Dabei wurde der herrschenden Klasse eine bedeutende, wenn auch untergeordnete Position eingeräumt. Noch bedeutender ist, dass dasselbe weitgehend auch für die direkten »interimperialistischen« Gegner der USA und des Vereinigten Königreichs im Krieg, Nazideutschland und das japanische Kaiserreich, gilt. Abgesehen von einem relativ kleinen Führungskreis (und selbst dieser fast ausschließlich aufgrund der von der UdSSR auferlegten Bedingungen) wurden sowohl die japanische als auch die (west-)deutsche herrschende Klasse in einen immer stärker konsolidierten kapitalistisch‐​imperialistischen Block eingegliedert.

Denn, wie in »Imperialismus heute ist Verschwörungspraxis« ausführlich dargelegt wurde, ist die entscheidende und unbestreitbare Tatsache, dass der Kapitalismus‐​Imperialismus die beiden großen interimperialistischen Erschütterungen des 20. Jahrhunderts überlebt hat. Im Laufe dieser Entwicklungen zwang die Bedrohung durch den globalen Kommunismus den Kapitalismus‐​Imperialismus zu einer zuvor unvorstellbaren und qualitativ transformativen Integration:

Vor allem ist es tragisch, dass die Revolution, die Lenin zu Recht als notwendige Reaktion auf die Tendenzen des Imperialismus voraussah (von der er also annahm, dass sie diese aufhalten würde), zwar stattfand, aber unvollständig blieb. Die zentralen Machtzentren, die in den Händen der herrschenden Kapitalistenklasse verblieben, wurden in Festungen zur Rückeroberung der Erde verwandelt.

»Dies ist ein Zustand, den sich Lenin nicht vollständig vorstellen konnte. Er stellt fest, dass eine dauerhafte und nachhaltige Zusammenarbeit zwischen den imperialistischen Bourgeoisien bei der gegenseitigen Aufteilung und Ausbeutung der Welt auf Dauer unmöglich sei, weil das Kräfteverhältnis zwischen ihnen dynamisch ist und sich ständig verschiebt. Wenn die Teilung des Territoriums der realen Machtdynamik widerspricht, fragt Lenin in Kapitel XII seiner Imperialismusschrift, ›wie können dann unter dem Kapitalismus die Gegensätze anders ausgetragen werden als durch Gewalt?‹ Nun, aus semantischen Gründen könnte man sagen: Es stimmt schon: Wenn die Imperialisten diese Widersprüche untereinander ohne zwischenimperialistischen Krieg lösen können, dann haben wir vielleicht Recht, wenn wir sagen, dass wir in einem System leben, das sich grundlegend von dem unterscheidet, das Marx beschrieben hat.

Aber abgesehen von der Semantik, gibt es nicht eine Entwicklung, die diesen Sachverhalt tatsächlich möglich macht? Gibt es nicht eine Sache, die die wundersame Kraft hat, den Imperialisten dabei zu helfen, ihre Differenzen beizulegen und Frieden zu schließen – nämlich die Revolution der Arbeiterklasse? Wie Marx bereits 1848 feststellte, vereinte der Pariser Juni‐Aufstand

›[…] im kontinentalen Europa so in England, alle Fraktionen der herrschenden Klassen, Grundeigentümer und Kapitalisten, Börsenwölfe und Krämer, Protektionisten und Freihändler, Regierung und Opposition, Pfaffen und Freigeister, junge Huren und alte Nonnen, unter dem gemeinschaftlichen Ruf zur Rettung des Eigentums, der Religion, der Familie, der Gesellschaft (Kapital, Bd. 1, Kap. 8, Abschnitt 6)!‹

Gleich zu Beginn des Manifests wird derselbe Punkt mit noch größerer Bedeutung angeführt: »Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd« gegen das »Gespenst des Kommunismus« verbündet: »der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten«. Zu Lenins Zeiten war die Tendenz, sich gegen die Revolution zu verbünden, natürlich nicht stark genug, um die Tendenz zu gewaltsamen zwischenimperialistischen Konflikten zu überwinden. Die Unfähigkeit der Kapitalisten‐​Imperialisten, ihre Differenzen zu überwinden und der daraus resultierende Erste Weltkrieg führten in der Tat zu nichts weniger Verheerendem für alle Kapitalisten als zur ersten erfolgreichen sozialistischen Revolution und der Gründung der UdSSR.

Zeitgleich mit der Dynamik des zwischenimperialistischen Krieges und des ultraimperialistischen konterrevolutionären Kampfes (vor allem gegen die UdSSR) und zum Teil durch diese Dynamik angetrieben, traten Faktoren auf, die das Wesen und die Fähigkeit der imperialistischen herrschenden Klasse entscheidend veränderten – alles im Wesentlichen in Form von Monopolen oder Ultramonopolen: Die Luftwaffe, ein Monopol über den Himmel; die Kommunikationsindustrie und die ständig wachsende monopolistische Kontrolle über die menschliche Kommunikation; die Entwicklung hochentwickelter und zentralisierter Nachrichtendienste, die ein Informationsmonopol und vielleicht allmählich auch ein allgemeines Macht‐ und Gewaltmonopol mit sich brachten; und schließlich unter den Schiedsmännern der letzteren eine noch nie dagewesene Kontrolle über (offene und verdeckte) Einkommensströme, die zu Lenins Zeiten unvorstellbar war und die die entsprechenden Fähigkeiten zur Bestechung, Unterwanderung, Ermordung, Korruption und so weiter mit sich brachte.

[…]

Dennoch waren die kapitalistischen Großmächte am Ende des Zweiten Weltkriegs noch lange nicht besiegt. Ein Großteil der sozialistischen Welt blieb mit einer zerschmetterten Bevölkerung zurück, die verzweifelt den Wiederaufbau auf gesalzener Erde versuchte. Der überwiegende Teil des von den faschistischen Kräften geplünderten Reichtums sowie die meisten faschistischen Anführer wurden in ein nunmehr geeintes imperialistisches Lager unter amerikanischer Hegemonie eingegliedert. Eine trügerische, oberflächliche ›Entnazifizierung‹ in Deutschland verdeckte die Stärkung derselben gesellschaftlichen Kräfte, die hinter dem Hitlerfaschismus standen, was mutatis mutandis auch für Japan gilt (siehe insbesondere The New Germany and The Old Nazis, Tetens; Martin Bormann – Nazi in Exile, Manning; All Honourable Men, Martin; Gold Warriors, Seagrave – ja, das gesamte Werk von Seagrave; siehe auch das umfangreiche Material zu diesem Thema von Dave Emory).

Hier sehen wir den wesentlichen Punkt: die empirisch offensichtliche Tatsache der totalen ultra‐​imperialistischen Hegemonie, die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg über die kapitalistische Welt errichtet haben. Diese Hegemonie wurde nicht nur zum Zweck der gemeinsamen Ausbeutung der Dritten Welt errichtet, sondern vor allem darum, den existenziellen Kampf gegen den Kommunismus zu führen, den »Kalten Krieg«. Dabei überschneiden sich beide Motive, da Ausbeutung stets den Befreiungskampf der Ausgebeuteten für den Sozialismus nach sich zieht. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der globalen Konterrevolution wurde die Uhr nicht auf 1917 zurückgestellt. Die Erfahrung des Sozialismus hat die ganze Welt grundlegend verändert. Die triumphierende Kapitalistenklasse plünderte nicht nur den kollektiven Reichtum der sozialistischen Welt, sondern auch deren kollektive Erfahrung und Wissen. Die Kapitalisten, die die vergesellschaftete Produktion übernahmen, vor allem in China, genossen eine Machtposition und eine zentralisierte Kontrolle, die zuvor innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsbeziehungen unvorstellbar gewesen war.

Dies ist ein Arrangement, das Lenin nie explizit untersucht hat. Seine Ablehnung des Ultraimperialismus befasst sich nicht mit der Möglichkeit einer Welt, die auf unbestimmte Zeit (friedlich oder nicht) zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten aufgeteilt ist. Schon gar nicht hat er sich mit der Aussicht auf einen dauerhaften sozialistischen Aufbau mit anschließender Konterrevolution auseinandergesetzt. Da dies die Welt ist, die sich tatsächlich herausgebildet hat, ist es die Welt, mit der wir uns auseinandersetzen müssen – unter Verwendung der vielen hilfreichen Werkzeuge, die Lenin in angemessener und undogmatischer Weise zur Verfügung gestellt hat.

[…]

Wie oben gezeigt wurde, zwangen die außergewöhnlichen politischen Umstände des Kalten Krieges, des existenziellen Kampfes mit dem revolutionären Kommunismus, die herrschende Klasse dazu, eine breite Arbeiteraristokratie zu kultivieren. Unter den Bedingungen des konterrevolutionären Kampfes und des zwischenimperialistischen Kampfes innerhalb der Triade USA‐​Westeuropa‐​Japan (sowie innerer widersprüchlicher Tendenzen in der Geldversorgung) wurde von der Avantgarde der herrschenden Klasse eine Strategie gewählt, die es ihr ermöglichte über den amerikanischen Dollar, das amerikanische Militär und die von den USA kontrollierten verdeckten Geheimdienstnetze eine noch nie dagewesene Macht über den kapitalistischen Block und in der Folge über die Welt zu erlangen.

Dialektisch verflochten mit der Konsolidierung der Macht über den Globus durch die von den USA geführte kapitalistische herrschende Klasse war die Konsolidierung und Konzentration der Macht innerhalb der herrschenden Klasse selbst. So wie die kapitalistischen Nationen auf der Makroebene gezwungen waren, sich der amerikanischen Führung unterzuordnen, wenn sie die revolutionäre kommunistische Alternative nicht akzeptierten, so bedeutete die Dynamik dieses Prozesses, dass die Konzentration der globalen Macht eine zunehmend konsolidierte und verdeckte reale Führung innerhalb der Vorhut der Vereinigten Staaten hervorbrachte. Die Macht hierarchisch organisierter, nachrichtendienstlich geführter Machtstrukturen zur Erlangung der Vorherrschaft unter solchen Umständen war, wenn man das große Ganze betrachtet, unvermeidlich. Es ist daher nicht sonderlich überraschend, dass die mächtigsten »Kapitalisten« heute in Wirklichkeit gar keine Kapitalisten sind, sondern direkte Geschöpfe des ultraimperialistischen militärisch‐​geheimdienstlich‐​industriellen Komplexes. Menschen wie Gates, Musk oder Bezos leiten keine kapitalistischen Unternehmen, die Risiken eingehen und Waren für einen Verbrauchermarkt produzieren. Ihr Reichtum stammt aus erzwungenem Konsum – erzwungen in dem Sinne, dass die Steuerzahler die Produkte über die Staatshaushalte »kaufen« müssen oder buchstäblich gezwungen werden, sie mit rechtlichen und politischen Mitteln zu konsumieren. Ein Unternehmen wie Amazon, das nie einen Gewinn erwirtschaftet hat, in das aber diejenigen, die über Insiderwissen verfügen, weiterhin investieren und das erst Gewinne erzielte, als es staatliche Aufträge erhielt, kann nicht als kapitalistisches Unternehmen verstanden werden. Es ist ein direkter Mechanismus der ultramonopolistischen Konsolidierung17

Es ist in dieser Welt – einer Welt, in der die interne Disziplin, Koordination und ineinandergreifende Kontrolle aller globalen Finanz‐ und Militärmacht durch eine kleine Clique der reaktionärsten Avantgarde der herrschenden Klasse konsolidiert wurde –, in der die sogenannte »multipolare« Bedrohung entstand (vielleicht ist es an dieser Stelle erwähnenswert, dass der Begriff »BRICS« aus einem 2001 erschienenen Papier des damaligen Chefökonomen von Goldman Sachs, Jim O’Neil, stammt). Ein halbes Jahrhundert zuvor, nach den enormen Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs und der beeindruckenden globalen Macht der Arbeiterklasse auf dem Vormarsch, waren die USA noch in der Lage, praktisch alle potenziell autonomen Knotenpunkte der kapitalistischen Macht zu kooptieren und zu integrieren. Selbst Frankreich, der vielleicht widerspenstigste Ausreißer, wurde im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts schließlich gezügelt.

An dieser Stelle muss man eine äußerst komplizierte Tatsache beachten, die oben kurz angesprochen und in »Multipolarismus ist Neo‐​Kautskyismus« ausführlich dargelegt wurde. Nämlich diejenige, dass dieselbe Entwicklung die aufsteigende herrschende Clique auch zunehmend in ein antagonistisches Verhältnis zu ihren ehemals privilegierten Verbündeten sowohl »zu Hause« als auch »im Ausland« brachte. Dies zeigte sich am dramatischsten zu Beginn des kurzen »unipolaren« Moments, als sie eindeutig darauf aus waren, die potenziell aufrührerischen subalternen kleinbürgerlichen und Arbeiteraristokratie‐​Schichten massiv zu schwächen und zu dezimieren.

Jene Schichte, die sie selbst im Kontext des Kalten Krieges großgezogen oder zumindest toleriert hatten. Was man verstehen muss, ist, dass die offensichtliche Praxis dieser herrschenden Klasse zunehmend die Form eines umfassenden Krieges gegen die Menschheit annahm. Die Vorlage für noch potenziell unruhige Regionen war etwas, das viel weniger mit Pinochets Chile zu tun hatte als vielmehr mit dem Generalplan Ost. Dies zeigte sich bereits in der bei der Zerstörung Jugoslawiens angewandten Praxis und im Projekt »New Middle East« (Neuer Mittlerer Osten).

Was aber begriffen werden muss – und was bis heute so viel Verwirrung stiftet – ist, dass die von den »Amerikanern« angeführte herrschende Klasse im Rahmen ihrer Ambitionen nicht nur die massive Disziplinierung und Zerstörung der Dritten und Zweiten Welt, sondern auch ihrer »eigenen Bevölkerung« im Sinn hatte. Viele sind verwirrt über die offensichtlichen Verluste für Amerikaner, Europäer und so weiter – sie sagen: »Schaut, die amerikanische Gesellschaft bricht zusammen, die deutsche Wirtschaft liegt am Boden: »Amerika« und »Deutschland« verlieren, die »BRICS« gewinnen. Tatsächlich werden aber die herrschenden Klassen in jedem Fall gestärkt, ihr gemeinsames Programm wird vorangebracht.

Sie haben systematisch und mit erschreckendem Erfolg Stück für Stück jene Beschränkungen abgebaut, denen die herrschenden Kapitalistenklassen traditionell unterworfen waren: öffentlich kontrollierte Staatskassen und Steuereinnahmen (zumindest rechtlich, wenn auch sehr einseitig oder sogar nur nominell); die beträchtliche Verteilung einzelner Vermögenswerte auf die Mitglieder der herrschenden Klasse (und der entsprechende reale Wettbewerb zwischen ihnen) (im Gegensatz zur fast vollständigen Durchdringung des Eigentums, die durch die Finanzialisierung erreicht wurde); die Verfahrensdemokratie und ihre Institutionen, Bürokratien und Normen; eine beträchtliche Schicht von zumindest halbautonomen Sachbearbeitern/​Managern mit eigenen Institutionen der Selbstorganisation, (verwirrtem, aber nicht nicht vorhandenem) Klassenbewusstsein und Korpsgeist; und schließlich Geld selbst.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert verfolgt diese von den USA angeführte globale Führungsschicht eine Politik, bei deren Umsetzung jede Zone, von der aus ein potenziell autonomes und damit systemfeindliches Projekt verfolgt werden könnte, nicht mehr einfach kooptiert und untergeordnet werden kann, sondern zerstört werden muss. Inmitten einer solchen universellen Zersalzung der Erde ist Morenos Rede von einer »amerikanischen zionistischen Pax« reine Albernheit. Tatsächlich riskierte der anfänglich übermäßig ehrgeizige Versuch, die Kernländer der ehemaligen Sowjetunion vollständig zu zerstören, den Zusammenbruch des gesamten Programms und die mögliche Wiedervereinigung der kommunistischen Kräfte. Dies wurde in »Multipolarismus ist Neo‐​Kautskyismus« wie folgt beschrieben:

»In den späten 1990er‐​Jahren sahen wir, wie ein Standardregime vom Typ »farbige Revolution« in Russland aussehen könnte. Aber wir sollten auch beachten, dass diese Ordnung unglaublich instabil war. Zwischen der Beinahe‐​Wahl von Sjuganow und der Rubelkrise wurde klar, dass die weltweit herrschende Klasse in Russland zu weit gegangen war und zu raubgierig war. Sie riskierte die Rückkehr des Sozialismus. Unter diesen Bedingungen mussten Zugeständnisse gemacht und ein zuverlässiger Agent eingesetzt werden, der die fortgesetzte Unterordnung der Russen unter ihre fortgesetzte Ausplünderung und Ausbeutung gewährleisten konnte: Wladimir Putin. Da diese offensichtliche Tatsache immer noch so vielen entgeht, sei an dieser Stelle erwähnt, dass Putin als Bürgermeister von St. Petersburg 1993 deutschen Wirtschaftsvertretern ausdrücklich versicherte, dass ›politische« Gewalt‹, die die Marktbedingungen untergräbt, kriminell sei, während Gewalt, die private Investitionen schützt, ›notwendig‹ sei. Er betonte ferner, dass er die Einführung einer Diktatur ähnlich der Pinochets durch Jelzin unterstütze, um die aktuellen politischen Probleme Russlands zu lösen.«18

Putin hat die ehemalige UdSSR mehr als jede andere Person gezähmt, ihr restliches antisystemisches Potenzial ausgelöscht – zumindest für einen längeren Zeitraum – und ihre Bevölkerung befriedet, die auf ihrer endgültige multipolare Disziplinierung harrt. Er und seine Clique wurden mit einer vergleichbaren Aufgabe in Syrien betraut. Wir können den Erfolg dieses breit angelegten Programms auf dem Balkan, im Irak und in Libyen beobachten, trotz erheblicher Widerstände und Rückschläge (und trotz der Tatsache, dass es den Leichtgläubigen ständig als Misserfolg verkauft wird). Moreno ist jedoch absichtlich blind für den Pinochet in Putin und den Generalplan Ost im Nahen Osten. In der Tat versucht er feige, die »russische« (von den Amerikanern eingesetzte) herrschende Klasse und ihre lächerliche Darbietung des Multipolarismus zu verteidigen. Deshalb muss er Assad schamlos diffamieren.

Nachdem Moreno einerseits die Bedeutung des Sieges für die »amerikanische zionistische Achse« auf absurde Weise entleert hat, indem er sie auf eine ideale Ebene jenseits der jüngeren Geschichte gehoben hat, unterscheidet er (nebenbei, ohne weitere Ausführungen oder Rechtfertigung) einen Sieg für den »Widerstand« (ohne Definition oder Einschränkung) von einem Sieg für »die sogenannte iranisch geführte ›Achse des Widerstands‹« – die, wie er offen zugibt, einen »tödlichen Schlag« erlitten hat!

Um die ganze Verlogenheit seiner Taktik hier zu verstehen, muss man sich an die Arbeit von Aktivisten wie Yassin‐​Kassab, Blumenthal, Norton und Khalek während der ersten Propagandainitiative der »Syrischen Revolution« erinnern. Nicht nur wurde die konkrete Geschichte der enormen Unterstützung und der Opfer, die Syrien unter der Führung der Baath‐​Partei für die palästinensische Sache erbracht hat, ausgelöscht, sondern es wurden auch einige wenige Palästinenser (man erinnere sich an die »Jarmuk«-Erzählungen) mobilisiert, um die Palästinenser als Anti‐​Assad‐​Kräfte darzustellen. Er geht sogar so weit, die Reaktion der wichtigsten palästinensischen Widerstandsgruppen vorsätzlich falsch darzustellen, wenn er folgendes behauptet:

Die Hartnäckigkeit, mit der die Manichäer al‐​Assad verteidigen, geht bis zur Unverschämtheit, bis zur Verachtung und Verspottung der wichtigsten palästinensischen Widerstandsformationen (HAMAS, Islamischer Dschihad, Volksfront und andere), weil diese kein Bedauern für das untergegangene Regime zum Ausdruck brachten und sogar, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die neuen Machthaber begrüßten und sie baten, die palästinensische Sache zu unterstützen.

Das ist schlichtweg falsch. Kurz vor dem Sturz von Assad wies die DFLP den »terroristischen Angriff« zurück und betonte erneut ihre Unterstützung für die Syrische Arabische Armee. Ebenso bezeichnete die PFLP am 30. November den Angriff als »verräterischen Angriff« von »terroristischen Banden« und identifizierte ihn ausdrücklich als »zionistisches und westliches Komplott«. Seitdem gibt es in keiner ihrer Erklärungen einen Hinweis darauf, dass sie »die neuen Machthaber begrüßen«. Es scheint, dass sie sich nicht offen zu Assads Sturz selbst geäußert haben – obwohl man in diesem Zusammenhang natürlich den enormen Druck berücksichtigen muss, der ausgeübt wird, um nicht offen zu widersprechen, was auch immer aus Teheran kommt.

Moreno stellt außerdem die diplomatische Vorsicht der Aussagen sowohl des PIJ als auch der Hamas falsch dar – ganz zu schweigen von einer Betrachtung des Einflusses, den die Fraktion um Meshal derzeit wahrscheinlich auf eine solche Aussage im Besonderen ausübt. In ähnlicher Weise erklärt er, dass der »Beweis«, dass die Niederlage der »sogenannten iranisch geführten ›Achse des Widerstands‹« – wieder seine Worte – nicht zu einer Niederlage für den Widerstand führe, im folgenden Umstand bestehe: »Wenn der palästinensische Widerstand die Avantgarde des Widerstands ist, wie Gaza beweist, ist er immer noch lebendig«.

Was würden Nasrallah oder Soleimani von solchen absurden Behauptungen halten? Das Besondere an Morenos Artikel – und warum er überhaupt Beachtung verdient – ist jedoch, dass wir darin eine echte »Implosion« sehen – im Gegensatz zu der falschen »Implosion«, die seiner Meinung nach stattgefunden hat, als der syrische Staat von imperialistischen Agenten zerstört wurde: eine Implosion der Erzählmaschinerie der herrschenden Klasse.

Die vielleicht wichtigste Taktik der Desorientierung, mit der es der herrschenden Klasse in den letzten zehn Jahren gelungen ist, die Entstehung eines echten, klaren kommunistischen Verständnisses der aktuellen Lage zu verhindern, bestand darin, alle systemfeindlichen Kräfte unaufhörlich zu zerschlagen, indem sie in sich gegenseitig stützende Paare von Erzählsträngen oder rechte und linke Abweichungen gezwungen wurden. Sie lassen sich grob auf eine »ultralinke« oder »liberale« sich an der KKE und ihrer Theorie der »imperialistischen Pyramide« orientierende Tendenz einerseits und eine »rechte«/multipolaristische/rot-braune Tendenz andererseits herunterbrechen. Letztere orient sich im Allgemeinen an der KPRF und/​oder der CPGB‐​ML und ihrer World Anti‐​Imperialist Platform (WAP). Morenos Netzwerk hat sich eindeutig entlang der letztgenannten Linie positioniert – doch in seinen Verdrehungen schwankt er ironischerweise in die ungeheuerlichste Rhetorik im Stil der KKE.

Er erklärt beispielsweise, dass es falsch sei, davon auszugehen, dass im Nahen Osten nur zwei Lager gegeneinander kämpften: das zionistisch‐​imperialistische Lager und das Lager des Widerstands. Wie wir wissen, ist dies insofern sehr zutreffend, wenn Russland oder China in das »Widerstandslager« eingeschlossen werden, da sie offensichtlich und kontinuierlich in enger Abstimmung mit dem Westen arbeiten. Das ist jedoch nicht Morenos Absicht. Stattdessen bedient er sich der lächerlichsten geopolitischen Schachbrett‐​Metaphorik und behauptet, die Situation sei stattdessen von den »hegemonialen Ambitionen regionaler Mächte geprägt: vor allem des Iran, der Türkei, Saudi‐​Arabiens und Ägyptens, die jeweils ihre eigenen globalen Beschützer haben«.

Zudem erklärt er, dass die »Gegensätze« zwischen ihnen mit dem Sturz Assads zunehmen werden (auch hier ohne Beweise oder Argumente). Noch schamloser richtet er dann seinen Blick auf die vielleicht einzige »multipolare« Macht, in der es einen echten Kampf zwischen Kollaborateuren und wirklich systemfeindlichen Kräften gibt: die Islamische Republik Iran. Wir erfahren, dass nicht er und seine Kameraden Putin, Erdogan, Xi Jingping und Jeffrey Sachs mythologisieren, sondern die »Manichäer« die Rolle des Iran mythologisieren! Und während er auffällig schweigt, wenn es um den Zynismus Putins geht, verachtet er die »strategische Klugheit« des Iran und erklärt: »Als man in Teheran erkannte, dass das Assad‐​Regime im Einvernehmen mit den Russen zerbröckelte, beschloss man, dieses Land nicht nur aufzugeben, sondern es der Vormundschaft der Türkei zu überlassen.«

Doch bevor man sich in diesem Durcheinander im Stil von Game of Thrones überhaupt zurechtfindet, fährt er mit atemberaubender Kühnheit fort und behauptet, dass von allen Akteuren in der Region Erdogans Türkei der »wahre Gewinner« sei, und zwar im Gegensatz zur »US‐​zionistischen Achse«! Die Türkei, in Bezug auf die der Begriff »tiefer Staat« überhaupt erst geprägt wurde, um die felsenfeste Kontrolle zu artikulieren, die die USA über sie [und Israel] ausübten, die sich insbesondere unter Erdogan nie auch nur einen Millimeter in einer Weise bewegt hat, die die Pläne des amerikanischen Imperiums stören könnte, wird nun als autonome und sogar potenziell antagonistische Kraft gegen das Imperium dargestellt. So behauptet er über das NATO‐​Mitglied Türkei, das bis heute aserbaidschanisches Öl nach Israel liefert:

Erdogan ist somit, zumindest vorerst, der eigentliche Gewinner des Spiels, nicht die US‐​zionistische Achse, die den neuen syrischen Behörden Rückendeckung gibt und ihnen Anweisungen erteilt. Von einem imperialistisch‐​zionistischen Sieg in Syrien zu sprechen, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Erdogan eine Marionette der Amerikaner und Zionisten wäre, ein Spielball von ihnen. Ist dies der Fall? Ganz und gar nicht! Er verfolgt seine eigene Machtpolitik und strebt gleichzeitig danach, zum neuen Großkalifen der muslimischen Umma aufzusteigen.

Dieser wackelige TV‐​Serien‐​Stil, der an Sorkin erinnert, mag gut funktioniert haben, als Khalek, Norton und Blumenthal ihn bei ihrem unqualifizierten und hoffnungslos leichtgläubigen Büropublikum einsetzten. Bei einem erfahrenen europäischen Aktivisten wie Moreno fällt es jedoch schwer, nur von Unwissenheit zu sprechen. Das ist reine Verlogenheit. Al‐​Jolani wird nun fantastischerweise als »Verbündeter« der Türkei und damit nicht des Westens positioniert und sogar als jemand angekündigt, dem der Westen nicht trauen kann (und der daher, so soll man hoffen, zusammen mit Erdogan selbst ein antisystemisches Potenzial darstellen könnte).

Der Verfasser ist der aufrichtigen Überzeugung, dass dieses Geschwätz keinen überzeugen kann, für den es bestimmt ist und den es zu überzeugen gilt. Wie oben dargelegt, wurde der multipolare Betrug in erheblichem Maße als Reaktion auf das massenhafte Erwachen des politischen Bewusstseins ausgearbeitet, das durch den Zusammenbruch der imperialen Erzählung über Syrien ausgelöst wurde. Und jeder, der an diesem Prozess beteiligt war, weiß, dass Al‐​Jolani, wie Al‐​Baghdadi, Agenten waren, die von den USA ausgebildet, koordiniert und angeleitet wurden, um ihre pseudoorientierten Söldner‐​Kontras von ihrer Amtszeit an der amerikanischen »Dschihad‐​Universität« in Camp Bucca an zu führen, und zwar spätestens zu diesem Zeitpunkt.19 Jeder weiß auch, dass Daesh und andere Takfiri‐​Gruppen in Syrien paramilitärische US‐​Streitkräfte sind, die kontinuierlich den Interessen der USA in Syrien und im Irak dienen und von diesen nur dann »bekämpft« wurden, wenn dies als Vorwand diente, um syrisches Territorium zu zerstören oder Ressourcen zu beschlagnahmen, die sonst nicht beansprucht werden konnten.

Es ist dann wiederum lächerlich, dass Moreno versucht, die anti‐​systemische Gutgläubigkeit von Al‐​Jolani und seiner Clique zu stärken, indem er die offene Invasion Israels in immer größere Teile des syrischen Territoriums und die Zerstörung der militärischen Kapazitäten Syriens als Beweis dafür anführt, dass sie gegen ihn sind – als ob es nicht genau seine Aufgabe wäre, die Bedingungen zu schaffen, unter denen Israel dies tun könnte! Es erscheint daher nur folgerichtig, dass er die syrische Regierung absurderweise für ihren Säkularismus geißelt und die abscheuliche sektiererische Rhetorik ihrer Takfiri‐​Gegner übernimmt:

Lassen Sie uns aus Gründen der Nächstenliebe das rein westliche Konzept des »Säkularismus« beschönigen, das der islamischen Zivilisation völlig fremd ist … Wie allgemein bekannt ist, sind die Al‐​Assads (die 1970 nach der Niederlage von Michel Aflaq, der wahren sozialistischen Seele der Baath‐​Partei, die Macht übernahmen) selbst prominente Mitglieder und Verfechter der religiösen Minderheitensekte der Alawiten sind, was erklärt, warum sie 1981 die syrische Verfassung manipulierten, indem sie die Artikel abschafften, die den islamischen Charakter der Republik und die Tatsache, dass der Präsident ein Muslim sein musste, festschrieben.

Er untergräbt sich selbst noch weiter, wenn er die hundertfach entlarvte Rhetorik der »syrischen Revolution« der kompatiblen Linken und dem »neoliberalen Assad« wiederkäut:

Mit der Machtübernahme seines Sohnes [Hafez Al‐​Assad] wurden die Türen für die Raubtiere des IWF, der Weltbank der Golf‐​Petro‐​Monarchien, buchstäblich weit aufgestoßen. Vor den Toren des Arabischen Frühlings 2011 stand in Syrien eine vollständige Marktwirtschaft mit einer mächtigen, aber korrupten nationalen Bourgeoisie an der Spitze. Eine Wirtschaft, die nicht nur die tiefen sozialen Ungleichheiten verschärft hatte, sondern deren Motor auch brutal ins Stocken geraten war – ein Auslöser für den Volksaufstand, der im März 2011 begann.

Wir betonen erneut: Diese Rhetorik kann nicht erfolgreich sein. Gerade in der Bevölkerung, der gegenüber Moreno hier heuchlerisch auftritt, ist bekannt, dass der Erfolg der syrischen Regierung im Widerstand gegen die Operation »Arabischer Frühling« genau in ihren (bis zum Exzess) gutgläubigen Bemühungen lag, auf die angeblich populären Forderungen nach Reformen zu reagieren und dabei den volksdemokratischen Charakter des Staates zu bewahren. Letztendlich gibt Moreno ein für alle Mal sein Blatt preis, wenn er erklärt:

Im Übrigen wird die Tatsache, dass die Manichäer im falschen Film sind, durch ihre verlegene Weigerung bestätigt, das Verhalten der Russen und Iraner zu erklären, die Al‐​Assads ihrem Schicksal zu überlassen und dann zuzugeben, dass der syrische ein »kontrollierter Abriss« war, der nicht das Ergebnis einer imperial‐​zionistischen Machenschaft, sondern einer Vereinbarung zwischen der Türkei, Russland und dem Iran war.

Dies ist ein besonders schwacher Bluff. Nehmen wir zunächst einfach den Namen »Manichäer« an. Ist er nicht treffend genug? Wir glauben, dass der Klassenkampf real ist und dass der grundlegende globale Antagonismus zwischen den proletarischen Kräften des Fortschritts und der bösartigen herrschenden Klasse und ihren Verbündeten besteht. Wie auch immer wir uns nennen, es ist offensichtlich, dass unsere Erklärung der Ereignisse weitaus kohärenter, rationaler und verständlicher ist als Morenos Darstellung. Schließlich sehen wir hier: Jede Art von fantastischer Absprache, jeder hinterhältige Deal oder jede unpassende Allianz ist möglich, außer der wahren: dass die herrschenden Klassen Chinas, Russlands und der imperialistischen Triade gemeinsam daran arbeiten, ihre gemeinsamen Interessen gegen uns, die sündigen manichäischen Massen, die Amalekiter, durchzusetzen.

Offensichtlich glauben viele Menschen nicht daran. Man denke nur an die jüngsten Interviews mit Laith Marouf, einem offensichtlich aufrichtigen, klugen und engagierten Aktivisten, der – selbst wenn er offenbar von einigen Prämissen des Multipolarismus ausgeht – klar die offensichtlich richtigen Schlussfolgerungen darüber zieht, wie die russische Regierung unter Putin mit dem Westen gegen Syrien konspiriert hat.20 Man denke nur an die hervorragende Dekonstruktion der wiederauflebenden Propaganda durch die Genossen der Research Unit for Political Economy.21 Man höre sich die Podcasts von UK Column an, in denen Vanessa Beeley die Wahrheit über Syrien lobenswert verteidigt.22 Und man sehe sich an, wie alle BRICS‐​Lautsprecher ihr eigenes Publikum für dessen angeblichen »Pessimismus« in Bezug auf die Ereignisse in Syrien kritisieren:sprich für die mangelnde Bereitschaft, ihre langjährigen politischen Verpflichtungen sofort über Bord zu werfen, um sich, wie diese feigen Laufhunde, den Forderungen des Imperiums anzupassen. Dies ist der Pessimismus des Intellekts und der Optimismus des Willens der Kommunisten gegen den Triumph des Willens der Multipolaristen.

Pasquinelli schließt mit der – so müssen wir annehmen – seiner Meinung nach sehr klugen Bemerkung: »Gott ist tot, Marx auch, und die kognitiven Fähigkeiten vieler sind ruiniert.« Diese Erklärung ist besonders auffällig, wenn man bedenkt, dass er die Baath‐​Partei wegen ihres konsequenten Säkularismus schamlos verleumdet. Ob er es nun bemerkt oder nicht, Pasquinelli trägt hier in seiner Unfähigkeit, dem Zitieren des erzreaktionären und urfaschistischen Nietzsche zu widerstehen, dazu bei, die nihilistische und reaktionäre Qualität der multipolaristischen Ideologie noch stärker hervorzuheben. Diese ist, wie Nietzsches, nur insofern kohärent, als sie konsequent gegen die Menschheit ist.

Man muss diese Einstellung nur mit der des »verstorbenen« Marx zu einem ähnlichen Thema vergleichen, um alles zu erfassen, was an diesem Projekt unheilvoll und bösartig ist. Bekanntlich behauptete er in seiner Kritik der Hegel’schen Rechts‐​Philosophie:

»[Religion] ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.

[…]

Die Kritik hat die imaginairen Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte, wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.«23

In diesem Sinne wollen wir auf Wittgensteins obige Bemerkung zurückkommen und fragen: Wie würde es aussehen, wenn der Mensch sich selbst als seine eigene wahre Sonne umkreisen würde, um das befreiende Versprechen der Religion zu verwirklichen? Diese Lakaien der Lakaien des Imperiums möchten, dass wir Putins Oreshniks und Xis »Produktivkräfte« der Foxconn‐​Sklavenlager mit Ehrfurcht betrachten. Dabei sind sie offenbar nicht einmal in der Lage, grundlegende humanitäre Hilfe gegen die Interessen ihres engen wirtschaftlichen Verbündeten Israel nach Gaza zu erzwingen.

Inspiriert vom Widerstand der Iraker, Palästinenser, Syrer, des Donbass und vieler anderer Völker hatte die aufstrebende kommunistische Bewegung die Wahnvorstellungen des chauvinistischen, ultralinken, liberalen Imperialismus der kompatiblen Linken des Menschenrechtsinterventionismus weitgehend überwunden und glaubte nicht mehr daran, dass die schwarzbeflaggten Contras der CIA rot waren. Seitdem kämpft sie darum, sich aus dem Sumpf zu befreien, in den sie durch die ausgeklügelte Propagandaoperation gestürzt wurde. Diese Operation beteuerte, dass die von den Amerikanern in der ehemaligen sozialistischen Welt eingesetzten Konterrevolutionäre und ihre angeblich multipolaren Verbündeten in Wirklichkeit unsere einzige Hoffnung seien. Es ist an der Zeit, mit diesem lächerlichen und giftigen Unsinn endgültig abzurechnen. Es ist an der Zeit, ihn nicht länger zu tolerieren, ihn zu belächeln oder ihn als naiv oder verwirrt abzutun. 15 Monate lang hat das Imperium einen mutwilligen Völkermord begangen, während die ganze Welt zusah.

Die angeblich aufstrebenden multipolaren Titanen weigerten sich nicht nur, dies in irgendeiner Weise zu behindern: Sie unterstützten und begünstigten es aktiv, boten diplomatische Deckung und handelten weiterhin mit den wichtigsten Vollstreckern. Man vergleiche dies mit dem Ansatz der Verdammten dieser Erde, den Opfern jahrelanger oder jahrzehntelanger imperialistischer Angriffe im Libanon oder Jemen, die mit unvorstellbar begrenzten Mitteln und gegen unvorstellbare Einschränkungen arbeiten. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass all die beeindruckenden »Produktivkräfte« und Kriegsmittel in den Händen von Xi, Putin oder Lula nicht einmal mobilisiert werden konnten, um dem palästinensischen Volk Hilfe zu leisten. Und man muss sich ansehen, wie diese »guten Polizisten« der internationalen Ordnung Syrien dann auf verräterischste Weise an den Westen auslieferten, nachdem sie das Land jahrelang an der kurzen Leine gehalten und langsam aushungern ließen.

Wie können aufrichtige Genossen jetzt noch verkennen, dass der multipolare Schwindel und seine medialen Handlanger nichts anderes sind als ein ungeheurer Schraubstock, der die globalen Widerstandskräfte in die Zange nimmt. Die vorsätzliche Ignoranz der BRICS‐​Lautsprecher ist nicht nur eine Falle für potenziell fortschrittliche Kräfte im imperialen Kern: Sie spielen eine Schlüsselrolle in der globalen Desorientierungsmaschinerie, die dem Widerstand überall das Rückgrat bricht. Syrien, Jemen, Libanon, Palästina – diese Länder brauchten und brauchen konkrete praktische Solidarität. Doch alle Versuche, die Kanäle zu etablieren, die dies ermöglichen könnten, werden unaufhörlich in die bösartige Pseudo‐​Opposition dieses lächerlichen Mythos eingepfercht. Überall werden die echten revolutionären Potenziale der globalen Massen entleert und dann in grober Weise ihren eigenen Feinden zugeschrieben. Die Architekten ihrer echten Niederlage werden im Spektakel als phantastische Verwirklichung ihrer Befreiung dargestellt.

Wir sind jedoch nach wie vor davon überzeugt, dass sich jeder echte Befreiungskampf, unabhängig von den Rahmenbedingungen, unweigerlich um seine eigene wahre Sonne und auf die befreiende Wahrheit zubewegen wird. In voller Kenntnis der Grenzen ihrer vermeintlichen Verbündeten starteten die palästinensischen Widerstandskräfte unter der Führung der Hamas am 7. Oktober 2023 aus eigener Initiative und ohne jegliche potenziell kompromittierende Koordination eine atemberaubende Operation. Dabei stiegen sie in ihren Paragleitern hoch auf und schwebten über die Mauern des Gaza‐​Ghettos und zeigten der ganzen Welt, dass Gefangene in die Freiheit geführt werden können – dass die Sklavenhalter und Ausbeuter, die uns, praktisch die gesamte Menschheit, in Knechtschaft halten, gestürzt werden können. Sie taten dies mit den begrenztesten technologischen Mitteln, ohne Putin oder Xi, ohne Oreshniks oder auch nur Scuds. Die überwältigende Mehrheit der Menschheit sah in ihrer konkreten Praxis die Zeichen ihrer eigenen Befreiung. Denn alles, was lebt, ist heilig, alles, was sich bewegt, ist rot, das Leben vergnügt sich beim Leben und wird, daran besteht kein Zweifel, die feigen Agenten des Imperiums ein für alle Mal mit Verachtung strafen.

Deshalb heißt es: Er stieg hinauf zur Höhe und erbeutete Gefangene, er gab den Menschen Geschenke. Wenn es heißt: Er stieg aber hinauf, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg?

Epheser 4, 8 – 9

Fußnoten

2 Wikipedia definiert wie folgt: »Der Paläokonservatismus steht in der Tradition der ›Alten Rechten‹ (Old Right), welche in den 1930er und 1940er Jahren gegen den New Deal opponierte. Sie betonen Werte wie Tradition, Minimalstaatlichkeit, Antikommunismus, befürworten eine protektionistische Außenhandelspolitik und sind entschiedene Gegner von Sozialstaat, Individualismus und Immigration. Paläokonservative betonen Werte wie die traditionelle Familie und die christlich-abendländische Kultur; gleichgeschlechtliche Ehen, Abtreibungen, die Säkularisierung und die Akzeptanz von Geschlechtsidentitäten lehnen sie entschieden ab.«

5 Auszüge des Gedichts »Die Feinde«, übersetzt aus dem Englischen. Nazim Hikmet, »The Enemies.« https://​revolutionarydemocracy​.org/​r​d​v​8​n​1​/​h​i​k​m​e​t​.​htm

7 Siehe Wesley Clarks berühmte Äußerungen in »General Wesley Clark erwägt Präsidentschaftskandidatur: »Ich denke jeden Tag darüber nach«, https://www.democracynow.org/2007/3/2/g​e​n​_​w​e​s​l​e​y​_​c​l​a​r​k​_​w​e​i​g​h​s​_​p​r​e​s​i​d e​n​t​i​a​l​_​bid

8 Anmerkung des Übersetzers: Im angelsächsischem Sprachraum wird Bismarck folgender Ausspruch zugeschrieben: »Politics is the art of the possible, the attainable — the art of the next best.« In Deutschland wird meist die Kurzfassung zitiert: »Politik ist die Kunst des Möglichen.« Belegt ist das nicht und stammt aus Hermann Onckens Ansprache zum Gedächtnis Bismarks, wie Wikiquote dokumentiert und festhält, dass folgende Aussage aus einem Interwiew dem gängigen Zitat am nächsten komme: »Die Politik ist die Lehre vom Möglichen.« Vgl. https://​de​.wikiquote​.org/​w​i​k​i​/​O​t​t​o​_​v​o​n​_​B​i​s​m​a​rck

9 Karl Marx/​Friedrich Engels – Werke, Band 8, »Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte«, S. 115 – 123
Dietz Verlag, Berlin/​DDR 1972, http://​www​.mlwerke​.de/​m​e​/​m​e​0​8​/​m​e​0​8​_​1​1​5​.​htm

10 Karl Marx/​Friedrich Engels – Werke, Band 8, »Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte«, S. 149 – 158
Dietz Verlag, Berlin/​DDR, 1960, http://​www​.mlwerke​.de/​m​e​/​m​e​0​8​/​m​e​0​8​_​1​4​9​.​htm

15 Ein wichtiger Vorläufer dieser inzwischen allgegenwärtigen Figur war in den USA John Dolan mit seinen unter den Pseudonymen »Gary Brecher« und »War Nerd« publizierten Texte in der Zeitschrift The eXile. Die eXile‐​Operation war ein bedeutender Vorläufer einer Reihe von inzwischen bekannteren pseudosystemfeindlichen Tricks, von Chapo Trap House bis hin zur American Communist Party (ACP). Unter dem dünnsten Vorwand der »Satire« verbreitete sie den rückständigsten Chauvinismus, Frauenfeindlichkeit und Bigotterie. Wie so oft zeigt die kleinste Untersuchung, dass sich dieselben überlappenden Netzwerke ständig ausbreiten, wo immer sich Orte potenziellen kritischen Verständnisses abzeichnen. The eXile spielte beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Förderung von Eduard Limonov beim westlichen Publikum. Limonov ist heute wahrscheinlich am bekanntesten dafür, dass er zusammen mit Akesandr Dugin die Nationalbolschewistische Partei gegründet hat. Obwohl dieser Artikel offensichtlich aus einer extrem liberalen interventionistischen Perspektive geschrieben wurde und eine sehr nützliche Dokumentation der wichtigsten Verbindungen enthält, die den wahren Charakter dieser und verwandter Gruppierungen deutlich machen: https://​medium​.com/​@​a​r​e​i​d​r​o​s​s​/​f​r​o​m​-​e​x​i​l​e​-​t​o​-​d​i​r​t​b​a​g​-​e​d​g​e​l​o​r​d​-​g​e​o​p​o​l​i​t​i​c​s​-​a​n​d​-​t​h​e​-​r​i​s​e​-​o​f​-​n​a​t​i​o​n​a​l​-​b​o​l​s​h​e​v​i​s​m​-​i​n​-​t​h​e​-​u​-​s​-​8​4​8​2​2​0​2​1​b​0e8

23 https://de.wikisource.org/wiki/Zur_Kritik_der_Hegel%E2%80%99schen_Rechtsphilosophie

Das englische Original erschien ebenfalls in der MagMa

Bild: Zhang Ruji (张汝济) und Sha Gengsi (沙更思) 1958. Das Plakat bezieht sich auf die „Libanonkrise“ von 1958. Der Wolf trägt einen Hut mit der Aufschrift 美帝 – (imperialistisches) Amerika (https://​chineseposters​.net/)

One thought on “Alles, was sich bewegt, ist rot: Dialektischer Optimismus gegen BRICS‐Nihilismus

  1. Keine Ahnung was dieser Text will bzw. aussagt.

    Aber dass diese »Farbenrevolutionen« von (neben USAID u.a.) dem Milliardär George Soros und seinen »opensociety«-NGOs angeschoben und finanziert wurden – um damit Märkte zu erschließen, Profite zu machen -, sollte doch wohl wenigstens einmal dabei gesagt sein.

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