
»Es muss sich alles ändern, damit sich nichts ändert!«
Giuseppe Tomasi de Lampedusa
Als ich mich auf meiner Rückreise aus China in Colombo aufhielt, baten mich zahlreiche Freunde in Frankreich und im Ausland um eine Stellungnahme, nicht als Experte oder Fachmann – was ich nicht bin und auch nicht werden möchte – sondern vielmehr aufgrund meiner Verbindung zu Sri Lanka, diesem wunderschönen Land, das ich sehr liebe. Ich habe etwa 15 Jahre in Sri Lanka gelebt, auch zur Zeit des Krieges, ich habe familiäre Bindungen dorthin und ich habe das Glück, viele politische Aktivisten aus Sri Lanka, Minister und Präsidenten, Gewerkschafter, Journalisten und Diplomaten, Schriftsteller und Künstler persönlich zu kennen, vor allem aber großartige Menschen, unter denen ich viele Freunde und Kameraden habe. Bescheiden bringe ich hier mein Zeugnis und nichts anderes ein.1
Die internationale Presse hat in letzter Zeit ausführlich über die Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka berichtet. Verblüffenderweise und fast einstimmig wurde in den Mainstream‐Medien, in sozialen Netzwerken oder in kategorischen Erklärungen von Politikern der Rechten wie der Linken darauf hingewiesen oder sogar begrüßt, dass ein »marxistischer«, ja sogar »marxistisch‐leninistischer« oder besser noch »kommunistischer« Präsident an die Macht gekommen sei.2 Solche Kommentare lösten in Colombo allgemeine Heiterkeit aus! Man macht immer noch Witze darüber.3
Seltsamerweise stellte sich niemand die Frage, warum zur gleichen Zeit die Staats‐ und Regierungschefs der USA, der Europäischen Union, des IWF und der Ratingagentur Fitch ebenfalls sichtlich angetan von der Nachricht waren und einem vorhersehbaren Ereignis Beifall zollten. Die Börse in Colombo zog deutlich an und die Rupie gewann einige Punkte hinzu. Die Geschäftswelt Sri Lankas atmete erleichtert auf. Der Petrochemiekonzern Shell, der den neuen Präsidenten unterstützt hatte, die Weltbank und die Bill‐Gates‐Stiftung zeigten sich sofort erfreut.4 Sind wir also Zeugen einer plötzlichen Bekehrung von Vertretern der Oligarchie, eines politischen Erdbebens oder doch eher einer Manipulation?
Teil I: Fakten und Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit
Die Antwort ist einfach! Der neue Präsident, Anura Kumara Dissanayake, ist weder antikapitalistisch, noch antiimperialistisch, nicht einmal sozialdemokratisch und schon gar nicht kommunistisch. Auch wenn es jene enttäuscht, die ihr Wunschdenken mit der Realität verwechseln, sollte man Auswirkungen nicht mit Absichten verwechseln. Es ist bekannt, dass »die Fakten hartnäckig sind«.5 Wenn man zweimal darüber nachdenkt und sich daran hält, sind die Dinge einfacher zu verstehen.
Aus diesem Grund kann man beim Lesen einiger politisch »links« angesiedelter Artikel nur staunen über die Unschärfe, die Oberflächlichkeit, das völlige Fehlen von Zurückhaltung und Vorsicht in den Analysen, die man auf einigen Websites finden kann, die sich offensichtlich schlecht mit dem Thema auskennen. Ich will niemanden verurteilen. Aber hätte man sich nicht zumindest vorher ein wenig informieren sollen? Glücklicherweise haben andere dies getan und Texte verfasst, die weitaus relevanter und nützlicher sind, wenn man das sri‐lankische Chaos verstehen will.6 Lassen Sie uns also die Fakten betrachten!
Wie ist das mit der JVP?
Anura Kumara Dissayanake, der neue Präsident von Sri Lanka, besser bekannt unter seinem Spitznamen AKD, ist der wichtigste Führer der JVP,7 einer politischen Partei, die sich bei ihrer Gründung 1965 auf den Marxismus‐Leninismus berief und sich zu einem Guevarismus8 mit maoistischen Einflüssen, aber paradoxerweise auch zu singhalesischem Chauvinismus gegenüber der tamilischen Minderheit, insbesondere gegenüber den Arbeitern auf den Teeplantagen, bekannte. Die ursprünglich aus Schülern, Studenten und Landarbeitern bestehende Organisation führte zwei bewaffnete Aufstände im April 1971 und 1988/89 an. 1971 bekämpfte die JVP die erste linksgerichtete Regierung von Sirimavo Bandanaraike, der mehrere kommunistische und trotzkistische Minister angehörten.9 1988/89 wandte sie sich gegen ihre rechten Verbündeten von der UNP, d. h. der Kompradorenpartei, mit der sie gegen die Inder gekämpft hatte. In beiden Fällen endeten die bewaffneten Rebellionen mit Blutvergießen, Massakern und mehreren tausend Opfern. Die wichtigsten Führer der JVP wurden inhaftiert, gefoltert und summarisch hingerichtet, darunter auch Rohana Wijeweera, der Gründer der JVP.
Weniger bekannt ist, dass diese linke Gruppierung mit ihren zahlreichen Abspaltungen, Ausschlüssen und oft gewalttätigen Abrechnungen in verschiedenen Perioden vom gefürchteten Präsidenten J.R. Jayewardene (J.R.), dem Vorsitzenden der UNP, geschickt gefördert und manipuliert wurde.10 J.R. war der Mann, der das Land für den Liberalismus im Gefolge von Pinochet öffnete. Dazu musste er einen repressiven Staat errichten, um private Interessen und ausländische Investoren zu schützen. Um diese autoritäre und reaktionäre Politik zu rechtfertigen und zu legitimieren, brauchte J.R. einen maßgeschneiderten radikalen Gegner. Er dachte diese Rolle der JVP zu.11
So kam es nach der bewaffneten Intervention Indiens im Jahre 1987 im Rahmen des Bürgekrieges in Sri Lanka (1983 – 2009)12 auf Wunsch von Präsident Jayawardane zur überraschenden Bildung einer gemeinsamen antiindischen Front, die von der reaktionären, prowestlichen Regierung von J.R. Jayewardene und seinem Nachfolger Ranasinghe Premadasa13 über die JVP bis hin zu den Separatisten der LTTE, den sogenannten Tamil Tigers ging.14 Indien erlitt eine demütigende Niederlage, die Inder wurden vertrieben und dem damaligen indischen Premierminister Rajiv Ghandi wurden sogar Verhandlungen und Kompromisse aufgezwungen, die ihn später das Leben kosteten, weil er sie nicht einhielt.15 Diese drei politischen Kräfte nutzten die Gelegenheit, um gemeinsam zahlreiche Oppositionelle, linke Aktivisten, darunter viele Kommunisten,16 Gewerkschafter und Intellektuelle zu liquidieren, die sich »schuldig« gemacht hatten, für ein sozialistisches Sri Lanka zu kämpfen, das über ethnische und religiöse Unterschiede hinweg geeint sein sollte. Auf den Bruch dieses Zweckbündnisses folgte eine grausame Unterdrückung. Sie überzog das Land mit Tausenden von Opfern, vor allem auf dem Land und unter der Jugend.
Als die JVP schließlich 1993 ihre Aktivitäten legalisieren durfte, stellte sie sich 1994 nicht gegen die Rückkehr einer sehr gemäßigten, linksliberalen, nationalistischen Regierung, damit diese ihren Krieg gegen die LTTE fortsetzen konnte. Später, im Jahr 2004, war Anura Kumara Dissayanake sogar als Landwirtschaftsminister an der Regierung der Präsidentin Chandrika Kumaratunga17 beteiligt, stellte sich aber später gegen sie – unter dem Vorwand, dass die Regierung mit der LTTE bei der Hilfe für die tamilischen Opfer des Tsunami zusammengerarbeitet hatte.18
Die politische Entwicklung der JVP beschleunigte sich dann nach dem unerwarteten und überraschenden Verschwinden des letzten Überlebenden der historischen Führung der JVP, Somawansa Amarasinghe.19 Anura übernahm die Führung der Partei und führte gleich zu Beginn eine Art »Aggiornamento«20 in einer Art Exorzismus‐Sitzung in Bezug auf die revolutionäre Vergangenheit der JVP durch. Er musste beweisen, dass sich die Partei verändert hatte. Also leistete er öffentliche Abbitte für die schweren Fehler seiner Vorgänger. Von nun an würde sich die Partei ändern und das politische Spiel, die Verfassung respektieren, Wahlbündnisse einhalten, das System des »Crossover«21 und der Absprachen akzeptieren, die auf eine Teilhabe an den Institutionen der Bourgeoisie abzielen. Auf eine Frage im Juli 2015, wie er sich eine gerechte Gesellschaft vorstelle, antwortete Anura: »Es ist nicht die Politik der JVP, von den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben«.22
Die JVP entfernte sich zugunsten eines »vernünftigeren« Diskurses von der revolutionären Rhetorik, kurz gesagt, sie veränderte sich radikal und erklärte sich bereit für eine Beteiligung an der Macht. Um den Anschein einer Identität zu wahren, wurden jedoch noch einige Jahre lang Hammer und Sichel, rote Fahnen und der Verweis auf Rohana Wijeweera als Leitfigur beibehalten, wie sogar die riesigen Porträts von Marx, Engels und Lenin, die die Aktivisten bei Demonstrationen auf Händen trugen, die aber seit einiger Zeit auf den Dächern der neuesten Mercedes festgezurrt wurden. Kurzum, die Partei war nicht mehr die Partei aus den heroischen Zeiten des Untergrunds und des bewaffneten Kampfes, aber man versuchte, den Anschein zu wahren. Heute ist alles anders, es gibt keine Hammer und Sichel mehr, keine roten Fahnen und Hemden, und die riesigen Porträts der historischen Führer der internationalen Arbeiterbewegung wird man wohl so schnell nicht mehr sehen. Anura, der die Geschäftswelt und die Elite des Landes gerne beruhigt, sagte: »Wir haben nichts gegen die Reichen, wir haben nichts dagegen, dass sie reicher werden, aber sie müssen ihre Steuern zahlen, und wir wollen nicht, dass die Armen noch ärmer werden«.23 Besser kann es nicht ausdrücken!
Bei den Präsidentschaftswahlen 2010 unterstützte die JVP General Fonseka, einen konservativen Bonapartisten, der ein ständiger Verbündeter der sri‐lankischen Rechten war. Dies war ein katastrophaler Misserfolg. In der Folgezeit setzten sich die erklärten oder unerklärten Kompromisse der JVP mit Teilen oder auch der gesamten lokalen Oligarchie und den kompradoren Kräften Sri Lankas, die eng mit Washington, Brüssel und London verbunden sind, fort, ohne dass die JVP jedoch nennenswerte Wahlergebnisse erzielte. Trotz ihrer Bemühungen, Respektabilität zu erlangen, ist der Einfluss der JVP im Parlament aktuell auf drei von 225 Abgeordneten beschränkt.24
Eine neue internationale Lage
Im selben Zeitraum änderte sich der internationale Kontext. Die von den USA und ihren Verbündeten in der Region gewollte Konfrontation mit China beschleunigte sich insbesondere durch die Einrichtung der Quad25 (2007), deren Rechte auf dem jüngsten Treffen in Wilmington (USA) deutlich gestärkt wurden, u. a. im Bereich der Terrorismusbekämpfung und der Sicherheit der Mitgliedsstaaten mit Blick auf eine mehr oder weniger bevorstehende Konfrontation mit Peking.26 Dies zeigt sich auch darin, dass Manila den USA erlaubt hat, Langstreckenraketen auf seinem eigenen Boden zu stationieren und zu warten.27 Damit ergänzt Quad die Rolle, die der NATO seit der Madrider Konferenz vom Juli 2022 in Südostasien zukommt.28 Diese geostrategischen Veränderungen und Belange wirken sich natürlich direkt auf die politische Ausrichtung Sri Lankas aus.
Die Insel liegt nämlich im Herzen des Indischen Ozeans und ihre Bedeutung ist schon seit Jahrhunderten nicht zu leugnen. »Wegen seiner strategischen Bedeutung können sich die USA den Luxus nicht leisten, Sri Lanka im Kampf gegen China zu verlieren«, sagte John Kerry,29 damaliger Außenminister von Barack Obama.
Zu diesem Zweck und seit Barack Obamas Pivot to Asia von 201230 musste in Colombo eine Regierung installiert werden, die den USA gefügig ist, sich im Verhältnis zu Indien entgegenkommend aber vor allem gegenüber China distanziert positioniert. Im Namen der Verteidigung der Menschenrechte, der Korruptionsbekämpfung und der Forderung nach »guter Regierungsführung« unternahmen die USA daher vermehrt Versuche, einen Regimewechsel gegen den charismatischen Mahinda Rajapksa herbeizuführen, der inzwischen Präsident von Sri Lanka geworden war.31,32 Seine hohe Popularität beruhte auf der Tatsache, dass er dazu beigetragen hatte, das Land zusammenzuhalten, dem Druck des Westens standzuhalten, Frieden zu stiften, die Souveränität Sri Lankas nach seinem politischen und militärischen Sieg über die separatistischen LTTE‐Tiger zu bewahren und die Infrastruktur des Landes mit Hilfe Chinas auszubauen. Das war entschieden zu viel! Mahinda ist ein Nationalist, der nie davor zurückschreckte, antiimperialistische Positionen zu vertreten. Er ist beziehungsweise war ein enger Freund von Yasser Arafat, Fidel und Raoul Castro, Hugo Chavez und der chinesischen Führung. Tatsächlich ist er der politische Erbe der ehemaligen Premierministerin und späteren Staatschefin Sirimavo Bandanaraike,33 einer der Gründerinnen der Bewegung der Blockfreien, die persönlich mit Chou Enlai und Mao Zedong befreundet war.
Drei Großprojekte
Die Interventionen seitens des Westens und allen voran der USA nehmen daher zu ; es muss Schluss sein mit Mahinda, der als »Kriegsverbrecher« bezeichnet wird. Die Manipulation der internationalen Meinung nimmt Fahrt auf. Es gibt immer mehr internationale Medienkampagnen, die den Staat Sri Lanka des Völkermordes an den Tamilen beschuldigen. Der UN‐Menschenrechtsrat in Genf wird im Namen der humanitären Einmischung und unter dem Druck des Westens wiederholt Resolutionen gegen Colombo verabschieden – typische Beispiele für eine Politik der doppelten Standards.34
Gleichzeitig und mit Hilfe von Georges Soros und seiner in Sri Lanka sehr präsenten Open Society Foundation, dem National Endowment for Democracy und USAID35, deren Mittel erheblich aufgestockt werden, wollen die USA vor allem die Waffen für eine groß angelegte Manipulation durch Einmischung in alle Richtungen bereitstellen, indem sie die Präsenz von NGOs und Think Tanks wie dem Advocata Institute vervielfachen und lokale Politiker einsetzen und Gewerkschaften finanzieren, von denen einige mit der JVP/NPP verbunden sind.36 Das Ziel ist es, drei Megaprojekte durchzusetzen, die das Land in eine offensive Plattform verwandeln, eine Art riesigen Flugzeugträger gegen China: die Programme ACSA, SOFA und MCC.37
Für die Souveränität des Landes ist dies ist eine Frage von großer Bedeutung, aber von Anura Kumara Dissayanake gibt es keinen Widerspruch. Durch die Privatisierung von Boden wollen die USA Sri Lanka in zwei Hälften teilen, ausgehend von einem Landkorridor mit einem Hochgeschwindigkeitszug, der den Hafen und den Flughafen von Colombo mit dem größten Tiefseehafen Südostasiens in Trincomalee verbindet, um dort einen Flottenstützpunkt der 7. US‐Flotte zu errichten. Zusätzlich sollen den Soldaten der US‐Armee Privilegien gewährt werden, die sie vor jeglichem Vergehen gegen das Gesetz und die Justiz Sri Lankas schützen.
Zu diesen Plänen, die die nationale Unabhängigkeit des Landes zerstören, findet man schwerlich einen Widerstand seitens der JVP. Nicht der geringste Protest oder eine Anprangerung der imperialistischen Ambitionen der USA in der Region und der Gefahren, die sie mit sich bringen. Wer schweigt, stimmt zu? Dennoch gibt es immer mehr Initiativen, Erklärungen und Kämpfe von intellektuellen Persönlichkeiten, linken Parteien wie der KP oder der LSSP oder auch von Gewerkschaften, die es schaffen, den Druck auf die rechten Regierungen aufrechtzuerhalten, die nach den Wahlniederlagen von Mahinda Rajapaksa aufeinander folgen. Diese Aktionen tragen mehere Jahre lang dazu bei, die Pläne der USA zu durchkreuzen.
Der Sieg von Gotabaya und der Aragalaya
Im Jahr 2019 mischt der überwältigende Wahlsieg von Mahindas Bruder Gotabaya Rajapaksa bei den Präsidentschaftswahlen die Karten neu und verschafft ihm eine absolute Mehrheit im Parlament. Gotabaya hat eine doppelte Staatsbürgerschaft: die sri‐lankische und die US‐amerikanische. Das ist für die nachfolgenden Ereignisse von Bedeutung.
Das neue Kräfteverhältnis trägt dazu bei, die Hoffnung auf einen Wandel zu mobilisieren, aber nur vorübergehend, denn die Manipulationen, um die Menschen zu täuschen, werden fortgesetzt. Unerwartet führen die einseitigen und übereilten Entscheidungen der Regierung von Gotabaya zu einer offenen sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Krise vor dem Hintergrund der Covid 19‐Pandemie. Das Beispiel seiner abenteuerlichen Entscheidung, im April 2021 von einem Tag auf den anderen die Einfuhr von Düngemitteln zu stoppen, um die Landwirtschaft Sri Lankas vollständig auf organischen Anbau umzustellen, führt zu massiven Protesten der Bauern.38 Diese negative Entwicklung erbittert die Menschen. Die Wut ist auf dem Höhepunkt, die Enttäuschung ist groß, vor allem ausgelöst durch Erhöhung der Lebensmittelpreise, Stromabschaltungen, Rationierung von Treibstoffen und das Verschwinden einiger pharmazeutischer Produkte.39 All dies kommt zusammen mit dem dramatischen Rückgang der Überweisungen von Gastarbeitern, insbesondere in den petromonarchischen Golfstaaten sowie dem Niedergang des Tourismus. Die Rupie stürzt ab und die Auslandsschulden explodieren, wodurch das Land schnell den Haien der internationalen Finanzwelt ausgesetzt wird. Die Ungleichheiten verschärfen sich noch weiter, mit immer reicheren Reichen und immer ärmeren Armen.
Unter diesen Bedingungen, die eine Explosion legitimer Unzufriedenheit begünstigen, wird nach dem Besuch der US‐Interventionistin Victoria Nuland40 in Colombo im März 2022 ein Protest mit nie zuvor gesehenen materiellen Mitteln organisiert, der in den Medien starke Beachtung findet und ein noch nie dagewesenes Ausmaß annimmt. In der Tat wird, bis repetita placent41, eine Art Maidan auf sri‐lankische Art aufgebaut. Es ist letztlich nichts anderes als ein Staatsstreich in Form einer Farbrevolution, eine enorme Manipulation, die von der US‐Botschaft aus gesteuert wird. Die Aktion findet hauptsächlich in Colombo statt, aber nicht nur dort. Sie wird »Aragalaya« (Kampf) getauft,42 dann wird »Gota go home« gewählt. Sie mobilisiert weitgehend einen Teil der Jugend wie auch die besseren Viertel. Die Veranstaltungen werden unter anderem von Amita Arudpragasam organisiert, einer der Sprecherinnen der Bewegung, die gerade erst entstanden ist, aber nicht so spontan ist, wie die Medien berichten. Sie hat in Harvard und Princeton studiert und ihre NGO Vérité Research43 wird als Arbeitsabteilung der US‐Botschaft in Colombo betrachtet. Sie wird vom NED mit 75.000 US‐Dollar finanziert. Sie ist nicht die einzige, denn schon bald stehen andere Protagonisten im Mittelpunkt der Ereignisse, die mit der OTPOR‐Bewegung, der Bewegung, die den Sturz von Milosevic beschleunigte, der Regenschirmbewegung in Hongkong und natürlich dem ukrainischen Maidan verbunden sind. Außerdem gibt es die Asia Foundation,44 die von USAID und multinationalen Konzernen wie der Bank of America, Boeing und Chevron finanziert wird. Die JVP und Anura Kumara Dissanayake, die seit einiger Zeit Einlass in die US‐Botschaft45 finden oder die US‐Botschafterin an ihrem Sitz empfangen, spielen in dieser Protestbewegung, die sie unterstützen, die zweite Geige, während sie die Regierung auf die Gefahr der Anarchie hinweisen und ihre Bereitschaft erklären, die Ruhe im Land wiederherzustellen. Um die Proteste und sozialen Forderungen auf ein Abstellgleis zu lenken, blockieren und sabotieren die mit der JVP verbundenen Gewerkschaften Streiks, insbesondere im Transportwesen, indem sie die Basisgewerkschafter bei der Führung der Bewegung ausschalten. Die JVP trägt so dazu bei, dass sich die sozialen Proteste zum reinen Skandieren politischer Parolen entwickeln, die sich an der Korruption, der Ablehnung von Gotabaya Rajapaksa und seiner Familie orientieren, in der der Mann, den es zur Strecke zu bringen gilt, niemand anderes als Mahinda Rajapaksa ist. Mahinda und sein Sohn weigern sich, das Land zu verlassen und tauchen in den Untergrund ab.
Dann kommt es zum gleichen Szenario wie in Kiew bei der Absetzung von Präsident Viktor Yanukovych. Im Fall von Sri Lanka nutzt man kriminellte Banden, die mit der Unterwelt in Verbindung stehen, um die Gewalt zu radikalisieren. Sie ist gekennzeichnet durch den Brand des alten Familienhauses der Rajapaksas in Tangalle, die Besetzung des Präsidentenpalastes, der geplündert und verwüstet wurde, Zerstörungen an Autos von Behörden, physische Angriffe auf Persönlichkeiten, Tote und Verletzte.
Diese schnelle Entwicklung der Krise führt zum Rücktritt Gotabayas im Juli 2022. Vor seiner überstürzten Abreise nach Singapur wird ihm ein Deal mit Ranil Wickremesinghe, dem ehernen Führer der sri‐lankischen Rechten, der inzwischen auf Gotabayas Vorschlag hin Premierminister geworden war, untergejubelt. All dies geschieht natürlich unter der Schirmherrschaft der US‐Botschafterin, deren Aufgabe es ist, nachdem sie die Rajapksa endlich aus dem Weg geräumt hat, Ranil als Regenten einzusetzen, der wiederum die Thronbesteigung desjenigen vorbereiten soll, auf den die USA setzen.
Um den Schein zu wahren, wird Ranil zum neuen Präsidenten, und es wird dafür gesorgt, dass er nicht vom Volk gewählt wird. Der mehrfache ehemalige Premierminister, Liberale und Freund von George Soros ist ein unverhohlener Pro‐Westler. Um der Sache willen und um eine schnelle Amtsübernahme zu ermöglichen, verschließt man die Augen vor der Verfassung – eine Abstimmung im Parlament genügt. Das ist völlig undemokratisch, aber niemand hat etwas dagegen einzuwenden, und das aus gutem Grund.46 Die Organisatoren der Protestbewegung treten sehr schnell in den Hintergrund, um dem neuen Präsidenten und seiner Regierung freie Hand zu lassen. Es kommt zu einem allgemeinen Konsens in Form einer nationalen Zweckgemeinschaft aller politischen Kräfte, einschließlich der JVP. Die soziale Unzufriedenheit ist jedoch nach wie vor groß, zumal nichts Greifbares erreicht wurde, aber keine soziale oder politische Kraft nimmt sich ihrer an. Zudem setzt Ranil auf Repression und droht mit dem Einsatz der Armee, wenn die öffentliche Ordnung nicht wiederhergestellt wird. Schließlich verliert die Bewegung an Schwung und endet. Nun konnte die Manipulation in die nächste Phase übergehen. Die ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das Rettungspaket für die Wirtschaft Sri Lankas, das Ranil vom IWF erhalten wollte was er schließlich mit Unterstützung der USA und der Zustimmung der gesamten politischen Klasse, einschließlich der JVP, erreichte.
Schulden, Bankrott und Manipulation
Im April 2022 kündigt Sri Lanka, das sich in seiner schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1948 befindet, an, dass es die Rückzahlung seiner Schulden in Höhe von 46 Milliarden US‐Dollar aussetzt. Das Land erklärt sich für zahlungsunfähig und praktisch bankrott.47 Dies ist jedoch nicht nötig, da die Situation künstlich herbeigeführt wurde. Die Regierung von Ranil Wickremesinghe spricht sich von Anfang an für Verhandlungen mit internationalen Institutionen aus, die es dem Land ermöglichen würden, seine Schulden umzustrukturieren und seinen Verpflichtungen nachzukommen. Um dem Joch des IWF zu entgehen, bietet China Colombo seine Hilfe an, jedoch vergeblich. Die Regierung verzichtet in Anbetracht der Sanktionen gegen Russland wissentlich auf billigeres Öl, das sie leicht hätte erhalten können, auch über Indien. Der Druck der USA zwingt die Regierung dazu, diese Lösungen, die den amerikanischen Ansprüchen zuwiderlaufen, abzulehnen. Die Wahl ist folglich, den IWF anzubetteln und seine Bedingungen zu akzeptieren. Dies ist weit entfernt von den Vorschlägen, die Fidel Castro am 3. August 1985 in Havanna48 zugunsten eines Schuldenerlasses unterbreitete, vermittels eines unermüdlichen Kampfes der Länder des Südens.
Die Regierungen der Entwicklungsländer müssen sich heute mehr denn je zusammenschließen und gemeinsam gegen den mörderischen Wahnsinn und Totalitarismus des im Abstieg begriffenen Westens und seines ungerechten und bankrotten Finanzsystems vorgehen. Dazu trägt auch die Befürwortung von Multilateralismus und Entdollarisierung bei, die von den BRICS‐Staaten und einer wachsenden Zahl von Ländern wie China mit ihren Vorschlägen für eine »Schicksalsgemeinschaft« vorangetrieben wird, zu der auch die Neue Seidenstraße gehört, an der sich fast 150 Länder beteiligen.
Trotz dieser vielversprechenden Entwicklung ist Anura Kumara Dissanayake nicht bereit, sie zu unterstützen. Noch bevor er gewählt wird, entscheidet er sich für die Kapitulation. Er gibt nach und verzichtet im Namen des Schicksals darauf, den Kampf zu führen. Er verliert kein Wort darüber, was aus der internationalen Süd‐Süd‐Zusammenarbeit werden soll, nichts über das diktatorische System von Bretton Woods, das dringend überwunden werden muss, nichts über den gleichberechtigten Handel zwischen Ländern mit nationalen Währungen, wie ihn viele Staaten bereits praktizieren, um sich von der Bevormundung durch den Dollar zu emanzipieren. Dass der Liberale Ranil Wickremesinghe kein Wort dazu sagt, ist nicht überraschend, aber was ist dann mit dem Pseudo‐Marxisten Anura Kumara Dissanayake? Ist das nicht bezeichnend und entlarvend? Das wird sich bestätigen!
Nach diesem langen Umweg, den man mir verzeihen möge, da das Ziel darin besteht, zu verstehen, wer die Akteure dieser Geschichte Sri Lankas sind, können wir zum zweiten Akt dieses von den USA meisterhaft geführten Komplotts übergehen, deren erster Akt die Aragalaya‐Bewegung gewesen ist. Denn es gibt natürlich eine Kontinuität, eine Kohärenz in all diesen Ereignissen und somit keine göttliche Fügung. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt. Das Tempo wird von der US‐Botschaft vorgegeben. Die Präsidentschaftswahlen im September 2024 sind der nächste Schritt. Ziel der Wahlen ist es, Anura Kumara Dissanayake auf den Präsidentensessel zu setzen. Stellen Sie sich einen »Marxisten« an der Spitze Sri Lankas mit dem Wohlwollen und der Unterstützung der USA vor. Bravo, Herr Zauberer!
Teil II: Anura for President!
September 2024 – Anura wird zum Präsidenten gewählt
Es ist also keine Überraschung, dass Anura bei den Wahlen am 21. September die Nase vorn hat. Er ist der Kandidat, der von der JVP/NPP49, dem neuen Bündnis aus kleinen Parteien und Freiberuflern, Akademikern, NGOs, hohen Staatsbeamten und vor allem Vertretern des sri‐lankischen Big Business unterstützt wird. Die 2019 unter Beteiligung der JVP gegründete NPP umfasst 22 sehr unterschiedliche Organisationen, feministische Gruppen, LGBTQ‐Aktivisten, Künstler und sogar eine alternative kommunistische Partei, die nichts mit der alten KP des hoch angesehenen Dew Gunasekara zu tun hat. Diese Konstellation mit dem Markenimage einer »Zivilgesellschaft« nach westlichem Vorbild und einem NGO‐Gedanken, der sich um das Gesellschaftliche und weit weniger um den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit kümmert, ist repräsentativ für die Mittelschicht und die Geschäftswelt, die man davon überzeugt hat, Anura auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen. Dieses Bündnis sammelt sich um eine einfache Parole herum: »Das Land für Anura«, und ihr Symbol ist »der Kompass«. In der Tat findet man hier die wahre soziale Basis der JVP wieder. Diese hat sich im Übrigen kaum verändert. Sie besteht nach wie vor aus einem gebildeten, bewegungsfreudigen und westlich orientierten städtischen Kleinbürgertum, das die Beziehungen zu China kritisch sieht und für woke Anliegen empfänglich ist.
Anuras Sieg ist Ausdruck einer Wahl durch die Mittelklasse und nicht breiter Bevölkerungsschichten, wie es bei der Wahl von Gotabaya Rajapaksa 2019 mit 52,3 Prozent der Fall war. Anura erhielt 42,3 Prozent der Stimmen. Die beiden rechten Kandidaten Ranil Wickremesinghe (UNP) mit 17,3 Prozent und Sajith Premadasa (SJB) mit 32,8 Prozent, die ursprünglich beide der UNP angehörten, erhalten zusammen knapp über 50 Prozent, also die Mehrheit der Stimmen. Es gibt nur einen Wahlgang, der Erstplazierte gewinnt.
Bei diesen Ergebnissen wagt es niemand, daran zu erinnern, dass Anura Kumara Dissanayake bei den letzten Präsidentschaftswahlen fünf Jahre zuvor nur 3 Prozent erreicht hatte. Von 3 Prozent auf 42 Prozent ist ein spektakulärer Anstieg, den es noch nie zuvor bei einer Wahl oder in einem anderen Land gegeben hat. Es stimmt, dass Anura keine Mühen gescheut hat, um Zugang zum herrschenden Establishment zu erhalten und die Erwartungen des Volkes zu manipulieren. Seine Sponsoren: die Geschäftswelt, die Medien, die Polizei und das Militär, Delhi und Washington können zufrieden sein. Jetzt müssen wir nur noch auf den Return on Invest warten.
Und so wurde Anura Kumara Dissanayake am 23. September vereidigt und zum zehnten Präsidenten von Sri Lanka ernannt. Sofort löste er das Parlament auf und rief für den 14. November allgemeine Wahlen aus. Er ernannte Dr. Harini Amarasuriya, eine mit der Geschäftswelt und auch mit den USA verbundene Liberale, die für ihre Chinafeindlichkeit bekannt ist, zur Premierministerin. Diese Wahl ist nicht unbedeutend. Harini stammt selbst aus der NGO‐Bewegung, ist Mitglied der NPP und gehört gleichzeitig einer Familie reicher Pflanzer an, die zur Zeit der Aufstände der JVP deren Erzfeinde waren. Dies überrascht schon sehr. Sie hat in den USA und an der Open University von G. Soros studiert. Sie erklärt sich selbst zur »linken Mitte«. An der Seite von Julie Chung, der geschäftstüchtigen US‐Botschafterin, wurde sie bei Samantha Power,50 Chefin von USAID und enge Vertraute von Barack Obama, eingeführt. In ihrem Auftrag führte Amarasuriya die wichtigsten Führer der rechten Anti‐Rajapaksa‐Bewegung in Sri Lanka bei der US‐Regierung ein.
Julie Chung reibt sich die Hände.
Anura hat junge Technokraten und Manager von Unternehmen, die mit der Finanzwelt und der Technokratie verbunden sind, zu seinen engsten Mitarbeitern gemacht und ihnen die Leitung der Behörden und des öffentlichen Dienstes übertragen. Es handelt sich nicht um Neulinge; schon lange vor der NPP, deren aktive Mitglieder sie sind, agierten sie für Veränderungen im Geiste der liberalen Ideologie. Auch hier haben die USA viel in das Aufspüren und die Förderung dieser jungen Führungspersönlichkeiten51 investiert. Der römische Gott mit dem Doppelgesicht, Janus, muss Anura und die Führer der JVP/NPP sehr inspiriert haben.
Das Votum für Anura beruht in erster Linie auf der Ablehnung eines veralteten und anachronistischen politischen Systems, das die Geschichte des Landes seit der Unabhängigkeit geprägt hat. Zwei Parteien dominierten damals das Leben in Sri Lanka und teilten sich abwechselnd die Macht: Die linksliberale, nationalistische SLFP, aus der nach ihrer Spaltung die SLPP hervorging. Die andere Partei war die UNP, die Partei der Kompradorenelite, die jahrzehntelang von Ex‐Präsident Ranil Wickremesinghe angeführt wurde. Von dieser Partei spaltete sich die SJP von Sajith Premadasa ab.52 Beide Lager sind von Korruption und Vetternwirtschaft geprägt.
Die Ablehnung der etablierten politischen Parteien und ihrer korrupten und meist inkompetenten Kandidaten ist in Sri Lanka zum Dauerthema geworden, so dass der Blick für das Wesentliche verloren gegangen ist und emotionalen Reaktionen Raum gab. Die Medien tragen ihren Teil dazu bei, insbesondere Channel 1 News first, das zu einem der zehn größten Finanz‐ und Industriekonglomerate des Landes, der Maharaja‐Gruppe, gehört, weiter die Think‐Tanks und natürlich die NGOs, insbesondere jene, die mit George Soros verbunden sind. Diese sind seit mehreren Jahren über das ganze Land verteilt und haben ein großes Netzwerk aufgebaut. Nicht zu vergessen ist auch die Rolle der evangelikalen Prediger.53
Ja, das Problem der Korruption ist real und besonders ansteckend, und alle Parteien sind davon betroffen, auch die JVP. Dennoch wird oft über die Korrupten gesprochen, aber nie über die Korrumpierer. So war beispielsweise im Februar 2015 der Gouverneur der Zentralbank unter der vorherigen rechten Regierung direkt in einen Finanzskandal verwickelt, der das Land 35 Milliarden Rupien, etwa 11 Millionen Dollar, kostete. Er wurde nicht verhaftet und genießt weiterhin glückliche Tage in Singapur.54 Es wurde vermutet, dass der damalige Premierminister Ranil Wickremesinghe in die Sache verwickelt war.
In einem seiner ersten Auftritte als Präsident hielt es Anura für angebracht, die Beamten des Landwirtschaftsministeriums zusammenzurufen und mit ihnen über Korruption zu sprechen, um diese zu unterbinden.55 Wir werden nicht dagegen protestieren. Nur vergisst Anura Dissanayake immer, über die Korruption auf höchstem Niveau, die Geldwäsche, den Devisenhandel und die Geldtransfers der großen Finanzunternehmen Sri Lankas in Steueroasen zu sprechen. Sri Lanka ist zu einem international bekannten Hub in diesem Bereich geworden, und genau das muss angegangen werden. Das Problem scheint zu sein, dass ebendiese sri‐lankischen Unternehmen in den Panama‐Papers und unter den Unterstützern des neuen Präsidenten zu finden sind.
Wir müssen anerkennen, dass JVP/NPP geschickt beraten wurde, den Kampf gegen die Korruption auf sehr selektive Weise aufzunehmen! Die netten Organisatoren der Wahlkampagne ergänzen diese Forderung übrigens mit der Notwendigkeit einer anderen »politischen Kultur«.56 Man macht dies also zum Hauptthema der Kampagne Anuras. Da das aber noch nicht ausreicht, verbindet man diese beiden Schlagworte (Korruption, neue politische Kultur) sofort mit dem Schlagwort »gute Regierungsführung«, einem der Lieblingsthemen des IWF und der Weltbank. Dies ermöglicht es dann der US‐Botschaft, dem IWF, Bill Gates, dem lokalen UN‐Koordinator und vielen anderen, die moralischen und ethischen Werte der Wahlkampfthemen von Anura Kumara Dissanayake zu begrüßen.
Die Stimme für Anura ist also in erster Linie eine Stimme der Ablehnung, eine Stimme gegen die Korruption der lokalen Politiker, zumindest behauptet das die JVP/NPP. Es ist keine Stimme für ein fortschrittliches Wirtschafts‐ und Sozialprogramm, geschweige denn für ein sozialistisches Programm. Denn im Grunde ist das JVP/NPP‐Programm nichts anderes als die Verwaltung eines Kapitalismus, der effizienter werden soll und vor allem die Regeln des herrschenden Systems, des globalisierten Finanzsystems, einhält. Für die NPP muss die »Misswirtschaft« beendet werden. Vor allem aber müssen die Gewinnquellen, die noch unter der Kontrolle des Staates stehen, auf das Businnes übertragen werden, und der Staat darf nur noch seine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, was nichts anderes ist als das liberal geprägte »Good Governance«-Projekt der Weltbank. Aus diesem Grund schlägt die JVP/NPP vor, staatliche Unternehmen, die als unrentabel gelten, zu privatisieren. Dies wird auch von McKinsey empfohlen, das in Colombo seine Büros neben denen des Premierministers hat. Die bekannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft will ein technokratisches Reengineering des Staates durchführen lassen und ihn umstrukturieren, indem sie ihn von seinen Umverteilungsaufgaben und öffentlichen Verantwortlichkeiten befreit und ihn in den Dienst der ausländischen Mächte und der internationalen Finanzwelt stellt. Für McKinsey, Advocata, IWF und Weltbank ist es notwendig, die Volkssouveränität zu beenden und den öffentlichen Dienst zu zerschlagen. Sie machen Anura Dissananayake ohne zu zögern zu ihrem Kandidaten! In diesem Sinne ist das Programm der JVP/NPP eminent politisch in diesem Land, das ein großes Netz nationaler Unternehmen hatte und hat und in dem das Land den Bürgern gehört, die durch ihre Kämpfe so viel zur Qualität der Bildung und der Gesundheit der Menschen beigetragen haben. Dies sind die Bedingungen des IWF/der Weltbank und ihrer Partner, und der neue Präsident hat die Wahl getroffen, sie befolgen und zu respektieren.
Schließlich wurde eine Übergangsregierung eingesetzt und alle Ressorts wurden unter den drei JVP‐Abgeordneten, einschließlich Anura, verteilt. Im Moment dominiert die Erwartungshaltung der Menschen in den unteren Schichten. Die Erwartungen sind hoch, die Illusionen nicht minder, als ob die Beendigung der Korruption von Beamten und Politikern in den Augen vieler Menschen alle Probleme auf magische Weise lösen würde. Der Präsident und seine dreiköpfige Kleinstregierung haben sich verpflichtet, die vom IWF auferlegten Konditionalitäten strikt einzuhalten.
Lange vor den Präsidentschaftswahlen hatten Anura und seine künftige Premierministerin vermehrt beschwichtigende Erklärungen abgegeben. Dies war der Fall, als am 4. September im Monarch Imperial Hotel ein Treffen von mehreren hundert Unternehmern stattfand, das vom Business Forum einberufen worden war. Dort bekräftigten Anura, seine Unterstützer und seine Mitarbeiter ihre Entscheidung für eine loyale Zusammenarbeit mit der Geschäftswelt und vor allem die Einhaltung der Verpflichtungen, die sie gegenüber dem IWF/der Weltbank eingegangen waren.
Der Economic Transformation Act57
Ein aufschlussreiches Ereignis ging den Wahlen voraus sein, es ist entscheidend, um den weiteren Verlauf der Ereignisse zu verstehen: Der Economic Transformation Act (ETA), für den Ranil und seine Regierung vor den Wahlen eintraten, wurde am 25. Juli 2024 vom Parlament ohne Abstimmung und somit durch einstimmigen Konsens verabschiedet. Dieses Gesetz muss in Verbindung mit zwei weiteren Gesetzen gesehen werden, die ebenfalls vor den Wahlen verabschiedet wurden, dem Public Financial Management Act und dem Public Debt Management Act.58 Diese drei Gesetze ermöglichen die Einleitung institutioneller, steuerlicher und monetärer Reformen. Diese Gesetze, die sofort im Amtsblatt veröffentlicht wurden, sind beispiellos und stellen einen Präzedenzfall dar. Sie kommen den Wünschen von IWF und Weltbank nach. Sie übernehmen die Gesamtheit der vom diesen beiden Institutionen auferlegten Bedingungen und Reformen offiziell in das sri‐lankische Gesetz. Alle Mitglieder des Parlaments stimmten zu, darunter auch die drei Abgeordneten der JVP einschließlich Anura Kumara Dissanayake. In Vorwegnahme des letztlich zu erwartenden Widerstands der Bevölkerung hat das Parlament von Sri Lanka in einem letzten Verrat an der nationalen Souveränität und den Interessen der Menschen die Entscheidung getroffen, die Forderungen des IWF und der Weltbank zu garantieren und zu schützen, indem es das Land unter deren Aufsicht und damit unter die der Vereinigten Staaten stellt.
Es ging darum, vom IWF einen Kredit in Höhe von 2,9 Milliarden US‐Dollar mit einer Laufzeit von 48 Monaten zu erhalten. Wie immer waren die einseitig auferlegten Bedingungen brutal und drakonisch. So durfte das Land keine eigene Währung mehr prägen, und das Schuldenmanagement, das eigentlich Aufgabe der Zentralbank sein sollte, wurde nun einer »unabhängigen Institution« übertragen, eine Unterwerfung ohne Wenn und Aber. Diese Kapitulation wird die Lage der Ärmsten, die offiziell bereits fast 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen, nur noch verschlimmern. Die Lage verschärft sich durch die spektakuläre und kontinuierliche Erhöhung der Preise für Grundnahrungsmittel, Energie, Transport, Gesundheitsprodukte und Schulmaterial für die Kinder.
Der Versuch, die Ziele des IWF zu erreichen und die auf 37 Milliarden US‐Dollar geschätzte Auslandsverschuldung zu reduzieren, bietet keine Garantie dafür, dass das Land sich von den ihm auferlegten Zwängen befreien kann, und wie so oft besteht die Gefahr, dass der Schuldendienst wieder steigen und neue Zwangsmaßnahmen nach sich ziehen wird. Gesundheit und Bildung sind bereits besonders betroffen.
Der Plan von IWF und Weltbank
Die zu erreichenden Ziele sind in der Folge aufgelistet.59 Sie werden von Anura Kumara Dissanayake und der JVP/NPP vor allen weiteren Gesprächen und Treffen mit dem IWF, die unmittelbar nach der Amtseinführung des Präsidenten stattfinden müssen, gebilligt. Man hält sich also getreulich an das von der US‐Botschafterin ausgearbeitete Programm. Der IWF fordert, also muss man dies tun:
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Erhöhung der indirekten Steuern, die regressiv sind, da die Armen unverhältnismäßig mehr zahlen als die Reichen, insbesondere was die Mehrwertsteuer angeht;
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Erhöhung der Zinssätze, wodurch die Kreditaufnahme teurer wird, was die zahlreichen Klein‐ und Kleinstunternehmen im Land benachteiligen wird;
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Umstrukturierung der Inlandsverschuldung, bei der die Rentenfonds des öffentlichen Sektors die Hauptinvestoren waren, was zu einer drastischen Senkung des Endwerts der Leistungen und damit der Renten führt. In Sri Lanka gibt es kein privates Rentensystem, man erhält am Ende des Beruflebens einen Wohlfahrtsfonds, den man anlegt und lebt von den Bankzinsen, die er abwerfen kann;
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Personalabbau im öffentlichen Sektor, um die Lohnsumme des Staates zu senken, was die öffentlichen Dienstleistungen weiter aushöhlt und Marktchancen für Anbieter aus dem Privatsektor schafft;
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Subventionen für öffentliche Güter wie Treibstoff und Strom abschaffen und Marktpreise zulassen;
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Abbau des Sozialversicherungssystems zugunsten von »sozialen Sicherheitsnetzen«, die bestimmte Gruppen aufgrund ihrer Einkommens‐ und Vermögensverhältnisse »ansprechen« ;
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Prekarisierung des Arbeitsmarktes durch Deregulierung des Arbeitsgesetzes;
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Konsolidierung der landwirtschaftlichen Flächen in Großbetrieben für den kommerziellen (Export-)Anbau, Förderung des Agrobusiness durch die Vergabe von Landtiteln an Kleinbauern, die derzeit Nahrungsmittel anbauen;
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Einfrieren der Pläne für Investitionen des Staates mit Auswirkungen auf die öffentliche Infrastruktur, die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, die Bauindustrie und die Beschäftigung ;
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Fortsetzung der Privatisierung von nicht strategischen Unternehmen, wie Krankenhäuser, einigen Versicherungen, Sri Lankan Telecom und wahrscheinlich auch Sri Lankan Airlines;
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Die Ermutigung ausländischer Investoren fortzusetzen und die Exportorientierung zu fördern. In diesem Sinne wird die Schaffung von Zonen der Rechtlosigkeit und der Überausbeutung von Arbeitnehmern durch neue Freihandelszonen gefördert, insbesondere durch die Schaffung von 3000 kleinen bäuerlichen Freihandelszonen, die zur Agrarindustrie beitragen sollen.
Wenig überraschend empfing der neue Präsident Anura eine hochrangige IWF‐Delegation unter der Leitung von Peter Breuer, der für Sri Lanka zuständig ist, um zu bestätigen, dass er an der vor seiner Wahl erteilten Zustimmung des Parlaments zum Economic Transformation Act festhält. Anura weiß zwar, dass es nichts zu verhandeln gibt, versucht aber, kleine Änderungen am Rande zu erreichen. Der Schein muss eben gewahrt bleiben!
Sein Ziel ist im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen wahltaktischer Art, da letztere zweifellos schwieriger zu gewinnen sein werden. So schlägt er vor, die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis zu senken oder die Mehrwertsteuer auf andere Lebensmittel abzuschaffen. Derzeit gibt es keine diesbezüglichen positiven Reaktionen auf den Inhalt der Vereinbarung. Für den IWF, der dieses erste Gespräch mit dem Präsidenten begrüßt, gibt es nichts zu revidieren, zumal »die heikle Erholung Sri Lankas sich in einem kritischen Moment befindet und die Umsetzung aller Verpflichtungen daher von entscheidender Bedeutung ist«.60
Die Umschuldung eines Teils der Schulden wird jedoch bestätigt.61 Tatsächlich war sie bereits am 19. September62 von Ranil Wickremesinghe mit den westlichen Finanzinstituten, die Staatsanleihen halten, ausgehandelt und vereinbart worden. Die US‐Firma CitiGroup Global Markets63 wird die finanzielle Umsetzung des Deals im Namen ihrer Partner koordinieren, allerdings unter Bedingungen: die Einhaltung der Verpflichtungen gegenüber dem IWF und das Verbot der Ausgabe von Rupien. Um die Dinge gegenüber seinen Gesprächspartnern noch klarer zu machen, stimmt der sehr entgegenkommende Anura zu, den Gouverneur der Zentralbank, Nandalal Weerasinghe, der von Ranil Wickremesinghe ernannt worden war, auf seinem Posten zu belassen. Er ist ein ehemaliger Direktor des IWF und ein Banker. Von nun an und gemäß der Zentralbankreform, die vor den Wahlen verabschiedet wurde, wird er dem Parlament keine Rechenschaft mehr ablegen müssen. Dies gilt auch für den Finanzminister Mahinda Siriwardana, der selbst ein ehemaliger IWF‐Manager ist. Anura macht alles richtig, der IWF hat allen Grund, zufrieden zu sein. Das gilt auch für die Ratingagentur Fitch, die sich darüber freut, dass die neuen Behörden in Colombo die Ziele des IWF/Weltbank‐Programms für Sri Lanka unterstützen. Hat dass Fitch jemals einen »marxistischen« Präsidenten unterstützt?
Die sozialen Kosten werden also sehr hoch sein und das »Geben wir ihnen eine Chance«, eine Reaktion vieler Menschen, wird nur zu bitteren Enttäuschungen führen. Die Versprechungen, die Wirtschaft wieder aufzubauen und die Lebensbedingungen zu verbessern, die auf dem Programm des IWF/der Weltbank basieren, sind daher ein Missbrauch der Sprache durch die JVP/NPP, um nicht zu sagen eine Fälschung, ein politischer Betrug, eine Manipulation.
Kaum im Amt und um das Bild zu vervollständigen, hat Anura in diesem Kontext zahlreiche Treffen abgehalten. So empfing er die Bill‐Gates‐Stiftung mit dem Ziel, das große Projekt seines Vorgängers zur Digitalisierung der Landwirtschaft fortzusetzen, dessen Umsetzung in anderen Ländern zur Förderung des Agrobusiness beigetragen hat. In Sri Lanka will sich der Philanthrop Bill Gates nicht darauf beschränken. Er will zur Entwicklung der Humanressourcen in öffentlichen und privaten Unternehmen, zum Kampf gegen die globale Erwärmung und sogar zum täglichen Lunchpaket für Schulkinder beitragen. Bei der Digitalisierung wird Bill Gates sein Know‐how, seine Beratung und natürlich auch seine finanzielle Unterstützung einbringen.64 Aber hoch und heilig geschworen: ohne jemanden zu bestechen!
Unter diesen Umständen und angesichts so vieler Verpflichtungen ist es nicht verwunderlich, dass der scheidende liberale Präsident Ranil Wickremesinghe sein Vertrauen in Anura erklärt und ihm, den er bereits als »Mein Präsident« bezeichnet, seine Unterstützung zugesagt hat.
Der Besuch von Subrahmanyam Jaishankar
»Wir stehen nicht für ein extremistisches Projekt und sind bereit, mit allen Staaten und ohne Konflikte zusammenzuarbeiten«.65 So klingt Anuras Entscheidung für die Neutralität und die Weigerung, sich für die Kräfte des Fortschritts einzusetzen, die heute eine Alternative zur Krise des untergehenden Westens aufbauen. Diesen Weg einzuschlagen würde bedeuten, das Lager der Schwellenländer in der Region zu stärken, die Sri Lanka doch zu verschiedenen Zeiten unterstützt haben. Es würde vor allem bedeuten, sich in einer neuen Emanzipations‐ und Entkolonialisierungsbewegung zu engagieren, zu einer Dynamik zugunsten einer Friedenszone im Indischen Ozean beizutragen, die Zunahme von Spannungen und Konflikten zu bekämpfen, die vom US‐Imperialismus und seinen Vasallen gewollt sind, sich für eine Zusammenarbeit ohne politische Auflagen, ohne Einmischung und unter Achtung der Souveränität zu entscheiden, wie es die BRICS‐Länder wollen. Nur ist das nicht die Richtung, die Anura und die JVP/NPP eingeschlagen haben. Es ist übrigens bemerkenswert, dass diese Partei, die sich als links bezeichnet, nie eine einzige Protestkundgebung vor der imposanten US‐Botschaft in Colombo organisiert hat, noch irgendeine Kritik an der verbrecherischen Politik Israels und der USA oder irgendeine Solidarität mit dem Widerstand des palästinensischen Volkes oder irgendeines anderen Volkes zum Ausdruck gebracht hat.
Vom 22. bis 24. Oktober findet in der alten Stadt Kasan in Russland ein wichtiger BRICS‐Gipfel statt, an dem die Präsidenten und Regierungschefs von Ländern teilnehmen werden, die mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren. Wir wissen, dass es dort eine wichtige Tagesordnung gibt und dass Entscheidungen getroffen werden sollen, die sich auf die neue internationale Architektur, die währungspolitischen Auswirkungen einer Entdollarisierung, die internationale Instabilität aufgrund der Zunahme von Konflikten und anderes mehr beziehen. Für den gerade zum Präsidenten von Sri Lanka gewählten Anura sollte dieses Ereignis eine außergewöhnliche Gelegenheit für Begegnungen darstellen, insbesondere da das Land am 21. Mai 2024 seinen Antrag auf Mitgliedschaft in der großen BRICS‐Familie gestellt und bestätigt hat. Doch Anura Kumara Dissanayake wird nicht nach Kasan reisen, ebenso wenig wie sein Außenminister. Sri Lanka schickte die Sekretärin des Außenministeriums, dessen pro‐westliche Haltung bekannt ist. Respekt! Das ist so bestürzend wie betrüblich. Um Washington nicht zu missfallen, sind Anura und sein Team bereit, sich international zu diskreditieren und lächerlich zu machen.
Dies kommt einer Verzichtserklärung von hoher Bedeutung gleich. Das unausgesprochenes Ziel ist es, in opportunistischer Weise die strategischen Ziele der USA zu unterstützen, sich ihnen anzuschließen, indem man sich Washington unterwirft.
Die weiter oben zitierte Aussage Anuras folgte auf ein dreitägiges Treffen mit dem indischen Außenminister Jaishankar in Delhi. Dieser war nach Colombo gereist, um den alten und den neuen Präsidenten zu treffen, aber vor allem, um sicherzustellen, dass Sri Lanka ein Vasall im indischen Hinterhof bleibt.
Auch hier ist man Zeuge einer 180°-Wendung im Vergleich zur antiindischen Rhetorik der JVP. Diesmal geht es darum, die indische Hegemonie in der Region anzuerkennen und die Forderungen Indiens zu erfüllen, vor allem wenn sie strategischen Charakter haben. Dies betrifft die Kontrolle und Verwaltung der riesigen strategischen Öltanklager in Trincomalee, deren Betrieb ohne Ausschreibung an Indien vergeben wurde.66 Indien ist besorgt über die geopolitischen Herausforderungen in der Region, insbesondere nach dem Staatsstreich in Bangladesch sowie angesichts der Instabilität in Myanmar und der Destabilisierungsversuche auf den Malediven, und lässt die Gebote umso leichter steigen, als die JVP/NPP beschlossen hat, Indien eine Art exklusive Zuständigkeitsbereichs einzuräumen.
In drei weiteren wichtigen Bereichen wird sich die JVP/NPP‐Regierung dafür einsetzen, dass indische Unternehmen zum Zuge kommen. Dies gilt für die Einrichtung eines maritimen Koordinationszentrums für Notfälle, das von Barhat Electronics, einem Unternehmen des indischen Verteidigungsministeriums, betrieben werden soll. Ein weiterer aufschlussreicher Fall ist das große Projekt für erneuerbare Energien auf zwei Inseln vor Jaffna, das dem Konzern des indischen Multimilliardärs Gautam Adani, einem engen Freund von Narendra Modi, anvertraut werden soll, und zwar auf Kosten sri‐lankischer Unternehmen, ganz zu schweigen von der heftigen Kritik an den Auswirkungen auf die Umwelt. Schließlich steht die Tür offen, dass Indien ein umfassendes Programm zur biometrischen Identifizierung aller Sri Lanker (unique authentication data) übernehmen wird.
Natürlich geht es der JVP/NPP darum, die USA zu beruhigen und die Rolle Chinas, das in Sri Lanka und in der Region einen großen Einfluss hat, zu untergraben. In diesem Zusammenhang hat Harini Amarasuriya, die neue Premierministerin, klargestellt, wie die Regierung ihre Positionen gegenüber China vertreten wird. Dies ist natürlich keine gute Nachricht für Peking. Amarasuriya sprach Klartext und griff die Verleumdungen und Fake News auf, die über die Abhängigkeit Sri Lankas von China verbreitet wurden.67 »China«, sagte sie in einem Interview mit Bloomberg News, »war eine Quelle des leichten Geldes, für unproduktive Projekte«.68 In einem weiteren Interview mit dem Magazin The Federal fügte sie hinzu: »Wir kennen die regionalen Spannungen und Indiens Sensibilität für seine Sicherheit. Unsere geografische Lage hat einen Einfluss auf diese Sicherheit. Das müssen wir berücksichtigen«.69 Das bedeutet, dass ein unabhängiges Sri Lanka Indien als Aushilfskraft dienen muss, falls es zu Konflikten mit China kommen sollte.
S. Jaishankar ist ein hochkarätiger Diplomat. Er weiß, seine Worte abzuwägen. Interessanterweise bekräftigte er natürlich die Unterstützung Indiens für Sri Lanka, aber es war auffallend, dass er sie auf eine ziemlich demütigende Art und Weise gegenüber Anura zum Ausdruck brachte, indem er dem ehemaligen Präsidenten Ranil Wickremesinghe die große Ehre eines Treffens erwies. Er lobte Ranils bemerkenswerte Treue zur strategischen Zusammenarbeit mit Delhi, doch vor allem wollte er diesem versichern, dass Indien sich für die Fortsetzung dieses Weges einsetzen würde. Diese etwas abfällige Haltung gegenüber dem neuen Präsidenten ist natürlich nicht ohne Bedeutung. In Delhi ist der bewaffnete Widerstand der JVP gegen Rajiv Ghandis Armee im Jahr 1987 unvergessen und noch weniger die Anklage gegen Indien wegen einer direkten Verwicklung des indischen Geheimdienstes RAW in die Terroranschläge in Sri Lanka im April 2019.70
China, Indien, USA – das unumgängliche Dreieck
Die Beziehungen zwischen den USA, Indien und China bestimmen unmittelbar die geopolitischen Herausforderungen in der Region. Sie beeinflussen die Außenpolitik jeder Regierung und damit auch jene von Sri Lanka. Es scheint, dass die neuen Machthaber in Colombo diese offensichtliche Tatsache noch nicht verstanden haben oder, einfacher ausgedrückt, sie nicht verstehen wollen. Dennoch waren S. Jaishankars Worte71 ebenso an Sri Lanka gerichtet wie an China und die USA. Das Nachdenken darüber ist wichtig für die Beurteilung der Entwicklung des internationalen Kräfteverhältnisses und damit für die Definition einer Außenpolitik, insbesondere in einer so strategischen Region, in der sich ein großer Teil der Zukunft der Menschheit abspielt.
Die Beziehungen zwischen Delhi und Washington haben sich seit einiger Zeit abgekühlt, vor allem nach dem von den USA inszenierten Staatsstreich in Bangladesch und der Aufnahme Indiens in die schwarze Liste der Staaten, die die Religionsfreiheit nicht respektieren, durch einen Ausschuss des US‐Kongresses. Hinzu kommt, dass der Besuch Narendran Modis in Moskau, die erste Auslandsreise nach seiner Wiederwahl, die Bedeutung der historischen Beziehungen zwischen Indien und Russland unterstrich und dazu noch symbolisch am selben Tag wie das Treffen der NATO‐Staatschefs stattfand, was der Westen zähneknirschend zur Kenntnis nahm. In der Folge der Sanktionen und des Krieges in der Ukraine äußerte sich das auf seine Unabhängigkeit bedachte Indien bei den Vereinten Nationen in einer Weise, die Washington sehr missfiel, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Indien zu einer strategischen Plattform für die Raffination russischen Öls geworden ist. All dies trägt dazu bei, dass sich die große asiatische Nation trotz ihrer Mitgliedschaft in der Quad und ihrer Teilnahme an jüngsten Militärmanövern in vielen Fragen anders und souverän positioniert.
Die Beziehungen zwischen Indien und China haben sich vor allem in der letzten Zeit positiv entwickelt, auch wenn man sie nicht idealisieren sollte. Natürlich lässt die Anziehungskraft des chinesischen Marktes niemanden gleichgültig, weder in Delhi noch anderswo. So kann man erhebliche Fortschritte in den Handelsbeziehungen beobachten, die von einer größeren Präsenz chinesischer Unternehmen in Indien und der Unterstützung des Technologietransfers geprägt sind, den Delhi dringend benötigt, um den Rückzug mehrerer westlicher Unternehmen auszugleichen. Darüber hinaus wurden Lösungen für die Grenzstreitigkeiten gefunden, die die Beziehungen traditionell belasteten. Die häufigen Treffen zwischen S. Jaishankar und Wang Yi72 sowie zwischen Modi und Xi Jinping haben dazu beigetragen, eine andere Atmosphäre zu schaffen. Natürlich hat die Mitgliedschaft beider Länder in den BRICS‐Staaten oder im Shanghai‐Forum einen Einfluss auf diese Veränderungen. Diese neue Entwicklung sollte Colombo dazu ermutigen, diese Chancen zu nutzen, doch das scheint nicht auf der Tagesordnung zu stehen.
Vorläufiges Resümee
Natürlich ist es verfrüht, ein endgültiges Urteil über die politische Zukunft Sri Lankas zu fällen. Eine Mehrheit der Menschen hegt durchaus berechtigte Hoffnungen, dass ihr Land aus einer tiefen Krise herauskommt, die nicht nur sozialer, wirtschaftlicher und politischer Natur ist. Sri Lanka ist ein Land mit einer tausendjährigen Zivilisation, das an Indien grenzt, mit dem es eine lange gemeinsame Geschichte voller Spannungen und Konflikte teilt, aber auch gemeinsame Kämpfe wie den um den Aufbau der Bewegung der Blockfreien, zu dem Jawaharlal Nehru und Sirimavo Bandanaraike einen wichtigen Beitrag geleistet haben.
Sri Lanka hat dreißig Jahre Krieg hinter sich, seine Einheit und sein Zusammenhalt wurden von einer separatistischen Bewegung bedroht, die im Übrigen von der Unterstützung der westlichen Länder profitierte, deren Interesse an der strategischen Position Sri Lankas im Herzen des Indischen Ozeans nach wie vor offenkundig ist. Diese Prüfung hat bei den Sri Lankern einen Willen geformt und eine sehr starke Bindung an ihre Unabhängigkeit und Souveränität gestärkt. Daher werden sie dem neuen Präsidenten und seiner Regierung eine gewisse Zeit der Beobachtung zugestehen, doch dies wird nicht von Dauer sein, zumal das Programm des IWF/der Weltbank zur wirtschaftlichen und sozialen Demontage schnell und entschlossen umgesetzt wird. Die Menschen in Sri Lanka werden also ihre Erfahrungen machen, und sie werden daraus Konsequenzen ziehen. Die Dinge gehen schneller voran als erwartet und es gibt erste Anzeichen, dass sich ein Bewusstsein für diese Entwicklungen bildet. In Colombo gab es die ersten Studentendemonstrationen und die ersten Demonstrationen der Hafenarbeiter. In beiden Fällen hat Anura die Ordnungskräfte und Wasserwerfer losgeschickt.
Folglich irrt sich Anura Kumara Dissanayake, wenn er glaubt, dass er sein Volk lange Zeit täuschen kann. Er hat eine Wahl getroffen und sich gegen einen Bruch und für die Kontinuität entschieden, schlimmer noch, zur engen Zusammenarbeit mit den geostrategischen Interessen der USA und deren Zielvorgabe eines bevorstehenden Krieges mit China.
Auf internationaler Ebene befinden wir uns in einer Zeit voller Risiken, extremer Spannungen, aber auch voller Chancen. Diese sind den Herausforderungen angemessen! In der Region, wenn Chinas Initiativen dazu beitragen, Entwicklungsperspektiven zu eröffnen und andere Wege als den Rückgriff auf Konflikte und Kriege zu ermöglichen. Die USA werden ihr Vorhaben, den Einfluss Chinas zurückzudrängen, brutal fortsetzen, indem sie versuchen, ein Land nach dem anderen zu destabilisieren. Dies ist der Auftrag an bestimmte Personen in der US‐Regierung, die viel in der Region unterwegs sind, wie Donald Lu73 , der im Außenministerium für Zentral‐ und Südasien zuständig ist und eine entscheidende Rolle bei der Absetzung von Imran Khan in Pakistan und kürzlich von Sheik Hasina in Bangladesch gespielt hat, zwei Länder mit engen Beziehungen zu China. Sri Lanka steht immer noch auf der Liste der amerikanischen Sorgen, und die Anwesenheit von Liz Allen, Unterstaatssekretärin74 im Februar 2024 in Colombo, war ein weiterer Hinweis darauf, dass Washington der Umsetzung der geplanten Veränderungen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Ein Journalist aus Sri Lanka wies mich kürzlich darauf hin, dass die US‐Botschafterin Julie Chung »die glücklichste Frau der Welt« sein müsse. Zu diesem Zeitpunkt war sie der ihr übertragenen Aufgabe in der Tat gewachsen. Aber wir sind noch weit entfernt vom Ende des Films oder von einem Schachspiel, bei dem die Figuren geschoben werden.
Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Philippinen missioniert, um nach Art der Ukraine eine offensive Rolle in der Konfrontation zu spielen; ständige Provokationen im südostchinesischen Meer und in Taiwan. Wen und wo trifft es morgen? Nepal, Myanmar, Indonesien einige zentralasiatische Republiken und warum nicht eines Tages Indien? Die Errichtung eines regelrechten Cordon sanitaire um China wird mit der Vermehrung von Militärstützpunkten fortgesetzt, einschließlich der rüden internationalen Medienkampagnen wegen Xinjiang, Tibet oder Hongkong, der Militärmanöver in der Bengalischen Bucht oder in der Nähe von China und Nordkorea. Die aufeinanderfolgenden Niederlagen der USA im Nahen Osten oder in der Ukraine führen dazu, dass sie sich für das Schlimmste entscheiden. Sri Lanka wird diesen Herausforderungen nicht entgehen, zumal die Insel schon immer wegen ihrer Reichtümer und ihrer einzigartigen strategischen Position begehrt war.
Die beispiellose Situation, in der sich das Land befindet, wird sich früher oder später klären, aber das erfordert, dass politische Kräfte den Kampf aufnehmen, um die Ambitionen des Imperiums und damit das reaktionäre Programm des IWF/der Weltbank zu vereiteln, um Souveränität und Unabhängigkeit, Kooperation, Frieden und soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten. Die einst so einflussreiche und angesehene Linke muss ebenfalls die Lehren und Konsequenzen aus dieser langen Periode der Geschichte Sri Lankas, die gerade zu Ende gegangen ist, ziehen.
Die Welt verändert sich schnell, besonders in dieser Region, in der die USA versuchen, die antihegemonialen Allianzen, die die Völker schmieden, zu unterlaufen. Sri Lanka muss sich an diesem Kampf auf der richtigen Seite der Barrikade beteiligen. Die Entscheidung darüber liegt bei seinem Volk.
Jean‐Pierre Page ist ehemaliger Leiter der internationalen Sektion des französischen Gewerkschaftsverbandes CGT.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Le Grand Soir. Heiner Biewer hat den Artikel aus dem Französischen auf Grundlage einer aktuellen, vom Autor überlassenen Fassung, übersetzt. Die Gliederung in Teil I und II wurde vom Übersetzer vorgenommen.
Anmerkungen
1 Anmerkung des Übersetzers: Dieser Absatz wurde von mir nach vorne gezogen und dem eigentlichen Inhalt des Artikels vorangestellt, als eine Art persönliches Vorwort des Autors. Im französischen Original ist es der fünfte Absatz; die Informationen über die Beziehungen von Jean‐Pierre Page zu Sri Lanka und seinen Menschen scheinen mir aber an dieser Stelle besser aufgehoben.
2 »Afonine, la victoire des communistes au Sri Lanka« (Afonine, der Sieg der Kommunisten in Sri Lanka), Histoire et Societé, 24. September 2024.
3 Sena Thoradeniya, »Why foreign media dub Sri Lanka’s new president as a Marxist?«, Lankaweb, 3. Oktober 2024.
4 »World Bank pledges support to President Anura Kumara«, President Media Division, 26. September 2024
5 Wladimir Iljitsch Lenin, »Die Tatsachen sind hartnäckig«.
6 Balasingham Skanthakumar, »Comrade President? Change and continuity in Sri Lanka«, CADTM, 29. September 2024.
7 JVP: Janatha Vikmuthi Penamura (Volksbefreiungsfront).
9 Die Kommunisten gehörten der Partei LSSP an, die 1940 die größte politische Gruppierung Ceylons war. Später hatte sie sich in der Frage des Kampfes gegen die britische Kolonialisierung gespalten. Eine Minderheit wollte die Position der 3. Internationalen und die Bündnispolitik der UdSSR gegen den Faschismus unterstützen. Sie wurden ausgeschlossen und bildeten die KP (pro Moskau). Die Mehrheit setzte den Kampf für die Unabhängigkeit fort und entschied sich für den Trotzkismus und die Mitgliedschaft in der 4. Internationalen. Später arbeiteten die KP und die LSSP zusammen und waren mit wichtigen Funktionen an der ersten linksgerichteten Regierung von Sirimavo Bandanaraike und später an der von Mahinda Rajapaksa beteiligt. Im Zentrum von Colombo steht noch immer die riesige Statue des trotzkistischen LSSP‐Führers N.M. Pereira, der Finanzminister war und besser bekannt ist unter dem Kürzel »No Money Perera«.
10 J. R. Jayewardene: Ehemaliger Premierminister und späterer Präsident von Sri Lanka von 1978 bis 1989.
11 »The JVP Movement revisited«, Thuppahi’s Blog, Mick Moore mit einem Kommentar von Michael Roberts.
12 Damals ging es Indien und der Regierung von Sri Lanka darum, den bewaffneten Kampf der LTTE‐Tiger zu neutralisieren.
13 Ranasinghe Premadasa: Premierminister und ab 1989 Präsident. Er wurde 1993 von der LTTE ermordet.
14 Die LTTE, besser bekannt als die Tamilischen Tiger, ist eine gewalttätige Separatistenorganisation, die einen 30‐jährigen Krieg gegen den Staat Sri Lanka führte, in dem 100.000 Menschen starben. Sie wurde von westlichen Ländern unterstützt, verfügte über eine konventionelle Armee, eine Luftwaffe und eine Marine, wurde jedoch als terroristische Organisation eingestuft. Sie praktizierte Schutzgelderpressung unter den tamilischen Einwanderern in mehreren Ländern.
15 Rajiv Ghandi wurde nach der Ermordung seiner Mutter Indira Ghandi Premierminister Indiens. 1991 wurde er von der LTTE ermordet.
16 Fast ein Dutzend Mitglieder der Führung der KP Sri Lankas, Mitglieder des Politbüros und des Zentralkomitees wurden laut Dew Gunasekara, dem ehemaligen Generalsekretär der KP, ermordet.
17 Chandrika Kumaratunga, Premierministerin und später Präsidentin von Sri Lanka, Tochter von Sirimavo Bandanaraike.
18 Der Tsunami führte in Sri Lanka zum Tod von mehr als 30 000 Menschen.
19 Somawansa Amarasinghe war der einzige Führer der JVP, der der Repression entkommen war und sie überlebt hatte. Er hatte die Führung der Partei ab 1990 bis 2014 übernommen. Seine zahlreichen Meinungsverschiedenheiten mit Anura hatten ihn dazu veranlasst, eine neue Organisationsstruktur »The People’s Servants Party« zu gründen. Auf ziemlich unerklärliche Weise verstarb er 2016.
20 Versuch, die Lehre der katholischen Kirche an die Verhältnisse des modernen Lebens anzupassen. Zweites Vatikanisches Konzil unter Johannes XXIII (A.d.Ü.)
21 »Crossover«, ein politisches System in Sri Lanka, das darin besteht, gegen erhebliche finanzielle Zuwendungen je nach den Umständen die Partei zu wechseln.
22 »Anusha speaks to Anura Kumara Dissanayake«, www.life.lk
23 NPP Banking and Finance Sector Stakeholder Forum, Colombo, Februar 2024.
24 Nach der letzten Parlamentswahl 2020. Die nächste Wahl ist für November 2024 geplant.
25 Quadrilateral Security Dialogue (Quad): Politisch‐militärisches Bündnis zwischen den USA, Indien, Japan und Australien, ergänzt durch das Aukus‐Abkommen zwischen den USA, Großbritannien und Australien, das die Konfliktträchtigkeit und die Nuklearisierung der Region verschärft, unter anderem durch die Ausrüstung der australischen U‑Boot‐Flotte.
26 »Quad leader’s summit«, US Embassy and Consulates in India, 26. September 2024
27 »Philippine military wants US missiles in the country forever«, Newsweek, 25. September 2024.
28 Maxime Vivas, Jean‐Pierre Page, Aymeric Monville: »Chine/USA : la guerre imminente?« (China/USA: Steht der Krieg unmittelbar bevor?) Delga, Paris 2023
29 »Sri Lanka: Recharting US strategy after the war«, US‐Kongress, 2009.
30 »Pivot to Asia« ist eine Änderung der strategischen Ausrichtung der US‐Regierung, die nunmehr China als Hauptgegner ins Visier nimmt. Laut B. Obama: »Wenn wir die Regeln nicht festlegen, werden die Chinesen sie festlegen«.
31 Mahinda war von 2005 bis 2015 Präsident und von 2019 bis 2022 Ministerpräsident (unter seinem Bruder Gotabaya) (A.d.Ü)
32 Man erinnere sich an das Ende des Krieges in Sri Lanka 2009, an die Interventionen von Bernard Kouchner, Hillary Clinton und David Miliband, um die Führung der LTTE, darunter ihren Anführer Prabakharan und seine Familie, zu retten.
33 Sirimavo Bandanaraike, die in Sri Lanka Mrs. B. genannt wurde, war die erste Frau in der Geschichte, die Premierministerin wurde und später sie Präsidentin wurde. Sie war die Nachfolgerin von S.W.R.D. Banadanaraike, ihrem Ehemann, der ermordet wurde. Sie führte eine linksgerichtete Regierung mit Ministern der KP und der trotzkistischen LSSP und war zusammen mit Tito, Nasser, Soekarno, Nehru, N’Krumah und Modibo Keita eine der Gründerinnen der Blockfreien‐Bewegung.
34 Im Menschenrechtsrat in Genf konnte Sri Lanka auf die anhaltende Unterstützung von Kuba, Russland, China, Pakistan, Venezuela, Nicaragua, Indonesien und vielen Ländern des Südens zählen.
35 Zu dieser Zeit unterhielt Samantha Power, US‐Botschafterin bei den Vereinten Nationen und spätere USAID‐Chefin, enge Beziehungen zu Mangala Samaraweera, dem rechtsgerichteten Außenminister von Sri Lanka, der die LGBTQ‐Bewegung förderte und der aktuellen Premierministerin von Anura Dissanayake, Harini Amarasurya, nahestand.
36 Advocata Institute, gegründet 2016, ist ein Think Tank mit Sitz in Colombo, von dem mehrere Führungskräfte mit der Mont Pelerin Society verbunden sind, die von den Neoliberalen Friedrich Hayek, Milton Friedman und Karl Popper gegründet wurde und auf die sich zum Beispiel Margaret Thatcher, August Pinochet und Ronald Reagan berufen.
37 ACSA: US Acquisition and Cross‐Servicing Agreement, SOFA: US Status of Forces Agreement, MCC: US Millennium Challenge Corporation Compact. Tamara Kunanayakam, »Sri Lanka résiste au chantage occidental« (Sri Lanka widersteht der Erpressung durch den Westen), La pensée libre, November 2019.
38 Dies führte dazu, dass die Produktion von Tee um 40 Prozent, die von Reis um 20 Prozent einbrach und das bis dahin sich selbst versorgende Land gezwungen war, Reis zu importieren. »Aufstand gegen den Rajapaksa‐Clan«, Le Monde diplomatique, Juli 2022. (A.d.Ü.)
39 Von 2021 auf 2002 stiegen die Preise für Lebensmittel um 46 Prozent, jene für Treibstoffe um 140 Prozent. (ebda)
40 Victoria Nuland, ehemalige stellvertretende US‐Außenministerin, Organisatorin und treibende Kraft hinter dem Putsch auf dem Maidan‐Platz in Kiew im Jahr 2014, Ehefrau von Robert Kagan einem der führenden Köpfe der US‐Neo‐Konservativen.
41 In Abwandlung des Horaz‐Zitates »Bis repetita non placent« : Wiederholungen gefallen nicht (A.d.Ü.)
42 Jean‐Pierre Page, »Maïdan, bis repetita au Sri Lanka,« Le Grand Soir, 16. Juli 2022.
43 Verité Research bezeichnet sich selbst als »einen privaten Think‐Tank, der strategische Analysen für Asien in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Recht und Medien erstellt«. Sitz ist Colombo und die Publikationen betreffen vor allem Sri Lanka. Vor Kurzem hieß es übrigens noch »unabhängiges Forschungsinstitut und Think‐Tank«. (A.d.Ü.)
44 Asia Foundation: Im Vorstand (board of trustees) befindet sich Robert Blake, ehemaliger US‐Botschafter in Sri Lanka zur Zeit des Krieges gegen die LTTE. Weitere ehemalige Botschafter, Leiter von US‐Sicherheitsräten aus verschiedenen Regierungsstellen und natürlich die Geschäftswelt, die neben USAID für die Finanzierung zuständig ist, sind im Vorstand vertreten.
45 Die ausgezeichneten Beziehungen zwischen Julie Chung, der US‐Botschafterin, und Anura Dissanayake sind allgemein bekannt. Die Presse zeigt oft Bilder von ihm an ihrer Seite. Julie Chung ist im politischen Leben Sri Lankas allgegenwärtig, sie entscheidet, setzt durch wie ein Vizekönig oder eine Vizekönigin zur Zeit der britischen Kolonialisierung.
46 Hinweis des Übersetzers : Ranil wurde im Juli 2022 nicht von der Bevölkerung, sondern vom Parlament gewählt, weil das Amt durch die Flucht seines Vorgängers vakant wurde. Dieses Vorgehen entspricht formell der Verfassung Sri‐Lankas (Fassung vom Oktober 2020). Die Verfassungsmäßigkeit wird aber schon durch die Vorgeschichte in Frage gestellt. Zudem soll in diesem Fall die Neuwahl des Präsidenten so schnell wir möglich – innerhalb eines Monats – stattfinden und nicht erst, wie geschehen, zwei Jahre später.
47 »Sri Lanka en défaut de paiement« (Sri Lanka ist zahlungsunfähig), Les Echos, 12. April 2022.
48 Fidel Castro, »Die Schulden dürfen nicht bezahlt werden«, kompletter Vortrag auf CADTM.
49 Die NPP oder National People’s Power versteht sich als Front. Ihre wichtigste Anführerin ist Harini Amarasuriya, die von einigen bereits als mögliche und zukünftige Rivalin von Anura Kumara Dissanayake gesehen wird. Harini gehört aufgrund ihrer sozialen Herkunft zur Elite Sri Lankas, im Gegensatz zu Dissanayakes bescheidener Herkunft. Sowohl in Sri Lanka als auch in Indien sind Kasten und Klassen immer miteinander verbunden.
50 Jean‐Pierre Page, »Joe Biden place Samantha Power à la tête d’US Aid« (Joe Biden setzt Samantha Power an die Spitze von US Aid), Le Grand Soir, Januar 2021.
51 Vermutlich eine Anspielung auf die Young Global Leaders des WEF (A.d.Ü)
52 Sajith Premadasa ist der Sohn von Ranasinghe Premadasa, dem Präsidenten von Sri Lanka, der am 1. Mai 1993 von einem Selbstmordkommando der LTTE ermordet wurde.
53 Obwohl sich 80 Prozent der Bevölkerung zum Buddhismus bekennen, sind evangelikale Sekten und Kirchen sehr aktiv, wie etwa die Wow life von Kirby de Lanerolle oder die Glorious Church des »Propheten« Jerome Fernando.
54 Arjuna Mahendran ist ein bekannter Finanzier und enger Vertrauter des damaligen Premierministers Ranil Wickremesinghe. Er nutzte seine Position als Gouverneur der Zentralbank, um zusammen mit seinem Schwiegersohn den größten Raubüberfall in der Geschichte Sri Lankas zu begehen. Seit fast zehn Jahren prüfen die Behörden in Singapur seinen Auslieferungsantrag. Alle aufeinanderfolgenden Regierungen haben sich verpflichtet, den Fall zu lösen. Bisher jedoch ohne Erfolg.
55 »The president’s speech was good‐better if the language/tone was more assertive«, Lankaweb 6. Oktober 2024.
56 Lasanda Kurukulasuriya, »Elections 2024: Sri Lanka’s new president promises to clean house«, Dateline Colombo, 1. Oktober 2024.
57 Gesetz zur wirtschaftlichen Umgestaltung. »Der Gesetzentwurf sieht vor, Sri Lanka in eine hochgradig wettbewerbsfähige, exportorientierte, digitale Wirtschaft umzuwandeln, bis 2050 Net‐Zero zu erreichen und die Integration in die globale Wirtschaft zu verbessern« kommentiert der sri‐lankische Think‐Tank Verité Research (A.d.Ü.)
58 Gesetze zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen und der Staatschulden (A.d.Ü.)
59 Balasingham Santalum, »Comrade President? Change and continuity in Sri Lanka,« CADTM, 29. September 2024
60 »Second day of talks between the president and the IMF« (Zweiter Tag der Gespräche zwischen dem Präsidenten und dem IWF), The Island, 5. Oktober 2024.
61 »Sri Lanka approuve un accord de restructuration de sa dette« (Sri Lanka billigt Abkommen zur Schuldenumstrukturierung), La Libre Belgique, 5. Oktober 2024
62 Am 19. September , d. h. zwei Tage vor den Wahlen.
63 Die Citigroup ist nach JP Morgan, Bank of America und Wells Fargo das größte Bankinstitut .der USA in Bezug auf das Vermögen. Ihr Portfolio wurde für das Jahr 2023 auf 2413 Billionen US‐Dollar geschätzt.
64 »Gates Foundation commits to supporting govt’s digitalization projects«, Adaderana, 3. Oktober 2024.
65 »AKD remarks« ein Interview mit Wasantha Maasinhage, 15. Februar 2024. Zitiert von Lasanda Kurukulasuriya in Dateline Colombo, April 2024.
66 Die Vergabe erfolgte im April 2024, also vor dem Wahlsieg Anuras, der sein Einverständnis aber schon frühzeitig angekündigt hatte – siehe vorherige Endnote (A.d.Ü.)
67 Die Schulden Sri Lankas gegenüber China betragen nicht mehr als 8 Prozent, der Rest ist an westliche Finanzinstitutionen gebunden.
68 »Foreign investments guarantee a corruption free future under NPP,« The Morning, 30. August 2024 unter Bezugnahme auf ein Interview, dass sie Bloomberg News gegeben hat.
69 Fayzal Khan, »Interview of Harini Amarasuriya«, The Federal, 15. September 2024.
70 Im April 2019 wurden in mehreren Städten, darunter Colombo, eine Reihe von Terroranschlägen auf drei christliche Kirchen und drei Luxushotels verübt, bei denen 269 Menschen ums Leben kamen und 496 verletzt wurden
71 Die beiden Bücher von Jaishankar sind unbedingt zu empfehllen, will man die indische Außenpolitik verstehen: »The Indian Way« (2020), und »Why Bharat Matters« (2024).
72 Wang Yi: ist chinesischer Außenminister, Leiter des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des ZK der KP und Mitglied des Politbüros der KP Chinas.
73 »Did the US play a role in Bangladesh coup?« Marco Giannangelli, Express, 22. August 2024.
74 Liz Allen ist stellvertretende Staatssekretärin der Vereinigten Staaten für Diplomatie und öffentliche Angelegenheiten.
Bild: Montage aus Karl Marx https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx#/media/Datei:Karl_Marx_001.jpg (gemeinfrei), Anura Kumara Dissanayake https://www.cadtm.org/local/cache-vignettes/L640xH427/arton22915-5a285.jpg?1728907995 by Bunty456, licensed under CC BY‐SA 4.0, Friedrich August Friedrich_August_von_Hayek https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek#/media/Datei:Friedrich_August_von_Hayek_1981.jpg (gemeinfrei)