Leibeigene der Rechenzentren: Der Techno‐​Feudalismus kommt

Wie die zunehmende Digitalisierung des Lebens dazu führen wird, dass immer weniger von uns in echten Jobs mit greifbaren, physischen »Dingen« arbeiten werden und immer mehr von uns wirtschaftlich überflüssig werden.

Die neue Labour‐​Regierung des Vereinigten Königreichs möchte Großbritannien zu einer immer stärker digital ausgerichteten Wirtschaft machen. Das bedeutet mehr riesige Rechenzentren, um all diese digitalen Informationen (oder Überwachungsdaten) zu verarbeiten.

Die Datenverarbeitung verschlingt bereits einen großen Teil des gesamten Energieverbrauchs. Ganz zu schweigen davon, dass man im Winter die Heizung herunterdrehen und freiwillig frieren muss, um den Planeten zu retten. Wenn die vielbeschworene Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI) tatsächlich auf uns zukommt, dann wird Ihr Opfer vernachlässigbar sein, ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein.

Das liegt daran, dass der Energiebedarf für diese Rechenzentren enorm sein wird. »In Europa wird erwartet, dass die Nachfrage nach Rechenzentren bis 2030 auf etwa 35 Gigawatt (GW) ansteigt, von derzeit 10 GW [2024].«

»Quellen aus der Industrie berichteten der BBC, dass Sir Keir Starmer mit seinem Plan, ›Großbritannien zum ›Weltmarktführer‹ im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) zu machen, die bereits angespannte Trinkwasserversorgung weiter belasten könnte. Die riesigen Rechenzentren, die für den Betrieb der KI benötigt werden, können große Mengen an Wasser benötigen, um eine Überhitzung zu verhindern.«

In der Praxis bedeutet dies unbekannte Auswirkungen auf die Versorgung der Haushalte mit frischem Trinkwasser sowie auf andere nicht computergestützte Unternehmen. Es gibt noch keine verlässlichen Schätzungen, aber selbst ohne genaue Zahlen ist der Wasserverbrauch von Rechenzentren zur Kühlung der Server gigantisch. Eine Schätzung (die allerdings auf einem trockenen Klima und nicht auf dem notorisch feuchten Klima im Vereinigten Königreich basiert) gibt zumindest einen Anhaltspunkt dafür, wie viel Wasser für die Server von der menschlichen Nutzung (Trinken, Waschen, Landwirtschaft, Nicht‐​Computerindustrie) abgezweigt würde:

»Dr. Venkatesh Uddameri, ein in Texas ansässiger Experte für Wasserressourcenmanagement, sagt, dass ein typisches Rechenzentrum zwischen 11 und 19 Millionen Liter Wasser pro Tag verbrauchen kann, was in etwa dem Verbrauch einer Stadt mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern entspricht.«

Wenn wir bedenken, dass eine zuverlässige Versorgung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser einer der wichtigsten Faktoren für die grundlegende Hygiene und ganz allgemein für die öffentliche Gesundheit ist, unterstreichen diese Prognosen die Verelendung der britischen Bevölkerung zugunsten der Tech‐Milliardäre.

Und wenn Großbritannien den Weg zur Netto‐​Null weiter beschreitet, wird es nicht genug zuverlässige Energie für den Betrieb der Server geben, sodass etwas nachgeben muss – und das wird nicht Big Data sein. Nicht nur die Energie im Vereinigten Königreich wird betroffen sein, sondern weltweit:

Um einen Eindruck vom Ausmaß der bevorstehenden Entwicklungen bei Rechenzentren zu bekommen, ist es hilfreich, sich die jüngsten Ankündigungen großer Technologieunternehmen anzusehen. Im März wurde bekannt gegeben, dass Amazon ein 960‐​MW‐​Rechenzentrum gekauft hat, das von einem benachbarten Kernkraftwerk mit Strom versorgt wird. Im April sagte Mark Zuckerberg, CEO von Meta, dem Unternehmen, dem Facebook und Instagram gehören, dass der Energiebedarf den Ausbau von KI‐​Rechenzentren bremsen könnte. Er sprach auch über den Bau von Rechenzentren, die 1 Gigawatt Strom verbrauchen würden.

Im vergangenen Monat kündigte der Vorstandsvorsitzende von Oracle, Larry Ellison, an, dass Oracle ein Rechenzentrum mit einer Leistung von mehr als 1 GW entwerfe, das von drei kleinen modularen Kernreaktoren (SMR) angetrieben werden soll. Dann stieg auch Microsoft in das Geschäft ein, als bekannt wurde, dass es mit dem US‐​Versorgungsunternehmen Constellation einen Vertrag über die Wiederinbetriebnahme des 835‐​MW‐​Kernkraftwerks Three Mile Island (TMI) Unit 1 zur Stromversorgung seiner Rechenzentren abgeschlossen hatte. Sundar Pichai, CEO von Google, wollte nicht außen vor bleiben und sagte, dass auch sie an 1‑GW‐​Rechenzentren arbeiteten und Geld in SMRs investiert werde.

Schließlich hat Sam Altman von OpenAI, dem Schöpfer von ChatGPT, alle übertroffen, indem er die Idee von 5‑GW‐​Rechenzentren im Weißen Haus vorstellte. Altman hat davon gesprochen, fünf bis sieben dieser Giganten zu bauen.

Der Energiebedarf für den Betrieb dieser Giganten würde die derzeitige Energieerzeugung der westlichen Nationen übersteigen, ganz zu schweigen von der Erzeugungskapazität, wenn wir erst einmal gezwungen sind, »umweltfreundlich zu werden [CR1] ».

David Turver (siehe oben) schrieb beispielsweise:

»Allein die Pläne für ChatGPT würden in einem Jahr mehr Strom verbrauchen, als das Vereinigte Königreich, die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, erzeugen kann. Man stelle sich nun vor, wie hoch der Gesamtbedarf sein wird, wenn man die Anforderungen von Unternehmen wie Amazon, Oracle, Microsoft, Meta, Google und X hinzurechnet.«

Die britische Regierung verkündete Ende Oktober 2024 stolz, dass sie auf dem Internationalen Investitionsgipfel Investitionen in Höhe von 63 Milliarden Pfund für Großbritannien und fast 38.000 Arbeitsplätze gesichert habe.

Aber um welche Art von Investitionen handelt es sich? Mehr als 38 Prozent, also etwa 24,3 Milliarden Pfund, dieser Gesamtinvestitionen stammen aus Rechenzentren. Reale Dinge wie Infrastruktur (Häfen, Flughäfen, Immobilien und Fertigung) erhielten nur magere 8,5 Prozent des Investitionsvolumens, und die Fertigung selbst (denken Sie daran, dass Großbritannien einst »die Werkstatt der Welt« war) erhielt sogar noch weniger, nämlich 2,5 Prozent bzw. 1,55 Milliarden GBP. Also, Rechenzentren und digitale IT, so lautet die Meinung unserer Wirtschaftsplaner.

Ich bin kein Ökonom und auch nicht so bewandert in Finanzfragen, da ich ein Akademiker auf dem Weg der Besserung bin, der sich früher auf Geschichte spezialisiert hat, aber ich sehe das aus zwei Perspektiven: Sowohl Energie‐ als auch Rechenzentren benötigen nur sehr wenige Menschen aus Fleisch und Blut, um sie zu betreiben, da die Computertechnologie und jetzt auch die KI eine Zukunft ohne Arbeitsplätze versprechen.

Die Fertigung war der letzte personalintensive Sektor der verschiedenen Investitionszweige, insbesondere wenn man an die Art der hochspezialisierten Fertigung denkt (wie einige Bereiche des Ingenieurwesens und der Luft‐ und Raumfahrt, die die letzte Bastion britischer Facharbeiter zu sein scheinen), und das ist nur ein Bruchteil der 8,5 Prozent Investitionen.

Insgesamt zeichnet sich also ein Bild ab, in dem es immer weniger Arbeitsplätze für tatsächliche Arbeiter gibt. Durch den Mangel an Arbeitern und Menschen im Allgemeinen sinkt der Energieverbrauch auf Haushaltsebene (Heizung von Häusern und so weiter). Wenn die Zukunft weniger bevölkert sein soll, besteht kaum Bedarf, das Stromnetz zu modernisieren. Die Energie, die wir früher für unsere Häuser, Mobilität und Freizeit verbraucht haben, kann umgeleitet werden, um die Rechenzentren zu versorgen.

Vielleicht ist meine Fantasie heute ein wenig zu wild, aber ich fürchte, dass die Zukunft in einem grünen und angenehmen Land liegen wird, grün, weil fast menschenleer, und angenehm für die wenigen Verbliebenen, in dem wir Netto‐​Null erreicht haben, indem wir praktisch zu Leibeigenen der Rechenzentren geworden sind.

In englisch erschienen bei Real Left

Bild: Rechenzentrum (Virtuo Doc, wikimedia commons)

One thought on “Leibeigene der Rechenzentren: Der Techno‐​Feudalismus kommt

  1. Wir sind längst über den Punkt hinaus, wo Technik primär für den menschen gedient hat – heute dient der mensch der Technik.

    Technikfetischismus.

    Technik um der Technik Willen. Technik dient sich immer mehr selbst als purer Selbstzweck.

    Neuheitswahn.

    »Fortschritt« um JEDEN Preis

    Technik ist das Goldene Kalb unserer heutigen Zeit.

    Der Mensch ist nicht einfach nur Anhängsel für den Betrieb von Technik geworden, nein, er ist mehr und mehr Störfaktor für Technikanwendungen.

    Selbstbewusste KIs, wenn es denn so etwas geben könnte, würden den Menschen als – nach deren Begriffen – Schädling bekämpfen.

    Technik ist längst unserer Kontrolle entwichen, wir sind wie Goethes Zauberlehrling, dessen durch Zauber ermächtigter Besen der Beherrschung durch den Verursacher entgleitet, nein, längst entglitten ist.

    Wenn man an die Kriege und die Kriegstechnik denkt, hat Technik inzwischen uns Menschen viel mehr Leid und Schaden als Vorteile und Nutzen gebracht.

    Wenn wir nicht endlich jegliche Techniken, alte wie neu, jede einzelne auf einen jeweiligen »Prüfstand stellen« und genau und ausgiebig Nutzen gegenüber Schaden abwägen und entsprechend den Resultaten handeln, wird es bald zu spät sein, dies je nochmal zu tun.

    Technik muss aus den Händen Weniger (und dazu auch noch psychisch Kranker und Asozialer) genommen und unter echte demokratische, Gemeinwohl‐​verpflichtete Kontrolle gebracht werden.

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