Die Keimhypothese Teil 2: Kochs Krise

Im ersten Teil dieser Untersuchung über die Keimhypothese haben wir festgestellt, was genau eine Hypothese in Bezug auf die Naturwissenschaft sein soll, nämlich ein Erklärungsvorschlag für ein beobachtetes Naturphänomen. Wir sind kurz darauf eingegangen, wie Louis Pasteur mit seiner plagiierten Arbeit über die Fermentation, die er von Antoine Bechamp übernommen hatte, zu seiner Erklärung von Krankheiten durch Keime kam. Wir untersuchten auch die experimentellen Beweise, die er sowohl für die Hühnercholera als auch für die Tollwut erbrachte, um zu sehen, ob seine Keimhypothese jemals wissenschaftlich bewiesen und validiert wurde. Bei der Untersuchung wurde deutlich, dass Pasteurs Experimente nicht mit seinen Hypothesen über die Art und Weise übereinstimmten, wie die Keime in einen Wirt eindringen sollten, um eine Krankheit zu verursachen, wie sie in der Natur zu beobachten ist. Das macht seine Ergebnisse ungültig. Darüber hinaus interpretierte Pasteur auch falsch, mit was er hinsichtlich der Hühnercholera arbeitete. Auch gelang es ihm nicht, eine Mikrobe als Erreger der Tollwut zu isolieren, was diese Experimente ebenfalls ungültig machte, da er keine gültige unabhängige Variable (vermuteter Erreger) hatte, mit der er arbeitete. Es gab auch Probleme mit den von Pasteur hergestellten Impfstoffen: Sein Impfstoff gegen Hühnercholera erwies sich als unwirksam, während sein Tollwutimpfstoff mit der Verursachung genau der Krankheit in Verbindung gebracht wurde, die er verhindern sollte.

Nichtsdestotrotz wird Pasteur regelmäßig als echter Held und wissenschaftlicher Gelehrter angesehen und mit Titeln wie »Vater der Mikrobiologie«, »Vater der Immunologie«, »Vater der Bakteriologie« und dergleichen bedacht. Er gilt als Retter, weil er alte Ideen aufgreift, sie entstaubt und sie dann der Öffentlichkeit als seine eigenen verkauft. Obwohl Pasteur die Entwicklung und Popularisierung der Keimhypothese zugeschrieben wird, hat er nicht »bewiesen«, dass Keime Krankheiten verursachen. Laut dem Buch Science, Medicine, and Animals, das vom National Research Council und der National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, gebührt dieser Ruhm dem deutschen Arzt und Mikrobiologen Robert Koch. Es wird behauptet, dass die Entdeckungen von Robert Koch Louis Pasteur dazu veranlassten, zu beschreiben, wie kleine Organismen, die als Keime bezeichnet werden, in den Körper eindringen und Krankheiten verursachen können. In dem Buch heißt es weiter, dass es Koch war, der schlüssig nachwies, dass bestimmte Keime spezifische Krankheiten verursachen können und dass er dies bereits mit seinen Experimenten zur Untersuchung von Milzbrand tat. Dies wird durch die Curiosity Collection der Harvard University bestätigt, in der es heißt, dass Koch »der Nachweis zugeschrieben wird, dass bestimmte Keime Anthrax, Cholera und Tuberkulose verursachen«. Sie weisen darauf hin, dass Kochs Postulate, die vier Kriterien, die einen Kausalzusammenhang zwischen einer Mikrobe und einer Krankheit herstellen sollen, »für die Keimtheorie von grundlegender Bedeutung sind« und dass sie »sowohl beweisen, dass bestimmte Keime bestimmte Krankheiten verursachen, als auch, dass Krankheitskeime Krankheiten von einem Körper auf einen anderen übertragen«.

Kochs Postulate, Kriterien, die dazu dienen, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer verursachenden Mikrobe und einer Krankheit herzustellen. (Mike Jones CC BY‐​SA 3.0)

Pasteur glaubte zwar auch an diese Idee, doch Robert Koch wird die Entwicklung des Konzepts »ein Erreger für eine Krankheit« zugeschrieben. Es überrascht nicht, dass das Robert Koch‐​Institut auch feststellt, dass Koch und nicht Pasteur »als erster den Nachweis erbrachte, dass ein Mikroorganismus die Ursache einer Infektionskrankheit ist«.

Man kann also argumentieren, dass Louis Pasteur seine Keimhypothese falsifiziert hat, zumindest aber kann man sagen, dass seine Arbeit allein nicht ausreicht, um seine Keimhypothese zu beweisen. Um die Keimhypothese zu »beweisen«, wird die Arbeit von Robert Koch aufgrund seiner innovativen Techniken mit neuen Färbeverfahren, die eine bessere Visualisierung ermöglichten, und seiner Verwendung »geeigneter« Medien zur Kultivierung von Bakterien in reiner Form als wesentlich angesehen. Die vier logischen Postulate, die er im Laufe seiner Arbeit entwickelte und die als Kochsche Postulate bekannt sind, gelten seit zwei Jahrhunderten als »Goldstandard‚ für den Nachweis der mikrobiologischen Ätiologie von Infektionskrankheiten«. Die Postulate werden als so wesentlich angesehen, dass sie laut einer Veröffentlichung von Ross und Woodyard aus dem Jahr 2015 »in fast allen Mikrobiologie‐​Lehrbüchern für Anfänger erwähnt werden« und »nach wie vor als wichtiger Standard für die Feststellung kausaler Zusammenhänge in der Biomedizin angesehen werden«. Lester S. King, ein in Harvard ausgebildeter Mediziner, der viele Bücher über die Geschichte und Philosophie der Medizin verfasst hat, schrieb 1952 in seinem Aufsatz »Dr. Kochs Postulate« , dass Kochs Beitrag darin bestand, »eine Kette von Beweisen zu schmieden, die ein bestimmtes Bakterium und eine bestimmte Krankheit miteinander verbanden«. King stellte fest, dass diese Kette so stark und so überzeugend war, »dass seine Prinzipien als ›Postulate‹ gepriesen und als Modell für alle zukünftigen Arbeiten angesehen wurden.«

Da Kochs Beitrag zum »Beweis« der Keimhypothese noch größer zu sein scheint als der von Louis Pasteur, werden wir die drei wichtigsten Beiträge untersuchen, die er zu diesem Unterfangen geleistet hat.Der Schwerpunkt liegt dabei auf seiner Arbeit mit Milzbrand, gefolgt von Tuberkulose und Cholera. Wir werden seinen experimentellen Ansatz daraufhin untersuchen, ob er etwas widerspiegelt, das in der natürlichen Welt vorkommt. Wir werden untersuchen, ob Kochs experimentelle Beweise tatsächlich seine eigenen logischen Postulate zum Nachweis von Mikroben als Ursache von Krankheiten erfüllen. Am Ende dieser Untersuchung wird klar werden, dass die gemeinsamen Bemühungen von Louis Pasteur und Robert Koch nicht ausreichten, um die Keimhypothese zu bestätigen. Entgegen der landläufigen Meinung führten sie sogar zur Falsifizierung der gesamten Doktrin.

Milzbrand

»1876 wies Koch schließlich nach, dass Milzbrand von einem einzigen Erreger ausgelöst wird. Er entdeckte auch die Ruheform des Erregers, Milzbrandsporen, und erklärte so die bis dahin unverstandene Infektionskette und die hohe Widerstandsfähigkeit des Bakteriums gegenüber Umweltfaktoren. Damit hatte Robert Koch als erster nachgewiesen, dass ein Mikroorganismus die Ursache für eine Infektionskrankheit ist.«1

Robert Koch begann seine Untersuchungen zum Milzbrand im Jahr 1876, als er als Kreisarzt eine Praxis in Wöllstein leitete. Damals wurde die Krankheit für den Tod von 528 Menschen und 56.000 Tieren in einem Zeitraum von vier Jahren verantwortlich gemacht. Die vorherrschende Hypothese war, dass es sich um eine durch den Boden ausgelöste Krankheit handelte, da bestimmte Weiden als »gefährlich« für das Weidevieh galten und dies über Jahre hinweg bleiben konnten. Frühere Forscher hatten berichtet, dass bestimmte stäbchenförmige Bakterien im Blut der erkrankten Tiere vorhanden waren. Der französische Biologe Casimir Davaine behauptete, dass die Krankheit durch das Impfen gesunder Tiere mit dem Blut der erkrankten Tiere übertragen werden könne, was laut Koch »entscheidend« war. Davaine schlug vor, dass die Milzbrandkrankheit, die sich ohne nachweisbare direkte Übertragung bei Mensch und Tier entwickelte, auf die Verbreitung eines Bakteriums zurückzuführen sei. Er hatte entdeckt, dass dieses Bakterium in getrocknetem Zustand durch Luftströmungen, Insekten und dergleichen lange Zeit lebensfähig blieb. Wie Koch jedoch in seiner berühmten Abhandlung »Die Ätiologie der Milzbrand‐​Krankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthracis« von 1876 feststellte, wurden diese Berichte von anderen Forschern widerlegt. Diese lieferten widersprüchliche Ergebnisse, bei denen das stäbchenförmige Bakterium nach tödlichen Injektionen mit dem Bakterium nicht im Blut gefunden wurde. Auch Injektionen von Blut ohne das Bakterium konnten die Krankheit verursachen:

»Dennoch fanden diese von Davaine aufgestellten Sätze von verschiedenen Seiten Widerspruch. Einige Forscher wollten nach Impfung mit bakterienhaltigem Blute tödlichen Milzbrand erzielt haben, ohne daß sich nachher Bakterien im Blute fanden, und umgekehrt ließ sich wieder durch Impfung mit diesem bakterienfreien Blute Milzbrand hervorrufen, bei welchem Bakterien im Blute vorhanden waren [auch folgend alle Fettungen von Mike Stone].«2

Koch merkte an, dass darauf hingewiesen worden sei, dass Milzbrand nicht ausschließlich von einem oberirdisch verbreiteten Erreger abhänge, sondern dass die Krankheit zweifellos mit den Bodenbedingungen zusammenhänge. Sie sei »in nassen Jahren bedeutender« und trete »hauptsächlich« in den Monaten »August und September, in welchen die Kurve der Bodenwärme ihren Gipfelpunkt erreicht« auf. Er fuhr fort:

»Diese Verhältnisse sind allerdings durch die Annahme Davaines nicht zu erklären und das Ungenügende derselben hat zur Folge gehabt, daß von vielen die Bedeutung der Bakterien für den Milzbrand ganz geleugnet ist.«3

Dies veranlasste Koch zu der Aussage, dass Davaine mit seiner Annahme, das Bakterium sei gegen Hitze und andere Bedingungen resistent, »nur zum Teil richtig« lag und dass seine eigenen Experimente zeigen würden, dass das Bakterium seinen Zustand je nach Umgebungsbedingungen ändere. Dies bezog sich auf die sporenartige Form des Bakteriums, die Koch im Rahmen seiner Untersuchung entdeckt hatte und die seiner Meinung nach inaktiv und viel resistenter gegenüber Umweltfaktoren war als die aktive »vegetative« Form. Laut Koch war es diese Sporenform des Bakteriums, die das Vieh beim Weiden aufnahm, wo sie, wenn sie im Körper keinen Sauerstoff erhielt, pathogen wurde. Es waren also die Umweltbedingungen, in denen sich das Bakterium befand, die darüber bestimmten, ob es pathogen war oder nicht. Koch war der Ansicht, dass es sich bei Milzbrand definitiv um eine vom »Boden abhängige Infektionskrankheit« handelte. Daher wäre es logisch anzunehmen, dass seine Experimente diese Beobachtung widerspiegelten und das Bakterium in seinem vermeintlich pathogenen Zustand an das betroffene Vieh verfüttert wurde. Spiegelt Kochs Experiment seine Annahme wider und reproduziert es die Krankheit, wie sie angeblich in der Natur auftrat? Finden wir es heraus.

Zunächst erklärte Koch, dass sich laut Prof. F. Cohns »[i]m Blute und in den Gewebssäften des lebenden Tieres
[…] sich die Bazillen außerordentlich schnell in derselben Weise , wie es bei verschiedenen anderen Bakterien beobachtet ist [vermehren].« Koch gab jedoch zu, dass er dies nicht selbst direkt beobachtet hatte, aber der Meinung war, dass es aus seinen Experimenten abgeleitet werden könne:

»Es ist mir allerdings nicht gelungen, diesen Vorgang direkt zu sehen; derselbe läßt sich aber aus den schon häufig vorgenommenen und von mir in folgender Weise wieder holten Impfversuchen schließen4

Um herauszufinden, wie diese »Bodenkrankheit« Nutztiere wie Schafe befällt, griff Koch auf Versuche mit Mäusen zurück. Er begann seine Arbeit, indem er die Milz von »infizierten« Kadavern entfernte und dann das Blut extrahierte. Das Blut injizierte er gesunden Mäusen mit Holzsplittern als Spritze. Zunächst versuchte er, die Mäuse an den Ohren oder in der Mitte des Schwanzes zu impfen, aber er hielt dies für »unsicher«, da das Bakterium durch Reiben und Belecken entfernt werden konnte. Mit anderen Worten, die Mäuse könnten das Bakterium verzehren, was der vorgeschlagene natürliche Weg der »Infektion« ist. Warum dies als »unsicher« für die Mäuse angesehen wurde, wenn der Zweck darin bestand, sie zu »infizieren« und zu töten, bleibt der Phantasie überlassen, es sei denn, Koch hielt es für sich selbst für unsicher, das Bakterium in seinem Labor zu verbreiten. Wie dem auch sei, er fügte den Mäusen schließlich Wunden am Schwanz zu und ließ das Bakterium in die Wunden tropfen:

»Als sehr bequemes und leicht zu habendes Impfobjekt benutzte ich meistens Mäuse. Anfangs impfte ich dieselben an den Ohren oder in der Mitte des Schwanzes, fand aber diese Methode unsicher, da die Tiere durch Reiben und Lecken das Impfmaterial entfernen können; später wählte ich als Impfstelle den Rücken der Schwanzwurzel, wo die Haut schon verschiebbar und mit langen Haaren bedeckt ist. Die in einem verdeckten großen Glase sitzende Maus wird zu diesem Zwecke mit einer langen Pinzette am Schwänze gefaßt und letzterer aus einer schmalen Spalte zwischen Deckel und Glasrand so weit hervorgezogen, daß bequem ein flacher querverlaufender Einschnitt in die Haut des Schwanzwurzelrückens gemacht und ein möglichst kleines Tröpfchen der bazillenhaltigen Flüssigkeit in die kleine Wunde gebracht werden kann5

Nachdem eine Maus getötet worden war, wurden mehrere Injektionen nacheinander verabreicht, wobei die Milzsubstanz neuer Mäuse mit der Substanz geimpft wurde, die in Rinderserum der kürzlich getöteten Mäuse inkubiert worden war:

»[…] wurden mehrere Male Mäuse in aufeinanderfolgender Reihe geimpft, so daß ohne Unterbrechung die folgende Maus immer mit der Milzsubstanz der kurz vorher an Milzbrand gestorbenen infiziert wurde.«6

Koch behauptete zwar, dass er erfolgreich versucht habe, die Mäuse zu töten, doch die Frage, was sie tatsächlich getötet hat, ob es Kohlensäure im Blut war oder giftige Spaltprodukte von Proteinen, blieb unbeantwortet. Koch bevorzugte die letztere Erklärung:

»Ebenso würde es zu weit führen, die Frage nach der eigentlichen Todesursache der an Milzbrand sterbenden Tiere zu erörtern, ob dieselben durch die bei dem intensiven Wachstum der Bazillen im Blute entwickelte Kohlensäure oder, was wohl wahrscheinlicher ist, durch giftig wirkende Spaltprodukte der von den Parasiten zu ihrer Ernährung verbrauchten Eiweißkörper getötet werden.«7

Interessanterweise könnte es eine andere Säure gewesen sein, die den von Koch experimentell untersuchten Tieren Schaden zugefügt hat. Schließlich gab er zu, bei seinen Experimenten Karbolsäure (auch bekannt als Phenol) als Desinfektionsmittel verwendet zu haben. Karbolsäure ist ein Kohlenteerderivat, eine toxische Verbindung, die bereits in geringen Konzentrationen verschiedene biologische Systeme beeinträchtigen kann. Obwohl sie in den 1860er Jahren von Lord Joseph Lister populär gemacht und jahrzehntelang als Antiseptikum verwendet wurde, wird Phenol aufgrund seiner reizenden und ätzenden Eigenschaften sowie der potenziellen systemischen Toxizität nicht mehr häufig als Antiseptikum eingesetzt. Selbst Lord Lister bereute es, jemals seine Verwendung empfohlen zu haben, und gab das Karbolsäure‐​Spray auf. In den 1890er Jahren erklärte er: »Ich schäme mich dafür, dass ich es (das Spray) jemals zur Abtötung von Mikroben in der Luft empfohlen habe.« Koch war dafür bekannt, Karbolsäure auf ihre sporenabtötende Wirkung hin zu testen. Könnten diese Spuren von Karbolsäure, von denen er wusste, dass sie nach der Desinfektion seiner Geräte auf diesen zurückblieben, zu Krankheiten bei seinen Tieren beigetragen haben, die in seinen Experimenten beobachtet wurden?

»Auf welche Kleinigkeiten es hierbei unter Umständen ankommt, mag man daraus ersehen, daß mir anfangs manche Kulturen mißglückten, weil ich alle Deckgläschen nach dem Gebrauch in eine Karbolsäurelösung legte und trotz sorgfältiger Reinigung durch den Geruch erkennbare Spuren von Karbolsäure bisweilen an den Gläschen haften blieben.«8

In seiner Arbeit »Untersuchungen über die Ätiologie der Wundinfektionskrankheiten« aus dem Jahr 1879 stellte Koch fest, dass das Milzmaterial verwendet werden müsse, da das Blut nur wenige Bazillen enthalte, was ziemlich merkwürdig ist, da das CDC angibt, dass das Blut für die Bakterienkultur und die Diagnose von Milzbrand verwendet wird.

»Die Sicherheit, mit der sich der Infektionsstoff von einer Maus auf die andere übertragen läßt, ist noch bedeutender als beim Milzbrand. Bei letzterem muß, um sicher zu gehen, das Impfmaterial aus der Milz genommen werden, weil das Blut von milzbrandigen Mäusen oft sehr wenige Bazillen enthält9

Koch zufolge scheint das Milzmaterial also die Hauptquelle der pathogenen, für die Tötung von Versuchstieren erforderlichen Milzbrandsporen zu sein. Die Injektion von Milzmaterial in Mäuse spiegelt jedoch nicht die Hypothese wider, wie eine natürliche »Infektion« mit dem Bakterium in der Natur bei grasenden Nutztieren ablaufen würde. Dies wissend versuchte Koch, die Pathogenität mit dem Milzbranderreger auf eine Weise zu demonstrieren, die seiner Hypothese, wie Schafe die Krankheit erwerben würden, näher kam … indem er erneut Mäuse verwendete. Um den von ihm angenommenen Expositionsweg widerzuspiegeln, beschloss Koch, den Mäusen das Bakterium zu verfüttern. Nichtsdestotrotz bestand diese »natürliche« Exposition darin, den Mäusen die Milz von Kaninchen und Schafen zu verfüttern, die an der Krankheit gestorben waren, was offensichtlich kein natürlicher Bestandteil der Nahrung einer Maus ist. Er gab an, dass die Mäuse mehr als ihr Körpergewicht an Milzbrand zu sich nahmen, da sie »extrem gefräßig« seien. Ungeachtet der unnatürlichen Nahrung und der großen Menge an aufgenommenen Bakterien wurde keine der Mäuse krank. Da dieser Versuch fehlschlug, versuchte er, eine sporenhaltige Flüssigkeit in ihr Futter zu geben, die die Mäuse wiederum ohne negative Auswirkungen in einer Menge zu sich nahmen, die ihr Körpergewicht überstieg. Auch Kaninchen wurden mit sporenhaltigen Massen gefüttert und blieben gesund. Koch hatte also in diesen Experimenten seine Hypothese, dass das Milzbrandbakterium die Krankheit bei Aufnahme über einen näher simulierten natürlichen »Infektionsweg« (ohne die Verwendung kranker Milz von anderen Tieren) verursachen könnte, auf der Grundlage des beobachteten Naturphänomens widerlegt:

»Um zu sehen, ob das Milzbrandkontagium vom Verdauungskanal aus in den Körper eindringen kann, habe ich zuerst Mäuse mehrere Tage lang mit frischer Milz von Kaninchen und vom Schaf, welche an Milzbrand gestorben waren, gefüttert. Mäuse sind außerordentlich gefräßig und nehmen in kurzer Zeit mehr als ihr Körpergewicht beträgt an milzbrandigen Massen auf, so daß also ganz erhebliche Mengen von Bazillen den Magen und Darm der Versuchstiere passierten. Aber es gelang mir nicht, dieselben auf diese Weise zu infizieren. Dann mengte ich den Tieren sporenhaltige Flüssigkeit unter das Futter; auch das fraßen sie ohne jeden Nachteil; auch durch Fütterung größerer Mengen von sporenhaltigem, kurz vorher oder schon vor Jahren getrocknetem Blute konnte kein Milzbrand bei ihnen erzeugt werden. Kaninchen, welche zu verschiedenen Zeiten mit sporenhaltigen Massen gefüttert wurden, blieben ebenfalls gesund. Für diese beiden Tierspezies scheint demnach eine Infektion vom Darmkanal aus nicht möglich zu sein.«10

Koch schien zu erkennen, dass seine Beweise bestenfalls nicht schlüssig waren. So sagte er, dass noch viel fehlte, um die vollständige Ätiologie der Krankheit zu verstehen. Trotzdem versuchte er, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, während er einige eklatante Fehler eingestand. Als erstes räumte er ein, dass seine Experimente alle an kleinen Nagetieren und nicht an den größeren Rindern durchgeführt wurden, die von der Krankheit betroffen waren. Koch versuchte jedoch, den Leser zu beruhigen, dass Unterschiede zwischen den Tieren unwahrscheinlich seien. Ironischerweise widersprach er sich dann selbst, als er versuchte, die negativen Ergebnisse der Fütterungsexperimente mit Mäusen und Kaninchen wegzuerklären, indem er behauptete, dass sie aufgrund der Unterschiede im Verdauungssystem der Tiere für die viel größeren Rinder nicht relevant seien. Er gab auch zu, dass es immer noch keine Beweise für eine »Infektion« durch Inhalation gab:

»Werfen wir nun einen Blick zurück auf die bis jetzt gewonnenen Tatsachen und versuchen wir mit ihrer Hilfe die Ätiologie des Milzbrandes festzustellen, so dürfen wir uns nicht verhehlen, daß zur Konstruktion einer lückenlosen Ätiologie noch manches fehlt. Vor allem ist nicht zu vergessen, daß sämtliche Tierexperimente an kleinen Nagetieren angestellt sind. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daß die Wiederkäuer, die eigentlichen Wohntiere des uns beschäftigenden Parasiten, sich diesem gegenüber sehr verschieden von Nagetieren verhalten sollten.

Ferner sind die Fütterungsversuche mit Bazillen und Sporen bei Nagetieren mit ihrem negativen Resultat durchaus nicht maßgebend für Wiederkäuer, deren ganzer Verdauungsprozeß doch wesentlich anders ist. Einatmungsversuche mit sporenhaltigen Massen fehlen noch ganz (ebenda).«

Aus Kochs ursprünglicher Arbeit über Milzbrand geht hervor, dass er seine Hypothese, wonach das Milzbrandbakterium bei Aufnahme eine Krankheit verursacht, nicht nur nicht bewiesen hat, sondern dass er seine Hypothese durch seine Experimente mit Mäusen und Kaninchen sogar widerlegt hat, da er nicht nachweisen konnte, dass die Aufnahme von Milzbrandsporen eine Krankheit verursachen kann. Koch konnte Krankheiten nur durch künstliche und unnatürliche Injektionen auf verschiedene Weise in kleine Tiere und Nagetiere mit unterschiedlichen Substanzen verursachen, die nicht seiner auf dem beobachteten Naturphänomen basierenden Hypothese entsprachen. Die einzige Leistung, die man seiner Arbeit zuschreiben kann, ist die Beschreibung des pleomorphen Zyklus eines Bakteriums, das sich aufgrund von Umwelteinflüssen verändern kann.

Ungeachtet dessen verkündeten Koch und seine Unterstützer, dass er die Ursache der Milzbrandkrankheit erfolgreich nachgewiesen habe. Doch trotz des Enthusiasmus und des Lobes, das seiner Arbeit zuteil wurde, gab es zahlreiche Einwände und Kritik an seiner Anthrax‐​Arbeit sowie an der Vorstellung, dass Bakterien die Ursache von Krankheiten seien. Tatsächlich ist laut dem Philosophieprofessor K. Codell Carter, der viele von Kochs Arbeiten erstmals ins Englische übersetzte, klar, dass Koch in seiner Arbeit die Kausalität nicht überzeugend nachgewiesen hat:

»Außerdem findet man, wenn man Kochs Arbeit sorgfältig liest, trotz dessen späterer Behauptungen und der weit verbreiteten Meinung, erstaunlich wenig direkte Beweise für eine Kausalität. Die Beweise, die man findet, sind nicht von der Art, die seine Zeitgenossen überzeugt hätte.«11

Carter fuhr fort, dass Koch nicht nachgewiesen habe, dass die Impfung isolierter Bazillen die Krankheit verursachte. Auch habe er nicht nachgewiesen, dass es sich bei seinen Kulturen des Bakteriums um Reinkulturen handelte. Die Arbeit wurde durchgeführt, bevor Koch seine Plattierungstechnik für das Koloniewachstum entwickelt hatte. Daher wurden keine isolierten Reinkulturen verwendet. Koch ging einfach davon aus, dass seine Kulturen rein waren, wenn er bei der mikroskopischen Untersuchung keine Kontaminationen sah. Dies war ein Argument, das, wie Carter anmerkte, Kochs Zeitgenossen mit Sicherheit nicht überzeugend fanden. Reinkulturen zu haben, war das, was damals jeder als wesentlich ansah. Diese Anforderung wurde in den folgenden Jahren zum zentralen Grundsatz von Kochs Postulaten. Tatsächlich erklärte Koch 1881, dass »in der Reinkultur der Schwerpunkt aller Untersuchungen über Infektionskrankheiten liegt.« Als Koch jedoch seine Arbeit über Milzbrand veröffentlichte, antwortete er seinen Kritikern, dass »[es] im Ganzen genommen […] also mit den Reinkulturen recht traurig aus[sieht] und niemand, der in der bisher üblichen Weise Züchtungen von Mikroorganismen unternommen und nicht alle die von mir angedeuteten Fehlerquellen ganz sicher vermieden hat (was nach meiner Überzeugung überhaupt unmöglich ist), darf sich beklagen, wenn die Resultate seiner experimentellen Forschung unter den derzeitigen Verhältnissen nicht als auf exaktem Wege gewonnen und daher nicht als beweiskräftige von der Wissenschaft anerkannt werden.

Daher fehlte in seiner Arbeit von 1876 über Milzbrand diese Kernkomponente. Da er sich mehr für die Beschreibung des Lebenszyklus des Bazillus zu interessieren schien, als die Kausalität mit einer Reinkultur zu beweisen, waren Kritiker nach wie vor nicht davon überzeugt, dass Koch bewiesen hatte, dass die Bazillen die Ursache von Milzbrand waren.

Carter lieferte in einem separaten Aufsatz, den er zur Erforschung der Entstehung von Kochs Postulaten verfasste, noch mehr Beweise dafür, dass Koch in seiner Arbeit über den Milzbrand von 1876 eine Kausalitätsbeziehung nachgewiesen hätte. Darin erklärte er, dass Koch keine bedeutenden Originalbeweise dafür vorgelegt habe, dass die Bazillen für natürlichen Milzbrand notwendig oder ausreichend seien; dass sich seine Arbeit vielmehr auf künstlich herbeigeführten Milzbrand konzentriere:

»Koch lieferte keine bedeutenden Originalbeweise dafür, dass Bazillen für natürlichen Milzbrand notwendig oder hinreichend waren. Seine Diskussion basierte fast ausschließlich auf künstlich herbeigeführtem Milzbrand bei Versuchstieren. Koch erwähnte, dass er oft Tiere untersucht hatte, die an natürlichem Milzbrand gestorben waren. Von diesen Untersuchungen berichtete er jedoch nur, dass er Bazillen in der Milz eines Milzbrandpferdes gefunden hatte – das einzige Pferd, das er untersucht hatte. Koch zitierte frühere Forscher, die Bazillen in natürlichen Fällen identifiziert hatten, erwähnte aber auch andere Forscher, die sie nicht gefunden hatten.«12

Carter wies darauf hin, dass Koch wusste, dass nur weil Anthrax in einem Tier vorhanden war, dies nicht bedeutete, dass das Tier krank werden würde, dass die Aufnahme von Milzbrand nicht die Krankheit verursachte, dass einige Impfverfahren nicht funktionierten und dass verschiedene Faktoren wichtig waren, um festzustellen, ob ein exponiertes Tier krank werden würde. Koch entwickelte daraufhin Impfverfahren, die Versuchstiere immer töteten. Damit zeigte er, dass die Impfverfahren der wichtigste Faktor für die Auslösung von Krankheiten waren. Er behauptete jedoch nicht, dass dies ein direkter Beweis dafür sei, dass das Milzbrandbakterium die Krankheit verursachte:

»Erstens wusste er, dass die bloße Anwesenheit von Milzbrandbazillen in einem Tier nicht sicherstellte, dass es erkrankte; die Aufnahme von Milzbrandbazillen führte nicht immer zu Milzbrand, einige Impfverfahren waren unzuverlässig. Selbst bei exponierten anfälligen Tieren hing die Anfälligkeit von verschiedenen Faktoren ab. Koch konnte also nicht behaupten, dass die Bazillen allein ausreichten, um Milzbrand zu verursachen. Wie wir sehen werden, übernahm Koch in späteren Arbeiten verschiedene Kausalitätskriterien, die der strengen Suffizienz ähnelten, aber schwächer waren. In den frühen Arbeiten über Milzbrand findet man jedoch keine derartigen Kriterien. Nach einigen frühen Fehlschlägen entwickelte Koch Impfverfahren, die bei bestimmten Versuchstieren ausnahmslos tödlichen Milzbrand auslösten. Bei der Beschreibung seines Verfahrens wies er jedoch lediglich darauf hin, dass es wichtig sei, da es einen Test für die Lebensfähigkeit von Bazillenkulturen darstelle. In dem Artikel von 1876 deutete er an keiner Stelle an, dass diese Impfungen, die die Versuchstiere zuverlässig töteten, einen direkten Beweis dafür lieferten, dass die Bazillen die Ursache für den Milzbrand waren.«13

So stellte Carter fest, dass Koch in seiner Arbeit von 1876 lediglich gezeigt hatte, dass entweder Bazillen oder Sporen für künstliche Krankheitsfälle notwendig waren. Seine Arbeit beweise nicht, dass das Milzbrandbakterium die Krankheit verursache, wie sie in der Natur auftritt. Aus Carters Aussage geht klar hervor, dass Kochs frühe Arbeit zu Milzbrand seinen berühmten Postulaten, die er einige Jahre später aufstellte und die als notwendig erachtet werden, um zu beweisen, dass eine Mikrobe eine bestimmte Krankheit verursacht, nicht standhalten würde.

Ironischerweise führte Kochs erster Versuch, die Keimhypothese mit Milzbrand zu beweisen, zu einer erbitterten Rivalität mit Louis Pasteur, der als derjenige gilt, der die moderne Version der Hypothese aufgestellt hat. Laut Carter betrachtete Pasteur Kochs Arbeit als nicht schlüssig und wies später in einer Antwort an Koch darauf hin, dass verschiedene andere Beobachter, wie er selbst, zu demselben Schluss bezüglich Kochs anfänglicher Beweise für Milzbrand gekommen waren. Pasteur war außerdem der Meinung, dass er der erste war, der in einem 1877 veröffentlichten Artikel Kausalität nachgewiesen hatte:

»Einige Monate später, im Frühjahr 1877, veröffentlichte Pasteur die erste von vielen Abhandlungen über Milzbrand. Nachdem er darauf bestanden hatte, dass Davaine Pollender bei der Beobachtung von Milzbrand‐​Bakteridien vorausgegangen war, behauptete Pasteur, dass er selbst, während er die Krankheiten von Seidenraupen untersuchte, als erster Sporen identifiziert und erkannt habe, dass sie über lange Zeiträume lebensfähig blieben. Pasteur erwähnte Kochs Arbeit positiv und erkannte an, dass Koch als erster den Lebenszyklus des Organismus nachverfolgt und seine Sporen identifiziert hatte. Er wies jedoch darauf hin, dass Kochs Arbeit die Kritiker nicht davon überzeugt hatte, dass die Bazillen die Ursache für Milzbrand waren, und erklärte, dass es sein eigenes Ziel sei, einen schlüssigen Beweis zu erbringen.«14

Möglicherweise zog Pasteur Kochs Arbeit in Zweifel, nachdem er von Kochs Arbeit über das Bakterium des Milzbrands gehört hatte, da er sich unter Druck gesetzt fühlte, am Wettlauf um die Entdeckung und Bekämpfung neuer Mikroben teilzunehmen, um die Vorrangstellung im Entdeckungsprozess zu beanspruchen. Unabhängig davon war die erste Begegnung zwischen Robert Koch und Louis Pasteur offenbar herzlich, als sie sich auf Wunsch von Lord Joseph Lister in London trafen, der Koch zur Teilnahme am Siebten Internationalen Medizinischen Kongress im Sommer 1881 eingeladen hatte.

»Pasteur nahm auch am medizinischen Kongress in London teil. Er hielt einen Vortrag über seine Ergebnisse zur Abschwächung von Milzbrand und die erfolgreiche Impfung von Schafen, die er im Frühjahr durchgeführt hatte. Koch führte im Labor seine Plattentechnik und Methoden zur Färbung von Bakterien vor. Pasteur nahm an dieser Vorführung teil und sagte voller Bewunderung: ›C’est un grand progrès, Monsieur.‹ Dieses Lob war ein großer Triumph für Koch, der 20 Jahre jünger war als Pasteur.«

Der Legende nach soll der Übersetzer von Koch während einer Rede von Pasteur einen Satz aus Pasteurs Rede, in dem es um Kochs Arbeit ging, falsch übersetzt haben. Aus einem Satz, der »eine Sammlung deutscher Arbeit« bedeutete, wurde »deutsche Arroganz«.

Diesmal war es jedoch ein Übersetzungsproblem, das Kochs unerwartet aggressive Antwort provozierte, wie aus einem Dokument hervorgeht, das im Museum des Institut Pasteur in Paris aufbewahrt wird. Das Problem bestand darin, dass die beiden Männer die Sprache des jeweils anderen nicht sprachen oder verstanden. Pasteur bezeichnete Kochs veröffentlichte Arbeit als »recueil allemand«, was so viel wie Sammlung oder Zusammenstellung deutscher Werke bedeutet. Professor Lichtheim, der neben Koch saß und dessen Französisch schnell ins Deutsche übersetzte, übersetzte »recueil allemand« fälschlicherweise mit »orgeuil allemand«, was »deutsche Arroganz« bedeutet. Es überrascht daher nicht, dass Koch verärgert gegen diese unbeabsichtigte Beleidigung protestierte, während Pasteur – der nicht wusste, dass sein harmloser Ausdruck fälschlicherweise in eine scharfe Beleidigung verwandelt worden war – ungewöhnlich ruhig blieb.

Durch diese Fehlübersetzung geriet Koch in Rage und griff Pasteurs Arbeit über Milzbrand an. Er kritisierte dessen »Abschwächung« des Milzbrandbakteriums für Impfungen und warf Pasteur vor, unreine Kulturen zu verwenden und fehlerhafte Impfstudien durchzuführen. Tatsächlich unterstellte Koch im Laufe seiner Argumentation, so Carter, Pasteur habe die Ergebnisse seiner Impfversuche gefälscht. Sowohl Koch als auch der deutsch‐​schweizerische Mikrobiologe Edwin Klebs kritisierten Pasteur dafür, dass er keine neuen Beweise vorlegte, da er lediglich die Experimente wiederholte, die der Botaniker Ernst Tiegel sechzehn Jahre zuvor durchgeführt hatte. In seiner Antwort »Über die Milzbrandimpfung« von 1882,in der Koch sehr harte Worte über Pasteurs Methoden fand, erklärte er, dass dessen Untersuchungen nichts zur Ätiologie der Krankheit beigetragen hätten: »Nur wenige von Pasteurs Ansichten über Milzbrand sind neu, und sie sind falsch.« Laut Carter war Koch der Meinung, dass Pasteurs Experimente »wertlos und naiv« seien, und er weigerte sich, ein Experiment von Pasteur zu wiederholen, das er als »nutzloses Experiment« bezeichnete. Koch warf Pasteur vor, Milzbrandbazillen mit anderen ähnlichen Organismen zu verwechseln, und wies darauf hin, dass seine eigenen Arbeiten zu Milzbrand entgegen Pasteurs Anspruch auf Priorität (etwas, wofür Pasteur berüchtigt war) ein Jahr vor Pasteurs Arbeiten stattgefunden hätten:

»Pasteur ist der Meinung, daß er die Ätiologie des Milzbrandes entdeckt habe, welche bekanntlich nur durch die Kenntnis der Dauersporen der Milzbrandbazillen sowie der Bedingungen ihres Entstehens, ihrer Eigenschaften und Beziehungen zum Boden, Wasser usw. begründet werden konnte. Obwohl ich kein Freund von Prioritätsstreitigkeiten bin, so liegen in diesem Falle die Verhältnisse doch zu offenbar, als daß ich mit Stillschweigen darüber hinweggehen könnte, und ich habe den Pasteurschen Ansprüchen nur entgegenzuhalten, daß meine Publikation, in welcher nicht nur die Bildung der Milzbrandsporen, sondern auch alle ihre Beziehungen zur Ätiologie des Milzbrandes dargelegt sind, im Jahre 1876 erschienen ist. Pasteur hat zum erstenmal über Milzbrand im Jahre 1877 etwas veröffentlicht, also ein Jahr später. Eines weiteren Wortes scheint mir diese Angelegenheit nicht zu bedürfen.«15

Koch stellte zwar Pasteurs Arbeit über Tollwut in Frage, kritisierte jedoch die mangelhaften Methoden, die Pasteur bei der Untersuchung von Tollwut und Anthrax angewandt hatte, was ironischerweise direkt auf ihn selbst gerichtet werden könnte, da Koch ebenfalls keine Reinkulturen und keine geeigneten Versuchstiere verwendet hatte:

»Die von Pasteur befolgten Methoden müssen also, wie auseinandergesetzt wurde, wegen des Mangels der mikroskopischen Untersuchung, wegen der Verimpfung unreiner Substanzen und der Benutzung ungeeigneter Versuchstiere als fehlerhafte
bezeichnet werden und können nicht zu zuverlässigen Resultaten führen. Wenn nun Pasteur ferner sich bei der Deutung der in seinen Experimenten erhaltenen Ergebnisse vom Vorurteil beeinflussen läßt und zu wunderbaren Vorstellungen über die an den Versuchstieren gefundenen Krankheits‐ und Leichenerscheinungen kommt, so darf ihm hieraus allerdings weniger ein Vorwurf gemacht werden. Pasteur ist eben kein Arzt und man kann von ihm nicht verlangen, daß er pathologische Prozesse und Krankheitssymptome richtig beurteilt.«16

Koch kritisierte Pasteur auch für seine Geheimhaltung seiner experimentellen Methoden. Er merkte an, dass Pasteur sie verborgen hielt, um sicherzustellen, dass seine Arbeit nicht von anderen Forschern reproduziert und unabhängig überprüft werden konnte:

»Pasteur hat indessen nicht allein durch die Mangelhaftigkeit seiner Methoden, sondern auch durch die Art und Weise, wie er seine Untersuchungen publiziert, die Kritik herausgefordert. Bei industriellen Unternehmungen mag es erlaubt sein und ist gewiß oft durch das Geschäftsinteresse geboten, das Verfahren, welches zur einer Entdeckung führte, geheim zu halten. In der Wissenschaft herrscht aber ein anderer Brauch. Wer von der wissenschaftlichen Welt Glauben und Vertrauen beansprucht, der hat die Pflicht, die von ihm befolgten Methoden so zu veröffentlichen, daß ein jeder in den Stand gesetzt wird, jene Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Dieser Verpflichtung ist Pasteur nicht nachgekommen. Schon bei seiner Publikation über die Hühnercholera hat er seine Methode der Abschwächung lange Zeit verheimlicht und schließlich nur auf das entschiedene Drängen von Colin sich zur Bekanntmachung derselben entschlossen. Dasselbe hat sich bei der Abschwächung des Milzbrandvirus wiederholt; denn die Mitteilungen, welche Pasteur bis jetzt über die Bereitung der beiden Impfstoffe gemacht hat, sind so unvollkommen, daß es unmöglich ist, ohne weiteres sein Verfahren zu wiederholen und zu prüfen. Wer so verfährt, der darf sich nicht beklagen, wenn er in wissen schaftlichen Kreisen dem Mißtrauen und einer scharfen Kritik begegnet. Die Wissenschaft hat hierzu um so mehr Berechtigung, als andere Forscher auf demselben Gebiete, wieToussaint und Chaveau, ihre Methoden ohne irgendwelchen Rückhalt veröffentlicht haben und in dieser Beziehung einen wohltuenden Gegensatz zu Pasteur bilden.«17

Koch nahm Pasteurs Impfstoff gegen Milzbrand ins Visier und erklärte, dass »alles, was wir hörten, völlig nutzlose Daten waren« und dass der bloße Vergleich der Anzahl der Tiere, die die Impfung überstanden, mit der Anzahl der Tiere, die starben, nicht beweise, dass die überlebenden Tiere deshalb »immun« seien. Pasteur hatte es versäumt, eine »Immunität« nachzuweisen, und es häuften sich Berichte, dass sein Impfstoff das gewünschte Ziel nicht erreicht hatte, während Pasteur »die vielen Misserfolge, die ihm bekannt waren, völlig ignorierte«:

»In Frankreich belief sich zu Anfang September nach den Angaben Pasteurs die Zahl der geimpften Schafe auf 400 000 und die der geimpften Rinder auf 40 000. Die Verluste schätzte Pasteur auf 3 pro mille für Schafe und 0,5 pro mille für Rinder. Die Richtigkeit dieser Zahlen werde ich selbstverständlich nicht in Zweifel ziehen, aber es ist notwendig, sie mit einem Kommentar zu versehen. Man erfährt nämlich aus diesen Zahlen absolut nichts weiter, als daß eine verhältnismäßig große Zahl von Tieren die Impfung ohne Schaden überstanden hat. Das, worauf es uns aber ankommt, ob nämlich der Zweck der Impfung erreicht und ob diese Tiere wirklich immun geworden sind, darüber sagt Pasteur nichts. Der eigentliche Wert der Präventivimpfung würde sich aber doch nur aus Zahlenangaben über die wirklich immunisierten Tiere ergeben. Was würde man wohl von Jenner gesagt haben, wenn er weiter keine Vorteile von der Vakzine‐​Impfung zu rühmen gewußt hätte, als daß Tausende von Kindern geimpft und infolge der Impfung nur so und soviel Prozent gestorben seien? Gewiß würde nichts der Milzbrandimpfung schneller die volle Anerkennung verschaffen, als wenn man die Tausende von Tieren aufzählen könnte, welche man notorisch gegen Milzbrand geschützt hat. Das hat Pasteur allerdings bislang nicht vermocht. Im Gegenteil häufen sich in der letzten Zeit die Klagen über die Mißerfolge der Impfung, und die Schwächen derselben stellen sich immer mehr heraus.

Dagegen ist es befremdend, daß Pasteur, welcher auch die mit zu schwachem Impfstoffe geimpften Tiere sorgfältig zusammenrechnet, um mit möglichst hohen Zahlen und geringen Verlusten glänzen zu können, über die vielen ihm bekannt gewordenen Mißerfolge stillschweigend hinweggeht.«18

Koch kritisierte Pasteur dafür, dass er Ergebnisse ignorierte, die für seine Experimente ungünstig waren, und nur Ergebnisse hervorhob, die er nutzen konnte, um für seine »Erfolge« zu werben:

»Pasteur befolgt also die Taktik, von seinem Experiment nur soviel mitzuteilen, als zu seinen Gunsten spricht, das aber, was ihm ungünstig ist, selbst wenn darin die Entscheidung des Experimentes hegt, zu verschweigen. Ein solches Verfahren mag für eine Geschäftsreklame angemessen sein, aber in der Wissenschaft muß dasselbe mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden.«19

Interessanterweise erklärte Koch bei seinem Angriff auf die fehlerhaften Methoden und Ergebnisse von Pasteur, dass er im Gegensatz zu seinem Artikel von 1876 versucht habe, die Krankheit auf natürliche Weise zu reproduzieren, indem er Schafe mit Materialien fütterte, die Anthrax enthielten. Allerdings gibt es einige Probleme mit den von ihm angewandten Methoden. Zunächst wurden den Schafen Kartoffelstücke gegeben, die kein natürlicher Bestandteil der Ernährung von Schafen sind. Darüber hinaus sind Kartoffeln dafür bekannt, dass sie für Schafe giftig sind, da sie die beim Verzehr giftigen Stoffe Solanin und Chaconin enthalten. Der wahrscheinlichste Grund dafür, dass Koch Kartoffeln verwendete, ist, dass er sie zu dieser Zeit zur Kultivierung seines Bakteriums verwendete, aber sie waren problematisch, da die Scheiben häufig mit Schimmel überwuchert waren. Ungeachtet dessen fütterte er eine Gruppe von Schafen mit der frischen Milz eines kürzlich verstorbenen Meerschweinchens, die in Kartoffeln eingewickelt war, und die andere Gruppe von Schafen wurde mit Scheiben gefüttert, die mit den Sporen des Bakteriums kultiviert wurden. Während die Schafe, die die Milz fraßen, überlebten, erlagen die anderen, die die kultivierten Kartoffeln fraßen, der Krankheit. Hier tritt jedoch das zweite Problem auf. Koch gab an, dass sich das Milzbrandmaterial in der Milz befindet. In einem separaten Artikel aus dem Jahr 1884 behauptete er, dass »sich Sporen niemals im Körper bilden« und dass durch die Entnahme eines Teils der Organe »bekannt war, dass nur die Bazillen eingeschleppt wurden«. Mit anderen Worten: Koch ging davon aus, dass die Milzen keine Sporen, sondern nur die Bazillen enthielten. Der italienische Bakteriologe Giuseppe Sanarelli hat jedoch nachgewiesen, dass Milzbrandsporen im Gewebe des Wirts ruhen können. Koch konnte also nicht behaupten, dass die Milz der überlebenden Schafe frei von ruhenden Sporen war. Sie hätten leicht mit Milzbrandsporen gefüttert werden und überleben können, was seine Hypothese erneut widerlegt hätte.

»Mehreren Schafen wurden mit dem Futter Milzbrandsubstanzen beigebracht, welche nur Bazillen und keine Sporen enthielten. Einige andere Schafe erhielten dagegen sporenhaltige Milzbrandmassen. Die Fütterung der Tiere geschah in der Weise, daß ein Stück von einer Kartoffel ausgehöhlt, mit dem Infektionsstoff gefüllt und dem Tiere so vorsichtig in das Maul gesteckt wurde, daß eine Verletzung der Maulschleihmhaut nicht dabei vorkommen konnte. Auch das Kartoffelstück kann nicht als stachliges Futter gelten, außerdem erhielten die Schafe nur weiches Heu, so daß die von Pasteur vorausgesetzten Infektionsbedingungen vollständig ausgeschlossen waren. Als sporenfreie Substanz diente die frische Milz von einem an Milzbrand gestorbenen Meerschweinchen, als sporenhaltige Substanz eine auf Kartoffeln gezüchtete und in Sporenbildung begriffene Kultur von Milzbrandbazillen. Das Resultat des Versuches war folgendes: Die mit der sporenfreien Milz vom Meerschweinchen gefutterten Schafe blieben, obwohl die Fütterung noch mit anderem sporenfreien Material wiederholt wurde, gesund. Die mit der sporenhaltigen Bazillenkultur gefütterten Schafe waren dagegen nach wenigen Tagen sämtlich an Milzbrand gefallen.«20

In einem weiteren Experiment versuchte Koch zu zeigen, dass Schafe, die eine geringe Menge an Sporen zu sich nehmen, der Krankheit erliegen würden. In diesem Fall erhielten zehn Schafe Kartoffeln, an denen Seidenfäden mit Anthraxsporen befestigt waren. Zwei Kontrollschafe erhielten nur die Kartoffeln. Im Verlauf des Experiments starben vier der zehn Schafe, die die Seidenfäden gefressen hatten. Die beiden Kontrollschafe blieben gesund. Allerdings ergeben sich auch hier einige Probleme, die über die Verwendung der potenziell giftigen Kartoffeln hinausgehen. Erstens ist die Stichprobengröße mit nur zehn Versuchsschafen und zwei Kontrollschafen extrem klein. Es hätten mindestens 10 Kontrollschafe verwendet werden sollen. Zweitens wurden den Kontrollschafen keine Seidenfäden gefüttert. Um die Bedingungen für beide Gruppen genau gleich zu halten, hätten Seidenfäden ohne Sporen verwendet werden müssen. Drittens starben nur vier Schafe, während die anderen sechs gesund blieben. Wie kam es, dass 60 Prozent der Schafe, die mit Anthraxsporen gefüttert wurden, frei von Krankheiten blieben?

»Aus diesem Grunde stellten wir noch folgenden Versuch an. Zehn Schafe erhielten täglich ein Kartoffelstück, in welches ein Fädchen mit Milzbrandsporen eingeklemmt war. Die aus Seide bestehenden Fädchen hatten eine Länge von kaum einem Zentimeter, waren ein Jahr zuvor mit nur sehr geringer Menge Milzbrandsporen imprägniert und in trockenem Zustande aufbewahrt. Zwei Schafe, welche als Kontrolltiere dienten, befanden sich mit jenen Tieren zusammen in demselben Stalle, wurden in derselben Weise gepflegt, erhielten aber keine sporenhaltigen Fädchen. Von den zehn gefütterten Schafen fiel am 5., 6., 11. und 19. Tage der Fütterung je eins, insgesamt also vier Schafe an Milzbrand. Länger wurde die Fütterung nicht fortgesetzt. Die beiden Kontrolltiere waren gesund geblieben. In diesem Versuch entsprachen die in Intervallen von mehreren Tagen auftretenden Milzbrandfälle und der Sektionsbefund der gefallenen Tiere vollkommen dem Bilde des unter natürlichen Verhältnissen in einer Herde ausbrechenden Milzbrandes, und es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, daß die natürliche Infektion vorzugsweise und in der kalten Jahreszeit wohl ausschließlich durch Milzbrandsporen stattfindet, welche in kleinen Mengen mit dem Futter in den Darm gelangen und von da aus die Krankheit erzeugen. Daß bei der Fütterung mit vielen Sporen die Schafe ausnahmslos nach einigen Tagen, nach der Fütterung mit geringen Sporenmengen aber in längeren Zwischenräumen infiziert wurden […].«21

Koch mag zwar gedacht haben, dass seine Experimente einen natürlichen Expositionsweg widerspiegelten, der beweist, dass die Aufnahme von Milzbrandsporen zu einer Erkrankung führt, doch andere Forscher konnten dies nicht bestätigen. Tatsächlich ist es eine wohlbekannte Tatsache, dass »Anthraxbazillen oder ‑sporen in großer Zahl an Labortiere verfüttert werden können, ohne dass Milzbrand entsteht, während sie bei einer Inokulation über die Haut sehr anfällig sind.« Mit anderen Worten: Natürliche Expositionswege mit den Sporen führen nicht zu einer Erkrankung, während dies bei unnatürlichen künstlichen Injektionen der Fall ist. Dies wurde 1925 von Sanarelli bestätigt, der erklärte, dass große Mengen von Milzbrandbazillen oder ‑sporen ohne Krankheit aufgenommen werden können und selbst Blutinjektionen keinen Schaden anrichten. 1922 versuchte Holman, Mäusen und Meerschweinchen Gelatinekapseln mit »virulenten« Sporen zu verabreichen, was ebenfalls keine Schäden verursachte, obwohl »virulente« Sporen aus dem Kot gewonnen wurden:

»Sanarelli (1925) fand heraus, dass eine große Anzahl von Milzbrandbazillen oder ‑sporen über den Mund an Labortiere verabreicht werden kann, ohne diese zu infizieren, und dass das Blut eines infizierten Tieres pro Anus injiziert werden kann, ohne Schaden anzurichten. Virulente Milzbrandsporen, die in kleinen Gelatinekapseln eingeschlossen sind, können von Mäusen und Meerschweinchen ohne Schaden verschluckt werden, obwohl virulente Sporen eine Woche lang aus dem Kot gewonnen werden können (Holman, 1922).«22

In seiner Abhandlung »Die Pathogenese des ‚inneren‘ oder ‚spontanen‘ Milzbrandes« aus dem Jahr 1925 ging Sanarelli sogar so weit zu sagen, dass Kochs Ansichten über Milzbrand zwar allgemein akzeptiert worden seien, weitere Studien über die Aufnahme von Milzbrandsporen jedoch seinen Ergebnissen widersprächen und dass niemand die »intestinale Milzbrandmykose« der Koch‐​Schule reproduzieren könne.

»Die Ansichten von Koch wurden allgemein akzeptiert, aber weitere Beobachtungen zu den Auswirkungen der Aufnahme von Milzbrandbazillen oder ‑sporen haben zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt, und der Autor ist der Ansicht, dass es keinem Arbeiter gelungen ist, die ›intestinale Milzbrandmykose‹ der Koch‐​Schule experimentell zu reproduzieren.«23

Somit wurde die Hypothese, dass Tiere, die mit Milzbrandsporen gefüttert wurden, erkranken und an der Krankheit sterben würden, wiederholt widerlegt, nicht nur von Koch, sondern auch von verschiedenen unabhängigen Forschern. Tatsächlich gilt die Frage, wie ein Tier in der Natur an Milzbrand erkrankt, immer noch als ungeklärt und wird eher als Teil einer Theorie, das heißt als unbewiesene Annahme, denn als wissenschaftliche Theorie, die durch eine bewiesene Hypothese gestützt wird, angesehen. Es gibt verschiedene Erklärungen, die jedoch alle unterschiedlich und rein spekulativ sind.

Während die obigen Beweise zeigen, dass Koch seine Keimhypothese nicht mit natürlichen Methoden beweisen konnte, können wir die Fehler in seinen Beweisen für Milzbrand weiter aufzeigen, indem wir seine eigenen Postulate auf seine Arbeit anwenden.

1. Der mutmaßliche Krankheitserreger muss immer mit der Krankheit assoziiert sein und darf in gesunden Tieren nicht nachgewiesen werden.

  1. Koch gab in seiner Arbeit zu, dass tödlicher Milzbrand nach einer Impfung mit Bakterienblut auftreten konnte, ohne dass anschließend Bakterien im Blut gefunden wurden, und umgekehrt konnte eine Impfung mit diesem bakterienfreien Blut Milzbrand auslösen, obwohl Bakterien im Blut vorhanden waren.
  2. Koch war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass es Fälle von asymptomatischem Milzbrand gibt, wie in einer Studie dokumentiert wurde, in der festgestellt wurde, dass B. anthracis aus der Nase und dem Rachen von 14 von 101 gesunden Arbeitern gewonnen wurde.

2. Der mutmaßliche Erreger muss in Reinkultur gezüchtet werden.

  1. Wie Carter anmerkte, hatte Koch zum Zeitpunkt seiner Untersuchungen zu Milzbrand noch nicht seine Methoden zur Gewinnung reiner Bakterienkulturen entwickelt und ging lediglich davon aus, dass seine Kulturen rein waren.
  2. Koch argumentierte gegen die Kritik, dass seine Kulturen nicht rein seien, indem er erklärte, dass dies unmöglich sei, und räumte damit ein, dass seine Milzbrandkulturen nicht seinen späteren erforderlichen Standards entsprachen.

3. Eine Reinkultur des mutmaßlichen Erregers sollte im gesunden Tier die Krankheit auslösen.

  1. In seiner Arbeit von 1876 gelang es Koch nicht, Milzbrand über den natürlichen Expositionsweg wiederherzustellen, wie es seine Hypothese basierend auf dem beobachteten Naturphänomen vorschlug.
  2. Koch gelang es nur, die Krankheit durch unnatürliche künstliche Injektionen unreiner Substanzen zu erzeugen.

4. Der Organismus muss reisoliert werden und identisch mit dem ursprünglichen Erreger sein.

  1. Da er die Krankheit nicht durch natürliche Expositionswege reproduzieren konnte, wurde nicht versucht, das Bakterium von den nicht erkrankten Tieren zu gewinnen.
  2. Koch konnte das Bakterium zwar in Fällen finden, in denen er unnatürliche Injektionsmethoden anwendete, wie bereits erwähnt, stellte jedoch fest, dass das Bakterium in Fällen, in denen Tiere an der Krankheit starben, nicht gefunden werden konnte.

In seiner Abhandlung von 1882, in der er Pasteur kritisierte, verglich Koch seine eigenen Methoden mit denen von Pasteur und stellte sie einander gegenüber. Er erklärte, dass man von Anfang an »alle[] von der Krankheit veränderten Körperteile« untersuchen müsse, »um das Vorhandensein der Parasiten, ihre Verteilung in den erkrankten Organen und ihre Beziehungen zu den Geweben des Körpers festzustellen.« Erst danach könne man »Nachweis dafür […] erlangen, daß diese Mikroorganismen pathogener Natur sind und daß sie speziell die Ursache für die in Frage stehende Krankheit abgeben. Sie sind zu diesem Zwecke in Reinkulturen zu züchten, und wenn sie hierdurch von allen ursprünglich ihnen noch anhaftenden Bestandteilen des erkrankten Körpers befreit sind, wenn möglich auf dieselbe Tierspezies, bei welcher die Krankheit beobachtet wurde, oder doch auf solche Tiere zurückzuimpfen, bei welchen die fragliche Krankheit erfahrungsgemäß unter unverkennbaren Symptomen vorkommt.« Als Beispiel dafür, wo dies getan worden war, führte Koch die Tuberkulose an, bei der er seine Kriterien vollständig erfüllt hatte. Wie Carter jedoch anmerkte, befolgte er diese Schritte bei der Identifizierung der Ursache von Milzbrand nicht wirklich, und seine Veröffentlichungen von 1876 und 1881 zeigen, dass er eine deutlich andere Strategie verfolgte. Die Strategie, die Koch bei der Untersuchung von Milzbrand angewandt hatte, widerlegte nicht nur seine Hypothese, sondern erfüllte auch nicht seine eigenen notwendigen Kriterien für den Nachweis der Mikrobe als Ursache der Krankheit.

Tuberkulose

»Alle, die mit Tuberkulosepatienten in Kontakt kamen, steckten sich an, blieben aber gesund, solange sie auf sich achtgaben und den Boden in einem Zustand hielten, der für das Wachstum des Samens ungünstig war.«24

Obgleich feststeht, dass Robert Koch seine Hypothese bezüglich Milzbrand nicht beweisen konnte und dass seine vorgelegten Beweise seinen eigenen Postulaten nicht standhielten, war es seine Arbeit mit Tuberkulose einige Jahre später, die Koch letztendlich den Ruhm als »großer Mikrobenjäger« einbrachte. Laut Carter war es Kochs Entdeckung des Tuberkulose‐​Bakteriums, die »wahrscheinlich so viel wie jede andere einzelne Leistung dazu beigetragen hat, die Vorherrschaft der Keimtheorie zu etablieren«. Tatsächlich brachte ihm seine Arbeit zur Tuberkulose 1905 den begehrten Nobelpreis für »seine Untersuchungen und Entdeckungen im Zusammenhang mit Tuberkulose« ein. Mit dieser Arbeit formulierte Koch seine berühmten Postulate, die seither als Goldstandard für den Nachweis von krankheitserregenden Mikroben gelten. Da ich bereits über Kochs Tuberkulose‐​Beweise geschrieben habe, möchte ich hier nicht alles noch einmal aufwärmen. Ich möchte jedoch seine Arbeit dahingehend untersuchen, ob die Experimente eine Hypothese widerspiegelten, die auf einem beobachteten Naturphänomen basierte. Außerdem möchte ich herausfinden, ob er in der Lage war, seine eigenen Postulate zu erfüllen.

Um das Tuberkulose‐​Bakterium in den frühen 1880er Jahren zu »entdecken«, erfand Robert Koch spezielle Färbeverfahren, mit denen er das Bakterium in den Organen erkrankter Wirte leicht sichtbar machen konnte. In der Einleitung seines 1882 erschienenen Aufsatzes »Die Ätiologie der Tuberkulose« erklärte Koch, dass das Ziel seiner Studie darin bestehe, »den Nachweis von irgendwelchen, dem Körper fremdartigen, parasitischen Gebilden […], die möglicherweise als Krankheitsursache gedeutet werden konnten (Die Ätiologie der Tuberkulose)«, zu erbringen. Koch wusste jedoch, dass eine Korrelation nicht gleichbedeutend mit Kausalität ist: »Aus diesem Zusammentreffen von tuberkulöser Affektion und Bazillen folgt indessen noch nicht, daß diese beiden Erscheinungen in einem ursächlichen Zusammenhange stehe (ebenda)«. Koch war jedoch der Ansicht, dass »nicht geringer Grad von Wahrscheinlichkeit für diese Annahme sich aus dem Umstand ergibt, daß die Bazillen sich vorzugsweise da finden, wo der tuberkulöse Prozeß im Entstehen oder Fortschreiten begriffen ist, und dort verschwinden, wo die Krankheit zum Stillstand kommt (ebenda).«. Im Gegensatz zu Kochs Ansichten stellte sich heraus, dass wie Dr. Herbert Snow feststellte, das Bakterium bei der Entwicklung der Krankheit regelmäßig fehlt und bei Patienten mit sehr fortgeschrittenen Krankheitsstadien nicht selten fehlt:

»Der Keim tritt erst dann im Auswurf von Tuberkulosekranken auf, wenn die Krankheit bereits mehrere Monate andauert. Dr. H. J. Loomis (Medical Record, 29. Juli 1905) gibt das durchschnittliche Datum seines Nachweises drei und ein Drittel Monate nach Beginn an, wie durch die körperlichen Anzeichen festgelegt. Dr. Muthus umfangreiche Erfahrung im Mendip Sanatorium ermöglicht es ihm zu bestätigen, dass es nicht selten beim Auswurf von Patienten mit sehr fortgeschrittener Erkrankung und ›umfangreichen Lungenschäden‹ fehlt (Pulmonary Tuberculosis and Sanatorium Treatment, 1910).«

»Professor Middendorp bestreitet, dass der Bazillus in neu gebildeten Tuberkuloseknötchen und vor dem Einsetzen degenerativer Prozesse vorhanden ist. Spina, Charrin und Kuskow konnten ihn bei akuter Miliartuberkulose überhaupt nicht nachweisen, obwohl er, wenn die Kausal‐​Theorie von Koch wahr wäre, besonders häufig vorhanden sein müsste.«25

Seltsamerweise stellte Koch sogar fest, dass er selbst Tuberkulosefälle gefunden hatte, bei denen das Bakterium nicht vorhanden war, was seiner Aussage von einem »nicht geringe[m] Grad von Wahrscheinlichkeit« eines »ursächlichen Zusammenhanges« zu widersprechen schien:

»Um über das Vorkommen der Tuberkelbazillen im phthisischen Sputum eine Anschauung zu gewinnen, habe ich wiederholt die Sputa von einer großen Reihe von Phthisikern untersucht und gefunden, daß in manchen derselben keine, aber ungefähr in der Hälfte der Fälle ganz außerordentlich zahlreiche Bazillen, darunter auch sporenhaltige, vorhanden waren.«26

Laut Koch müsste der Tuberkuloseerreger isoliert und von allen Verunreinigungen befreit und in einem reinen Zustand gezüchtet werden, um zu beweisen, dass er die eigentliche Ursache der Krankheit ist. Diese Reinkultur müsste dann in ein gesundes Tier eingebracht werden und genau dieselbe Krankheit hervorrufen:

»Um zu beweisen, daß die Tuberkulose eine durch die Einwanderung der Bazillen veranlaßte und in erster Linie durch das Wachstum und die Vermehrung derselben bedingte parasitische Krankheit sei, mußten die Bazillen vom Körper isoliert, in Reinkulturen solange fortgezüchtet werden, bis sie von jedem etwa noch anhängenden, dem tierischen Organismus entstammenden Krankheitsprodukt befreit sind, und schließlich durch die Übertragung der isolierten Bazillen auf Tiere dasselbe Krankheitsbild der Tuberkulose erzeugt werden, welches erfahrungsgemäß durch Impfung mit natürlich entstandenen Tuberkelstoffen erhalten wird (ebenda).«

Koch war der Ansicht, dass »die wichtigste« Infektionsquelle »der Auswurf von Schwindsüchtigen« sei und dass dies die Hauptquelle der übertragenen Krankheit sei. Er erklärte, dass Patienten mit Kehlkopf‐ oder Lungentuberkulose, die große Mengen an Bazillen aushusten, besonders »ansteckend« seien. Wenn also die Hypothese lautet, dass der natürliche »Infektionsweg« im Auswurf großer Mengen von Bazillen durch Husten besteht, wäre es logisch, gesunde Wirte auf ähnliche Weise über den Weg der Aerosolbildung zu »infizieren«. Doch um zu beweisen, dass die Bazillen die Krankheit verursachten, wandte sich Koch Meerschweinchen zu. Bei diesem Tier hatte er nach der Untersuchung hunderter gekaufter Meerschweinchen zugegebenermaßen noch nie einen Fall von natürlicher Tuberkulose beobachtet. Die Krankheit trat erst auf, nachdem die Meerschweinchen monatelang in Gefangenschaft gehalten worden waren. Die nur gelegentlich Krankheit ähnelte der bei Menschen:

»Unter Hunderten von eben angekauften Meerschweinchen, welche gelegentlich anderer Versuche zur Sektion kamen, habe ich nicht ein einziges tuberkulöses gefunden. Die spontane Tuberkulose kam immer nur vereinzelt und niemals vor Ablauf von drei bis vier Monaten vor, nachdem die Tiere sich mit tuberkulös infizierten in dem nämlichen Räume befunden hatten. Bei Tieren, welche spontan tuberkulös erkrankt waren, fanden sich ausnahmslos die Bronchialdrüsen ungemein vergrößert und eitrig geschmolzen, meistens auch in der Lunge ein großer käsiger Herd mit weit vorgeschrittenem Zerfall im Zentrum, so daß es einige Male ganz wie in menschlichen Lungenbzu echter Kavernenbildung gekommen war.«27

Statt zu versuchen, die Meerschweinchen auf natürlichem Wege durch Aerosolbildung des Bakteriums zu »infizieren«, injizierte Koch ihnen sein kultiviertes Bakterium in den Bauchraum, in die Nähe der Leistenlymphknoten. Die Injektion von kultivierten Bakterien in den Bauchraum eines Tieres entspricht natürlich nicht dem angenommenen natürlichen Expositionsweg. Interessanterweise stellte Koch fest, dass die Tiere, die er experimentell inokulierte, eine völlig andere Krankheit entwickelten. Die experimentell inokulierten Tiere erkrankten viel schneller. Es wurde gesagt, dass sie ein anderes Krankheitsbild aufwiesen, was es laut Koch einfacher machte, den Unterschied zwischen den künstlich induzierten und den spontanen Tuberkulosefällen, die bei den Tieren beobachtet wurden, zu erkennen:

»Ganz anders verhält sich die Impftuberkulose. Die Impfstelle befand sich bei den Tieren am Bauch, in der Nähe der Inguinaldrüsen. Diese schwollen auch zuerst an und gaben damit ein frühes und untrügliches Kennzeichen für das Gelingen der Impfung. Die Tuberkulose verlief, weil von vornherein eine größere Menge des Infektionsstoffes einverleibt wurde, unvergleichlich schneller als die spontane Tuberkulose, und bei der Sektion dieser Tiere wurden die Milz und Leber stärker tuberkulös verändert gefunden als die Lunge. Es ist deswegen durchaus nicht schwierig, die spontane Tuberkulose von der Impftuberkulose bei den Versuchstieren zu unterscheiden28

Koch gab an, dass er die Tiere auf verschiedene Weise injiziert habe: entweder unter die Haut, in die Bauchhöhle, in die vordere Augenkammer oder direkt in die Blutbahn:

»Blickt man auf diese Versuche zurück, so ergibt sich, daß eine nicht geringe Zahl von Versuchstieren, denen die Bazillenkulturen in sehr verschiedener Weise, nämlich durch einfache Impfung in das subkutane Zellgewebe, durch Injektion in die Bauchhöhle oder in die vordere Augenkammer, oder direkt in den Blutstrom beigebracht waren, ohne nur eine Ausnahme tuberkulös geworden waren […].«29

Er erklärte, dass die Tiere mit dem Material injiziert werden müssen, das in das subkutane Gewebe, die Bauchhöhle und die Augenkammer eindringt, um die Krankheit am erfolgreichsten zu übertragen. Wenn die Wunde nur oberflächlich war, führte dies nicht regelmäßig zur Übertragung der Krankheit:

»Wenn man ein Tier mit Sicherheit tuberkulös machen will, dann muß der Infektionsstoff in das subkutane Gewebe, in die Bauchhöhle, in die vordere Augenkammer, kurz an einen Ort gebracht werden, wo die Bazillen Gelegenheit haben, sich in geschützter Lage vermehren und Fuß fassen zu können. Infektionen von flachen Hautwunden aus, welche nicht in das subkutane Gewebe dringen, oder von der Kornea gelingen nur ausnahmsweise30

Koch erklärte, dass Menschen sich regelmäßig an »ansteckenden« Materialien die Hände aufschneiden könnten, ohne sich dabei eine Krankheit zuzuziehen, weil diese erst tief eindringen müssten, um erfolgreich »infizieren« und Krankheiten verursachen zu können. Er war der Meinung, dass es »sonst kaum verständlich wäre, dass Tuberkulose nicht viel häufiger auftritt, als sie es tatsächlich tut, da praktisch jeder, insbesondere an dicht besiedelten Orten, mehr oder weniger mit Tuberkulose in Kontakt kommt«. Koch stellte fest, dass das Tuberkulosebakterium im Gegensatz zu Milzbrand »die Bedingungen für seine Existenz nur im tierischen Körper findet« und nicht »außerhalb davon unter normalen, natürlichen Bedingungen«. Man könnte also sagen, dass das Tuberkulosebakterium kein äußerer pathogener Eindringling ist, sondern eine Mikrobe, die nur innerhalb des lebenden Organismus existiert.

Beim Lesen von Kochs Arbeit über Tuberkulose wird deutlich, dass er nie versucht hat, die Bedingungen nachzustellen, die aus dem beobachteten Naturphänomen als Voraussetzung für die »Ansteckung« eines gesunden Wirts abgeleitet wurden. Wie Pasteur vor ihm war Koch mehr daran interessiert, eine künstliche Krankheit zu erzeugen, die der sogenannten Tuberkulose ähnelte, und zwar durch verschiedene unnatürliche Injektionen von kultivierten Bakterien, die die Tiere in der Natur niemals erleben würden. Die Erzeugung einer künstlichen Krankheit durch Injektion sagt nichts darüber aus, was in der Natur geschieht. Sie beweist definitiv nicht, dass das, was injiziert wurde, die Krankheit über den invasiven Eingriff und das den Tieren zugefügte Trauma verursacht hat.

Während einige Kochs Arbeit zur Tuberkulose als »eine der endgültigsten Aussagen in der Medizingeschichte« betrachteten, wurde sie nicht von allen akzeptiert. Tatsächlich kritisierten viele seine Ergebnisse, sodass Koch 1883 beschloss in der Arbeit »Kritische Besprechung der gegen die Bedeutung der Tuberkelbazillen gerichteten Publikationen« auf seine Kritiker zu reagieren. Koch begann mit der Klage, dass seine Arbeit von den »namhaften Vertretern der pathologischen Anatomie« nicht anerkannt worden sei. Er ging davon aus, dass sie seine Arbeit lesen würden, räumte jedoch ein, dass er sich in »dieser Voraussetzung […] jedoch getäuscht« habe. »Bis jetzt ist wenigstens nichts davon verlautet, oder es müßten solche Kundgebungen etwa in nächster Zeit zu erwarten stehen.« Koch war der Meinung, dass seine Kritiker an alten Traditionen festhielten und »nach jedem Strohhalm gegriffen« würde, um
sich aus den »hereinbrechenden Fluten« seiner Arbeit »zu retten«. Er war verärgert über die Genugtuung, die sie empfanden, wenn sie Fälle fanden, in denen die Bazillen bei gesunden Menschen oder bei anderen Krankheiten auftraten, und damit sein erstes Postulat widerlegten:

»Mit welcher Freude wurde doch die Nachricht begrüßt, daß die Tuberkelbazillen auch im Darminhalt gesunder Menschen oder in einem einzigen Falle von Bronchiektasis gefunden seien31

In einem Fall versuchte Koch zu argumentieren, dass Cramers Befund des Tuberkulosebakteriums bei 20 gesunden Menschen auf einer Verwechslung beruhe, wobei er erneut darauf hinwies, dass dieser Befund von vielen begrüßt wurde:

»Man sieht wohl, wie weit der angebliche Befund Crämers noch davon entfernt war, die neue Lehre von der Tuberkulose irgendwie zu erschüttern, und doch wurde die Kunde, daß die Tuberkelbazillen bei 20 Gesunden gefunden seien, wie ein erlösendes Wort von allen Seiten begrüßt32

Koch bestätigte, dass Dr. Rollin Gregg ihm einen Aufsatz geschickt hatte, in dem er seine Überzeugung zum Ausdruck brachte, »daß die Phthisis nur in einem Verlust des Blutes an Albumen ihren Grund habe.« Koch erklärte, Dr. Gregg habe ihm gesagt, dass »in jedem Tuberkel sollen Fibrinfäden vorkommen und diese seien offenbar irrtümlicherweise von mir für Bakterien gehalten.«

In Bezug auf die Erkenntnisse von Max Schottelius, dass das klinische Bild der Tuberkulose je nach Tierart variiert, merkte Koch an, dass dies auch bei Milzbrand der Fall sei, wobei das klinische Bild bei Menschen und Tieren sehr unterschiedlich ausfalle, was die Übertragung der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen verbiete, da sie die Krankheit beim Menschen nicht widerspiegeln:

»Ferner möchte ich an die gleichen Verhältnisse beim Milzbrand erinnern. Derselbe verläuft klinisch und anatomisch beim Menschen so verschiedenartig, daß man ohne Berücksichtigung der gleichen Ursache, d. h. der Milzbrandbazillen, ganz verschiedene Krankheitsbilder daraus machen müßte, und ferner differieren die Milzbrandformen des Menschen ganz erheblich von denen der Tiere und ebenso diejenigen der letzteren untereinander.«33

Während Koch versuchte, die Tatsache zu verteidigen, dass Menschen Fleisch, das mit dem Tuberkulosebakterium kontaminiert ist, ohne negative Auswirkungen essen können, warf er einen weiteren Schatten auf seine eigenen Anthrax‐​Erkenntnisse und bemerkte: »Denn es sind mir aus eigener Erfahrung viele Fälle bekannt, in denen Milzbrandfleisch ohne jeden Nachteil genossen wurde.« Koch widersprach daraufhin dem deutschen Arzt Peter Dettweiler, der die Bazillen eher als Nebenwirkung der Krankheit denn als deren Ursache ansah. Dettweiler war der Meinung, dass Kochs Injektionsexperimente nichts bewiesen, da die Tiere nie die typische Tuberkulose‐​Krankheit entwickelten. Koch erklärte, dass er glaubte, dass man, wenn man danach suchen wollte, ein Tier finden könnte, das sich beim Einatmen des Bakteriums mit derselben Krankheit anstecken würde, die auch beim Menschen auftritt. Koch selbst hat dies jedoch nie nachgewiesen.

»Auch er hält die Tuberkelbazillen für eine Begleiterscheinung der Tuberkulose und nicht für die Ursache, trotzdem er bei 87 Phthisikern fast ausnahmslos die Bazillen konstatierte. Seiner Meinung nach können die mit den Bazillen erhaltenen Impfresultate nichts beweisen, weil bei Tieren nur Miliartuberkulose und niemals das typische Bild der Phthisis erzielt werde.

Ich zweifle nicht, daß, wenn man danach suchen wollte, auch schließlich Tierspezies finden würde, welche nach Inhalation so geringer Mengen tuberkulöser Substanz, daß sie nur eine oder wenige Infektionsherde in den Lungen erhalten, auch das typische Bild der menschlichen Phthisis zeigen werden.«

Stattdessen injizierte Koch Tieren auf verschiedene Weise sein kultiviertes Bakterium, um zu behaupten, dass dieses Bakterium die Krankheit verursachte. Koch war sich jedoch der Tatsache bewusst, dass auch die Injektion anderer Substanzen in Tiere, wie Glas, Metall, Holz und so weiter, zu Tuberkulose führen würde. Mit anderen Worten: Die Bazillen waren nicht notwendig, damit die Krankheit auftrat. Er betonte auch den Unterschied zwischen »Impfstoff und spontaner Tuberkulose« und wies erneut darauf hin, dass die künstliche Krankheit nicht der »natürlich« auftretenden Krankheit entsprach:

»Bei Infektionsversuchen, welche die Wirksamkeit der Kulturen erweisen sollten, habe ich die Tiere niemals 86 Tage am Leben gelassen, sondern spätestens am Ende der vierten Woche getötet. Denn bekanntlich können Kaninchen, ob sie mit Glas, Holz, Metall usw. oder auch gar nicht geimpft sind, wenn man sie nur lange genug in infizierten Stallungen sitzen läßt, schließlich tuberkulös, werden. Auf diese Unterscheidung zwischen Impf tuberkulöse und spontaner Tuberkulose muß ich großen Wert legen

Die Tatsache, dass die Injektion anderer Materialien als des Tuberkulosebakteriums bei Tieren dieselbe Krankheit auslösen kann, wurde von Dr. Rollin Gregg in seinem 1889 erschienenen Buch Consumption: Its Cause and Nature erwähnt. Darin veröffentlichte er Auszüge aus einem Bericht von Professor Henry Formad, in dem dieser seine Arbeit mit Hunderten von Tieren beschrieb, die er in zwei Klassen einteilte: skrofulös und nicht skrofulös. Das Kaninchen und das Meerschweinchen, die Koch häufig verwendete, gehörten zur skrofulösen Klasse. Bei diesen Tieren führt jedes Material, das unter die Haut injiziert wird, zu Tuberkulose. Bei nicht skrofulösen Tieren (wie Katzen, Hunden und anderen größeren Tieren) führt die Injektion des Bakteriums unter die Haut nicht zu der Krankheit, aber wenn die Injektionen in die vordere Augenkammer erfolgen, entwickeln die nicht skrofulösen Tiere die Krankheit. Wenn jedoch andere Arten von Materie in dieselben Teile des Auges eingeführt werden, sogar gewöhnlicher Sand, tritt dieselbe Krankheit auf. Wie Dr. Gregg betonte, widerlegen diese Fakten die Behauptung, dass die Tuberkulosebakterien die spezifische Ursache der Krankheit sind, da jede Substanz, die auf die richtige Weise in das richtige Tier injiziert wird, zu Tuberkulose führt.

»Am 18. Oktober 1882 hielt Prof. H. F. Formad von der University of Pennsylvania auf Einladung einen Vortrag vor der Philadelphia County Medical Society über ‚The Bacillus Tuberculosis and some Anatomical Points which Suggest the Refutation of its Etiological Relation with Tuberculosis‹, der in der Philadelphia Medical Times vom 18. November 1882 veröffentlicht wurde. Nachdem er erklärt hatte, dass er ›für das National Board of Health die Gewebe von etwa fünfhundert Tieren mikroskopisch untersucht hat‹ und ›auch die von einer ähnlichen oder noch größeren Anzahl verschiedener Tiere, die von Mitgliedern‹ seiner ›Kurse für experimentelle Pathologie im Universitätslabor in den letzten fünf Jahren verwendet wurden‹, teilt er alle Tiere wie folgt in zwei Klassen ein: skrofulös und nicht skrofulös:

›Zur scrofulösen Klasse gehören zweifellos das zahme Kaninchen und Meerschweinchen sowie alle Tiere in enger Gefangenschaft; während zur nicht‐​scrofulösen Klasse die Katze, der Hund und Tiere in freier Wildbahn gehören.‹

Dann sagt er, wenn die skrofulösen Tiere geimpft werden oder ihnen irgendeine Art von Material unter die Haut injiziert wird, ob tuberkulös, diphtherisch oder was auch immer, selbst ›chemisch reines Glaspulver‹, und sie die ersten Ergebnisse des Experiments überleben, sterben viele von ihnen an Tuberkulose. Aber wenn man die nicht skrofulösen Tiere auf die gleiche Weise, d. h. unter die Haut, sogar mit reinem tuberkulösem Eiter, impft, entsteht keine Tuberkulose. Bei dieser Klasse muss das Impfmaterial in das Peritoneum oder die vordere Augenkammer eingeführt werden, sei es tuberkulöser Eiter oder die sogenannten Tuberkelbazillen, um Tuberkel zu erzeugen. Und auch hier gilt: Wenn andere Arten von Material in dieselben Bereiche eingebracht werden, selbst gewöhnlicher Sand, sind die Ergebnisse dieselben wie bei der Verwendung von tuberkulösem Material. Dies, wie man sehen wird, vernichtet jeglichen Anspruch auf eine spezifische Ursache von Tuberkeln vollständig. Seine Aussagen sind so positiv und eindeutig, dass sie großzügig zitiert werden, und sogar der gesamte Vortrag könnte mit Vorteil zitiert werden, da er für unser Thema so wichtig und direkt anwendbar ist.«

Dr. Gregg wies auf die Fehler in Kochs Methoden hin und stellte fest, dass er nie Kulturen seines Bakteriums verwenden musste, um die Krankheit bei Tieren hervorzurufen. Koch wusste, dass er den nicht skrofulösen Tieren nur ins Auge und den skrofulösen Tieren an einer beliebigen Stelle injizieren musste, um die Krankheit hervorzurufen:

›Koch hat zweifellos Tuberkulose im Bauchfell seiner Katzen und Hunde erzeugt.‹ Und er ›hätte genauso gut Sand zur Inokulation verwenden und seine wertvollen Kulturen des Tuberkulose‐​Bazillus für die Inokulation in andere Körperteile der nicht skrofulösen Hunde, Katzen, Ratten oder andere Tiere aufheben können.‹

›Warum hat Dr. Koch die letztgenannten Tiere nur im Bauchfell und in der vorderen Augenkammer geimpft, während er skrofulöse Tiere (Kaninchen und Meerschweinchen) wahllos an jeder Körperstelle geimpft hat? Das ist ein Rätsel. Versuchen wir, es zu lösen.‹

Dr. Gregg lieferte weitere vernichtende Aussagen von Professor Formad, die seine Arbeit mit Diphtherie betrafen. Professor Formad wies darauf hin, dass, wie auch Koch feststellte, die Impfung von Kaninchen mit nicht‐​tuberkulösem und vollkommen harmlosem Fremdmaterial, wie Glas‑, Metall‑, Holzstücken usw., zum Tod durch Tuberkulose führte. Professor Formad bezeugte, dass er und Dr. Wood über 100 Kaninchen an Tuberkulose sterben sahen, ohne dass ihnen das Bakterium injiziert worden war und ohne dass sie die Absicht hatten, die Krankheit zu übertragen. Ihre Ergebnisse wurden durch die Arbeit von Dr. O. C. Robinson bestätigt:

»›Die Experimente von Prof. H. C. Wood und mir zur Diphtherie haben gezeigt, dass die Kaninchen, die der Krankheit nicht innerhalb weniger Tage erlagen, innerhalb von vier bis sechs Wochen oder länger fast alle an Tuberkulose starben. Um zu sehen, ob das Diphtherie‐​Material spezifisch bei der Erzeugung von Tuberkulose wirkte oder ob letztere lediglich das Ergebnis eines Entzündungsprozesses war, impften wir Kaninchen mit nicht‐​tuberkulösem und vollkommen harmlosem Fremdmaterial wie Glas‑, Metall‐ und Holzstücken usw. Das Ergebnis waren in den meisten Fällen käsige, eiternde Massen am Ort der Inokulation, gefolgt vom Tod durch Tuberkulose innerhalb eines Monats oder länger.‹ «

»›Heute kann ich mit Sicherheit bezeugen, dass Dr. Wood und ich bei mehr als hundert von fünf‐ oder sechshundert operierten Kaninchen den Tod durch eine echte Tuberkuloseerkrankung beobachtet haben, ohne dass eines dieser Tiere wissentlich mit Tuberkulosematerial jeglicher Art geimpft worden wäre und ohne dass wir die Absicht hatten, bei ihnen Tuberkulose zu untersuchen. Alle Kaninchen und Meerschweinchen, die bei den verschiedenen Experimenten an irgendeinem Körperteil verletzt wurden und die unmittelbaren oder akuten Auswirkungen der letzteren überlebten, hatten, mit nur wenigen Ausnahmen, nur ein Schicksal, nämlich an Tuberkulose zu sterben, vorausgesetzt, sie lebten lange genug nach einem traumatischen Eingriff, um die betreffende Läsion zu entwickeln.‹«

»Diese Fakten wurden auch besonders gut durch die Ergebnisse einer sorgfältig durchgeführten Reihe von hundert speziellen Tuberkuloseexperimenten belegt, die von Dr. O. C. Robinson im Pathologischen Labor der University of Pennsylvania durchgeführt wurden: ›Bei nicht‐​skrofulösen Tieren, d. h. bei anderen Tieren als Kaninchen und Meerschweinchen, ist es weder Robinson noch Wood und mir noch irgendeinem anderen Experimentator jemals gelungen, durch Inokulation Tuberkulose zu erzeugen, es sei denn, dies geschah im Bauchfell oder in der vorderen Augenkammer.‹ «

Professor Formad stellte fest, dass niemand, auch nicht Koch, jemals Tuberkulose bei Tieren hervorgerufen hatte, die nicht durch Injektionen in die Haut für die Krankheit prädisponiert waren. Koch änderte seine Injektionsmethode, da er wusste, dass er je nach Tier, an dem er experimentierte, das gewünschte Ergebnis erzielen konnte:

» ›Niemand, auch Koch nicht, hat jemals Tuberkulose bei Tieren hervorgerufen, die nicht dafür prädisponiert waren, beispielsweise durch Inokulation in die Haut. Kochs Aufzeichnungen über seine eigenen Experimente belegen dies und zeigen, dass er, wann immer er Tuberkulose bei Kaninchen oder Meerschweinchen mit Hilfe seines Bazillus erzeugen wollte, wahllos in jeden Körperteil inokulierte; aber wenn er die Auswirkungen seines Parasiten bei nicht skrofulösen Tieren nachweisen wollte, inokulierte er sofort in die vordere Augenkammer oder vorzugsweise in das Peritoneum. Nach dem, was im Zusammenhang mit Entzündungen in serösen Membranen erklärt wurde, ist es offensichtlich, dass diese Experimente nicht beweisen, dass der Bazillus die Ursache der Tuberkulose ist.‹ «

Dr. Gregg fasste die Punkte von Professor Formad zusammen und erklärte, dass die Fähigkeit, Tuberkulose durch Injektionen nicht‐​tuberkulöser Substanzen zu erzeugen, beweise, dass die Bazillen nicht die Ursache der Krankheit seien und dass Mediziner aufhören müssten, Zeit damit zu verschwenden, Tuberkulose als ansteckende Krankheit zu verfolgen:

»Und doch würde das Einführen von »Stücken aus Glas, Metall, Holz und so weiter« in dieselben Teile genauso leicht Tuberkulose hervorrufen wie tuberkulöser Eiter oder der Tuberkulose‐​Bazillus; während das einfache Einführen derselben nicht‐​tuberkulösen Materialien unter die Haut von skrofulösen Tieren identisch dieselben Ergebnisse hervorrief wie die tuberkulöse Substanz bei dieser Klasse. Könnte es einen eindeutigeren und überzeugenderen Beweis für den unspezifischen Charakter tuberkulöser Stoffe oder des Tuberkelbazillus als Infektionserreger geben? Wenn Holz, Glas und andere Stoffe bei gleicher Anwendung genau dieselben Ergebnisse wie der sogenannte Tuberkelparasit erzielen, sollten Mediziner ihre Zeit lieber für andere Dinge nutzen, als sie mit dem Versuch zu verschwenden, zu beweisen, dass Tuberkulose eine spezifische ansteckende Krankheit ist.«

Ironischerweise bestätigte Koch selbst die nicht ansteckende Natur der Tuberkulose und erklärte 1884, dass wiederholt versucht worden sei, »mit Hilfe des gesammelten klinischen Materials die Ansteckungsfähigkeit der Phthisis zu beweisen, doch müssen diese Versuche als gescheitert angesehen werden, da es nicht gelungen ist, jener Anschauung Eingang in die Wissenschaft zu verschaffen.« Er gab zu: »Manche Kliniker haben allerdings die Möglichkeit einer Ansteckung nicht aus dem Auge gelassen, aber im großen und ganzen gilt die Phthisis bei den Ärzten als eine von konstitutionellen Anomalien ausgehende, nicht infektiöse Krankheit.«

In seiner Abhandlung »Der Tuberkulose‐​Bazillus und die Ätiologie der Tuberkulose – Ist Schwindsucht ansteckend?«, zählte Professor Formad die vielen Forscher auf, die zu denselben Ergebnissen gekommen waren, indem sie Tuberkulose mit anderen Substanzen als dem Tuberkulose‐​Bakterium erzeugten:

Die folgenden Beobachter beziehen sich alle auf viele oder wenige eigene Experimente, bei denen Tuberkulose durch die Inokulation mit entweder harmlosen Substanzen oder mit spezifischen Stoffen, die nicht tuberkulös waren, verursacht wurde:

  • Lebert, Atlgem. Med. Central Zeitung; 1866.
  • Lebert and Wyss, Virchow’s Archiv, vol. xl, 1867.
  • Empis, Report of the Paris Internat. Med Congress, 1867.
  • Bunion Sanderson, British Med. Journal, 1868.
  • Wilson Fox, British Med. Journal, 1868.
  • Langhans, Habilitationschrift, Marburg, 1867.
  • Clark, The Medical Tithes, 1867.
  • Waldenburg, Die Tuberculose, etc., Berlin, 1869.
  • Papillon, Nicol, and Leveran, Gaz. des Hop., 1871.
  • Bernhardt, Deutsch. Arch. f. Klin. Med., 1869.
  • Gerlach, Virchow’s Archiv, vol. li , 1870.
  • Foulis, Glasgow Med. Journal, 1875.
  • Perls, Allgemeine Pathologie, 1877.
  • Grohe, Berliner Klin. Wochenschr, No. I, 1870.
  • Cohnheim and Fränkel, Virchow’s Archiv, vol. xlv, 1869.
  • Knauff, 4îte Versamml. Deutsch. Naturforscher, Frankfort.
  • Ins. Arch f. Experim. Pathologie, vol v, 1876.
  • Wolff, Virchow’s Archiv, vol. Ixvii, 1867.
  • Ruppert, Virchow’s Archiv, vol. lxxii, 1878.
  • Schottelius, Virchow’s Archiv, vol. lxxiii, 1878 ; ibid., xci, 1883.
  • Virchow, Virchow’s Archiv, vol. lxxxii, 1880.
  • Strieker, Vorlesungen über Exp. Pathologie, Wien., 1879.
  • Martin, Med. Centralblatt, 1880, No. 42.
  • Wood and Formad, National Board of Health Bulletin, Supplement No. 7, 1880.
  • Robinson, Philadelphia Med. Times, 1881.
  • Weichselbaum, Med. Centralblatt, No. 19, 1882, and Med. Jahrbücher, 1883.
  • Balough, Wiener Mcdiz. Blatter, No. 49, 1882.
  • Wargunin, Allg. Med. Centralblatt, April 8, 1882
  • Hansell Arch. f. Ophthalmologie, vol. xxv.

Wie aus den Aussagen von Dr. Gregg und Professor Formad deutlich hervorgeht, war Kochs Arbeit mit dem Tuberkulosebakterium im Wesentlichen ein Vorwand, um die Keimtheorie zu stützen. Es spielte keine Rolle, ob Koch eine Reinkultur seines Tuberkulosebazillus oder Glasscherben, Metall, Sand und dergleichen verwendete, da es der eigentliche Akt des Injektierens von Fremdsubstanzen in der richtigen Weise in die Tiere war, der zur Krankheit führte. Hätte er sich bei seiner Arbeit auf Sägemehl konzentriert, hätte Koch mit seinen experimentellen Injektionen überzeugend darlegen können, dass es die Ursache der Tuberkulose sei. Da seine Experimente nicht den von ihm angenommenen natürlichen »Infektionsweg« widerspiegelten, wurde Robert Koch durch die pseudowissenschaftlichen Ergebnisse, die er mit seinen unnatürlichen Methoden erzielte, die künstliche Krankheiten bei Tieren verursachten, in die Irre geführt.

Da Koch nicht versuchte, seine Hypothese mit stichhaltigen wissenschaftlichen Beweisen zu untermauern, die ein beobachtetes natürliches Phänomen widerspiegelten, können wir sagen, dass seine Hypothese bestenfalls unbewiesen blieb. Wenn wir jedoch untersuchen, ob seine Tuberkulose‐​Beweise den von ihm aufgestellten Postulaten entsprachen, können wir die Hypothese, dass der Tuberkulose‐​Bazillus die Ursache der Tuberkulose‐​Krankheit ist, ausschließen, da sie von Anfang an Kochs Kriterien nicht erfüllte. Der Bazillus wurde in gesunden Wirten gefunden (sogar von Koch selbst), fehlte in kranken Wirten und wurde in Fällen anderer Krankheiten gefunden, womit er das allererste Postulat nicht erfüllte. Wir wissen heute, dass das Bakterium bei etwa einem Viertel der Weltbevölkerung vorkommt und dass das »Risiko«, im Laufe des Lebens daran zu erkranken, nur bei 5 – 10 Prozent liegt. Daher kommt das Bakterium am häufigsten bei gesunden Menschen vor. Koch gelang es zwar, eine Reinkultur zu züchten, doch die Ergebnisse, die durch die unnatürliche Injektion des Bazillus in Tiere erzielt wurden, bei der die Krankheit nachgebildet und als Hauptursache nachgewiesen wurde, wurden von vielen anderen Forschern, die dieselben Ergebnisse ohne Verwendung des Bazillus erzielten, wiederholt verfälscht. Diese Ergebnisse entkräften die Beweise, die Koch zur Untermauerung des dritten und vierten Postulats verwendete. Letztendlich war Kochs »monumentale« Arbeit mit Tuberkulose, die ihm den Nobelpreis einbrachte, nicht so monumental. Wie er in den Anmerkungen zum Nachdruck seines Artikels von 1882 zugab, konnte er mit seiner Arbeit an Meerschweinchen nicht eindeutig beweisen, dass das Bakterium die Krankheit beim Menschen verursachte.

»Koch hatte auch das Glück, dass der für den Menschen pathogene Tuberkelbazillus so leicht auf Meerschweinchen übertragen werden kann. Ohne ein Versuchstier, das nach der Inokulation mit tuberkulösem Material charakteristische Symptome zeigte, wäre seine Arbeit viel schwieriger gewesen. Er hätte den Organismus vielleicht erfolgreich kultivieren können, aber der tatsächliche Beweis, dass dieser Organismus der Erreger der Tuberkulose war, wäre viel schwieriger gewesen. Es sollte angemerkt werden, dass er in dieser Arbeit keinen endgültigen Beweis dafür hat, dass der von ihm in Reinkultur isolierte Organismus wirklich die Ursache für die menschliche Tuberkulose ist. Dies könnte nur durch Impfungen am Menschen geschehen. Da dies nicht möglich ist, können wir nur darauf schließen, dass der isolierte Organismus die menschliche Krankheit verursacht. Ein solches Dilemma besteht immer für den Forscher, der menschliche Krankheiten untersucht. Er muss lernen, damit zu leben.«34

Cholera

»Die einzige Möglichkeit, einen direkten Beweis dafür zu erbringen, dass Komma‐​Bazillen Cholera verursachen, sind Tierversuche. Man sollte zeigen, dass Cholera experimentell durch Komma‐​Bazillen erzeugt werden kann.«35

Als Robert Koch sich daran machte, die Mikrobe aufzuspüren, die er als Ursache für die Symptome der als Cholera bekannten Krankheit ausmachen konnte, erklärte er, dass die einzige Möglichkeit, einen direkten Beweis zu erbringen, in Tierversuchen bestünde, bei denen die Krankheit nachgestellt würde. John Snow hatte bereits die Hypothese aufgestellt, dass durch Abwasser und verwesende Stoffe verunreinigtes Wasser die Ursache für die Cholera‐​Ausbrüche sei. Daher wäre es logisch zu folgern, dass Trinkwasser, das Reinkulturen des vermuteten Erregers enthält, zumindest der Weg wäre, um zu beweisen, dass es die Ursache der damit verbundenen Krankheit ist. Interessanterweise kam Koch im Fall der Cholera in seinen Tierversuchen einer ähnlichen Vorgehensweise nahe. Er versuchte tatsächlich, verschiedene Tiere zu »infizieren«, indem er sie sowohl mit unreinen als auch mit reinen choleraartigen Materialien fütterte. Er griff auch auf subkutane und intravenöse Injektionen sowie Injektionen in den Zwölffingerdarm mit Reiswasser‐​Stuhl und mit reinen Kommabazillen‐​Kulturen zurück. In seinem 1884 erschienenen Artikel »Erste Konferenz zur Erörterung der Cholerafrage am 26. Juli 1884 in Berlin« beschrieb er viele der Methoden, die er bei seinen Versuchen, Tiere krank zu machen, anwendete.

In diesem Artikel stellte Koch fest, dass der einzige Weg, einen direkten Beweis für die Cholera verursachende Wirkung der Kommabazillen zu erbringen, Tierversuche seien, die, so Koch, »wenn man den Informationen der Autoren folgt, unkompliziert sind und auch ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden können sollten«. Seine Vorgehensweise erwies sich jedoch als ziemlich schwierig. Zunächst einmal gab Koch zu, dass es »kein verlässliches Beispiel für Tiere gibt, die sich in Zeiten der Cholera spontan mit Cholera infizieren«. Daher war die Suche nach einem geeigneten Versuchstier, das sich mit der Krankheit anstecken konnte, im Wesentlichen reine Spekulation. Also beschloss Koch, die Krankheit experimentell mit 50 Mäusen nachzustellen, und versuchte, sie auf so viele verschiedene Arten wie möglich zu »infizieren«. Er fütterte die Mäuse mit dem Kot von Choleraopfern sowie mit dem Darminhalt von Leichen. Er fütterte sie sowohl mit »frischen« Materialien als auch mit solchen, die bereits in Zersetzung begriffen waren. Doch trotz wiederholter Versuche, die Mäuse durch die Fütterung mit dem Inhalt von Choleraopfern krank zu machen, blieben sie gesund. Koch versuchte, Affen, Katzen, Hühner, Hunde und verschiedene andere Tiere zu »infizieren«, jedoch ohne Erfolg, selbst wenn er ihnen Reinkulturen des Kommabazillus verabreichte:

»Ich habe insbesondere, weil man auf die von Thiersch an weißen Mäusen erzielten Resultate viel Gewicht legen mußte, von Berlin 50 Mäuse mitgenommen und alle möglichen Infektionsversuche damit angestellt. Zunächst wurden sie mit Entleerungen von Cholerakranken und mit dem Darniinhalt von Choleraleichen gefüttert. Wir haben uns möglichst genau an die Versuchsanordnung von Thiersch gehalten und nicht allein mit frischem Material gefüttert, sondern auch, nachdem die Flüssigkeiten in Zersetzung übergegangen waren. Trotzdem diese Experimente immer und immer wieder mit Material von neuen Cholerafällen wiederholt sind, blieben unsere Mäuse gesund. Es wurde dann an Affen experimentiert, an Katzen, Hühnern, Hunden und verschiedenen anderen Tieren, deren wir habhaft werden konnten, aber niemals haben wir etwas dem Choleraprozeß ähnliches bei Tieren erzielen können. Ganz ebenso haben wir mit den Kulturen der Kommabazillen Versuche gemacht, auch diese wurden verfüttert in allen möglichen Stadien der Entwicklung.«36

Da die Fütterungsexperimente bei Tieren nichts Ähnliches wie den Cholera‐​Prozess hervorriefen, beschloss Koch, invasivere Methoden auszuprobieren, bei denen der Bauch der Tiere aufgeschnitten und die Flüssigkeiten direkt in den Dünndarm injiziert wurden. Er versuchte sogar, mit einem langen Katheter Reinkulturen so weit oben wie möglich in den Darm von Affen zu injizieren. Doch selbst bei diesen invasiven und unnatürlichen Expositionswegen wurde keines der Tiere krank:

»Man mußte hieraus schließen, daß das Mißlingen der Fütterungsversuche in diesem Verhalten der Kommabazillen seinen Grund haben könnte. Deswegen wurde der Versuch dahin abgeändert, daß man den Tieren die Substanzen direkt in den Darm brachte. Es wurde der Bauch geöffnet und die Flüssigkeit mit einer Pravazschen Spritze unmittelbar in den Dünndarm injiziert. Die Tiere vertrugen diesen Eingriff sehr gut, aber sie wurden nicht krank davon. Wir haben ferner bei Affen versucht, durch einen langen Katheter die Choleradejektion möglichst hoch hinauf in den Darm zu bringen. Auch dies ging sehr gut, aber die Tiere sind gesund geblieben37

Es gab nur ein Experiment, das Koch Hoffnung gab, die Krankheit bei Tieren zu erzeugen, und dabei wurden die Komma‐​Bazillen direkt in die Blutbahn von Kaninchen und in die Bauchhöhle von Mäusen injiziert. Die Kaninchen erkrankten zwar, erholten sich aber schließlich wieder. Die Mäuse starben innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Um diesen »pathogenen« Effekt zu erzielen, mussten Koch zufolge jedoch recht große Mengen verwendet werden, was nicht den Beobachtungen aus früheren Experimenten mit anderen Krankheiten entsprach, bei denen die geringsten Mengen angewendet wurden, um einen Effekt zu erzielen. Koch wollte wissen, ob der von ihm erzeugte Effekt auch in der Natur zu beobachten war, und wurde von den Einheimischen beruhigt, dass er in den Tierpopulationen, die in den Gebieten lebten, in denen die Krankheit beim Menschen auftrat, nie beobachtet wurde. Obwohl er in diesem speziellen Fall in der Lage war, bei Kaninchen und Mäusen künstlich eine Krankheit zu erzeugen, kam Koch letztendlich zu dem Schluss, dass ein echter Cholera‐​Prozess bei Tieren nicht künstlich induziert werden kann und dass dieser Beweis zu verwerfen sei:

»Das einzige Experiment, bei welchem die Kommabazillen eine pathogene Wirkung äußerten, und welches mir deswegen auch anfangs Hoffnung machte, daß man damit doch zu einem Resultat kommen könnte, war, daß man Reinkulturen den Kaninchen direkt in die Blutbahn oder Mäusen in die Bauchhöhle injizierte. Die Kaninchen erscheinen nach der Injektion sehr krank, erholen sich aber nach einigen Tagen wieder. Mäuse starben dagegen 24 bis 48 Stunden nach der Injektion und es ließen sich die Kommabazillen im Blute derselben nachweisen.

Man muß allerdings den Tieren ziemlich große Mengen beibringen; und es ist nicht wie bei anderen Infektionsversuchen, wo man die kleinsten Mengen anwendet und dennoch eine Wirkung damit erzielt. Um über die Möglichkeit, Tiere mit Cholera infizieren zu können, Gewißheit zu erlangen, habe ich mich in Indien überall erkundigt, ob bei den Tieren je ähnliche Krankheiten beobachtet sind. Es ist mir aber gerade in Bengalen versichert worden, daß niemals derartiges vorgekommen sei. In dieser Provinz findet sich eine außerordentlich dichte Bevölkerung und es gibt dort mancherlei Tiere, die mit den Menschen zusammenleben. Man sollte nun annehmen, daß in diesem Lande, wo überall und fortwährend Cholera vorhanden ist, die Tiere recht oft den Cholerainfektionsstoff und zwar in einer ebenso wirksamen Form wie die Menschen in ihren Verdauungskanal bekommen müssen, aber niemals ist dort beobachtet, daß Tiere an choleraartigen Zufällen erkrankt sind. Ich glaube deswegen auch, daß alle die Tiere, die uns zu solchen Versuchen zu Gebote stehen, und ebenso diejenigen, welche mit den Menschen gewöhnlich in Berührung kommen, sämtlich für Cholera immun sind und daß ein richtiger Choleraprozeß bei ihnen auch nicht künstlich erzeugt werden kann. Wir müssen daher auf dieses Beweismittel verzichten (ebenda).«

Aufgrund seiner Unfähigkeit, Cholera bei Tieren zu reproduzieren, was Koch in einer Mitteilung vom 2. Februar 1884 als wünschenswert, aber als unmöglich erwiesen bezeichnete, gab er das Kernkriterium auf, das er noch vier Monate zuvor als einzige Möglichkeit angesehen hatte, direkt nachzuweisen, dass der Komma‐​Bazillus die wahre Ursache der Cholera war.

»In seinem fünften Bericht vom 7. Januar 1884 gab Koch bekannt, dass es ihm gelungen war, den Bazillus in Reinkultur zu isolieren. Die Ergebnisse der Autopsie seien dieselben wie in Ägypten gewesen, und sollte es möglich sein, zu bestätigen, dass der Bazillus ausschließlich bei Cholera‐​Patienten zu finden sei, so sei es kaum möglich, seinen kausalen Zusammenhang mit der Krankheit zu bezweifeln – auch wenn es möglicherweise nicht möglich sei, eine ähnliche Krankheit bei Tieren zu reproduzieren. Hier verzichtete Koch auf eines der Beweismittel, die er selbst fast vier Monate zuvor in seiner ersten Mitteilung festgelegt hatte.«38

Koch konnte also nur dann behaupten, dass der Komma‐​Bazillus die Ursache der Cholera war, wenn er den Bazillus bei Cholera‐​Patienten fand. Mit anderen Worten: Koch ging davon aus, dass eine Korrelation einer Kausalität gleichkommt, was, wie er selbst betonte, in der Vergangenheit nicht ausreichte, um auf eine Kausalität zu schließen, da eine Korrelation bekanntlich keine Kausalität bedeutet. Spätere Erkenntnisse zeigten, dass es sich um eine sehr schwache Korrelation handelte, wie Henry Raymond Rogers, M.D., 1895 feststellte. Die Kommabazillen wurden nicht nur regelmäßig bei gesunden Menschen, sondern auch bei anderen Durchfallerkrankungen gefunden. Dies war Koch selbst bewusst, der 1893 erklärte, dass »das Fehlen oder vielmehr die Nichterkennung von Cholera‐​Bakterien in einem Fall, bei dem der Verdacht auf Cholera bestand«, auf ungeschulte Ermittler zurückzuführen sei und dass es sich bei Fällen, in denen »Cholera‐​Bakterien in den festen Ablagerungen scheinbar gesunder Menschen gefunden wurden«, nicht um »echte Fälle von Cholera« handelte. Somit erfüllten die Bazillen nicht Kochs allererstes Postulat, da sie auch bei anderen Krankheiten und bei gesunden Menschen gefunden wurden.

Dr. Robert Koch und seine Keimtheorie der Cholera

»An den Herausgeber: – Dr. Robert Koch hat versucht, die Ursache bestimmter Krankheiten auf der Grundlage der Hypothese der Wirkung pathogener Keime, die für das menschliche Auge unsichtbar sind, zu erklären. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Stuhls von Cholerapatienten fand er verschiedene Formen und Arten von Keimen, darunter einen kommaförmigen, von dem er annahm, dass er die Ursache dieser Krankheit sei. Durch den Prozess der »Kultur« und des »Experiments« an niederen Tieren behauptet er, nachgewiesen zu haben, dass dieser Keim die eigentliche Ursache dieser Krankheit sei. Er war so überzeugt davon, dass dieses neu entdeckte, kommaförmige Objekt die Ursache der Cholera war, dass er mehrere Jahre lang mit äußerster Sicherheit behauptete, dass das Vorhandensein dieser kommaförmigen Bazillen im Stuhlgang einer Person, bei der der Verdacht auf diese Krankheit bestand, ein eindeutiger Beweis dafür sei, dass es sich um eine rein asiatische Cholera handelte.

Aber diese Theorie der Cholera‐​Bazillen in Form eines Kommas hat sich als Fehlschlag erwiesen. Diese unsichtbaren kommaförmigen Keime sind heute als universell und harmlos bekannt. Sie befinden sich in den Mund‐ und Rachensekreten gesunder Personen und in den im Sommer überall auftretenden Durchfallerkrankungen – sie wimmeln in den Därmen der Gesunden und werden auch in verhärteten Fäkalien beobachtet. Dr. Koch behauptet heute, dass diese Bazillen überall vorhanden sind. Er sagt uns sogar: »Wasser aus jeder Quelle enthält häufig, um nicht zu sagen immer, kommaförmige Organismen.«

Die hoch angesehenen Ärzte und Experten für diese Krankheit, Dr. Pettenkofer aus München und Dr. Emmerich aus Berlin, tranken jeweils einen Kubikzentimeter »Kulturbrühe«, die diese Bazillen enthielt, ohne ein einziges für Cholera typisches Symptom zu zeigen, obwohl nach dem Trinken in jedem Fall flüssiger Stuhlgang auftrat, der von diesen Keimen wimmelte.

Dr. Koch hat sich über die vorstehenden Fakten und andere, ebenso bedeutende, auf dem Laufenden gehalten, und hätte er die Beweise akzeptiert, die ihm Jahr für Jahr aufgezwungen wurden, wäre seine verderbliche Cholera‐​Bazillen‐​Theorie mit ihren verheerenden Folgen für die Irreführung der Menschheit heute unbekannt.«39

Koch konnte seine Hypothese nicht durch Experimente beweisen und hatte sie in der Tat wiederholt widerlegt, da er die Krankheit nicht durch natürliche Expositionswege reproduzieren konnte. Während der »Konferenz zur Erörterung der Cholera‐​Frage« im Juli 1884 in Berlin, auf der Koch seine Beweise vorlegte, riet Rudolf Virchow, der als Vater der modernen Pathologie gilt, zur Vorsicht, indem er darauf hinwies, dass ein absoluter Beweis für Kochs Hypothese fehle. Es fehlte jedoch nicht nur, es wurde vollständig widerlegt. Wie Dr. Rogers feststellte, war Koch nicht der Einzige, der seine Hypothese widerlegte. Andere Forscher wie Max von Pettenkofer, Dr. Rudolph Emmerich, Dr. Emmanuel Edward Klein und Ilya Metchnikoff experimentierten alle an sich selbst mit Reinkulturen von Kommabazillen mit negativen Ergebnissen, was die Hypothese weiter widerlegte. Ferrau und Haffkine impften mehr als eine halbe Million Männer mit lebenden Kulturen des Cholera‐​Vibrio, ohne dass es zu einem einzigen Fall kam, was anscheinend zu dem Sprichwort führte: »Man kann Cholera essen, man kann Cholera trinken, aber man kann sich nicht damit anstecken.« In einer Arbeit über die Geschichte der Cholera wurde sogar behauptet, Koch habe an sich selbst experimentiert, indem er eine Reinkultur mit negativen Ergebnissen getrunken habe. Ich konnte diese Behauptung jedoch nicht verifizieren, und der Autor könnte Koch mit Pettenkofer verwechselt haben. Unabhängig davon ist klar, dass Robert Koch seine Hypothese auf spektakuläre Weise nicht beweisen konnte und nur eines seiner vier logischen Postulate (die Herstellung einer Reinkultur) erfüllen konnte, die als notwendig erachtet werden, um eine Mikrobe als Ursache einer Krankheit nachzuweisen. Wie Professor Dr. Albert Johne 1885 einräumte, »bleibt der ätiologische Zusammenhang zwischen Kochs Komma und der asiatischen Cholera noch durch direkte Experimente zu beweisen.« Es ist leicht zu erkennen, dass Koch in jeder Hinsicht daran gescheitert war, seinen Fall zu beweisen.

Ob es sich um Milzbrand, Tuberkulose oder Cholera handelte, Robert Koch widerlegte unbeabsichtigt jede Hypothese, die sich aus einem beobachteten Naturphänomen für die vermutete Ausbreitung dieser Krankheiten in der Natur ableiten ließ. Da Koch nicht in der Lage war, die Krankheit durch natürliche Expositionswege zu reproduzieren, entschied er sich dafür, künstliche Krankheiten bei Tieren durch verschiedene groteske und invasive Verfahren zu erzeugen, bei denen Versuchstiere auf verschiedene Weise gequält und mit Substanzen injiziert wurden. Obwohl es Koch nicht gelang, stichhaltige wissenschaftliche Beweise für seine Hypothese zu erbringen, wurde er als »großer Mikrobejäger« gefeiert und für seine Bemühungen großzügig belohnt. Er wurde für seine bahnbrechenden Techniken gefeiert, die er einführte und die die reine Kultivierung und Identifizierung von Bakterien ermöglichten, und seine logischen Postulate wurden als wesentlich für den Nachweis übernommen, dass jede Mikrobe die Ursache einer bestimmten Krankheit ist.

Egal wie logisch seine Postulate bei der Identifizierung eines Erregers auch waren, Koch gab sie schließlich auf, als klar wurde, dass er seine Hypothesen nicht beweisen konnte, indem er sich an seine eigenen logischen Kriterien hielt. Koch musste zugeben, dass er sich geirrt hatte. Er riskierte, den Ruhm, das Vermögen und das Ansehen zu verlieren, die mit seinem neu gewonnenen Status als der Mikrobejäger einhergingen. So kehrte Robert Koch der wissenschaftlichen Methode den Rücken und gab seine eigenen logischen Regeln auf. Damit schuf er die notwendige Grundlage für das Gedeihen der Pseudowissenschaft, indem er nicht widerlegbare Szenarien schuf, die zur Rettung der widerlegten Keimhypothese herangezogen wurden. Gesunde Menschen konnten als krank angesehen werden. »Krankheitserreger« mussten nicht aus Reinkulturen gewonnen werden. Dieselbe Krankheit musste überhaupt nicht experimentell neu erzeugt werden. Nach Kochs Vorbild konnten der Logik widersprechende Beweise als gültige »Beweise« dafür vorgelegt werden, dass ein vermuteter Krankheitserreger die wahre Ursache einer bestimmten Krankheit war, obwohl die Beweise etwas anderes zeigten. Dadurch konnte die widerlegte Keimhypothese auf betrügerische Weise in den Rang einer »Theorie« erhoben werden, sodass sie sich als vorherrschendes Paradigma durchsetzen konnte.

Es sollte jedoch hoffentlich aus dieser zweiteiligen Untersuchung der grundlegenden Beweise für die Behauptung, dass die Keimhypothese sowohl von Pasteur als auch von Koch bewiesen wurde, klar werden, dass nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Die Keimhypothese, die auf der Grundlage eines beobachteten Naturphänomens aufgestellt wurde, konnte nicht mit Experimenten bewiesen werden, die den hypothetischen Weg der natürlichen Exposition widerspiegelten. Sowohl Pasteur als auch Koch mussten bei ihren Versuchen, Tiere krank zu machen, auf unnatürliche und groteske Methoden zurückgreifen. Beide konnten die vier wesentlichen Postulate von Robert Koch nicht erfüllen, die beweisen sollten, dass jede Mikrobe tatsächlich Krankheiten verursachen kann. Sie mussten die Regeln beugen und brechen, um ihre Beweise anzupassen. Dennoch wurden in vielen Fällen Beweise von unabhängigen Forschern vorgelegt, die dem, was die beiden Männer vorgebracht hatten, völlig widersprachen. Somit wurde die Keimhypothese nie mit Beweisen belegt, die aus der wissenschaftlichen Methode abgeleitet wurden und auch der Logik der Koch’schen Postulate entsprachen. Die Keimhypothese wurde unbeabsichtigt von Pasteur und Koch sowie von den verschiedenen unabhängigen Forschern, die sie auf die Probe stellten, widerlegt. Die Keimhypothese hätte nie in den Rang einer wissenschaftlichen Theorie erhoben werden dürfen. Stattdessen hätte sie zusammen mit allen anderen widerlegten Hypothesen in den Papierkorb wandern sollen.

Verweise

1 Robert Koch Institut: »Robert Koch: Der Mitbegründer der Mikrobiologie«, rki​.de

2 Robert Koch: »Die Ätiologie der Milzbrand‐​Krankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthracis« [im Folgenden: Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit]

3 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

4 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

5 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

6 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

7 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

8 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

9 Koch, Ätiologie der Wundinfektionskrankheiten

10 Koch: Ätiologie der Milzbrand‐Krankheit

11 K. Codell Carter: The Koch‐​Pasteur dispute on establishing the cause of anthrax

12 K. Codell Carter: Koch’s postulates in relation to the work of Jacob Henle and Edwin Klebs

13 K. Codell Carter: Koch’s postulates in relation to the work of Jacob Henle and Edwin Klebs

14 K. Codell Carter: The Koch‐​Pasteur dispute on establishing the cause of anthrax

15 Koch: Über die Milzbrandimpfung

16 Koch: Über die Milzbrandimpfung

17 Koch: Über die Milzbrandimpfung

18 Koch: Über die Milzbrandimpfung

19 Koch: Über die Milzbrandimpfung

20 Koch: Über die Milzbrandimpfung

21 Koch: Über die Milzbrandimpfung

22 Eurich FW, Hewlett RT. Bacillus anthracis. In: Filde P, Ledingham JC, editors. A system of bacteriology in relation to medicine. Vol. 5. London: HMSO; 1930. pp. 439 – 478. Privy Council. Medical Research Council [zitiert nach Anthrax in Humans and Animals. 4th edition.: https://​www​.ncbi​.nlm​.nih​.gov/​b​o​o​k​s​/​N​B​K​3​1​0​4​81/]

23 Sanarelli: The Pathogenesis of «Internal” or «Spontaneous” Anthrax.

24 Sir William Osler

25 Herbert Snow: The Germ Theory of Disease, in The Journal of Osteopathy April 1913 Vol. 20, No. 4

26 Koch: Die Ätiologie der Tuberkulose

27 Koch: Die Ätiologie der Tuberkulose

28 Koch: Die Ätiologie der Tuberkulose

29 Koch: Die Ätiologie der Tuberkulose

30 Koch: Die Ätiologie der Tuberkulose

31 Koch: Kritische Besprechung der gegen die Bedeutung der Tuberkelbazillen gerichteten Publikationen

32 Koch: ebenda

33 Koch: ebenda

34 [Kommentar aus einer Anthologie namens The Germ Theory of Disease, Autor unbekannt, keine genaue Zitatangabe im Original, Anmerkung des Übersetzers]

35 Koch, R. (1987f). Lecture cholera question [1884]. In Essays of Robert Koch. Praeger.

36 Koch: Erste Konferenz zur Erörterung der Cholerafrage am 26. Juli 1884 in Berlin

37 Koch: Erste Konferenz zur Erörterung der Cholerafrage am 26. Juli 1884 in Berlin

38 Norman Howard‐​Jones: »Robert Koch and the cholera vibrio: a centenary«, in: BRITISH MEDICAL JOURNAL VOLUME 288 4 FEBRUARY 1984

39 Henry Raymond Rogers, M.D: Dr. Robert Koch and His Germ Theory of Cholera, in: JAMA. 1895;XXIV(23):903 – 904. doi:10.1001/jama.1895.02430230037013

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf ViroLIEgy’s Antiviral Substack

Bild: Aufnahme des Cholera‐​Bakteriums Vibrio cholerae mit einem TEM (Tom Kirn, Ron Taylor, Louisa Howard – Dartmouth Electron Microscope Facility, Quelle: http://​remf​.dartmouth​.edu/​i​m​a​g​e​s​i​n​d​e​x​.​h​tml)

https://​viroliegy​.com/

7 thoughts on “Die Keimhypothese Teil 2: Kochs Krise

  1. Koch hat in Afrika Schwarze zwangsgeimpft, das ist beweisbar schon anhand der Bildern in denen kaum glücklich aussehende Schwarze, von bewaffneten Soldaten bewacht (warum wohl, sicher nicht zu deren Schutz!), gezwungenermaßen vor Kochs Impfstation Schlange stehen müssen.

    So einem Menschenschänder, einem Vorläufer Mengeles, ist nichts als glaubwürdig und vertrauenswürdig abzunehmen. Gar nichts! Es ist eine Schande dass heute ein deutsches Bundesinstitute, RKI, nach so einem Geltungssüchtigen, Herrenmenschen, Kolonialisten, Unmenschen, ja: Monster, benannt ist.

    Alleine die Tatsache, dass auf der Erde seit Jahrtausenden Milliarden‐​fach angeblich ansteckend kranke Menschen von ihren Eltern, Angehörigen, Pflegern, Ärzten behandelt, versorgt, gepflegt wurden und werden, ohne dass deshalb all diese Eltern, Angehörigen, Pflegern, Ärzten selbst krank wurden oder werden zeigt, dass die Behauptung ein Keim, ein Bazillus, ein Virus führe zwangsläufig zu Krankheit nicht stimmen kann. Die pure allgemeine Beobachtung und Lebenserfahrung widerspricht der »Keimtheorie« auf das dramatischste. Und Seuchen traten und treten immer nur dort auf, wo Krieg, Not, Hunger, Bedrückung, Unfreiheit, schleichende Vergiftung oder Zwang herrscht.

    Im ausgehenden 19. und beginnende 20. Jahrhundert wurde der Keim für soviel Unsinn und Unvernunft gelegt. Das alles zu überwinden wird weitere Jahrhunderte kosten.

    Der Schaden ist nicht nur in der Medizin sondern in allen möglichen Wissenschaften und Lebensbereichen angerichtet: von Malthus über Darwin, Koch, Maxwell über Einstein, Marx, Freud bis in heutiger Zeit wo fast nur noch Blender und Täuscher geehrt und honoriert werden.

    Das wissenschaftliche Zeitalter endete mit dem Ende der ambitionierten »Amateurforscher« von dem Schlage eines Pythagoras, DaVinci, Galileo, Bruno, Leibniz, Newton, Fermat, Galvani, … . Der Akademiker‐​Zirkus ist der Tod der Wissenschaftlichkeit.
    Der heute sichtbare technische Fortschritt der letzten Jahrzehnte beruht auf ganz banalen Grundlagen: Steigerung des Energieeinsatzes (dank Kohle‐ sowie Ölverfeuerung und Elektrizitäts‐​Anwendung), Verfeinerung (zB Halbleiter‐​Technik), Aufkonzentration (zB Kerntechnik), Verstärkung (zB Elektrotechnik, Digitaltechnik) auf den Grundlagen des Wissens, das hauptsächlich bis vor etwa 1850 gesammelt worden war. Fast alles was danach kommt ist entweder uninspirierte Weiterführung – oder Plagiat, Irrtum, Irrweg, Schwachsinn. Der Akademiker‐​Zirkel wird getrieben von Selbstüberhebung, Karrieresucht, Wichtigtuerei, Arroganz, Hierarchie‐​Anbetung, Schleimerei und Autoritarismus.

  2. Mich würde interessieren, was dann die Ursachen der Krankheiten sind, da sie sich in Symptomatik, Verlauf unterscheiden und mitunter sehr speziell sind beispielsweise Milzbrand und Tuberkulose. Einige Zusammenhänge mit äußeren Einflüssen wie schlechte Lebensbedingungen (Ernährung, Wasser, Luft, Wohnen bedingt durch Krieg und Armut) oder das Nutzen von Chemikalien mit Umweltbelastung (Polio) sind nachvollziehbar. Sollte das dann aber für alle vorallem Infektionskranheiten gelten? Sind es dann überhaupt Infektionskrankheiten, wenn es keine Infektion gibt?

    1. Meine persönliche Antwort dazu: freilich sind die ansteckenden Krankheiten durch Erreger bedingt. Aber der Erreger ist nicht das Primäre, sondern sekundär: erst kommt die Anfälligkeit, die Immunsystem‐​Schwäche, dann kommt erst die Erkrankung durch Erreger. Die Erreger sind ja meist immer schon da. ZB haben wir meist Herpes‐​Erreger schon immer im Körper. Ob und wie Herpes dann ausbricht hängt von unserer psychosomatischen, aktuellen Konstitution ab. Auch genetische Faktoren werden eine Rolle spielen.
      Eine andere Rolle mögen vielleicht ansteckende Kinderkrankheiten spielen. Die scheinen ja nach Beobachtungen erfahrener Ärzte eine durchaus konstruktive Funktion beim Aufbau des Immunsystems zu haben.

        1. »Sie haben das mit dem Immunsystem wohl nicht wirklich begriffen.«

          Soso …

          Aber »Heiko« …?

          Leider werden wir wohl nie erfahren, wie …

  3. Welche wissenschaftliche und medizinische Ausbildung hat denn der Autor dieser Zeilen?
    Was er hier verbreitet, dient nur der Verblödung der Massen. Wenn die Keimtheorie falsch wäre, dann würden Antibiotika nicht wirken.
    Jeder, der nicht an die Existenz von Viren glaubt, lasse sich von einem tollwütigen Tier beißen und warte ab.
    Die gesamte Empirie der letzten 2000 Jahre hat die Existenz von Bakterien und Viren bewiesen. Viren wurden schon zur Therapie eingesetzt, als es noch kein Elektronenmikroskop gab, siehe Phagentherapie.

    1. Hat »Heiko« gar nichts verstanden? Ist bemühtes Falschverstehen sein Beruf oder sein Hobby?

      Hat »Heiko« schon mal was von Bernard oder Bechamps gehört? Oder dass Pasteur auf dem Sterbebett wohl die Milieu‐​Theorie als die richtige Theorie bezeichnet hat, damit sein Lebenswerk revidiert hat?

      »Heikos« kennen wohl nur gehypte Namen wie Robert Koch, Louis Pasteur, Paul Ehrlich, und haben noch nie von deren Kritikern und entsprechenden Gegenposition gehört. bzw.wollen nichts davon wissen – aber mitreden wollen – ohne jedes tiefergehende Wissen.

      »Heikos« sind wohl die typischen Wissenschaftsanbeter die der Meinung sind, Wissenschaft würde absolute, unwandelbare, ewige Wahrheiten verkünden und stünde ganz kurz vor der vollständigen und absoluten Welterklärung wie es PR‐​Figuren wie ein Lesch und eine Mai Thi herumposaunen. Das ist ein Wissenschaftsverständnis aus dem Kindergarten.

      So wie die »Wokeness« gerade untergeht wird hoffentlich bald auch dies finanzkräftig betriebene, breitenwirksame Menschheits‐​Verblödung ein Ende finden.

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