Anleitung zum Nichtantisemitismus
Teil 2: Nation und Nationalidentität

Im ersten Teil dieser Anleitung wurde erklärt, wie man bombensicher nichtantisemitische Verbindungen nicht-»nationalsozialistischer« Geschehnisse mit dem »Nationalsozialismus« (NS) hinbekommt. Eine einfache Sache!

Schwieriger ist die Entwicklung einer nichtantisemitischen Grundhaltung. Sogar Jüdinnen können daran scheitern, doch größere, wenn nicht unüberwindliche, Hindernisse stellen sich Nichtjüdinnen in den Weg.

Speziell unter Deutschen gibt es zwei Problemgruppen, die besonderer Hilfen, neben strafrechtlichen unter Umständen solche psychotherapeutischer Art, bedürfen. Beide Problemgruppen sind im Zusammenhang mit der deutschen Nationalidentität zu begreifen, die seit der NS‐​Zeit so ausgestaltet ist, dass »nichtjüdische Deutsche« fast so gut wie »tote Leichen« einen Pleonasmus bilden und alle Deutschen wissen, was gemeint ist, wenn von »Juden und Deutschen« oder auch dezenter von »Juden in Deutschland« die Rede ist.

  1. Die erste Problemgruppe besteht aus Deutschen mit T4‐​Konstitutionen, Epileptikerinnen und amyotrophe Lateralsklerotikerinnen etwa, sowie aus Deutschen mit ungünstiger Hautfarbe und solchen mit Omas, die während der NS‐​Zeit kommunistische Flugblätter unterm Häkelzeug versteckten, oder mit Uropas, die als Jehovas Zeugen den Kriegsdienst verweigerten, zudem auch vielen Deutschen, die DDR‐​Sozialisierungen unterworfen waren. Solche Menschen neigen zu identitären Anknüpfungen an den antifaschistischen Widerstand, an dem sich auch ein paar Deutsche beteiligten. Sie begreifen nicht, dass sie sich als Deutsche für die NS‐​Verbrechen, die sie nicht begingen, verantwortlich zu fühlen haben, jedoch nicht für den Widerstand gegen den NS, den sie nicht geleistet haben. Da die faktische deutsche Nationalidentität nicht an den antifaschistischen Widerstand anknüpft, bedingen Identifizierungen mit ihm eine Mainstreamresistenz, die insbesondere die Einhaltung der im ersten Teil dieser Anleitung erläuterten Regeln 2 und 3 nichtantisemitischer NS‐​Verbindungen erschwert.
  2. Die zweite Problemgruppe bilden Deutsche mit zumeist normaler Hautfarbe, Körperkonstitution, Herkunft und Schulbildung. Ihnen gelingt es zwar, in ihrer Selbstidentifizierung an die faktische deutsche Nationalidentität anzuknüpfen, doch behindert sie ihre mentale Schwächlichkeit beim vernünftigen Umgang mit den damit einhergehenden Schamgefühlen. Solche Menschen kommen weniger auf die falsche Idee, eine Schamgefühle gar nicht erst hervorrufende, weil von Jüdischem mitgeprägte, unfaktische deutsche Nationalidentität anzunehmen, da sie fest an eine angeborene Unveränderlichkeit der faktischen deutschen Nationalidentität glauben müssen, um nicht aus den Puschen zu kippen, doch neigen sie aufgrund ihrer mentalen Schwächlichkeit zum Antisemitismus, insoweit dieser ihnen eine Umgehung der Schamgefühle ermöglicht.

Aktuell in der Erarbeitung einer nichtantisemitischen Grundhaltung wohl am meisten behindert ist eine dritte Gruppe: Menschen mehrheitlich muslimischen Glaubens, hier und da auch christlichen und anderen Glaubens, deren Familienmitglieder oder Bekannte oder unbekannte Glaubensgeschwister im Rahmen der Selbstverteidigung Israels in Baggergruben unter zukünftige Hotelparkplätze Gazas fallen oder in den falschen Vierteln Beiruts wohnen. Aus einem fehlgeleiteten Bedürfnis heraus, Antisemitismus zu vermeiden, werden viele dieser Menschen zu Opfern einer Perfidie, die sie nur selten durchschauen: »israelisch« von »jüdisch« in ungebührlicher Weise trennen zu wollen.

1. Ursprung des Antisemitismus

Um den Antisemitismus einer ungebührlichen Trennung von »israelisch« und »jüdisch« zu begreifen, hilft ein Blick in die Geschichte. (Gebührliche Trennungen kommen im nächsten Teil dieser Anleitung dran.)

Zur Bezeichnung dessen, was heute »Antisemitismus« mitumfasst, waren historisch die Ausdrücke »Judenhass« und »Antijudaismus« gebräuchlich. Als dessen geistige Basis diente die Dämonisierung des jüdischen Volkes im Neuen Testament, wie sie zum Beispiel Rabbi Michael SkobacE und Rabbi Shmuley BoteachE aufzeigen. Der christliche Religionswissenschaftler William Nicholls stimmt dem zu:

»Kein unkritischer Leser des Neuen Testaments könnte ohne Weiteres eine andere als die negativste Meinung über Juden haben.«

»Viele jüdische Autoren haben recht schlicht behauptet, dass die Nazis die Juden als Zielscheibe ihres Hasses wählten, weil zweitausend Jahre christlicher Lehre die Welt daran gewöhnt hatte, dies zu tun. Nur wenige christliche Historiker und Theologen waren offen genug für die schmerzliche Wahrheit, um diese Behauptung ohne erhebliche Abstriche zu akzeptieren. Dennoch ist sie richtig.« (William Nicholls: Christian Antisemitism: A History of HateE, Seiten 168 und XVIII)

Seit Anbruch der bürgerlichen Epoche interessierte allerdings eine wachsende Anzahl ex‐​christlicher Säkularisierter die Bibel kaum noch. Außerdem eigneten sich in Staaten mit offizieller Religionsfreiheit zur Pflege von Minderheiten als Systemverdrusspuffer keine Verweise auf deren Religion. Damit nicht genug, verschwamm die religiös‐​antijudaistische Zielscheibe zunehmend, weil europäische Jüdinnen mit dem nichtjüdischen Mainstream ins Säkulare strebten.

In dieser Situation kam ein Ausdruck der Sprachwissenschaften aus dem 18. Jahrhundert gelegen: »der Semit«, zunächst recht neutral gemeint als Angehöriger gewisser Sprachgemeinschaften, darunter »Araber« und »Hebräer« und alles Mögliche.

Wahrscheinlich als Erster verwendetete der jüdische Orientalist Moritz Steinschneider, der den Koran ins Hebräische übersetzte und von daher wohl wusste, was mit »Semit« gemeint war, 1860 den Ausdruck »Antisemitismus« in der Zusammensetzung: »antisemitische Vorurteile«.

Steinschneider fasste damit eine Kritik des jüdischen Sprachwissenschaftlers Heymann Steinthal an den Arbeiten des nichtjüdischen Orientalisten Ernest Renan zusammen. Renan habe, heißt es, »den Semiten« und im selben Aufwasch mit ihm auch das Judentum und den Islam rassifiziert und für minderwertigE, weil dogmatisch monotheistisch, erklärt.

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Ab Ende des 19. Jahrhunderts, einsetzend mit den propagandistischen Aktivitäten der »Antisemiten‐​Liga« des deutschen Journalisten und Ex‐​Linken Wilhelm Marr, in einer Zeit, als die Bismarck‐​Regierung Gesetze zum Nachteil jüdischer Gemeinden erließ, nichtjüdische deutsche Frauenvereine jüdische deutsche Geschäfte boykottierten, der »nichtjüdische Deutsche« noch nicht für alle Deutschen ein Pleonasmus war und in Neustettin die Synagoge brannte, verbreitete sich der Ausdruck »Antisemitismus« als positiv gemeinte Selbstbezeichnung antisemitisch gesinnter Menschen im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch und von hier aus schnell in weitere Sprachen.

Besonders schlimm wütete der Antisemitismus in jenen Jahren außer in Rumänien nach dessen Abspaltung vom Osmanischen Reich in den Dörfern und Städten des russischen Herrschaftsgebiets, vor allem in der Ukraine. Zwischen 1880 und dem Sieg der Sowjetmacht ermordeten Teile der christlichen Bevölkerung mit Duldung bis Unterstützung der christlichen zaristischen Regierung in zahllosen PogromenE tausende Jüdinnen. Durch Zerstörungen, Raub und staatliche Einschränkungen verloren viele ihre Lebensgrundlagen. Rund zwei Millionen Jüdinnen flohen während dieser Zeit, manche ins geografische Gebiet Palästina, viele – begleitet von ein bis zwei Millionen jüdischen und nichtjüdischen deutschen Wirtschaftsasylantinnen (denen die berühmte Bismarcksche Sozialpolitik zu missfallen schien und an die in aktuellen Migrationsdebatten lieber nicht gedacht wird) – in die USA.

Der moderne Antisemitismus zeigte einen Epochenübergang der nichtjüdischen Allgemeinheit an: Religion wie auch Beruf und Stand wurden zu Nebenaspekten des Menschseins. Als wesentlich für das Menschsein erkannte man (zunächst neben der überaus wichtigen Frage der Pimmelinhaberschaft) die Nationalität – eine Erkenntnis, die dem Judentum seit jeher innewohnt, wie später noch klarer wird.

Um die identitäre Wesensverschiebung der säkularen Moderne anschaulicher zu machen: Zieht man von europäischen Nichtjüdinnen Religion, Beruf und Stand als unwesentlich ab, schälen sich Deutsche, Französinnen usw. heraus. Zieht man von europäischen Jüdinnen Religion, Beruf und Stand als unwesentlich ab, sollen sich – das war und ist ein antisemitisches Herzensanliegen – keine Deutschen, Französinnen usw. herausschälen.

2. Jüdische Nationalidentität

In Reaktion auf den Antisemitismus Europas entstanden weltweit jüdische Organisationen, die sich dem Ziel der Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk verschrieben. Der von den konsequenteren dieser Organisationen vertretene Zionismus setzte an die Stelle dessen, was nach Abzug der Religion vom »Juden« nach antisemitischer Vorstellung nicht Deutscher, Französin usw. werden sollte, die jüdische Nationalität.

Das im Antisemitismus, Nichtantisemitismus, Zionismus und allgemein in der dominanten Ausprägung der Nationalstaatsidee ausgedrückte Menschenbild, bei dem nach Abzug der Religion und anderen Akzidentien die Nationalität als wesentlich zur Geltung kommt, ist eine grundlegende Wahrheit. Ohne diese Wahrheit würde es keine religionsunabhängigen Nationalidentitäten geben, auch keine jüdische. Diese Wahrheit generell zu bestreiten, wäre daher antisemitisch. Diese Wahrheit nur auf das Judentum bezogen zu bestreiten, wäre erst recht antisemitisch.

Immerhin sind rund 44 %E der heutigen jüdischen Bevölkerung Israels Säkularisierte. Nach nicht‐​nichtantisemitischen Vorstellungen wären sie genauso wenig »jüdisch« wie christlich oder muslimisch Säkularisierte »christlich« oder »muslimisch« sind – mögen sie auch an einigen religiösen Sitten und Denkfiguren als Reminiszenzen festhalten.

Der Wortteil »semit« in »Antisemitismus« und »Nichtantisemitismus« drückt die Religionsunabhängigkeit und den nationalen Aspekt des Jüdischen aus, wozu Worte wie »Judenhass« und »Antijudaismus« bzw. Wortbildungen wie »Nichtantijudaismus« oder »Anti‐​Antijudaismus« nicht in der Lage wären.

Die Wahrheit des nationalen Wesens des Menschen ermöglicht die Partizipation des individuellen Menschen an einer größeren Gemeinschaft, auch wenn das konkrete Individuum in dieser Gemeinschaft nichts zu melden hat. Auf Basis dieser Wahrheit können beispielsweise deutsche Mieterinnen fordern: »Deutschland den Deutschen!«, ohne auf die dumme Idee zu verfallen, sich die Wohnungen, für die sie Mieten abdrücken, aneignen zu wollen – sofern die Mieten Deutsche kassieren. Auf Basis dieser Wahrheit stellen sich »palästinensische« Habenichtse der Hamas für ein »Palästina der Palästinenser« zur Verfügung, ohne zu fragen, wem denn die Fabriken und Ländereien eines »befreiten« »Palästinas« gehören werden. Hauptsache, es sind »Palästinenser«!

»Palästina« und »Palästinenser« sind in diesem Zusammenhang in Anführungszeichen zu setzen, da es sich nur um eine angebliche Nation handelt, die als ideologisches Fantasma und antisemitischer Beißreflex erst durch und in Gegnerschaft zu Israel entstand. Lokale arabische Eliten, repräsentiert beispielsweise vom Gesprächspartner der damaligen britischen Mandatsmacht des geografischen Gebiets Palästina, Auni Bey Abdul‐​Hadi, wussten noch 1937 nichts von dieser NationE:

»›Palästina‹ ist ein von den Zionisten erfundener Begriff! In der Bibel gibt es kein Palästina. Unser Land war jahrhundertelang Teil von Syrien.«

Dabei ist natürlich klar, dass es keine »jüdischen Palästinenser« geben kann, sondern allenfalls, seit 1960, »arabische Palästinenser« und früher in der Antike mal »palästinische Juden«, wie die deutsche Wikipedia (Stand September 2024) erklärt. Die »Jüdische Rundschau – Organ der Zionistischen Vereinigung für Deutschland« konnte das vor 120 Jahren allerdings noch nicht wissen.

Im Gegensatz zu »den Palästinensern« erheben nicht zuletzt hunderttausende nach 1990 aus der zerfallenden SowjetunionE oder auch aus ÄthiopienE2 eingewanderte Menschen jüdischer Nationalität und deren Nachkommen Anspruch auf das Land Israel in seinen Grenzen des Jahrs 1000 vor der Zeitrechnung. Die Legitimität dieses Anspruchs – nicht etwa eine Legitimität eines Anspruchs auf ein selbstbestimmtes Leben in der zerfallenden Sowjetunion und in Äthiopien – ist ihrem individuellen Menschsein eingeschrieben. Dies (zumindestens bei Jüdinnen aus Europa) mit und ohne jüdische Religion, mit und ohne Beruf, mit und ohne AussichtenE, an den innerhalb dieser Grenzen vorhandenen Wohnungen, Fabriken und Ländereien Eigentum erwerben zu können.

Wie einmal mehr die Journalistin Melanie Phillips in einer Fernsehdebatte 2019 betonteE, gilt:

»Das jüdische Volk ist das einzige Volk, für das das Land von Israel jemals sein nationales Königreich war. Mehrere hundert Jahre bevor der Islam erfunden wurde und die Araber einfielen. […] Sie sind das einzige Volk, für das Israel ihr nationales Königreich ist. […] Die Juden haben Anspruch auf das Land von Israel, weil es ihr angestammtes historisches Heimatland ist, von dem sie durch Wellen kolonialer Invasoren vertrieben wurden, das sie vom Kolonialismus zurück holten.«3

Auch die Kommunikationsexpertin und Mutter Malkah Fleisher aus Judäa außerhalb der Grünen Linie drückt es im Juli 2024, entsprechend rund 40.000 offiziell in Gaza Getöteten, klar ausE:

»Die Rückkehr in unser Land nach 2000 Jahren erzwungenem Exil und andauernder Verfolgung ist die Beseitigung historischen Unrechts. Die Juden in Judäa und Samaria haben den Mut und den Geist, sich nicht nur dem lokalen, sondern dem globalen Antisemitismus entgegenzustellen. […] Ich habe niemals jemanden angegriffen, ich habe niemals jemandes Land gestohlen.«

3. »Deutsches« Judentum

Die bedeutendste jüdische Organisation, die auf Basis der Wahrheit des nationalen Wesens des Menschen in Reaktion auf den Antisemitismus Europas entstand, war die »Zionistische Weltorganisation«, gegründet 1897 mit Theodor Herzl an der Spitze. Eine andere, eventuell weniger konsequent zionistische, Organisation war der 1884 in Berlin gegründete Verein »Esra«, der im internationalen Verbund mit anderen Vereinen »zur Unterstützung ackerbautreibender Juden in Palästina und Syrien« Geld sammelte und Aufklärungsarbeit betrieb.

In einer Festschrift von 1909 fasste der Verein »Esra« seine traurige Gründungssituation zusammen:

»›Ganz besonders erweckten jene Juden das Mitgefühl, welche, um barbarischen Verfolgungen zu entgehen, ihre Wohnsitze [vor allem im russischen Herrschaftsgebiet] verlassen hatten und nach dem Lande ausgewandert waren, aus welchem unsere Vorfahren nach heldenmütigen, blutigen Kämpfen vor fast 2000 Jahren von einem übermächtigen Feinde [die alten Römer] vertrieben worden waren. Sie wollten den heiligen Boden ihrer Väter kultivieren und sich im Schweiße ihres Angesichts als Ackerbauer ernähren.‹ […]

Das deutsche Judentum war damals noch sehr weit davon entfernt, die große Tragweite der Kolonisation Palästinas zu erkennen. Das Bestreben, im Heiligen Lande ein sich ohne Hilfe der Chalukah [Spenden] ernährendes, großes jüdisches Gemeinwesen zu schaffen, war damals noch neu, das Land selbst weiten Kreisen völlig unbekannt.«

Aufgrund der langen Nichtexistenz der jüdischen Nation als Staatswesen war die jüdische Nationalidentität ins Okkulte abgesunken. Bei vollständiger Freisetzung der jüdischen Nationalidentität sollte es nicht »deutsches Judentum« heißen, sondern »jüdisches Judentum in Deutschland« wie es etwa »österreichisches Christentum in Österreich« heißen könnte. (Eine Schwierigkeit scheint die Wortdoppelung in »jüdisches Judentum« anzudeuten. Darauf wird später noch eingegangen.)

Leider begriffen nicht nur viele Deutsche, sondern auch die meisten »Juden in Deutschland« bis mindestens 1933 den nationalen Charakter des Judentums nicht, wie der DDR‐​Journalist Klaus Polkehn aus alten soziologischen Arbeiten hervorwühlte:

»Die deutschen Statistiken vor der Machtergreifung durch die Nazis erfassten die jüdische Minderheit nur in der Rubrik der ›Religionszugehörigkeit‹ […] Die zionistische Vereinigung für Deutschland (ZVfD) vermochte sich vor 1933 nur schwer Gehör zu verschaffen. Von den im Jahre 1925 in Deutschland gezählten Juden waren beispielsweise nur 8739 (also nicht einmal 2 %) für die Zionistenkongresse wahlberechtigt (d.h. Mitglieder zionistischer Organisationen), und bei den Wahlen zum Landesverband jüdischer Gemeinden in Preußen am 1. Februar 1925 wurden von 124 Mandaten nur 26 von zionistischen Gruppen errungen. Im Bericht des ›Palästina‐​Grundfonds (Keren Hajessod)‹ für den 24. Delegiertentag der ZVfD vom Juli 1932 konnte man lesen: ›Bei Würdigung der Keren‐​Hajessod‐​Arbeit in Deutschland sollte überhaupt … niemals übersehen werden, dass wir es in Deutschland noch immer nicht nur mit der Indifferenz, sondern auch mit der Gegnerschaft weiter jüdischer Kreise zu tun haben.‹«

4. Kolonialismusvorwürfe

Der im »Esra«-Zitat oben verwendete Ausdruck »Kolonisation« bedeutete im damaligen Wortgebrauch »Ansiedlung« und hat natürlich nichts mit »Kolonialismus« zu tun. Wenn in den Führungsteams von »Esra« und der »Zionistischen Weltorganisation« Leute wie der Agrarbotaniker Otto Warburg mitmachten, der ein Mitbegründer des Kolonialwirtschaftlichen Komitees im deutschen Kaiserreich war, das sich um die Ansiedlung von Deutschen in den deutschen Kolonien Afrikas und um die Förderung der dortigen Rohstoffproduktion bemühte, handelt es sich lediglich um Zufälle.

Israel auf israelischem Boden ist genauso wenig »kolonialistisch« wie Deutschland auf deutschem Boden. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Nationen diesbezüglich liegt in den Zeiten, zu denen die für alle Nationsgründungen erforderlichen Reinigungsarbeiten vorgenommen wurden bzw. werden. Im preußischen Teil Deutschlands etwa, um nur ein Beispiel unter unzähligen zu nennen, fanden solche Reinigungsarbeiten im 13. Jahrhundert durch Ritter des Deutschen Ordens statt, damals noch mit christlich‐​polnischer Unterstützung.

»Und weil sie [die Eingeborenen Preußens] Gott nicht kannten, so kam es, dass sie irrtümlich alle Kreatur als Gott verehrten, nämlich die Sonne, den Mond und die Sterne, Vögel und Vierfüßler bis auf die Kröte. Sie hatten auch heilige Haine, Felder und Gewässer, so dass sie darin Holz zu hauen, Äcker zu bestellen und Fische zu fangen nicht wagten.« – Da diese »Prußen«, wie man sie nannte, nicht nur assimilationsabgeneigt, sondern auch gewalttätig waren, »verschlang das geschwungene Schwert der christlichen Ritterschaft das Fleisch der Ungläubigen … und so wurde ein großen Blutbad unter dem Volk der Prußen angerichtet; an diesem Tag fielen nämlich über 5000. Darauf kehrten die Kreuzfahrer alle freudig heim und lobten die Gnade des Erlösers.« (Peter von Dusburg: Chronica Terre Prussie | 1326, z.n. nach Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 7)

Nur in antisemitischer Perspektive hat die Nationsgründung Israels einen kolonialistischen Charakter. Zudem handelt es sich bei der Nationsgründung Israels, anders als bei allen anderen Nationen, um eine »heilige Mission«, wie der Religions‐ und möglicherweise Nephilimexperte Benjamin Netanjahu mit Verweis auf eine Aufforderung G‑ttes zur KomplettauslöschungE des Volkes Amaleks – Erwachsene, Kinder, Säuglinge, Nutztiere – im Tanach, 1 Samuel 15:3 Ende 2023 klar stellteE.

In der Tradition des europäischen Kolonialismus stehende Bemerkungen Theodor Herzls sind allein dem Zwang geschuldet, zur Nationsgründung Israels auf europäische Mächte angewiesen zu sein. Da diese Bemerkungen kostenlos im Internet verbreitet werden, so dass jede dahergelaufene Antisemitin damit hausieren gehen kann, gehört es zum Rüstzeug des Nichtantisemitismus, sich von Äußerungen wie den folgenden nicht irritieren zu lassen.

Herzl in seiner Hauptschrift: »Für Europa würden wir dort [in Palästina] ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.« (Der Judenstaat 1896)

Herzl an britisches Publikum gewandt: »Sie sind uns in allen technischen Errungenschaften weit überlegen, gleich wie die großen Politiker Ihres Landes die ersten waren, welche die Notwendigkeit der kolonialen Ausbreitung erkannten. Darum weht die Fahne Größer‐​Britanniens auf allen Meeren. Und so sollte ich meinen, dass hier in England die zionistische Idee, die eine koloniale ist, leicht und rasch verstanden werden muss«. (Rede in London 1899)

Herzl vor Kaufleuten und Bankiers in Wien: »Die Kolonisation, d.h. die Ansiedlung von Stammesmitgliedern in einem anderen Lande, ist ein Gedanke der Neuzeit und in der Neuzeit haben ihn nur die vorgeschrittenen Nationen gehabt […] Wir [Zionisten] stehen mitten in unserer Zeit und kommen allerdings erst sechzig Jahre nach den Engländern dazu«. (Rede in Wien 1900)

Ungeachtet dieser anachronistischen Oberflächlichkeiten fasste Herzl in klaren Worten die eindeutig nichtkolonialistische Kernmotivation des jüdischen Strebens nach Palästina zusammen, die auch heute noch besteht und für eine verwirrende Überlappung zionistischer mit falschen, nichtzionistischen Gesinnungen sorgt:

»Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns, den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien; oft von solchen, deren Geschlechter noch nicht im Lande waren, als unsere Väter da schon seufzten.« (Der Judenstaat 1896)

Hervorragende Beispiele für vaterländische Hingabe boten nicht zuletzt die jüdischen Soldaten und Offiziere auf allen Seiten des Ersten Weltkriegs. Während dieses Krieges, im Jahr 1917, entstand die berühmte schwammige Balfour‐​Deklaration der britischen Regierung – nachdem die Herrschaftsetagen Frankreichs, der USA und des Vatikan grünes LichtE dafür gegeben hatten und in Großbritannien eine gewisse Angst entstanden war, die deutsche Regierung könnte beim osmanischen Sultan die Etablierung einer jüdischen nationalen Heimstätte erreichen und dadurch womöglich Einfluss auf den SuezkanalE gewinnen.

Die weitere geschichtliche Entwicklung zeigte, wie fruchtlos die vaterländische Hingabe der jüdischen Bevölkerung in der Diaspora war. Herzls Darstellung der jüdischen Grundsituation blieb gültig:

»Die Juden wollen erlöst werden von der Angst vor immer wiederkehrenden Verfolgungen. Denn selbst in den Ländern, wo unsere Brüder augenblicklich nicht zu leiden haben, ist ihre Freude eine zitternde.« (Rede im Makkabäerklub 1901)


Grobe Übersicht der Vertreibungen jüdischer Gemeinden in den Jahren 600 bis 1800. 4

5. Palästina

Unmittelbar nach dem Sieg über den NS stellte sich für das jüdische Volk die nationale Frage mit extremer Dringlichkeit, wie zum Beispiel der Ober‐​Rabbi der rund 60.000 Jüdisch‐​Orthodoxen in Jerusalem und im Heiligen Land, J. H. Duschinsky, 1947 vor der Palästina‐​Kommission der Vereinten Nationen (UNESCOP) erklärte – wobei er sich allerdings von den britischen Installationen zionistischer Körperschaften in Palästina distanzierte und der Jewish Agency die »Anerkennung als Vertretung des gesamten jüdischen Volkes« verweigerte:

»Unsere Geschwister, die Überlebenden eines beispiellosen Massenmordes, die jetzt in vielen Lagern hinter Stacheldraht sitzen, verlieren von Tag zu Tag ihren Lebenswillen, und es ist dringend notwendig, sie vor dem Abgrund des psychologischen Verfalls zu retten. Deshalb appellieren wir an Sie, meine Herren, ihnen in ihrem derzeitigen demoralisierenden Zustand des eingeschränkten Daseins zu helfen. Es ist klar, dass neben jedem anderen Zufluchtsort, der für sie gefunden werden könnte, dieses Heilige Land ihr wichtigster Zufluchtsort der Sicherheit und des Glücks sein muss und bereit ist, dies zu sein.« (Mündliche Aussage vor der UNESCOP 16.7.1947E)

»[E]s ist eine bedauerliche Tatsache, dass damals [während des britischen Mandats in Palästina] ein schwerer Fehler begangen wurde, indem zuerst die Führer des Zionismus und dann die Jewish Agency als offizielle Vertretung der jüdischen Bevölkerung anerkannt wurden, […] die unzähligen orthodoxen Juden den Weg zur Einwanderung versperrten. […] Auf diese Weise ist es ihnen gelungen, […] im ganzen Land jüdische Gemeinden zu gründen, deren Geist den Erfordernissen des jüdischen Gesetzes zuwiderläuft, […] wobei sie auf der Schaffung eines jüdischen Staates darin bestanden. Dies hat die Angst unserer arabischen Nachbarn vor weiterer jüdischer Einwanderung geweckt und damit den entschlossenen Widerstand der Araber gegen die jüdische Einwanderung ausgelöst. […] Wir möchten […] unseren entschiedenen Widerstand gegen einen jüdischen Staat in irgendeinem Teil Palästinas zum Ausdruck bringen.« (Memorandum für die UNESCOP 18.11.1947E)

Sogar die Kommunistische Partei PalästinasE, die einen »vereinigten arabisch‐​jüdischen Staat« anstrebte und später an der Entscheidung der SowjetführungE zur Errichtung eines exklusiv jüdischen Staates auflief, sah die Dringlichkeit der Einwanderung jüdischer Überlebender nach Palästina ein – wenn sie auch wie Rabbi Duschinsky einem individualistischen Bockprinzip das Wort redete, das dem nationalen Aufbau in Palästina eine beträchtliche Volksmasse vorenthalten hätte. Der Parteisekretär Shmuel Mikunis sagte 1947 vor der UNESCOPE:

»Die UNO sollte vertriebenen Juden, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren möchten, in denen demokratische Regime errichtet wurden, sowie denjenigen, die an einer Auswanderung in andere Länder, einschließlich Palästina, interessiert sind, jede Erleichterung gewähren und dabei den Wunsch berücksichtigen, zu ihren Verwandten zu ziehen. […]

[W]ir sagen, dass es die Pflicht der Organisation der Vereinten Nationen ist, ihnen dabei zu helfen und ihnen jede Möglichkeit zu geben, damit sie in diese Länder, einschließlich Palästina, auswandern können, und alle diese Lager in Westdeutschland, in Österreich, Italien und Zypern aufzulösen, um dieser schändlichen Geschichte ein Ende zu setzen, die Überlebenden, die Opfer des Faschismus, die Überlebenden eines solchen Gemetzels, zwei Jahre nach dem Krieg in solchen Lagern unter dem Schutz von Nazis oder ehemaligen Nazis zu halten und diesen Nazis zu erlauben, Pogrome und Provokationen gegen diese Opfer des Faschismus [unter anderem in GroßbritannienE und PolenE] durchzuführen. […]

[E]hemalige Faschisten und Kollaborateure der Nazi‐​Armeen, Ukrainer und Letten, [können] frei nach England einreisen. Sie haben alle Unterkünfte und arbeiten, was immer sie wollen. Aber die Tore Englands sind für die jüdischen Opfer des Faschismus geschlossen. Kanada ist offen für die Banditen der Nazi‐​Armeen, aber Kanada ist geschlossen für die jüdischen Opfer des Faschismus, Palästina ist geschlossen für diese Opfer –« [Der Vorsitzende der UNO‐​Kommission unterbricht: »Ich möchte, dass Sie Ihre Worte sorgfältig wählen.«]

6. Israel

So herzzerreißend diese Hinweise sind: anzunehmen, sie könnten das Existenzrecht Israels begründen, wäre gleichbedeutend mit der Annahme, beim Existenzrecht Israels ginge es vor allem um Bedürfnisse jüdischer Individuen. Auf Basis dieser Annahme »argumentieren« Antisemitinnen nicht nur, Israel sei das für Jüdinnen gefährlichste Land auf der Welt und könne somit ihr zentrales Bedürfnis nach Sicherheit nicht befriedigen. Auch ein »Dilemma« wird behauptet: Fast soweit wie die Bedürfnisse jüdischer Individuen zu beachten sind, seien auch die Bedürfnisse nichtjüdischer Individuen zu beachten. Zwischen beiden Bedürfniskonstellationen, heißt es, sei ein »Ausgleich« anzustreben. Damit wird der rechtmäßige Anspruch des jüdischen Volkes auf (mindestens) Palästina untergraben und das Existenzrecht Israels in Frage gestellt, indem es an die erfolgreiche Erfüllung einer Aufgabe gebunden wird, nämlich die Erfüllung von Bedürfnissen jüdischer Individuen.

Der Antisemitismus derartiger Auffassungen lugt schon aus der Unüblichkeit hervor, das Existenzrecht nichtjüdischer Staaten an die Aufgabe der erfolgreichen Erfüllung von Bedürfnissen ihrer jeweiligen Bürgerinnen zu knüpfen. Wo diese Aufgabe nicht erfüllt wird, steht (außer unter ausgesprochenen Anarchistinnen) mit Ausnahme ethnischer Mischstaaten allerhöchstens das Existenzrecht spezieller Regierungen dieser Staaten in Frage, nicht jedoch das Existenzrecht der Staaten selber.

Ohne Wenn und Aber gelten die Worte des Nahostexperten Eric R. Mandel:

»Wer das Recht des jüdischen Volkes auf eine nationale Heimat und das Existenzrecht Israels in Frage stellt, praktiziert faktisch Antisemitismus.« (Jerusalem Post 2.7.2021E)

… und die Worte des Antisemitismusbeauftragten der deutschen Bundesregierung, Dr. Felix Klein:

»Das Existenzrecht Israels infrage zu stellen, ist antisemitisch. Das ist Konsens in der seriösen Forschung.«

Dies nicht zu begreifen, kann in Deutschland und vielleicht noch anderen Ländern ernste juristische und einbürgerungsrechtliche Konsequenzen haben. Ausreden gelten hierbei nicht. Denn wer hat anhand von Themen wie »Klima« und »Covid‐​19« inzwischen nicht gelernt, die Seriosität von »Forschung« daran zu erkennen, dass sie den Menschen vorschreibt, was sie in Frage stellen dürfen und was nicht?

Natürlich liegt die nationale Heimat des jüdischen Volkes nicht in ArgentinienE oder BelarusE oder im Land der Uasin GishuE in Kenia, das Geschäftsführer des britischen Kolonialpotpourris schon mal mit Uganda verwechselnE können. Die nationale Heimat des jüdischen Volkes lag auch nie in Saloniki, wenn auch muslimische Persönlichkeiten dort angesichts der Zusammensetzung der Bevölkerung für eine jüdische Mehrheitsregierung eintratenE.

Die nationale Heimat des jüdischen Volkes liegt im geografischen Gebiet Palästina und seiner Umgebung. Daran ändert sich auch nichts, wenn ein paar Details der Geschichte der »Wellen kolonialer Invasoren« und des »historischen Unrechts« der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Palästina nach der Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70 korrekturbedürftig sein sollten, wenn etwa

  • die »alten Römer« seinerzeit nicht bierbock genug gewesen waren, um die eingesessene jüdische LandbevölkerungE zu vertreiben, die sich mit den komplexen agro‐​ökologischen Anforderungen Palästinas auskannte und entsprechend üppige Tribute nach Rom liefern konnte,
  • oder wenn das römische Heer im Jahr 70 in Palästina weniger zu antisemitischen Zerstörungszwecken aufgekreuzt war als zu konstruktiven Ordnungszwecken, weil die römische Staatskasse unter einem Bürgerkrieg litt, in dem sich verschiedene Fraktionen der jüdischen Bevölkerung gegenseitig abschlachtetenE und Jerusalem mit Plünderungen, Vergewaltigungen und Brandstiftungen überzogen,
  • oder wenn nach dem Jahr 70 eine vitale jüdische Gesellschaft in Palästina weiterbestanden haben sollte, die sich eine Priesterkaste mit TempelnE gönnte, deren Gefolgschaft teilweise zum Christentum und später zum Islam überlief,
  • oder wenn Abwanderungen aus PalästinaE zum großen Teil aus Gründen stattgefunden haben sollten wie andere Migrationen aus zurückgebliebenen Gebieten in die jeweiligen geistigen und wirtschaftlichen Zentren der erreichbaren Welt auch.

All diese historischen Zufälligkeiten heben die grundlegende Wahrheit des Judentums und der nichtjüdischen Moderne nicht auf: das nationale Wesen des Menschen und damit seine Zugehörigkeit zu Nationen mit entsprechenden Gebietsansprüchen.

Dem Judentum wohnt diese Wahrheit, die die nichtjüdische Welt erst spät entdeckte, seit jeher inneE, so dass sich vor 3000 Jahren am Berg Sinai entstandene Ansprüche auf sie stützen.

Der Antisemitismus ist ein verzerrter nichtjüdischer Abklatsch dieser Wahrheit. Umgekehrt den Zionismus zum Abklatsch des nichjüdischen Nationalismus zu erklären, wäre antisemitisch.

Wer die Wahrheit des nationalen Wesens des Menschen begriffen hat, besitzt gute Voraussetzungen zur Entwicklung einer nichtantisemitischen Grundhaltung, hat aber noch eine schwierige Wegstrecke zu bewältigen. Im nächsten Teil dieser Anleitung wird es um Fragen der Religion, des Volkes, der Demokratie und der Moral gehen.

Fußnoten

1 Hebraeische Bibliographie. Blätter für neuere und ältere Literatur des Judentums, Bd. III, 1860, S. 16, Eintrag Nr. 863

2 Zur Stärkung anti‐​israelischer Vorurteile sind Gerüchte im Umlauf, nach denen äthiopische Jüdinnen bei ihrer Ankunft in Israel ohne Einverständnis sterilisiert wurden. Jedoch bemühte sich die israelische Gesellschaft – Mainstream‐​Medien wie auch der Staatsapparat – um eine ordentliche Aufklärung. Eine UntersuchungE ergab, dass in relativ wenigen Fällen, veranlasst von mittleren bis unteren Ebenen der Gesundheitsversorgung, Langzeit‐​Kontrazeptiva gespritzt wurden, ohne die Frauen darüber ausreichend zu informieren. Äthiopische Jüdinnen wanderten seit 1934 in Kleingruppen nach Palästina ein. Um die 1980er Jahre herum rettete der Mossad Tausende von ihnen in gefährlichen Missionen vor Hunger und Unterdrückung aus Äthiopien, wobei Fußmärsche in den Sudan zu unternehmen waren, die viele nicht überlebten. Als die israelischen Rettungsaktionen öffentlich bekannt wurden, zog sich die sudanesische Regierung auf Druck von arabischen Regierungen aus der passiven, finanziell motivierten, Fluchthilfe zurück. Geula HaradayE, die als Kind an der Flucht teilnahm, sagt, dass die äthiopischen Gemeinden ihre Rückkehr nach Jerusalem 2500 Jahre lang ersehnt hatten.

3 Sämtliche Zitate aus englischsprachigen Quellen in dieser Anleitung wurden unautorisiert übersetzt.

4 Grafik nach Wikipedia: Expulsions and exoduses of Jews und Wikimedia: Expulsión_judíos.svg: Ecelan.

Bild: Bajonetttraining des deutschen Zuges der Palmach, Elitetruppe der Haganah, 1942, Wikimedia | Palmach Museum

2 thoughts on “Anleitung zum Nichtantisemitismus
Teil 2: Nation und Nationalidentität

  1. Warum beteiligt sich der die das Autor in es an der bourgeoisen Sprachverhunzung? Lies doch mal in der Bibel, wozu diese babylonische Sprachverwirrung gedient hat. Wer diesen Unfug mitträgt betätigt sich als Feind des Proletariats, ob bewusst oder aus Dummheit.

  2. Antisemitismus gibt es aus genau einem Grund: weil sich eine kleine Gruppe von Menschen durch genetische Merkmale und religiösen Exzeptionalismus (»Volk Gottes«) von allen anderen Menschen abheben will.
    Ich will nicht behaupten, dass das der einzige Grund wäre. Aber es ist die »conditio sine qua non« für Antisemitismus. Zionismus ist ein weiterer Grund.

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