Im ersten Teil dieser Anleitung wurde erklärt, wie sich bombensicher nichtantisemitische Verbindungen nicht-»nationalsozialistischer« Geschehnisse mit dem »Nationalsozialismus« (NS) hinbekommen lassen, mit denen man zu passenden Gelegenheiten einfach und dennoch effektiv eine demokratische und historisch bewusste Einstellung demonstrieren kann.
Komplizierter ist die Entwicklung einer nichtantisemitischen Grundhaltung, denn diese beruht auf einer richtigen Haltung zur Nation und Nationalidentität. Ohne diese Grundlage, die im zweiten Teil erläutert wurde, lohnt es nicht, mit diesem dritten Teil weiterzumachen. Als Notlösung kommt dann der letzte Teil dieser Anleitung in Frage: der Pseudo‐Nichtantisemitismus.
1. Religion
Weitaus jünger als der jüdische Nationalstaatsgedanke, der mit der Entstehung des jüdischen Volkes entstand, ist die Kritik jüdischer Gläubiger an ihm. Ein Bericht von 2018 beim »Begin‐Sadat Center for Strategic Studies«, einem israelischen Thinktank mit NATO‐Anbindung, lässt ein wenig die Verlogenheit dieser Kritik durchblicken:
»Die Frage der Ausweitung der staatsbürgerlichen Rechte auf Juden trat in den mitteleuropäischen Staaten erstmals Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in Erscheinung. Eines der Argumente, das von den Gegnern einer solchen Regelung ins Feld geführt wurde, war, dass die Juden eine eigene Nation seien und daher von den Bürgerrechten in den Nationen, in denen sie lebten, auszuschließen seien. Wie bei praktisch allen Behauptungen, die gegen die Juden vorgebracht werden, nahmen sich einige Juden das Urteil zu Herzen und versuchten, sich zu reformieren, um ihm entgegenzuwirken. Sie versuchten [… zu] zeigen, dass sie die nationale Identität aufgegeben und sich in eine rein religiöse Gemeinschaft verwandelt hätten. So gründeten Juden […] in den deutschen Ländern neue, reformorientierte Gemeinden, in denen die Liturgie von allen Verweisen auf die Sehnsucht nach Jerusalem und Zion und allen Bestrebungen nach nationaler Wiedergeburt befreit wurde.
Wie bei der jüdischen Anpassung an andere antijüdische Argumente versuchten die Juden, die sich zu diesem Schritt entschlossen, dies nicht als Versuch darzustellen, die Gegner zu beschwichtigen, sondern vielmehr als eine hochherzige, ethische Entscheidung. Sie argumentierten, dass sich das Judentum in den vorangegangenen zwei Jahrtausenden von seiner doppelten, nationalen und universellen Identität hin zu einem universellen moralischen und ethischen Glaubenssystem und einer universellen Mission entwickelt habe. Jegliches Fortbestehen oder Wiederaufleben einer nationalen Identität und nationaler Bestrebungen wurde als atavistisch betrachtet und sollte von modernen, aufgeklärten Juden gemieden werden.
Reformierte deutsche Juden brachten ihre antizionistischen Überzeugungen mit in die Vereinigten Staaten. Als sich die Reformbewegung in Amerika organisierte, bekräftigte sie diese Ansichten wiederholt. So erklärte die reformierte ›Pittsburgh Platform‹ von 1885: ›Wir betrachten uns nicht länger als Nation, sondern als Religionsgemeinschaft und erwarten daher weder eine Rückkehr nach Palästina noch einen Opferkult unter den Söhnen Aarons noch die Wiederherstellung irgendeines der Gesetze, die den jüdischen Staat betreffen.‹« (Kenneth Levin: American Jews, Israel, and the American LeftE1)
Zum Glück waren europäische Mächte an einer kommerziellen und geostrategischen Nutzbarmachung des Osmanischen ReichesE bzw. seines Gebietes interessiert, so dass sie angesichts der anti‐nationalen Stimmungen unter jüdischen Gläubigen wie auch inkonsequenter »Heimatland-egal-wo«-Tendenzen im Zionismus dessen richtige Strömungen zu fördern wussten.
Grob zusammengefasst lauten die wichtigsten, angeblich »jüdischen«, Einwände gegen den Zionismus, die im Wesentlichen schon in der Jüdischen Enzyklopädie von 1912E auftauchen und aktuell Rabbis wie Yaakov ShapiroE und allgemein unnormal, nämlich Ultra‐Orthodoxe vortragen:
- »Semitisch« und »jüdisch« sind Einteilungen von Menschen auf unterschiedlichen Realitätsebenen, die klar zu unterscheiden sind. Das jüdische Volk ist eine Glaubensgemeinschaft, die aus Menschen unterschiedlicher Muttersprachen, Herkünfte, Ethnien, Kulturen und Nationalitäten besteht.
- Wer nicht an die Wahrheit der Tora glaubt, kann sich nicht legitim auf die Tora berufen und glaubt auch nicht an die Existenz des jüdischen Volkes, da dieses Volk durch G‑tt gestiftet wurde und definiert ist.
- Die Idee einer »nationalen Heimstätte der Juden« in Palästina entheimatet alle Jüdinnen im Rest der Welt. Sie spielt dem Antisemitismus in die Hände, indem sie ihm entgegnet: Ihr habt Recht, wir sind nicht Teil eurer Nationen.
- Die Gründung des Staates Israel stellt eine G‑tteslästerung dar, denn die Nichtexistenz eines jüdischen Staates ist bis auf Weiteres G‑ttes Wille. »Zijon wird durch Gerechtigkeit erlöst und seine Einwohner durch Tugend.« (Jeschajahu 1:27)
- Die Berufung des jüdischen Volkes liegt nicht in der Schaffung eines Nationalstaates, die eine zweite Trennung von den Völkern der Erde mit sich bringt, sondern in seiner spirituellen Wirksamkeit zur Vereinigung aller Kinder G‑ttes im Bekenntnis zum einen G‑tt.
- Die zionistische Bewegung entspringt in ihrem Gehabe, in ihren Inhalten und Zielen nicht dem Judentum, sondern einem ins Moderne gebogenen nichtpalästinensisch‐christlichenE Geist. Sie versucht, an das Judentum anzudocken, damit sich genügend Bauernopfer, Macht und Geld zur Durchsetzung eines politischen Projekts finden, das den geostrategischen Interessen bestimmter Mächte entspricht.
- Der Zionismus ist geistiger Dünnpfiff, weil er ein Gedächtnis an politische Zustände (eisenzeitliche Königreiche) mit einem spirituellen Ideal (Zionsverheißung) kurzschließt.
- Durch die unflexible und geldverschlingende Fokussierung auf Palästina wird mit dem verfügbaren Geld bedürftigen, verfolgten, diskriminierten Jüdinnen der Welt schlechter als möglich geholfen.
Keiner dieser Einwände stellt die Legitimität irgendwelcher Nationalstaaten in Frage, die Mitglieder des jüdischen Volkes nach Lust und Laune, Bedarf und Gelegenheit – eventuell sogar unter Einhaltung der 613 MizwotE – gründen könnten. Doch stellen alle diese Einwände mehr oder weniger das Existenzrecht Israels in Frage, die Legitimität des einzig wahren Nationalstaats des jüdischen Volkes. Daher sind diese Einwände antisemitisch. Jüdische Schriftgelehrte, die sie vortragen und aus dem Tanach abzuleiten vorgeben, denken antisemitisch.
Für Nichtjüdinnen und jüdische Laien, die sich um eine nichtantisemitische Grundhaltung bemühen, entsteht daraus eine schwierig zu bewältigende Anforderung: eine Anforderung zur Respektlosigkeit. Gegenüber manchen jüdischen Gelehrten haben sie, jedenfalls wenn man den grundlegenden jüdischen Schriften keinen Antisemitismus unterstellen möchte, zu vertreten: Ihr versteht die jüdische Religion nicht; ich verstehe in diesem Punkt die jüdische Religion besser als ihr.
Zur Vermeidung dieser Schwierigkeit wären entweder die betreffenden religiös‐antizionistischen Strömungen im Judentum so weitgehend zu marginalisieren, dass sie nicht beachtet zu werden brauchen, oder es wäre mit zwiespältigem Ergebnis zu konstatieren: Ob die Infragestellung des Existenzrechts Israels als antisemitisch zu gelten hat oder nicht, hängt vor allem vom Tanach bzw. dessen Auslegung ab.
Die Marginalität des angeblich Schrift‐gestützten Antizionismus ist als gegeben zu betrachten. Im Thinktank‐Bericht oben erscheint sie zwischen den Zeilen. Sie zeigte sich zum Beispiel auch 1948 in JerusalemE an der niedrigen Zahl der für »Frieden« demonstrierenden anti‐israelischen Ultra‐Orthodoxen.
Schon für Theodor Herzl entsprang der angeblich »jüdische« Antizionismus »schmachvollen Elementen«, denen es zu Lasten des ärmeren Teils des jüdischen Volkes um die Erhaltung des eigenen Wohlstands ging und von denen die »gesunde Volksbewegung« des Zionismus »zu säubern« war. Herzl nannte diese Elemente »Mauschel«:
»Mauschel ist Antizionist. Wir kennen ihn schon lange, und es hat uns auch immer der Ekel gehoben, wenn wir ihn ansahen, wenn uns das Leben in seine Nähe oder gar in Berührung mit ihm brachte. Aber zu dem Ekel, den wir vor ihm empfanden, gesellte sich bisher immer Mitleid; wir suchten nach milden, historischen Erklärungen dafür, dass er ein so verkrümmter, verdrückter und schäbiger Geselle sei. […] Mauschel […] ist die Verzerrung des menschlichen Charakters, etwas unsagbar Niedriges und Widerwärtiges. Wo der Jude Schmerz oder Stolz empfindet, hat Mauschel nur elende Angst oder höhnisches Grinsen im Gesicht. In den harten Zeiten richtet sich der Jude auf, Mauschel dagegen verkrümmt sich nur noch schmählicher. Werden die Zeiten besser, so ist es für den Juden eine Mahnung zur Milde […]; Mauschel aber wird frech und hochmütig.« (Mauschel 1897, Seiten 172f)
»Als wäre in irgendeinem dunklen Augenblick unserer Geschichte eine niedrigere Volksmasse in unsere unglückliche Nation hineingeraten und wäre mit ihr vermischt worden […] Wir werden erleichtert aufatmen, wenn wir diese Leute, die wir mit heimlicher Scham als Volksgenossen behandeln mussten, ganz und gar los sind. […] Herunter von der Kanzel, Mauschel, die du als Protestrabbiner missbrauchst! Wir wollen erst wieder in die gereinigten Synagogen gehen, in denen gute Juden als Rabbiner auch für die Armen beten.« (Mauschel 1897, Seiten 173ff)
Sollte die Auskehrung der mauschelnden Protestrabbiner nicht gelingen, stünde das Existenzrecht Israels dennoch nicht aus religiösen Gründen zur Debatte, sagt Herzl:
»Die Religion soll ausschlaggebend sein. Was heißt das? Das hieße die ganze Sache dem Streite der Theologen ausliefern, und diese verehrten Herren sind zu gelehrt, um sich jemals einigen zu können. Der eine Chief‐Rabbi sagt nein, der andere Chief‐Rabbi sagt ja, von den Rabbinern ganz zu schweigen, die sowohl ja als auch nein sagen.« – »[D]er Zionismus [ist] aus politischen Verhältnissen entstanden und strebt danach, für die Juden andere politische Verhältnisse zu schaffen. Die jüdisch‐nationale Bewegung ist politisch durch und durch.« (Dr. Güdemanns »National‐Judentum« 1897, Seite 112)
Eine nichtantisemitische Grundhaltung beinhaltet, dass die Infragestellung des Existenzrechts Israels in jedem Fall als antisemitisch zu gelten hat. Da der Tanach daher im Verhältnis zur nichtantisemitischen Grundhaltung zweitrangig ist, kann er das Existenzrecht Israels weder bestreiten noch begründen. Dass nur Israel der Nationalstaat des jüdischen Volkes sein kann und das Existenzrecht Israels nicht etwa dadurch relativierbar ist, dass die ursprünglichen jüdischen Staatswesen durch Eroberungen und Vertreibungen alteingesessener Bevölkerungen entstanden, folgt aus dem Tanach auch dann, wenn man nicht an ihn glaubt. Daher ist die im zweiten Teil dieser Anleitung erwähnte Wortdoppelung im Ausdruck »jüdisches Judentum« durchaus angebracht: »jüdisch« bedeutet sowohl eine Nationalität wie »österreichisch« als auch eine Religion wie »Christentum«.
Dies bestätigt das israelische StaatsbügerschaftsrechtE, nach dem Staatsbürgerinnen unter anderem folgende als solche bezeichnete und einander ausschließende Nationalitäten haben können: jüdisch, arabisch, drusisch – mag auch die Geschichte des Wortes »Jude« nicht besonders gut dazu passen, wie ein Artikel der jüdischen Zeitung ForwardE behauptet:
»[D]ie gängige Bezeichnung für das Selbstverständnis der Menschen, die wir heute Juden nennen war der Term b’nei yisrael, Söhne Israels. Die hebräischen oder aramäischen Begriffe für ›Jude‹ kommen im Talmud oder Midrasch kaum vor. Der Term ›Jude‹ erscheint dagegen viel häufiger im christlichen Neuen Testament und in frühchristlichen Quellen als in rabbinischen Quellen.«
Im Unterschied zu »jüdisch« ist »israelisch« keine Nationalität. Diese gebührliche Trennung von »jüdisch« und »israelisch« nicht vorzunehmen, hätte antisemitische Konsequenzen, wie Yedidia Z. Stern, Rechtsexperte beim Israel Democracy Institute in Jerusalem, erklärtE:
»In einer Entscheidung vom Oktober 2013 lehnte der Oberste Gerichtshof Israels den Antrag auf Anerkennung der Bezeichnung ›Israeli‹ als Nationalität ab […] [W]enn die Nationalität der jüdischen Bürger Israels als ›israelisch‹ eingestuft wird, würde dies bedeuten, dass das Judentum für sie keine Nationalität, sondern lediglich eine Religion ist. […] [W]ird die Nationalität jüdischer Israelis als ›israelisch‹ und nicht als ›jüdisch‹ definiert, so wird das ›nationale‹ Band, das unserer Meinung nach Juden in Israel und Juden in der Diaspora verbindet, durchtrennt.
Der Gerichtshof […] vertrat den Standpunkt, dass eines der wesentlichen Merkmale Israels als ›jüdischer Staat‹ seine Verantwortung für das Schicksal des gesamten jüdischen Volkes ist – einschließlich der Juden in der Diaspora. So gilt das israelische Strafgesetzbuch für Verbrechen, die gegen Juden begangen werden, ›weil sie Juden sind‹, auch wenn diese Verbrechen außerhalb Israels begangen werden, und es gilt für Eigentum jüdischer Einrichtungen, das verwüstet wird, weil es ebenfalls jüdisch ist. Der Staat Israel hat es sich somit zur Aufgabe gemacht, das Weltjudentum zu schützen, was ein tiefgreifender Ausdruck der weltweiten jüdischen Solidarität ist.«
2. Volk
Was das jüdische Volk ist, haben nach den Grundsätzen des Nichtantisemitismus und Zionismus, die sich auf wissenschaftlich‐demokratische Prinzipien stützen, natürlich nicht irgendwelche undemokratischen unwissenschaftlichen jüdischen Glaubenseliten festzulegen.
Einer der Hauptvertreter des wissenschaftlichen Ansatzes zur Bestimmung des jüdischen Volkes war der anfänglich deutsch‐jüdische, dann jüdisch‐jüdische Ökonom, Jurist, Rassenhygieniker und Krupp/Haeckel‐PreisträgerE sowie Mitbegründer Tel Avivs, Arthur Ruppin. Die englischsprachige WikipediaE, Stand September 2024, berichtet über ihn:
»Von 1908 bis 1942 spielte Arthur Ruppin […] eine zentrale Rolle als […] Hauptorganisator der zionistischen ›Kolonisierung‹ in all ihren Dimensionen, vom Landerwerb und Bankwesen bis hin zur Siedlungspolitik, dem Bildungswesen, der Etablierung des modernen Hebräisch und dem Aufbau einer neuen jüdisch‐zionistischen Identität […]
Für Ruppin bestand die Aufgabe des Zionismus darin, die minderwertigen, ›semitischen‹ Rassenelemente unter den Ostjuden auszusortieren und nur diejenigen auszuwählen, deren Biologie am besten an den Boden und das Klima Palästinas angepasst war, wo sie durch produktive Landwirtschaft und Militarisierung ihre rassische Verwandtschaft mit den biblischen Hebräern rechtfertigen würden. Zu diesem Zweck entwarf er eine Hierarchie jüdischer Rassentypen, die die Aschkenasen – angeblich nicht semitisch, sondern eine arische Rasse, die von Hethitern und Amoritern abstammte – von den minderwertigen, vermutlich beduinisch verwandten Sephardim unterschied […]
Ruppin […] unternahm alles, um die seiner Meinung nach schädliche Dominanz der sephardischen/mizrachischen Gemeinschaften abzuschwächen und das ›Keimplasma‹ der reinen Rasse der alten Juden wiederherzustellen, das er in den Aschkenasen schlummern sah. Die strenge eugenische Politik führte dazu, dass gegen Ende der Zweiten Alija [Rückkehr ins Heilige Land] (1912 – 1914) 80 % der angehenden Einwanderer abgewiesen wurden. Die untaugliche Masse der osteuropäischen jüdischen Flüchtlinge wurde als Menschen betrachtet, die am besten in den Vereinigten Staaten angesiedelt werden sollten.«
Der Missbrauch des biologischen Volksgedankens durch den NS kann den abstammungsphysiologisch gegebenen Anspruch des jüdischen Volkes auf Palästina selbstverständlich nicht negieren.
Bis der biologische Juden‐MarkerE unstrittig identifiziert ist und erst recht, nachdem er unstrittig identifiziertE wurde, ist zur Bestimmung des jüdischen Volkes – nicht unähnlich den Klimawissenschaften – der wissenschaftliche Konsens maßgeblich. Dieser bestimmt zur Zeit:
Unabhängig vom Wohn‑, Lebens‑ und Geburtsort ist Mitglied des jüdischen Volkes und hat damit Anspruch auf die israelische Staatsbürgerschaft und damit das Gebiet Israels, wer mindestens einen jüdischen Großelternteil hat oder nichtjüdisch ist und eine Person geheiratet hat, die mindestens einen jüdischen Großelternteil hat und nicht in einer antizionistischen Organisation mitmacht. Mitglieder des jüdischen Volkes sind auch atheistische und agnostische sowie zum Judentum konvertierte Personen. Bei Bekanntwerden von Konversionen zu nichtjüdischen ReligionenE vor der israelischen Staatsbürgerschaftserteilung genügen selbstredend auch sechs jüdische Großeltern nicht, um zum jüdischen Volk gehören zu können.
Wer das für »unnatürlich« hält, möge sich mit dem deutschen Staatsbürgerschaftsrecht und historischen Migrationsbewegungen befassen. Noch nichtmal die Obrigkeit Preußens kam vor 1842 auf die Idee, jeden Mann, der in Preußen wohnt, nicht als »Preußen« anzusehen. Von denen, die in den Jahrzehnten nach der deutschen Reichsgründung 1871 Deutsche wurden, befanden sich nicht aus Potenzgründen unverhältnismäßig wenige Abkömmlinge deutscher Kolonialbeamter. Heute ist knapp jede vierte Person mit deutscher Staatsbürgerschaft entweder persönlich eingewandert oder stammt von Eltern ab, die beide nach 1950 eingewandert sind. Man darf gespannt sein, ob Deutschland im Fall des wirtschaftlichen Zusammenbruchs der USA mit den dortigen 45 Millionen Deutschstämmigen so großzügig verfahren wird, wie in den 1980ern und 1990ern mit den 3 Millionen deutschen Volkszugehörigen und Bekennenden zum deutschen Volkstum aus dem Ostblock.
3. Demokratie
Eine nichtantisemitische Grundhaltung beinhaltet die Einsicht, dass Israel zur Aufrechterhaltung eines demokratischen Staatswesens eine staatliche Politik benötigt, die Nichtmitglieder des jüdischen Volkes in einer deutlichen nationalen Minderheit belässt. Das ist nötig, damit der jüdische Charakter des Staates nicht »demokratisch« beseitigt werden kann, etwa durch ein Bündnis aus antisemitischen nichtjüdischen und antisemitischen jüdischen Minderheiten.
Mit den arabischen Eliten war diesbezüglich nichts zu machen. 1946 vertrat eine von der britischen Mandatsmacht anerkannte arabische Delegation in London folgende kompromisslose Vorstellungen für einen einheitlichen Nationalstaat »Palästina«E, der nach dem Ende der britischen Mandatszeit 1948 entstehen sollte:
- bürgerliche Demokratie mit allgemeinem Männer‐Wahlrecht
- provisorische Männer‐Regierung aus 7 nichtjüdischen Arabern und 3 Juden
- Bildung einer konstitutionellen 60‐köpfigen Männer‐Versammlung, deren Zusammensetzung der Zusammensetzung der palästinensischen Bevölkerung entsprechen sollte (Schätzung für 1946: rund 30 % jüdisch‐eingewandert und jüdisch‐eingeboren – davon etwa 90 % säkularisiert; vom nichtjüdischen Teil waren 7 % christlich‐arabisch, 55 % muslimisch‐arabisch und der Rest irgendwas anderes)
- Arabisch als Amtssprache; zusätzlich Hebräisch als Amtssprache in Gebieten mit jüdischer Mehrheit
- Pflichtunterricht für Arabisch in den Schulen
- Stopp von Masseneinwanderungen bis zur Erlassung von Einwanderungsgesetzen, die nur Geltung erlangen können, wenn ihnen eine Mehrheit der nichtjüdisch‐arabischen Abgeordneten zustimmt
- Gewährleistung der Rechte der jüdischen Bürger (einschließlich ihrer Frauen), die nur durch Gesetze geändert werden können, denen eine Mehrheit der jüdischen Abgeordneten zustimmt
- Einbürgerung bisher Eingewanderter nach 10 Jahren Aufenthalt.
Eine ähnliche Kompromisslosigkeit hatten Teile der arabischen Eliten bereits 1935/36 an den Tag gelegt, indem sieE dem Vorschlag des damaligen britischen Hochkommissars für Palästina, Sir Arthur Grenfell Wauchope, zur Gründung eines »Palästinensischen Legislativrats«E zustimmten – einem Scheinparlament unter britischer Oberhoheit, das entsprechend der Bevölkerungsanteile zusammengesetzt sein sollte und in dem deshalb der jüdische Teil die zweite Geige spielen sollte. Darauf gab die alterwürdige jüdische Zeitung Haaretz folgende AntwortE:
»Wir werden niemals einem Minderheitenstatus zustimmen, denn dann würde es sich für unsere Einwanderer kaum lohnen, ihr Geld auszugeben, um hierher zu kommen.«
Nach einem blutigen Vorspiel 1929E, bei dem wie üblich »die Juden« für die in wirtschaftlichen Modernisierungsphasen immer auftretenden Probleme der LandlosigkeitE und des Stadtelends verantwortlich gemacht wurden, mündeten die übertriebenen arabischen Forderungen in den arabischen Terror 1936 bis 1939E. Dieser war trotz anfänglich wirkungsvoller Streikbruchunterstützung der Gewerkschaft HistadrutE letztlich nur durch Internierungslager, Hinrichtungen, Deportationen, Häuserzerstörungen und Spezialoperationen der jüdisch‐britischen Special Night SquadsE in den Griff zu bekommen.
Rund zehn Jahre nach der vorläufigen Niederschlagung des arabischen Terrors, 1947, wartete die UNO mit dem Palästina‐Teilungsplan auf, niedergelegt in der UNO‐Resolution 181E und von der MehrheitE der internationalen Gemeinschaft gegen die Stimmen arabischer Regierungen und unter Enthaltung der britischen Regierung beschlossen. Mit diesem Teilungsplan war kein demokratischer jüdischer Staat zu machen, denn nach ihm wäre rund ein Drittel der nichtjüdischen arabischen Bevölkerung Palästinas im »jüdischen Staat« gelandet. Dadurch hätte es im angedachten »jüdischen Staat« einen nichtjüdisch‐arabischen Bevölkerungsanteil von rund 40 % gegeben. Die UNO‐Resolution verlangte ausdrücklich gleiche Rechte für alle (pimmelinhabenden) Bürger unabhängig von deren Religion. Sie verlangte außerdem freien Grenzverkehr zwischen den beiden Staaten in Palästina und deren Wirtschaftsunion. So wäre der »jüdische Staat« bei nur knapp über 10 % antisemitischen Juden oder auch perspektivisch bei ungleicher Gebärfreudigkeit oder Überhandnehmen von Mischfamilien futsch gewesen.
David Grün alias Ben‐Gurion, Histadrut‐Führer, Initiator der Staatsbezeichnung »Israel«E und späterer Premierminister Israels, der wie viele andere vor 2000 bis 3000 Jahren aus der Heimat Vertriebene seiner Verbundenheit mit dem Land durch eine Namensänderung Ausdruck verliehen hatte, schätzte den Teilungsplan der UNO realistisch einE:
»In dem Gebiet, das dem jüdischen Staat zugewiesen ist, leben nicht mehr als 520.000 Juden und etwa 350.000 Nicht‐Juden, hauptsächlich Araber. Zusammen mit den Juden Jerusalems wird die Gesamtbevölkerung des jüdischen Staates zum Zeitpunkt seiner Gründung etwa eine Million betragen, darunter fast 40 Prozent Nicht‐Juden. Eine solche Zusammensetzung bietet keine stabile Grundlage für einen jüdischen Staat. Diese Tatsache muss in ihrer ganzen Klarheit und Schärfe betrachtet werden. Bei einer solchen Zusammensetzung kann es nicht einmal die absolute Gewissheit geben, dass die Kontrolle in den Händen der jüdischen Mehrheit bleibt. […] Es kann keinen stabilen und starken jüdischen Staat geben, solange er eine jüdische Mehrheit von nur 60 Prozent hat.«
Um die erforderliche Mehrheit zu erreichen, so sah es Ben‐Gurion 1938 voraus, könnte eine »Zwangsumsiedlung der Araber« erforderlich sein. Nachdem Verhandlungen mit dem Großmufti al‐HusseiniE 1935 durch die kompromisslose Forderung der arabischen SeiteE an die britische Mandatsmacht nach »Errichtung einer demokratischen Regierung« und Beendigung der Masseneinwanderung scheiterten, wurde die zwangsweise, weil nicht freiwillig realisierbare, Umsiedlung der nichtjüdischen Bevölkerung zur unumgänglichen Voraussetzung für die echte Demokratie, in der nach den Vorstellungen Ben‐Gurions »Nichtjuden […] gleichgestellte Bürger« sein würden.
Mit seiner klaren demokratischen Haltung vertrat Ben‐Gurion die zionistische Mehrheitsposition. Wie er sprach sich beispielsweise Leo Motzkin, von 1925 bis 1933 Präsident der »Zionistischen Weltorganisation«, bereits 1917 für eine echte Demokratie aus:
»Wir sind der Meinung, dass die Kolonisierung Palästinas in zwei Richtungen gehen muss: Die jüdische Ansiedlung in Eretz Israel und die Umsiedlung der Araber von Eretz Israel außerhalb des Landes. Die Umsiedlung so vieler Araber mag auf den ersten Blick wirtschaftlich inakzeptabel erscheinen, ist aber dennoch praktisch. Es erfordert nicht allzu viel Geld, ein palästinensisches Dorf in ein anderes Land umzusiedeln.« (zit. n. Ilan Pappe: The Ethnic Cleansing of PalestineE, Seite 30)
Ebenso demokratisch dachte Jitzchak Rabin 1995, damals israelischer Ministerpräsident und PLO‐Arafat‐Händeschüttler:
»Die rote Linie für Araber liegt bei 20 Prozent der Bevölkerung; diese Grenze darf nicht überschritten werden.« – »Ich möchte den jüdischen Charakter des Staates Israel bewahren. […] Heute gibt es 4,4 Millionen Juden gegenüber 2,8 oder 3 Millionen Araber, und das kann nicht so weitergehen«. (Ittihad 1.11.1995, zit. n. Rhoda Ann Kanaaneh: Birthing the Nation: Strategies of Palestinian Women in Israel 2002, Seite 50)
Auch kommunistische Organisationen bezogen Position gegen den UNO‐Teilungsplan, allerdings mit dem utopischen Ziel einer jüdisch‐arabischen Föderation. Eliezer Preminger von der zionistischen Minipartei »Kommunistische Union Palästinas« meinte 1947E:
Der im UNO‐Teilungsplan vorgesehene »jüdische Staat« »wird sich mit Notwendigkeit zu einem typischen Polizeistaat entwickeln, da er eine große nationale Minderheit zu unterdrücken hat. […] [D]as Wichtigste ist, dass nach der Teilung keine der beiden Nationen unabhängig sein wird, sondern beide als Spielball ausländischer imperialistischer Mächte dienen werden. Daher ist es kein Zufall, dass die diversen Teilungspläne im britischen Kolonialbüro geboren wurden. Eine lokale Redensart besagt: bei einer Teilung werden den Juden die Haare gehören, den Arabern die Nägel und den Briten der Körper.«
Preminger irrte nicht nur hinsichtlich der Rolle Großbritanniens. Dank der erfolgreichen israelischen Bevölkerungspolitik wurde Israel zur einzigen echten Demokratie Westasiens. Vorwürfe über eine angebliche »Apartheid«E und Beschwerden über MaßnahmenE, die der Aufrechterhaltung der jüdischen Mehrheit dienen, betreffend Baugenehmigungen, Landvergaben usw.E, sind antidemokratisch und mit einer nichtantisemitischen Grundhaltung unvereinbar. Der jüdische Nationalstaat verhält sich diesbezüglich ganz normal und wie es für Nationalstaaten auf demokratischer Basis üblich ist. Jeder Nationalstaat hat seine spezielle, nur auf ihn bezogene geografische Basis und Volksdefinition. Ausgerechnet die geografische Basis und Volksdefinition Israels nicht anzuerkennen, wäre antisemitisch.
UNO‐Bevölkerungsschätzung 1946. Rot: jüdisch, Grün: andere.
Demokratie war damit nicht zu machen.
4. Moral
Bereits während der ersten zarten jüdischen Massenansiedlungsvorhaben im geografischen Gebiet Palästina Ende des 19. Jahrhunderts, fünfzig Jahre bevor der jüdische Bevölkerungsanteil dort aufhörte, um 10 % herumzueiernE, wurde klar, dass es in Palästina keine jüdische Nation ohne Umsiedlungen vieler Nichtjüdinnen geben konnte, die sich dort im Verlauf der vorangegangenen 20 oder 2000 oder auch 4000 JahreE illegalerweise angesiedelt hatten.
Im Zusammenhang mit dem Demokratiegedanken ergeben sich daraus Fragen der moralischen Vertretbarkeit von Umsiedlungen, deren falsche Beantwortung die Entwicklung einer nichtantisemitischen Grundhaltung verhindern kann. Man darf bei allem nicht vergessen: Wesentlichen Anteil an angeblichen »Vertreibungen« nichtjüdischer Menschen haben immer diejenigen, die nicht gehen wollen. Ohne deren Widerspenstigkeit ginge es lediglich um human durchführbare Umsiedlungen, nicht um »Vertreibungen«.
Der im zweiten Teil dieser Anleitung erwähnte Verein »Esra« zur »Unterstützung ackerbautreibender Juden in Palästina und Syrien« beschreibt in seiner Festschrift von 1909 überzeugend und konkret, dass praktisch alles Nichtjüdische, das im geografischen Gebiet Palästina (und dem damaligen Syrien) herumlungerte, einen zu beseitigenden Störfaktor darstellte. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen.
Doch vorab eine grobe Zusammenfassung der allgemeinen SituationE: Das Osmanische Reich, zu dem das geografische Gebiet Palästina gehörte – zersplittert über mehrere Verwaltungseinheiten mit unterschiedlichen Sub‐Obrigkeiten –, hatte abgewirtschaftet. Vorangegangene Missernten, Schulden bei nichtjüdischen arabischen Geldleuten sowie steuerlich erhobene Entwicklungshilfe für WesteuropaE motivierten sowohl das eingesessene Landvolk Palästinas als auch die levantinische Feudalkaste zum freiwilligen Verkauf von Land an jüdische Siedlungsorganisationen und Einzelpersonen.
Die jüdische Landnutzung bestand in den ersten Jahren, so die »Esra«-Festschrift, hauptsächlich aus einer Überproduktion von Wein, deren Verluste Baron Rothschild trug. Der Weinanbau war arbeitsintensiv. Da nicht genügend jüdische Arbeitskräfte verfügbar waren,
»nahm man die Arbeiter da, wo sie am nächsten zu finden waren, nämlich aus den benachbarten arabischen Dörfern, deren Bewohner eben einen Teil ihres Bodens an die Juden verkauft hatten. So führte der Entschluss [Rothschilds?], in den Kolonien Weinberge anzulegen, zuförderst dazu, dass die früheren Besitzer des Bodens, trotzdem sie ihn bereits verkauft haben, dennoch fortfahren durften, ihn weiter zu bestellen. Sie taten dies jetzt zwar nicht mehr als Eigentümer, sondern nur noch als Tagelöhner. Dennoch musste dieser Umstand mit der Zeit zu wachsenden Schwierigkeiten mit der einheimischen Bevölkerung führen. Die Araber mussten sich im Grunde ihres Herzens nach wie vor als die eigentlichen Herren des von ihnen bestellten Bodens fühlen, während seine rechtmäßigen jüdischen Besitzer nicht zum ruhigen Gefühl des Besitzes eines Landes gelangen konnten, das von anderen bearbeitet und behütet wird.«
Heute, fünf Generationen später, spielen solche unangebrachten arabischen Herz/Boden‐Beziehungen natürlich keine Rolle mehr, wenn auch antisemitische Stimmen anderes behaupten und bestreiten, dass allein jüdische Herz/Boden‐Beziehungen ein generationenübergreifendes Haltbarkeitsdatum aufweisen. Die weltmarktorientierte Landwirtschaft IsraelsE, zumeist Kibbutzim und Moschavot, wie auch die geostrategisch wichtige BauwirtschaftE funktionieren auf Basis sonderrechtlich wohlgeordneter und im Vergleich zu umliegenden Nationen gut bezahlter arabischer und nichtarabisch‐migrantischer Arbeitskraft zur Zufriedenheit aller Beteiligten – jedenfalls bis zum Terroranschlag am 7. Oktober 2023, der unter anderem die Flucht vieler Migrantinnen und Inhaftierung einiger BauarbeiterE nach sich zog, und abgesehen von den 20 % israelischen Lohnabhängigen, die schon vor dem 7. Oktober 2023 unterhalb der offiziellen ArmutsgrenzeE lebten (die wahrscheinlich zu hoch angesetzt ist).
Zu Zeiten des Vereins »Esra« zog die Schaffung von Arbeitsplätzen für arabische Landleute ein Folgeproblem nach sich, das zusätzlich zu den wiederholten Versuchen des Sultans Abdulhamid II, die jüdische Einwanderung weiträumig im Osmanischen Reich zu zerstreuen bis zu verhindern, den Fortschritt der Besiedlung Palästinas gefährdete:
»Die Araber, durch ihre gutbezahlte Arbeit auf den jüdischen Plantagen reich geworden, hatten es nicht mehr so nötig, weitere Parzellen zu verkaufen.«
Nach Umstellung von Anpflanzungen auf Getreide, Mandeln, Oliven und Fruchtbäume sowie großzügigere Handhabungen von Zuwanderungen jüdischer Tagelöhnerinnen vor allem aus dem Zarenreich störte der arabische Faktor in anderer Weise – wiewohl an der generellen Organisation dieser ersten Schritte »zur Gewinnung eines neuen Einwanderungslandes« nichts auszusetzen war:
»Wohlhabende Kreise in Russland erwarben, einzeln oder in Gesellschaften organisiert, große Ländereien, um sie durch bezahlte Kräfte bearbeiten zu lassen. Der Mittelstand kam selbst nach Palästina, um Boden zu erwerben und eigenhändig zu bestellen.
Endlich haben auch die untersten Volksschichten das große Werk zu fördern gesucht, indem sie vielfach nach Palästina gingen, um da ihren einzigen Besitz, ihre Arbeitskraft, in den Dienst der jüdischen Kolonisation zu stellen. Die Lage dieser Leute war von jeher wenig beneidenswert. Ausschließlich auf ihren Arbeitslohn angewiesen, hatten sie sich stets gegen die Konkurrenz der Araber zu wehren, die, absolut bedürfnislos, um jeden Preis arbeiten [dabei auch noch reich werdend, siehe oben] und so ihre jüdischen Mitbewerber, welche bei aller Armut doch gewisse Kulturbedürfnisse hatten, bedeutend unterbieten konnten.«
Hinzu kam der arabische Barbarismus. Manche Siedlungen lagen in einem Gebiet,
»in welchem die Autorität der Behörden kaum anerkannt wird, niemand sich ohne Flinte vor die Haustür wagt und die Bevölkerung vom Privateigentum einen sehr vagen Begriff hat.«
In anderen Gebieten entstanden Störungen durch barbarischen Nichtbarbarismus:
»Der Besitztitel auf einen Teil des Bodens musste durch alle Instanzen erstritten, der Boden selbst von dem der benachbarten Araber getrennt und abgegrenzt werden. […] Die inzwischen in der Türkei eingetretene Umwälzung [in Richtung ›Pressefreiheit‹ und ›Rechtsstaat‹ nach französischem MusterE] ist den Beduinen jenseits des Jordans sehr zu Kopf gestiegen und eine Prozessführung mit ihnen nicht mehr so leicht.«
»Der Landkauf im Kreise Tiberias ging nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten vor sich. Ein großer Teil der Ländereien musste nach erfolgtem Erwerb […] in langwierigen Prozessen noch einmal erstritten werden. So mussten um einen Komplex von 3150 ha [rund 4400 Fußballfelder], welche von Baron Rothschild […] bereits im Jahre 1891 durch Kauf erworben, aber von den Arabern der benachbarten Dörfer widerrechtlich bestellt wurden, lange Prozesse geführt werden. Ferner mussten 657 ha gegen die Bewohner des arabischen Dorfes Lubjeh, 360 ha am Berge Tabor gegen die Tscherkessen [nichtjüdische Leute aus dem Kaukasus], 450 ha in Sbeh gegen die türkische Krone in schwerem Kampfe verteidigt resp. von dieser zurückerobert werden. Endlich musste das Recht der Juden auf die Benutzung der Gewässer des Wadi‐Fedja erstritten werden.«
Während, wie »Esra« berichtet, »die untauglichsten Elemente« unter den jüdischen Siedlerinnen »gewaltsam entfernt werden« mussten, machten sich andere untaugliche jüdische Elemente aus eigenem Antrieb nach Amerika davon, sobald sie genügend Geld für die Reise beisammen hatten. Daraus erzeugten nichtjüdische arabische Elemente weitere Probleme:
»Bereits ist die Zahl der jüdischen Kolonisten in Metule von 60 auf 35 Familien gesunken; dasselbe ist in Kastinje der Fall, das von seinen jüdischen Einwohnern immer mehr verlassen wird, so dass weite Ländereien nicht bewirtschaftet und von den Arabern bereits als herrenloses Gut angesehen werden. Selbst in Katra leben die Kolonisten in steter Furcht vor dem drohenden Arabertum.«
Die legalistische Landerwerbsbesiedlung brachte im Verlauf von rund 40 Jahren nur einen minimalen Teil des Landes in den Besitz jüdischer Privatpersonen und Organisationen, wie selbst arabische Wissenschaftlerinnen zugebenE:
»Bis zum Ende des osmanischen Staates im Jahr 1918 hatten die Juden etwa 420.000 Dunam (oder 1,5 %) des Bodens von Palästina erworben, die sie hauptsächlich von libanesischen Feudalherren […] oder von der osmanischen Verwaltung durch öffentliche Versteigerungen kauften, bei denen die Ländereien von palästinensischen Bauern, die nicht in der Lage waren, ihre Steuern zu zahlen, verkauft wurden, oder von einigen palästinensischen Grundbesitzern, die feudalen Familien angehörten […]. Diese Käufe betrafen 93 % des von den Juden erworbenen Landes.«
Durch weitere Landkäufe und Unterstützung der britischen Mandatsmacht – Übergaben ex‐Osmanischer Staatsländereien, geeignete Auflagen für arabische Feudalkasten, geschicktes Vorgehen bei der Landeigentumsregistrierung und dergleichen – gelangten in den nächsten 30 Jahren lediglich weitere 6 % des Landes, insgesamt entsprechend nur 12 % seiner bebaubaren FlächeE, in den Besitz jüdischer Privatpersonen und Organisationen (was diejenigen, die den antisemitischen Charakter der Terror‐Phasen 1929 und 1936/39 leugnen, lieber nicht berücksichtigen).
Auch »das Prinzip des konsequenten und bewussten Boykotts arabischer Arbeit« und die Bemühungen zu verhindern, dass aus einmal in jüdisches Eigentum übergegangene Ländereien »Araber jetzt oder irgendwann in der Zukunft irgendeinen Vorteil ziehen können«, wie eine britische Untersuchungskommission 1930E die jüdische Landerwerbspolitik beschrieb, vermochten nichts daran zu ändern, dass mit den über Palästina verteilten Landsprengseln der legalistischen Landerwerbsbesiedlung kein Staat zu machen war. Ein militärisches Vorgehen ab 1947 war daher unumgänglich.
In handy‑ und internetlosen ZeitenE ließ sich die Notwendigkeit der Beseitigung des Arabertums aus Israel relativ einfach leugnen.
Doch wurde zur Errichtung des jüdischen Staates das Unvermeidliche und Notwendige getan, wenn es auch nicht genügte, wie sich später zeigte, und wenn es auch in pseudo‐nichtantisemitisch verkürzter Perspektive zu schlecht aussah, um nicht abgestritten werden zu müssen.
In Gebieten, die für den jüdischen Staat vorgesehen waren, hatten zionistische Milizen zum Ende der britischen Mandatszeit und israelische Militärs nach Gründung Israels hunderte von Dörfen zu beseitigen und einige tausend illegal Ansässige zu tötenE, wie Beteiligte beider SeitenE berichten und Moralistinnen wie Albert Einstein und Hannah Ahrend in der »New York Times«E beklagten.
Bewaffnete antisemitische Gewalt blieb glücklicherweise minimal, weil die britische Kolonialmacht in den Jahren zuvor für eine umfangreiche Entwaffnung der »palästinensischen« Bevölkerung gesorgt hatte (lebenslängliche Haft wegen Mitführung eines MessersE). Währenddessen bewaffneten sich die zionistischen Milizen und bildeten sich in den ausgereiften britischen KolonialkampfmethodenE fort, soweit diese auch zur Verteidigung angestammter Rechte nützten.
Einen Tag nach der Gründung Israels, nachdem rund eine viertel Million »palästinensische« »Flüchtlinge« in den arabischen Nachbarländern aufgelaufen waren und arabische Delegierte die britische Regierung erfolglos gebeten hatten, zum »Schutz« der »palästinensischen« Bevölkerung einzugreifen, marschierten Truppen aus 7 arabischen Staaten gegen IsraelE auf. Letztlich trugen sie damit zu einer enormen Erhöhung der Zahl der »Flüchtlinge« bei, denen dann nur noch die »Rückkehr« verboten zu werden brauchte.
Das Gesamtergebnis kann sich sehen lassen, wie aus einer Darstellung der UNO von 1980, wenn auch antisemitisch verzerrt, hervorgeht:
»Schätzungen zufolge ließen sich zwischen dem 15. Mai 1948 und Ende 1951 mehr als 684.000 jüdische Einwanderer in Israel auf einem großen Teil des von den Palästinensern zurückgelassenen Landes nieder. Von den 370 jüdischen Siedlungen, die zwischen 1948 und Anfang 1953 gegründet wurden, wurden 350 auf von Palästinensern verlassenem Land errichtet.
1954 siedelten sich mehr als ein Drittel der jüdischen Bevölkerung Israels und 250.000 neue jüdische Einwanderer in ganzen Städten an, die infolge der Militäroperationen von 1948 von den Palästinensern völlig verlassen worden waren. Jaffa, Akko, Lydda, Ramleh und Beisan waren einige von ihnen. Für die in Israel verbliebenen palästinensischen Araber wurden restriktive Maßnahmen ergriffen, die einer Enteignung gleichkamen«.
Es braucht wohl nicht betont zu werden, dass sämtliche Übertragungen von Land, Gebäuden, Firmen usw. angeblich »palästinensischen« Eigentums an den israelischen Staat oder an israelische Organisationen auf streng rechtsstaatlicher Basis geschahen – nicht durch »Raub«, wie antisemitische Propaganda es darstellt.
So wurde bereits 1950 das mit einigen Ergänzungen bis heute anwendbare Gesetz über das Eigentum von AbwesendenE erlassen. In einem Bericht von 2022 schreibt Amnesty International darüber wohl korrekt, wenn auch in antisemitischer Interpretation:
»Palästinenser:innen, die nach dem 29. November 1947 geflohen waren oder aus ihrer Heimat vertrieben wurden, sowie arabische Staatsangehörige der […] arabischen Staaten [Libanon, Ägypten, Syrien, Saudi Arabien, Transjordanien, Irak und Jemen] wurden zu ›Abwesenden‹ [erklärt], und ihr bewegliches und unbewegliches Eigentum kam für die Konfiszierung in Frage […]. Im Rahmen dieses Gesetzes […] übernahm Israel 4,45 Millionen Dunam Land in Privatbesitz (1954), 59.000 Wohnungen und Häuser (1956), 11.000 Unternehmen (1956), 6.246 Bankkonten, sowie Fahrzeuge und anderes Eigentum. […]
Das Gesetz über das Eigentum von Abwesenden betrachtete auch Waqf‐Eigentum in Israel als ›verlassen‹. Waqf ist eine Stiftung nach islamischem Recht, bei der eine Institution Eigentum für wohltätige Zwecke besitzt, oft als Ergebnis einer Spende durch eine Einzelperson oder Gruppe. Dazu gehörten muslimische heilige Stätten, Häuser, Handelszentren und andere Gebäude, Unternehmen und landwirtschaftliche Flächen. […] Bis 1948 hatte der Oberste Muslimische Rat den Waqf‐Besitz verwaltet. Israel betrachtete den Rat als einen ›Abwesenden‹, da die meisten seiner Mitglieder Flüchtlinge wurden. […] Einer wissenschaftlichen Studie zufolge waren 1948 bis zu 20 % des bewirtschafteten Landes in Palästina Waqf‐Land […] Die israelischen Behörden bezeichneten diese [Waqf‐] Grundstücke als ›Abwesenheitsgrundstücke‹ […]
Nach einer Schätzung, die Israel und Ost‐Jerusalem zusammen betrachtet, haben die israelischen Behörden mehr als 10.000 Geschäfte, 25.000 Gebäude und fast 60 % des fruchtbaren Landes, das palästinensischen Flüchtlingen gehört, auf der Grundlage des Gesetzes über das Eigentum von Abwesenden enteignet. […]
Das Gesetz über das Eigentum von Abwesenden schloss in seine Definition auch palästinensische Binnenvertriebene ein, die 1948 etwa 30.000 Menschen zählten. Diese Menschen waren aus ihren Dörfern und Häusern vertrieben worden und hatten sich meist in nahe gelegenen palästinensischen Dörfern innerhalb Israels niedergelassen. Sie galten als ›Abwesende‹, obwohl sie nie eine internationale Grenze überschritten hatten und in vielen Fällen nur wenige Kilometer von ihren Häusern und ihrem Land entfernt wohnten. […] Diese Binnenvertriebenen wurden als ›anwesende Abwesende‹ bekannt.«
Seit 1973 bietet der israelische Staat den anwesenden AbwesendenE großzügigerweise Entschädigungen an, doch werden diese kaum in Anspruch genommen. Man findet die Entschädigungssummen offensichtlich zu niedrig und weigert sich, mit ihrer Annahme endgültig auf den Eigentumsanspruch zu verzichten. Dies, obwohl sowieso keine Rückkehr erlaubt ist.
Nach der Eroberung von Ost‐Jerusalem und angrenzenden Gebieten 1967 fiel auch ein großer Teil der dortigen »palästinensischen« Bevölkerung unter das Gesetz über das Eigentum von Abwesenden. Da die genannten Gebiete bis 1988 zu Jordanien gehörten, besaßen viele dort Anwesende eine Staatsbürgerschaft in diesem Nachfolgestaat Transjordaniens. Sie waren also Abwesende und können völlig rechtmäßig aus »ihren« Häusern und von »ihren« Landstücken entfernt werden, sobald israelische Siedler:innen Eigentumsansprüche erhebenE. Seit 1988 sind die meisten staatenlosE, so dass ihre Entfernung auf anderen Gesetzen beruht.
Wie zu Zeiten des Vereins »Esra« hat das Arabertum auch heute noch »vom Privateigentum einen sehr vagen Begriff«, so dass rechtmäßige Eigentumsübertragungen häufig auf polizeiliche und militärische Unterstützung angewiesen sind.
Die Verleugnung der militärischen Apekte der Geschichte Israels, die im Tanach – auch, wenn man nicht an ihn glaubt – ihre ethisch gerechtfertigten Vorbilder hat, trug bei den Freundinnen Israels zu einer gewissen VerweichlichungE bei, die zwar eine gute Basis des Pseudo‐Nichtantisemitismus bilden kann, wie der vierte Teil dieser Anleitung aufzeigen wird, jedoch für diejenigen, die den Nichtantisemitismus konkret umzusetzen haben, schädlich wäre. Bei letzteren verfängt die Verweichlichung glücklicherweise wenig.
Einer Umfrage zufolge hielten im März/April 2024, entsprechend etwa 30.000 offiziell in Gaza getöteten arabischen Elementen, mehr als 70 %E der jüdischen Israelis die Maßnahmen der israelischen Verteidigungsstreitkräfte in Gaza für angemessen bis nicht weitgehend genug. Ebenso viele sprachen sich einer anderen Umfrage zufolge dafür aus, die Bevölkerung Gazas auszuhungernE, bis die Geiseln freigegeben werden (die Geiseln in Gaza natürlich, nicht die brutalen, Steine werfenden Pubertierenden in den israelischen MilitärgefängnissenE). Glücklicherweise weigert sich nur eine sehr kleine extremistische Minderheit israelischer Ex‐Militärangehöriger mitzumachenE.
An dieser Stelle sollte klar sein, dass es einer nichtantisemitischen Grundhaltung widerspräche, den Gegensatz zwischen Judentum und Arabertum als »moralisches Dilemma« zu interpretieren. Moralische Dilemmata veranlassen zu Kompromissbildungen und damit zur Untergrabung des rechtmäßigen Anspruchs des jüdischen Volkes auf (mindestens) Palästina in Richtung eines bloßen Bedürfnisses jüdischer Individuen nach diesem Gebiet, dem eine »internationale Gemeinschaft« aus Mitleid und Schuldgefühl nur unter Berücksichtigung von Bedürfnissen nichtjüdischer Individuen Rechnung tragen könnte.
Das aktuell Notwendige sah bereits vor 19 Jahren der israelische Geostratege Arnon Soffer voraus, der sich um die Ausbildung militärischer und polizeilicher Führungskräfte Israels verdient machte und dem eine Beteiligung an der Idee zugeschrieben wird, zur Vermeidung einer muslimisch‐arabischen Mehrheit in Israel den 1967 befreiten Gazastreifen aufzugeben und eine Mauer drumherum zu bauen. Soffer sagtE:
»Wenn 2,5 Millionen Menschen in einem abgeriegelten Gazastreifen leben, wird das eine menschliche Katastrophe sein. Diese Menschen werden mit Hilfe eines wahnsinnigen fundamentalistischen Islams zu noch schlimmeren Tieren werden, als sie es heute schon sind. Der Druck an der Grenze wird furchtbar sein. Es wird ein schrecklicher Krieg werden. Wenn wir also am Leben bleiben wollen, werden wir töten und töten und töten müssen. Den ganzen Tag, jeden Tag.«
Wenn israelische Fünhrungeskräfte in Regierungsfunktionen wie beispielsweise Yoav Gallant als VerteidigungsministerE feststellen: »Wir kämpfen gegen menschliche Tiere«, oder der Minister für religiöses und kulturelles Erbe Amihai EliyahuE erklären: »Alles in die Luft jagen und platt machen, herrlich. Wenn wir fertig sind, teilen wir das Land in Gaza den kämpfenden Soldaten und den Siedlern zu«, dann handelt es sich weniger um affektive Reaktionen auf das Blutbad der HamasE, deren Mitglieder sich außer in Krankenhäusern und Schulen bekanntermaßen auch in Wasseraufbereitungsanlagen, Elektrizitätswerken und christliche KirchenE eingenistet haben, als um rationale Erkenntnisse, deren Gültigkeit jahrzehntelange Erfahrungen bestätigen.
Um das Bisherige zusammenzufassen: Die Entwicklung einer nichtantisemitischen Grundhaltung setzt außer einer richtigen Haltung zur Nation und Nationalidentität, zur Religion, zur Demokratie, zum Volk im Allgemeinen und jüdischen Volk im Besonderen moralische Standhaftigkeit gegenüber dem Arabertum voraus.
Zwei wichtige Komponenten fehlen der nichtantisemitischen Grundhaltung indessen noch: die Einsicht, dass das Gegenteil des Nichtantisemitismus nicht ein wie auch immer gearteter »Semitismus« ist, sondern sämtliche Formen des »Semitismus« im Grunde genommen antisemitisch sind, und die richtige Haltung zum Holocaust. Diese Aspekte werden im nächsten Teil dieser Anleitung erläutert.
Fußnoten
1 Wie alles hier unautorisiert übersetzt.
2 Landkarten nachträglich mit Text versehen, aus Wikipedia: Jüdisches Landeigentum in Mandatspalästina 1947 und Gebiet der Palästinensischen Autonomie nach Oslo II 1994 – 2006
Bild: Training mit deutschem Maschinengewehr des deutschen Zuges der Palmach, Elitetruppe der Haganah, 1942, Wikimedia | Palmach Museum