Die Keimhypothese Teil 1: Pasteurs Probleme

Lesezeit43 min

Laut der Encyclopaedia Britannica gilt die Keim-»Theorie« von Krankheiten »seit langem als bewiesen«. Sie besagt, dass bestimmte Krankheiten durch das Eindringen von Mikroorganismen in den Körper verursacht werden, die zu klein sind, um gesehen zu werden. Die »Theorie« wurde laut der Universität Harvard »in Europa und Nordamerika zwischen etwa 1850 und 1920 entwickelt, bewiesen und verbreitet«. Wikipedia behauptet, dass die Keim-»Theorie« von Krankheiten »die derzeit akzeptierte wissenschaftliche Theorie für viele Krankheiten« ist. In wissenschaftlichen Fachzeitschriften wird behauptet, dass Louis Pasteur und Robert Koch »die Keimtheorie der Krankheiten fest etabliert« haben und dass sie »die Keimtheorie der Krankheiten in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts erstmals bewiesen haben«. Wenn wir also auf die Aussagen der Mainstream‐​Quellen hören, hat es den Anschein, dass die Keim-»Theorie« der Krankheiten auf der Grundlage der von Louis Pasteur und Robert Koch erbrachten Beweise wissenschaftlich bewiesen ist. Wir sollen glauben, dass die Arbeit dieser beiden Männer es ermöglichte, die ursprüngliche Keimhypothese zu »beweisen«, um ihr den Status einer wissenschaftlichen Theorie zu verleihen. Aber ist das wirklich der Fall? Haben Pasteur und Koch die notwendigen wissenschaftlichen Beweise zur Bestätigung der Keimhypothese geliefert? Was ist nötig, um eine Hypothese zu akzeptieren oder zu verwerfen? Wie wird eine Hypothese zu einer wissenschaftlichen Theorie? Im ersten Teil einer zweiteiligen Untersuchung der Keimhypothese, die sich mit der Arbeit beider Männer befasst, werden wir zunächst zwei frühe Versuche Pasteurs untersuchen, seine Hypothese anhand der Fälle von Hühnercholera und Tollwut zu beweisen. Wir werden untersuchen, wie er zu seiner Keimhypothese kam und dann prüfen, ob seine experimentellen Beweise mit dem übereinstimmen, was in der Natur beobachtet werden konnte. Auf diese Weise werden wir herausfinden, ob Louis Pasteur jemals in der Lage war, seine Keimhypothese zu validieren und zu bestätigen oder nicht.

Was ist eine Hypothese?

Zu Beginn dieser Untersuchung müssen wir verstehen, was genau eine Hypothese sein soll. Um noch einmal auf die Brittanica zurückzukommen: Eine wissenschaftliche Hypothese wird hier definiert als »eine Idee, die eine vorläufige Erklärung für ein Phänomen oder eine begrenzte Anzahl von Phänomenen liefert, die in der natürlichen Welt beobachtet werden«. Anders ausgedrückt: Eine Hypothese ist eine Erklärung, die auf einem beobachteten Naturphänomen beruht und sich auf dieses bezieht. Doch was genau ist ein natürliches Phänomen in Bezug auf die Naturwissenschaft? Nach den Next Generation Science Standards (NGSS) werden Naturphänomene definiert als »beobachtbare Ereignisse, die im Universum auftreten und die wir mit unserem wissenschaftlichen Wissen erklären oder vorhersagen können«. Diese Definition der NGSS wurde in Zusammenarbeit mit der National Science Teachers Association (NSTA), der American Association for the Advancement of Science (AAAS), dem National Research Council (NRC) und der gemeinnützigen Organisation Achieve in 26 Bundesstaaten entwickelt, die neue Bildungsstandards für die Naturwissenschaften erarbeitet haben. Die NGSS‐​Definition von Naturphänomenen als beobachtbare Ereignisse wird von verschiedenen Wissenschaftsphilosophen unterstützt, wie zum Beispiel von Ian Hacking, der als der erste gilt, der Phänomene aus der Perspektive von Wissenschaftlern definierte und feststellte, dass ein Phänomen »im Allgemeinen ein Ereignis oder ein Prozess einer bestimmten Art ist, das regelmäßig unter bestimmten Umständen auftritt. Das Wort kann auch ein einmaliges Ereignis bezeichnen, das wir als besonders wichtig herausstellen«. Michela Massimi, eine weitere Wissenschaftsphilosophin, stimmte Hacking in ihrem Buch Perspectival Realism zu und erklärte, dass »Phänomene Ereignisse sind: Sie sind keine Dinge, Entitäten, Strukturen, Fakten oder Zustände«. Ausgehend von diesen Definitionen können wir Naturphänomene also auf beobachtbare Ereignisse (oder Prozesse) eingrenzen. Allerdings ist nicht jedes Ereignis ausreichend. Damit ein Phänomen als natürlich bezeichnet werden kann, müssen diese Ereignisse in der Natur ohne menschlichen Einfluss und Einmischung auftreten. Mit anderen Worten: Die Ereignisse sind nicht vom Menschen gemacht. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind und ein natürliches Phänomen beobachtet wird, kann ein Erklärungsvorschlag formuliert werden, um zu versuchen zu beschreiben, was geschehen sein könnte.

Die Encyclopaedia Britannica führt weiter aus, dass zwei sehr wichtige und primäre Merkmale einer wissenschaftlichen Hypothese die Falsifizierbarkeit und die Überprüfbarkeit sind. Falsifizierbarkeit bedeutet, dass die Hypothese so formuliert ist, dass es möglich ist, sie durch Experimente zu widerlegen. Diese Idee wurde 1935 von dem Wissenschaftsphilosophen Karl Popper in seinem Buch Logik der Forschung eingeführt. Diesem Gedanken zufolge sollte jemand in der Lage sein, ein Experiment zu entwerfen, mit dem die Hypothese widerlegt werden kann. Wenn eine Hypothese falsifizierbar ist und dennoch durch experimentelle Beweise für ihren Wahrheitsgehalt gestützt wird, dann kann sie als wissenschaftliche Hypothese betrachtet werden. Eine falsifizierbare Hypothese sollte als »wenn … dann«-Aussage formuliert werden, die die aus dem Phänomen abgeleitete Idee zusammenfasst. Sie muss überprüfbar sein, das heißt, dass sie durch Experimente bestätigt oder widerlegt werden können muss.

Die Beobachtung eines Naturphänomens und das Aufstellen einer falsifizierbaren und überprüfbaren Hypothese ist der erste Teil der wissenschaftlichen Methode, wie in Kapitel 2 »Science as a Way of Understanding the Natural World« (Wissenschaft als Weg zum Verständnis der natürlichen Welt) des Buches Environmental Science (Umweltwissenschaft) dargelegt:

»Die wissenschaftliche Methode beginnt mit der Identifizierung einer die Struktur oder Funktion der natürlichen Welt betreffenden Frage, die in der Regel mittels induktiver Logik entwickelt wird […]. Die Frage wird im Hinblick auf die bestehende Theorie interpretiert. Es werden spezifische Hypothesen formuliert, um den Charakter und die Ursachen des natürlichen Phänomens zu erklären

»Im Gegensatz dazu ist eine Hypothese eine vorgeschlagene Erklärung für das Auftreten eines Phänomens. Wissenschaftler formulieren Hypothesen als Aussagen und prüfen sie dann durch Experimente und andere Formen der Forschung. Hypothesen werden mit Hilfe von Logik, Schlussfolgerungen und mathematischen Argumenten entwickelt, um beobachtete Phänomene zu erklären.«

Laut Elsevier, einem niederländischen Wissenschaftsverlag, der auf wissenschaftliche, technische und medizinische Inhalte spezialisiert ist, gibt es ohne eine Hypothese keine Grundlage für ein wissenschaftliches Experiment. Daraus können wir schließen, dass die Hypothese für die Erlangung wissenschaftlicher Beweise von entscheidender Bedeutung ist. Eine Hypothese ist »eine Vorhersage über die Beziehung zwischen zwei oder mehreren Variablen«, heißt es dort. Das bedeutet, dass eine Hypothese so konzipiert und verfasst werden muss, dass sie »beweist«, ob eine vorhergesagte, sich aus dem Naturphänomen ableitbare Beziehung zwischen zwei Variablen besteht oder nicht: der unabhängigen Variablen (der vermuteten Ursache) und der abhängigen Variablen (der beobachteten Wirkung).

Dies wird in der Regel als Nullhypothese und als Alternativhypothese angegeben. Erstere besagt, dass es keine Beziehung zwischen den Variablen gibt, letztere, dass es eine Beziehung zwischen ihnen gibt.

Sobald die Hypothese aufgestellt ist, kann ein geeignetes Experiment zu ihrer Überprüfung entworfen werden. Laut dem amerikanischen Philosophen und Wissenschaftshistoriker Peter Machamer in seinem 2009 erschienenen Aufsatz »Phenomena, data and theories: a special issue of Synthese« sollte das Experiment uns etwas Wichtiges zeigen, das in der realen Welt auftritt. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Aspekte des beobachteten Naturphänomens, die ursprünglich die Hypothese ausgelöst haben, im Design des Experiments »eingefangen« werden. Auf diese Weise kann uns das Experiment etwas über die Welt und die untersuchten Phänomene sagen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Hypothese mit Hilfe einer Versuchsanordnung geprüft wird, der das beobachtete Naturphänomen und das, was in der Natur zu sehen ist, genau widerspiegelt:

»Zeigt uns das Experiment tatsächlich etwas Wichtiges über die außerhalb der Versuchsanordnung liegenden Vorgänge in der realen Welt? Eine Ausprägung dieser Sorge wird durch die Unterscheidung zwischen Phänomenen und Artefakten deutlich (siehe Feest 2003, 2005, 2008). Dieses Problem tritt auf, wenn ein Phänomen operationalisiert wird, damit es in einem Labor oder einer anderen nicht natürlichen Umgebung experimentell untersucht werden kann. Im Grunde wollen wir sicherstellen, dass wir bei der Entwicklung einer Versuchsanordnung einigermaßen sicher sind, dass wir die Aspekte des Phänomens ›einfangen‹, die ursprünglich unser Interesse geweckt haben oder die wir zu erklären versuchen. Wir wollen, dass unsere Experimente uns etwas über die Welt und über die Phänomene sagen. Beim Entwerfen von Experimenten versuchen wir, Situationen so zu vereinfachen, dass wir die relevanten Variablen kontrollieren können. Dies ermöglicht uns dann, einzugreifen und zu beobachten, was als Ergebnis des Eingriffs geschieht. Wir entwerfen Experimente, um Daten zu gewinnen, die uns dann etwas darüber sagen können, wie die Welt ist oder wie sie funktioniert. Aber oft wissen wir schon etwas über das uns interessierende Phänomen, bevor wir das Experiment durchführen.«

Wenn die Hypothese mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode durch eine geeignete Versuchsanordnung korrekt getestet wird und wiederholte Tests die Korrelation zwischen zwei oder mehr in Zusammenhang stehenden Dingen verstärken, die in dem beobachteten Naturphänomen resultieren, kann die Ursache für ein Naturphänomen nachgewiesen werden. Auf diese Weise lässt sich feststellen, wie wahrscheinlich es ist, dass das Ereignis erneut auftritt. Wenn die Ergebnisse durch Replikation und Reproduzierbarkeit von unabhängigen Forschern bestätigt werden, verleiht dies der Hypothese Vorhersagekraft. Sobald die Vorhersagen der Hypothese durch unabhängige Überprüfung und Validierung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft wiederholt bestätigt werden, kann die Hypothese zu einer wissenschaftlichen Theorie erhoben werden.

Um jedoch zu einer wissenschaftlichen Theorie zu werden, muss die Hypothese zunächst durch genaue Experimente bestätigt werden und vor allem darf sie nicht falsifiziert werden. Diese absolut kritische Tatsache wurde anscheinend vergessen, als die Keimhypothese zur wissenschaftlichen Theorie erhoben wurde. Wie Albert Einstein sagte: »Keine Menge von Experimenten kann mir jemals beweisen, dass ich Recht habe; ein einziges Experiment kann mir beweisen, dass ich falsch liege.« Was sagt es über die eine Hypothese stützenden Beweise aus, wenn die für die Hypothese konzipierten Experimente fehlgeschlagen sind und die Beweise, die die Hypothese »stützen«, durch Experimente erbracht wurden, die nicht ordnungsgemäß konzipiert waren und die vorgeschlagene Erklärung nicht widerspiegeln? Wenn die Experimente nicht die Hypothese widerspiegeln, die aus dem beobachteten Naturphänomen abgeleitet wurde, können die gewonnenen Erkenntnisse dann immer noch als wissenschaftliche Erkenntnisse gelten, die uns etwas Wahres über die tatsächlichen Vorgänge in der Natur sagen? Mit diesen Fragen im Hinterkopf wollen wir sehen, ob die Hypothesen von Louis Pasteur einer Überprüfung standhalten.

Die Entstehung der Keimhypothese

Die Encyclopaedia Britannica definiert die Keimtheorie als »die Theorie, dass bestimmte Krankheiten durch das Eindringen von Mikroorganismen in den Körper verursacht werden […].« Sie fußt auf drei zugrundeliegenden, sich im Laufe der Medizingeschichte entwickelt habenden Prinzipien (wie beschrieben von John Waller in The Discovery of the Germ):

  1. Mikroben können Krankheiten im Körper verursachen.
  2. Mikroben (und folglich die Krankheit) können von einer Person auf die andere übertragen werden.
  3. Eine spezifische Mikrobe existiert für jede Krankheit und wird stets dieselbe Krankheit hervorrufen.

Laut dem französisch‐​amerikanischen Mikrobiologen Rene Dubos ist das »zentrale Dogma der Keimtheorie, dass jede bestimmte Art von Gärung oder Krankheit durch eine bestimmte Art von Mikroben verursacht wird«. Während die Idee, dass Krankheiten durch unsichtbare Keime verursacht werden könnten, bereits seit Girolamo Fracastoros 1546 veröffentlichtem Werk De Contagione et Contagiosis Morbis bekannt war, entwickelte der französische Chemiker Louis Pasteur Anfang der 1860er Jahre auf der Grundlage seiner Arbeiten über die Gärung seine eigene Keimhypothese. Zugegeben, Pasteur hatte weitgehend von den Arbeiten des französischen Chemikers und Arztes Antoine Bechamp plagiiert, die er später falsch interpretierte. Bechamp sah in den Mikroben, die er als Mikrozyme bezeichnete, eine notwendige und lebenswichtige Funktion, indem sie Substanzen und Gewebe aufspalteten, um tote Zellen und andere Abfallprodukte abzutransportieren. Mit anderen Worten: Keime sind die Aufräumtruppe der Natur und nicht die Ursache von Krankheiten. Wie er in Das Blut und sein drittes anatomisches Element feststellte, betrachtete Bechamp diese Prozesse als in allen Lebewesen in Abhängigkeit von der inneren Umgebung des Individuums entstanden:

»Die Bacteridiae waren nicht die Ursache des kranken Zustandes, sondern eine seiner Wirkungen; ausgehend von den krankhaften Mikrozymen waren sie in der Lage, diesen kranken Zustand in dem Tier hervorzurufen, dessen Mikrozyme in einem für sie empfänglichen Zustand waren. Daraus ergibt sich, dass die Veränderung der natürlichen tierischen Materie spontan ist und den alten Aphorismus rechtfertigt, der von Pidoux so prägnant ausgedrückt wurde: ›Krankheiten werden von uns und in uns geboren.‹ «

»Andererseits führte die Missachtung dieses Naturgesetzes, das durch die vorliegende Arbeit vollständig bewiesen wurde, Herrn Pasteur notwendigerweise dazu, die Wahrheit des Aphorismus zu leugnen und sich eine pathogene Panspermie vorzustellen, da er zuvor a priori angenommen hatte, dass es eine Panspermie der Gärungen gibt. Dass Herr Pasteur als Spontanist zu einer solchen Schlussfolgerung kam, war nur natürlich; er war weder Physiologe noch Mediziner, sondern nur Chemiker ohne jede Kenntnis der vergleichenden Wissenschaft.«

Pasteur hingegen betrachtete Keime wie die an der Gärung von Zucker zur Herstellung von Alkohol beteiligten Hefen sowie andere für Fäulnis und den Verfall von Geweben verantwortliche Mikroben als Eindringlinge von außen. Er vertrat die Ansicht, dass die aus Wunden und anderen verfallenden Geweben isolierten Mikroben die Ursache für die Zerstörung des normalen Gewebes seien, was zu Krankheiten führe. Seine Ansichten standen im Gegensatz zu der damals weit verbreiteten Auffassung, dass Mikroben die Folge und nicht die Ursache von Krankheiten seien. Pasteur und eine Minderheit anderer Wissenschaftler glaubten, dass Krankheiten durch die Aktivitäten dieser Mikroorganismen entstünden, während Gegner wie Bechamp und der deutsche Pathologe Rudolf Virchow davon ausgingen, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht im inneren Zustand des erkrankten Individuums hervorgerufen würden. Wie Bechamp feststellte, ging Pasteur davon aus, dass es für jedes Ferment eine spezifische Mikrobe gebe. Gleichsam nahm er an, dass dies auch für menschliche und tierische Krankheiten gelten müsse.

Die Keimhypothese hatte jedoch ein kleines Problem: Pasteur war nicht in der Lage, einen Keim zu beobachten, der jemanden »infizierte«, um eine Krankheit zu verursachen. Das einzige natürliche Phänomen, das er beobachten konnte, waren die Anzeichen und Symptome von Krankheiten. So versuchte er, eine vorläufige Beziehung zwischen Mikroben und Krankheiten herzustellen, indem er Mikroben in Wunden und krankem Gewebe fand. Wie wir wissen, ist Korrelation nicht gleichbedeutend mit Kausalität. Der Umstand, dass auf dem Körper eines verwesenden Tieres Mikroben gefunden werden, bedeutet nicht, dass die Mikroben den Tod des Tieres verursacht haben. Die Mikroben treten erst nach dem Umstand auf, um eine notwendige Funktion zu erfüllen, in diesem Fall die Zersetzung. Anstatt davon auszugehen, dass die Mikroben in den Wunden aufgrund der Notwendigkeit der Wundheilung vorhanden waren, nahm Pasteur an, dass die Mikroben, von denen er behauptete, dass sie überall um uns herum in der Luft vorhanden seien, von den Wunden angezogen würden und den geschwächten Zustand ausnutzten. Mit dieser a priori Annahme im Hinterkopf machte sich Pasteur daran, Beweise für seine vorgefasste Meinung zu finden.

Prüfung der Keimhypothese

Geflügelcholera

Pasteur hatte zwar schon in den 1860er Jahren die Idee, dass Krankheiten durch Mikroorganismen verursacht würden, aber er stellte seine Hypothese erst in den späten 1870er Jahren auf den Prüfstand. In einem Vortrag aus dem Jahr 1878 »Die Keimtheorie und ihre Anwendungsbereiche in der Medizin und Chirurgie« [eng./​frz.], den er am 29. April 1878 vor der Französischen Akademie der Wissenschaften hielt, stellte Pasteur bereits die Hypothese auf, dass sich in den Lösungen der Bakterienkulturen, mit denen er arbeitete, ein »Virus« befand (also eine Art chemisches Gift, da das Wort damals noch nicht für einen obligaten intrazellulären Parasiten stand). Er behauptete dann, dass sich dieses Gift im Körper des Tieres ansammeln würde, wenn die Bakterien wuchsen. Interessanterweise stellte er dann fest, dass seine Hypothese die Entstehung und notwendige Existenz der Bakterien voraussetzt, und gab damit zu, dass seine Hypothese nicht auf einem beobachteten natürlichen Phänomen beruhte:

»Es gibt nur eine mögliche Hypothese für das Vorhandensein eines Virus in der Lösung, nämlich die, dass eine solche Substanz, die in unserem Experiment in nicht tödlichen Mengen vorhanden war, kontinuierlich von der Vibrio selbst während ihres Wachstums im Körper des lebenden Tieres geliefert werden sollte. Dies ist jedoch von geringer Bedeutung, da die Hypothese die Entstehung und notwendige Existenz der Vibrionen voraussetzt.«

Pasteurs Versuche zum Nachweis seiner Keimhypothese begannen später im selben Jahr mit seiner Studie über die als Geflügelcholera bekannte Geflügelkrankheit. Laut Gerald Geisons The Private Science of Louis Pasteur erhielt Pasteur etwas Blut von einem erkrankten Huhn im Dezember 1878 von Henri Toussaint, einem französischen Tierarzt, der behauptete, das verantwortliche Bakterium gezüchtet zu haben. Eine andere Version besagt jedoch, dass Toussaint Pasteur das Herz eines Meerschweinchens schickte, das mit dem mutmaßlichen Erreger der Geflügelcholera inokuliert worden war. Wie dem auch sei, Pasteur versuchte sofort die Mikrobe in einem Zustand der »Reinheit« zu isolieren, um zu beweisen, dass sie die einzige Ursache der Geflügelcholera war. Dabei stellte er fest, dass sich die Mikrobe in neutraler Hühnerbrühe leichter entwickelte als in dem neutralen Urin, den Toussaint als Nährboden verwendete. Pasteur bedankte sich zwar bei Toussaint, doch Geison stellte fest, dass er »kaum einen Zweifel daran ließ, dass er Toussaints Arbeit und Techniken für entschieden schlechter hielt als seine eigenen.« Pasteur behauptete schließlich, dass er aufeinanderfolgende Kulturen dessen, was er als »Virus« (das heißt Gift) bezeichnete, immer in einem Zustand der »Reinheit« in einem Medium aus Hühnerbrühe von kranken Hühnern anlegen konnte. Damit inokulierte er dann gesunde Hühner und verursachte Krankheiten.

In seiner 1880 erschienenen Schrift Sur les maladies virulentes et en particulier sur la maladie appelée vulgairement «choléra des poules» legte Pasteur seine Hypothese über die Verbreitung der Krankheit dar. Nach erfolglosen Versuchen, Meerschweinchen mit Hilfe des gezüchteten »Organismus« krank zu machen, nahm er an, dass Meerschweinchen »infiziert« werden könnten, aber im Wesentlichen »immun« seien, abgesehen von der Bildung von Abszessen. Er nahm an, dass der nach der Injektion zurückbleibende Eiter in den Abszessen die für die Krankheit verantwortliche Mikrobe in »reinem Zustand« enthielt. Pasteur stellte dann die Hypothese auf, dass diese Pusteln aufplatzen und der bakterielle Inhalt auf das Futter der Hühner und Kaninchen gelangen würde, wodurch diese kontaminiert würden und die Krankheit verursacht würde:

»Die Inokulation dieses Organismus bei Meerschweinchen führt bei weitem nicht so sicher zum Tod wie bei Hühnern. Bei Meerschweinchen, vor allem ab einem gewissen Alter, beobachten wir keine lokale Läsion an der Inokulationsstelle, die in einem mehr oder weniger großen Abszess resultiert. Nachdem sich der Abszess spontan geöffnet hat, schließt er sich und heilt ab, ohne dass das Tier aufhört zu fressen. Dabei erweckt es den Anschein von Gesundheit.«

»Hühner oder Kaninchen, die in Gesellschaft von Meerschweinchen mit solchen Abszessen leben, könnten schlagartig krank werden und verenden, ohne dass sich die Gesundheit der Meerschweinchen auch nur im Geringsten verändert. Dazu würde es genügen, wenn die soeben geöffneten Abszesse der Meerschweinchen etwas von ihrem Inhalt auf Hühner‐ und Kaninchenfutter verschütten würden. Ein Beobachter, der Zeuge dieser Tatsachen ist und die Entstehung, von der ich spreche, ignoriert, würde mit Erstaunen sehen, wie Hühner und Kaninchen ohne offensichtliche Ursachen dezimiert werden. Er würde an die Spontaneität des Bösen glauben, weil er weit davon entfernt wäre, anzunehmen, dass es seinen Ursprung bei Meerschweinchen hat, die alle gesund sind, besonders wenn er wüsste, dass Meerschweinchen auch von der gleichen Befallsart betroffen sind.«

Pasteurs Hypothese über den Expositionsweg von kontaminierten Lebensmitteln, die mit Meerschweinchenpusteln bedeckt sind, beruhte eindeutig nicht auf einem beobachteten natürlichen Phänomen. Es handelte sich um eine Idee, die er sich nach seinen fehlgeschlagenen Versuchen, Meerschweinchen krank zu machen, zurechtgelegt hatte. In Pasteurs Abhandlung »De l’atténuation du choléra des poules« (Von der Linderung der Cholera bei Hühnern (frz./​eng.)) von 1880 wurde nicht versucht, dieses hypothetische Szenario nachzustellen. Es gibt auch keinen Hinweis auf die genauen Einzelheiten seiner Kultivierungsmethoden oder darauf, wie die Hühner tatsächlich geimpft wurden, um den von ihm vermuteten Expositionsweg nachzustellen. Es gibt Quellen, die behaupten, dass er die Hühner mit dem Bakterium fütterte, während andere sagen, dass die Hühner geimpft wurden. Der einzige Hinweis darauf, dass die Hühner gefüttert wurden, den ich finden konnte, stammt aus einem Aufsatz, den Pasteur 1880 unter dem Titel »Sur le choléra des poules. Étude des conditions de la non‐​récidive de la maladie et de quelques autres de ses caractères« (Über die Cholera bei Hühnern. Untersuchung der Bedingungen für das Nichtwiederauftreten der Krankheit und einiger anderer ihrer Merkmale (frz./​eng.)) veröffentlichte. Darin behauptete Pasteur, er habe das natürliche Auftreten der Krankheit in Geflügelställen nachgeahmt, indem er die Hühner mit den Muskeln erkrankter Hühner fütterte, um die Wirksamkeit der Impfung zu demonstrieren:

»Was die Einschleppung des Parasiten in die Verdauungsorgane betrifft, so habe ich die Epidemien, die die Geflügelhöfe entvölkern, nachgeahmt, indem ich den Parasiten in das Futter der Hühner einführte

»Jeden Tag gab ich diesen vierundzwanzig Hühnern eine Mahlzeit aus den kranken Muskeln von an Hühnercholera gestorbenen Hühnern.«

Als er jedoch darüber sprach, wie er die Krankheit für die Impfung untersuchte, erklärte Pasteur, dass er sein gezüchtetes Gift in die Brustmuskeln und Oberschenkel von Hühnern injizierte:

»Ich impfe sie in die Brustmuskeln oder besser noch in den Oberschenkelmuskel, um die Wirkung der Impfung besser beobachten zu können.«

Dass er Injektionen verwendete, um die Mikrobe als Erreger zu »beweisen«, gab Pasteur 1881 in seiner »Rede über die Impfung im Zusammenhang mit der Hühnercholera und dem Milzbrand« zu. Darin behauptete er, er habe das Blut und die kultivierte Brühe von »infizierten« Hühnern in die Haut gesunder Hühner injiziert:

»Nehmen wir eine unserer Reihen von Zellkulturpräparationen – zum Beispiel die hundertste oder die tausendste – und vergleichen wir sie hinsichtlich ihrer Virulenz mit dem Blut eines an Cholera verendeten Huhns; mit anderen Worten, impfen wir zum Beispiel zehn Hühner unter die Haut, jedes für sich mit einem winzigen Tropfen infektiösen Blutes und zehn andere mit einer ähnlichen Menge der Flüssigkeit, in der die Anlagerung zuerst aufgeschüttelt worden ist. Seltsamerweise werden die zehn letztgenannten Hühner genauso schnell und mit den gleichen Symptomen sterben wie die zehn erstgenannten: im Blut aller wird man nach dem Tod die gleichen winzigen infektiösen Organismen finden.«

Es liegt auf der Hand, dass die Fütterung von Hühnern mit kranken Muskeln von anderen toten Hühnern und die Injektion von kultivierter Brühe und Blut in die Brust, den Oberschenkel und die Haut gesunder Hühner keine natürlichen Expositionswege sind. Daher würde diese Nachbildung einer experimentellen Krankheit nichts widerspiegeln, was man in der Natur beobachten könnte. Diese Experimente stimmten nicht mit der von Pasteur aufgestellten Hypothese überein, dass der Eiter von Meerschweinchen das Futter verunreinigt. Die vorgeschlagene Hypothese wurde also nie auf eine Weise getestet, die sie logisch bestätigen oder verwerfen konnte. Stattdessen wandte Pasteur unnatürliche Methoden an, bei denen Hühner andere Hühner kannibalisierten oder ihnen Substanzen injiziert wurden, denen sie in der Natur nicht ausgesetzt wären, wodurch die vorgelegten Beweise entkräftet werden.

Doch dies ist nicht die vernichtendste Enthüllung. In der Abhandlung Pasteur’s Experiments von Rollin Gregg aus dem Jahr 1882 wurde ein fataler Fehler in Bezug auf die Annahmen von Pasteur und anderen Forschern aufgezeigt, die Hühnercholera und verwandte Krankheiten untersuchten. Sie hielten geronnenes Fibrin fälschlicherweise für lebende Mikroorganismen:

»Dies bringt uns zu einer der wichtigsten Fragen, um dieses Thema besser und wissenschaftlicher zu verstehen, nämlich: Was sind diese Mikroben? Prof. Pasteur sagt, es seien lebende Organismen, Bakterien oder pflanzliche Parasiten. Alle Forscher und Autoren, die sich nicht nur mit diesen Krankheiten, sondern auch mit der Diphtherie beschäftigen, behaupten dasselbe. Aber haben nicht alle diese Beobachter eine allgegenwärtige und sehr wichtige Tatsache in all diesen und ähnlichen Fällen übersehen: Nämlich die Tatsache, dass in jedem Fall, in dem sich das Blut infolge der Inokulation staut, das Fibrin im Blut des geimpften Tieres sofort oder bald anfängt zu gerinnen, zunächst lokal, dann in winzige Körnchen als Folge des eingeführten Giftes mehr oder weniger im ganzen System. Aber auch, dass diese winzigen Fibrinkörnchen von ihnen für lebende Organismen oder pflanzliche Parasiten gehalten werden

Dr. Gregg führte weiter aus, dass diese Fibrinpartikel nicht von den damals entdeckten Bakterienformen zu unterscheiden waren und dass die Injektion von geronnenem Fibrin in gesunde Hühner die gleiche zur Krankheit führende Gerinnung auslöst.

»Auch sollte man bedenken, dass die molekularen Körnchen, die Fibrillen und Spiralen des koagulierenden Fibrins, in ihrem Aussehen und unter allen Umständen genau wie die drei klassifizierten Formen der Bakterien sind , kugelförmig, stäbchenförmig und spiralförmig (das Mikroskop hat nie den geringsten Unterschied zwischen ihnen aufgezeigt ), und dass sie die gleichen Positionen einnehmen und sich auf genau die gleiche Weise verhalten, wo immer sie gefunden werden.

Wenn also Prof. Pasteur seine höchst wichtigen Experimente, über die er kürzlich in London berichtet hat, wiederholen und dabei die oben genannten Tatsachen im Auge behalten wird, wird er zweifellos dazu veranlasst werden, seine Schlussfolgerungen zu revidieren, wenn er sieht, dass seine Mikroben oder Bakterien der Hühnercholera und des Milzfiebers einfach geronnene Fibrinteilchen im Blut der kranken Tiere sind und dass diejenigen, die bei gesunden Tieren durch die Inokulation mit solchem Blut hervorgerufen werden, ebenfalls nichts anderes sind als koagulierende Partikel des Fibrins ihres Blutes -deren Koagulation im gesunden Tier einfach durch ähnliche Materie hervorgerufen wird. Durch koaguliertes Fibrin im Blut des kranken Tieres, das durch die Inokulation eingeführt wurde.«

Dr. Gregg kritisierte daraufhin Pasteur dafür, dass er das Vorhandensein von unnatürlichen Elementen im Blut ohne Beweise annahm und behauptete, während er ein natürliches Element im Fibrin ignorierte, das leicht nachgewiesen werden kann. Er forderte Pasteur dann auf, seine Behauptung eines unnatürlichen Elements zu beweisen. Ansonsten solle die natürliche Erklärung an ihre Stelle treten:

»Er vermutet und behauptet das Vorhandensein eines unnatürlichen und fremden Elementes, eines pflanzlichen Organismus, im Blut und so weiter, ohne einen eindeutigen Beweis dafür zu haben, dass es sich um ein solches handelt, während wir das tatsächliche Vorhandensein eines normalen Elementes, des Fibrins, behaupten und beweisen können, das dort vorhanden ist, aber krankhaft verändert: das heißt in winzige Teilchen geronnen, durch das inokulierende Gift oder durch die Entzündung, die es hervorruft. Daher, ich wiederhole, liegt die Beweislast ganz bei ihm, seine unnatürliche Behauptung zu beweisen. Andernfalls muss und sollte die natürliche Tatsache an ihre Stelle treten.«

Anhand von Dr. Greggs Bericht sehen wir, dass es eine falsche Deutung dessen war, was Pasteur im Blut beobachtete. Hinzu kommt die unnatürliche experimentelle Art der Injektion, die zur Krankheit führte. Dies hatte absolut nichts damit zu tun, wie sich ein Huhn in der Natur mit der Krankheit anstecken würde oder mit dem von Pasteur angenommenen natürlichen Expositionsweg. Somit scheiterten Pasteurs Experimente als Erklärung für einen beobachteten Zusammenhang eines natürlichen Phänomens. Ironischerweise lehnte sogar Robert Koch einige von Pasteurs Experimenten als wertlos und naiv ab und machte sich insbesondere über seine Arbeit mit der Hühnercholera lustig.

Unabhängig davon wurde Pasteur auf der Grundlage seiner Experimente mit dem Bakterium 1880 die Entwicklung eines abgeschwächten Impfstoffs gegen Hühnercholera zugeschrieben, was manche als die Geburtsstunde der »Immunologie« betrachten. Es ist jedoch umstritten, wie es dazu kam. Einer Legende zufolge , die von Pasteurs engstem Vertrauten Emile Duclaux erzählt und in seiner von seinem Schwiegersohn Rene Vallery‐​Radot verfassten Halbautobiografie wiedergegeben wird, wurde eine virulente Pasteurella‐​Kultur, die die injizierten Hühner tötete, von einem Assistenten vergessen und während Pasteurs Urlaub im Sommer 1879 auf der Werkbank liegen gelassen. Nach seiner Rückkehr benutzte Pasteur diese alte Bakterienkultur, um die Hühner zu injizieren, und stellte überrascht fest, dass sie sie nicht tötete. Daraufhin bereitete er eine neue virulente Kultur vor und injizierte sie denselben Hühnern, was nicht wie erwartet zum Tod der Hühner führte. Aufgrund dieser Beobachtung nahm Pasteur an, dass das Bakterium, wenn es der Luft ausgesetzt wird, seine »Virulenz« verliert, so dass es als Impfstoff verwendet werden kann. Er fuhr fort: »Auf dem Gebiet der Beobachtung begünstigt der Zufall nur vorbereitete Geister«. Mit anderen Worten: Die Entwicklung des Impfstoffs war ein glücklicher Zufall. Interessanterweise enthüllte Pasteur die Methoden, mit denen er diesen Impfstoff entwickeln konnte, erst Ende Oktober 1880, neun Monate nachdem er die erfolgreiche Entwicklung des Impfstoffs bekannt gegeben hatte. Laut Geison lieferte Pasteur zu diesem Zeitpunkt keine Erklärung dafür, warum genau Sauerstoff Mikroben schwächen sollte, insbesondere die aeroben Mikroben, die für ihr Leben auf ihn angewiesen waren. Vielleicht ist diese Verzögerung bei der Erklärung seines Impfstoffs darauf zurückzuführen, dass es sich zum Zeitpunkt seiner Ankündigung noch um ein nicht abgeschlossenes Forschungsprogramm handelte und die Mittel noch nicht durch entscheidende Experimente vollständig etabliert worden waren. Mit anderen Worten: Pasteur hatte einfach keine Erklärung. Die später erfundene Geschichte war nichts als reine Fiktion.

Um diese Behauptung zu untermauern, wies Pasteur 1878 seinen Schwiegersohn an, seine Labornotizbücher niemals an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Doch fast 100 Jahre später, im Jahr 1964, schenkte sein Enkel, Professor Louis Pasteur Vallery‐​Radot, alle 152 Notizbücher der französischen Nationalbibliothek. Dies ermöglichte es Historikern wie Gerald Geison, Pasteurs Werk zu durchforsten. Dabei stellte sich heraus, dass in seinen Notizbüchern zwischen Juli 1879 und November 1879 kein einziger Text zu finden war, in dem dieses »glückliche« Ereignis, das zur Abschwächung der Kultur führte, erwähnt wurde. Am 14. Januar 1880 schrieb Pasteur jedoch in sein Laborbuch: »Hühnerkeime: Wann sollen wir die Mikrobe nehmen, damit sie impfen kann?« Im Februar 1880 gab er dann die Entdeckung des Impfstoffs bekannt. Dies war ein klares Eingeständnis, dass Pasteur keine Ahnung vom Impfstoff hatte, als er die Experimente im Jahr zuvor durchgeführt haben soll. Pasteur hatte über die Ereignisse, die zur Entwicklung des Impfstoffs führten, gelogen. Zwar wird ihm nach wie vor das Verdienst zugeschrieben, den Erreger nachgewiesen und die Wirksamkeit des Impfstoffs demonstriert zu haben, doch selbst Pasteur stellte in seiner Abhandlung von 1881 fest, dass »die Wirkung der Impfung aufgrund zahlreicher Experimente sehr unterschiedlich ist« und dass Impfstoffe »nur selten als vollständiges Vorbeugungsmittel wirken«. Fast 100 Jahre später, in der Studie von 1959 über die Bekämpfung der Geflügelcholera, wird festgestellt, dass die Wirkungen nicht nur variabel sind, sondern dass die Impfung gegen die Krankheit unwirksam ist und den geimpften Tieren keinen Schutz bietet.Das macht sie zu einer unzuverlässigen Methode zur Bekämpfung der Krankheit.

»Obwohl Pasteur 1880 eine Immunität bei Hühnern nachwies, die mit abgeschwächten Kulturen von P. multocida geimpft wurden, haben die Forscher seither mit verschiedenen Impfstoffen und Bakterinen uneinheitliche Ergebnisse erzielt. In der Regel wurde bei den geimpften Hühnern kein Schutz erreicht. Oder die Immunität war von geringer Stärke und kurzer Dauer. Die Impfung hat sich nie als zuverlässige Maßnahme zur Bekämpfung der Geflügelcholera durchgesetzt.«

Somit sind zu Pasteurs ersten Beweisversuch seiner Keimhypothese festzuhalten:

  • Das Experiment entsprach nicht seiner Hypothese über die Ausbreitung der Krankheit.
  • Der verwendete Erreger könnte nichts anderes als normales geronnenes Fibrin gewesen sein.
  • Der Expositionsweg der Fütterung von Hühnern mit kranken Muskeln und/​oder der Injektion von Blut kranker Hühner in gesunde Hühner war kein natürlicher Expositionsweg.
  • Die Injektion von geronnenem Fibrin in ein gesundes Tier kann eine Krankheit verursachen.
  • Der Impfstoff, der als Beweis für seinen Erfolg bei der Identifizierung des Erregers herangezogen wurde, war trotz anderslautender Behauptungen unwirksam und erfolglos.
  • Pasteur erfand die Geschichte, wie der abgeschwächte Impfstoff hergestellt wurde.

Tollwut

Während sich die ersten Versuche, seine Keimhypothese mit der Hühnercholera zu beweisen, als wissenschaftlich nicht stichhaltig erwiesen, ist Louis Pasteur vor allem dafür bekannt, dass er seine Hypothese mit seinen Experimenten zur Tollwut »bewiesen« hat, die zur Entwicklung eines Tollwutimpfstoffs führten. Die Idee, dass Tierbisse zu Krankheiten führen, war nicht neu, als Pasteur 1880 mit seinen Untersuchungen zur Tollwut begann. Es war jedoch eine Idee, die sich in seinem jungen Alter von acht Jahren aufgrund eines Wolfsangriffs, der sich 1831 in seiner Heimatstadt ereignete, in seinem Gedächtnis festgesetzt hatte. Wie Geison erzählte, waren einige der Opfer des Angriffs in die Schmiede in seiner Nachbarschaft gekommen. Dort hörte der junge Pasteur die Schreie der Männer, als ihre Wunden verätzt wurden, was damals das »Heilmittel« für Tollwut war. Später in seinem Leben bat Pasteur den Bürgermeister seiner Stadt, zu untersuchen, ob die acht Opfer, die starben, in die Hände und das Gesicht gebissen worden waren, während die Überlebenden an den bekleideten Stellen gebissen worden waren. Das Ergebnis dieser Untersuchung des Ereignisses, das 50 Jahre zuvor stattgefunden hatte, zeigte Pasteur, dass er mit seiner Hypothese, dass der Erreger im Speichel der tollwütigen Tiere enthalten war, auf dem richtigen Weg war. Geison stellte fest, dass diese Hypothese von den meisten Tollwutforschern unterstützt wurde. Sie waren sich seit langem einig, dass die Krankheit durch ein Gift (oder »Virus«) verursacht wird, das vom Speichel des angreifenden Tieres übertragen wird. Allerdings wurde zugegeben, dass sich dieses angebliche »Virus« der Entdeckung entzog und seine tödliche Wirkung »lange unsichtbar und ungreifbar blieb«.

Dieses Ereignis aus seiner Kindheit mag sich zwar auf Pasteurs Vorstellungen über die Ursache der Krankheit ausgewirkt haben, aber es war offenbar nicht der Grund, warum er seine Untersuchungen begann. Geison merkte an, dass Pasteur in seiner privaten Korrespondenz darauf bestand, dass er seine Studien über die Tollwut »nur mit dem Gedanken begonnen hatte, die Aufmerksamkeit der Ärzte auf diese neuen Lehren zu lenken«, womit er einräumte, dass seine Keim-»Theorie« der Krankheit und die Technik der Impfung durch abgeschwächte Kulturen zu dieser Zeit noch sehr umstritten waren. Laut Emile Roux, einem Vertrauten Pasteurs, »dachte er, dass die Lösung des Problems der Tollwut ein Segen für die Menschheit und ein glänzender Triumph für seine Lehren sein würde« . Zugegeben, es gab noch einen weiteren Faktor, der höchstwahrscheinlich dazu beitrug. In den frühen 1880er Jahren erhielt Pasteur zehn Prozent oder mehr der jährlichen staatlichen Ausgaben für die gesamte wissenschaftliche Forschung in Frankreich. Das Geschäft mit den Impfungen wurde für ihn sehr lukrativ. Mitte des Jahres 1880 erzielten Pasteur und sein Labor durch den Verkauf von Anthrax‐​Impfstoffen einen jährlichen Nettogewinn von 130.000 Francs. Geison wies darauf hin, dass sich in weiteren unveröffentlichten Korrespondenzen zwingende Beweise dafür finden lassen, dass Pasteur am Gewinn aus Impfstoffen interessiert war. Da er bereits von den Impfstoffen profitierte, die er für Tierkrankheiten entwickelt hatte, war es für ihn die nächstliegende Option, auch Impfstoffe für menschliche Krankheiten zu entwickeln.

Die Untersuchung der Tollwut begann am 10. Dezember 1880. Pasteur nahm mit einem Malerstift den Schleim aus dem Mund eines verstorbenen 5‑jährigen Jungen, der angeblich an Tollwut gestorben war. Er mischte den Schleim mit normalem Wasser und injizierte diese Mischung zwei Kaninchen. Innerhalb von sechsunddreißig Stunden waren beide Kaninchen gestorben. Pasteur verwendete das Blut dieser beiden Kaninchen in den nächsten Wochen, um ähnliche Symptome bei gesunden Kaninchen und Hunden zu erzeugen. Dabei brachte er seine neue Mikrobe mit derjenigen in Verbindung, die er bei der Hühnercholera beobachtet hatte, behauptete aber, dass diese neue Mikrobe andere physiologische Eigenschaften und pathologische Auswirkungen habe. Obwohl Pasteur seine Entdeckung in seinen Notizbüchern als »Tollwutmikrobe« bezeichnete, unterschied sich ihr klinisches Bild deutlich von dem der »gewöhnlichen Tollwut«, sowohl was die Symptome als auch die Geschwindigkeit betraf, mit der die Kaninchen und Hunde starben. Später fand er die neue Mikrobe sowohl im Speichel gesunder Erwachsener als auch bei Opfern anderer Krankheiten als der Tollwut. Im Juni 1881 gab Pasteur die Entwicklung eines Impfstoffs gegen diese »Speichelmikrobe« bekannt, die er als für den Menschen völlig ungefährlich eingestuft hatte, obwohl sie bei Kaninchen und Hunden tödlich war, wenn sie injiziert wurde.

Robert Koch kritisierte Pasteurs Methoden besonders scharf. Er warf dem französischen Chemiker vor, er gehe davon aus, dass alle »Infektionskrankheiten« parasitär seien und von Mikroben verursacht würden. Außerdem griff er ihn an, weil er die verursachenden Mikroben an der falschen Stelle suchte, nämlich im Speichel und nicht in den Zungendrüsen. Er stellte fest, dass der Speichel voller Bakterien ist und dass selbst gesunde Menschen »pathogene« Bakterien in ihrem Speichel haben. Koch warf Pasteur vor, unsauberes Material zu verwenden. Zudem rügte er ihn dafür, dass er seine Experimente mit dem falschen Versuchstier begonnen habe – nämlich mit Kaninchen statt mit Hunden‑, um zu beweisen, dass seine Speichelmikrobe die bei Hunden auftretende Tollwutkrankheit verursachte:

»Zunächst geht Pasteur von der Überzeugung aus, daß alle Infektionskrankheiten parasitische, durch Mikroben bedingte Krankheiten sind. Auch scheint er die erste der von mir aufgestellten Bedingungen, den Nachweis der Mikroorganismen und die Orientierung über ihr Vorkommen im Körper, nicht für notwendig zu halten. So macht Pasteur beispielsweise keine Angabe darüber, ob er bei der Erforschung der von ihm als nouvelle maladie de la rage bezeichneten Krankheit die Organe des an Rabies verstorbenen Kindes, welches ihm zum Ausgangspunkt seiner Infektionsversuche diente, vor allen Dingen dessen Sublingualdrüsen auf das Vorhandensein spezifischer Mikroben mikroskopisch untersucht hat. Gerade in diesem Falle wäre doch eine solche Untersuchung unerläßlich gewesen, denn es ist bekannt, daß bei Rabies die Sublingualdrüsen den Infektionsstoff enthalten und daß also die vermuteten Mikroben, da das Gewebe der Sublingualdrüsen für gewöhnlich nicht der Sitz von Bakterien ist, hier noch am sichersten in voller Reinheit anzutreffen sein würden. Pasteur aber benutzte als Impfstoff, als er versuchen wollte, die Wutkrankheit von der Leiche jenes Kindes auf Tiere zu übertragen, nicht das Gewebe der Sublingualdrüsen, sondern den Speichel selbst, von welchem bekannt ist, daß er eine Unzahl der verschiedensten Bakterien und darunter auch, wie Vulpian (Bull, de l’Acad. 29. Mars 1881) und Steinberg (National Board of Health, Bulletin April 30 th. 1881) nachgewiesen haben, selbst bei gesunden Menschen pathogene Bakterien enthält.

Wenn nun schon das Material, von welchem Pasteur ausgeht, nicht rein ist, und wenn es danach fraglich erscheinen muß, ob durch die Verimpfung solchen Stoffes die in Untersuchung stehende Krankheit überhaupt erzielt werden kann, so wird durch Pasteur der Erfolg des Experimentes dadurch noch mehr in Frage gestellt, daß er die Impfung nicht an einer notorisch für die Krankheit empfänglichen, sondern an der ersten besten Tierspezies, an Kaninchen vornimmt. Um überhaupt erst einmal zu erfahren, ob diese oder jene Substanz das Wutgift enthält, wird man sie doch zunächst nur auf Hunde verimpfen, und wenn eine ganz neue Pferdekrankheit ätiologisch zu erforschen ist und man nicht vorzieht, das Blut, die Milz oder dergleichen als Impfsubstanz zu wählen, sondern durchaus den durch andere Bakterien verunreinigten Nasenschleim benutzen will, dann sollte man doch wenigstens Pferde als Versuchstiere benutzen und nicht Kaninchen, von denen noch kein Mensch weiß, ob sie an dem typhösen Pferdefieber zu erkranken vermögen und wie sich die Symptome dieser neuen Krankheit etwa bei ihnen gestalten (Robert Koch, »Über die Milzbrandimpfung«, 1882).«

Dieses Beispiel aus Pasteurs frühen Versuchen zur Tollwut zeigt, wie seine »fehlerhaften Methoden«, so Koch unverblümt, ihn durch die Nachahmung der Krankheit durch Injektionen bestimmter Materialien in gesunde Tiere zu der Annahme verleiteten, er habe die »Tollwutmikrobe« gefunden. Pasteur kam jedoch schließlich zu dem Schluss, dass es nicht die richtige Mikrobe war. Dennoch schuf er einen Impfstoff für die experimentelle Krankheit, die er selbst durch seine eigenen fragwürdigen Methoden geschaffen hatte. Dessen ungeachtet führte diese Erfahrung zusammen mit seinem anschließenden Misserfolg bei der genauen Erzeugung der mit Tollwut verbundenen Krankheitssymptome unter Verwendung des Speichels oder Bluts von Tollwutopfern. Es waren genau diese Flüssigkeiten, von denen er angenommen hatte, dass sie die Tollwutmikrobe enthielten, die ihn dazu veranlassten, sich stattdessen auf das Hirngewebe von Tollwutopfern zu konzentrieren. Dies wurde in Pasteurs Semi‐​Autobiografie Das Leben des Pasteur bestätigt, die von seinem Schwiegersohn Jean Vallery‐​Radot verfasst wurde:

»Die Tollwut könnte offensichtlich durch die Inokulation von Speichel entwickelt werden, aber man kann nicht mit Sicherheit behaupten, dass dies der Fall wäre.«

»Aber die gleiche Unsicherheit folgte der Inokulation des Speichels; die Inkubationszeit war so langsam, dass oft Wochen und Monate vergingen, während das Ergebnis eines Experiments mit Spannung erwartet wurde. Offensichtlich war der Speichel kein sicheres Mittel für Experimente. Falls mehr Wissen erlangt werden sollte, mussten andere Mittel gefunden werden, um es zu erhalten.

Magendie und Kenault hatten beide versucht, mit Tollwutblut zu experimentieren, aber ohne Ergebnis. Auch Paul Bert war nicht erfolgreicher. Pasteur versuchte es seinerseits, aber ebenfalls vergeblich. ›Wir müssen andere Experimente durchführen‹, sagte er mit seiner üblichen unermüdlichen Beharrlichkeit.

In seinen zukünftigen Studien verwendete Pasteur das Gehirn und das Nervengewebe von erkrankten Tieren und injizierte es in das Gehirn gesunder Tiere, um zu versuchen, die Krankheit, insbesondere Störungen des Nervensystems und Tollwut, nachzubilden. Das Ziel dabei war, die Tiere schneller zu töten.

»Die Impfung mit Speichel erwies sich als eine Methode, die nicht immer Tollwut verursachte. Symptome zeigten sich erst nach Monaten. Die Theorie, dass das Virus der Krankheit die Nervenzentren angreift, wurde bereits von Dr. Dubous aus Paris aufgestellt. Pasteur impfte dementsprechend eine Reihe von Tieren subkutan mit etwas von der Gehirnsubstanz anderer Tiere, die an Tollwut gestorben waren. Die meisten der Geimpften entwickelten Tollwut, aber nicht alle.

Pasteur kam dann auf die Idee, einigen Versuchstieren Nervengewebe eines an Tollwut gestorbenen Tieres ins Gehirn zu implantieren. Dieses Experiment basierte auf dem Prinzip, den verursachenden Organismen das für ihre Bedürfnisse am besten geeignete Nährmedium zur Verfügung zu stellen. Pasteur, der so viele Tiere opfern musste, hatte eine echte Abneigung gegen Vivisektion; wenn das Tier ein wenig schrie, war er voller Mitleid. Die Vorstellung, den Schädel des Hundes zu durchbohren, war ihm zuwider. Er wollte, dass es gemacht wurde, aber er fürchtete sich davor, es zu sehen. Also wurde es eines Tages gemacht, als er nicht da war. Als man ihm am nächsten Tag von der intrakraniellen Impfung erzählte, hatte er Mitleid mit dem armen Hund (Evey, Lydia. »Pasteur’s Work with Rabies.« The American Journal of Nursing 30, no. 5 (1930): 582 – 84. https://​doi​.org/​1​0​.​2​3​0​7​/​3​4​1​0​286.).«

Pasteur berichtete Jean Vallery‐​Radot in allen grausamen Einzelheiten von seinem Vorgehen:

»Zu diesem Zeitpunkt kam Pasteur die Idee, das Tollwutvirus direkt auf die Oberfläche des Gehirns eines Hundes zu injizieren. Er dachte, dass die Tollwut mit größerer Sicherheit ausbrechen würde, wenn das Virus von Anfang an in seinem eigentlichen Medium platziert würde, wodurch die Inkubationszeit möglicherweise verkürzt werden könnte. Das Experiment wurde durchgeführt: Ein unter Chloroform stehender Hund wurde auf dem Operationstisch fixiert und ein kleiner, runder Teil des Schädels mit einem Trepan (einem chirurgischen Instrument, das einer Laubsäge ähnelt) entfernt. In die so freigelegte harte Fasermembran, die Dura mater, wurde dann eine kleine Menge des vorbereiteten Virus injiziert, das in einer Pravaz‐​Spritze bereitlag. Die Wunde wurde mit Karbol ausgewaschen und die Haut zusammengenäht, was nur wenige Minuten dauerte. Als der Hund wieder zu sich kam, schien er sich nicht verändert zu haben. Aber nach vierzehn Tagen trat die Tollwut auf: rasende Wut, charakteristisches Heulen, Zerreißen und Fressen seines Bettes, wahnhafte Halluzinationen und schließlich Lähmung und Tod.«

Laut Geison bestand Pasteurs grundlegendes Verfahren darin, »einfach einer Vielzahl von Versuchstieren – hauptsächlich Kaninchen – eine Vielzahl von Kulturen oder Substanzen zu injizieren und dann zu beobachten, was passiert«. Zwar konnte er die Krankheit experimentell nachstellen, indem er die Hirn‐ und Nervensystemmaterialien kranker Tiere in die Gehirne gesunder Tiere injizierte, doch spiegelte dies in keiner Weise wider, wie ein Tier die Krankheit in der Natur erwerben würde. Es stimmte auch nicht mit seiner Hypothese überein, dass die Krankheit durch den Speichel und/​oder das Blut eines tollwütigen Tieres, das in die Wunden seiner Opfer eindringt, übertragen wird.

Abgesehen davon, dass es Pasteur nicht gelang, die Krankheit durch seinen hypothetischen Infektionsmodus so nachzubilden, wie sie in der Natur auftritt, war er auch nicht in der Lage, jemals eine Mikrobe zu isolieren, die er der Krankheit zuschreiben konnte, wie Vallery‐​Radot berichtete:

»Pasteur konnte die Methode, die er bisher angewendet hatte, nicht anwenden, d. h. die Hydrophobie‐​Mikrobe zu isolieren und dann in einem künstlichen Medium zu kultivieren, da er diese Mikrobe nicht nachweisen konnte. Ihre Existenz stand jedoch außer Zweifel; vielleicht lag sie außerhalb der Grenzen des menschlichen Sehvermögens.«

Geison wies darauf hin, dass Pasteur immer davon ausging, dass es eine Tollwutmikrobe geben müsse. Er hat wiederholt ihre Isolierung versucht. In seinen Laboraufzeichnungen finden sich Berichte, in denen er glaubte, sein Ziel erreicht zu haben, aber am Ende musste er zugeben, dass es ihm nicht gelungen war, die »wahre Tollwutmikrobe« zu isolieren. Wir sehen also, dass Pasteurs Experimente nie eine gültige unabhängige Variable in einer tatsächlichen Mikrobe hatten, die er während seiner Studien hätte variieren und manipulieren können. Er nahm an, dass eine solche in den von ihm verwendeten Materialien vorhanden war, was zusammen mit der Nichterfüllung seiner Hypothese einer Tollwutmikrobe im Speichel das Experiment als wissenschaftlich disqualifiziert. Die unabhängige Variable, die vorgeschlagene Ursache, muss vor dem Experiment vorhanden sein. Alles, was Pasteur behaupten konnte, war, dass sein Verfahren, bei dem er auf groteske Weise Gehirn‐ und Nervengewebe von kranken Tieren in das Gehirn gesunder Tiere injizierte, Krankheiten verursachte. Er konnte nicht behaupten, dass eine bestimmte Mikrobe die Ursache für seine invasiven experimentellen Verfahren mit ungereinigten Materialien war.

Obwohl Pasteur seine Hypothese nicht beweisen konnte, entwickelte er einen Impfstoff gegen die Krankheit, der erstmals am 6. Juli 1885 bei einem neunjährigen Jungen namens Joseph Meister angewendet wurde. Laut CDC wurde dies durch eine Reihe von 14 täglichen Injektionen von Kaninchen‐​Rückenmarks‐​Suspensionen, die »progressiv inaktivierte Tollwutviren« enthielten, in den 9‑Jährigen durchgeführt, der zwei Tage zuvor von einem tollwütigen Hund schwer gebissen worden war. Meister überlebte die Injektionen, doch Geison wies darauf hin, dass Pasteur mit seinen Behauptungen über seine vorherigen Tierversuche mit dem Impfstoff, die die Sicherheit und Wirksamkeit vor der Anwendung am Menschen belegen sollten, sehr irreführend war. Tatsächlich hatte er keinerlei Beweise dafür, dass sein Impfstoff sicher oder wirksam war.

»Meister überlebte. Drei Monate später veröffentlichte Pasteur einen Artikel, in dem er berichtete, dass sein Tollwutimpfstoff zuvor an 50 Hunden getestet worden war, ohne dass es zu einem einzigen Fehlschlag gekommen war, bevor er ihn zur Behandlung des Jungen einsetzte. Aber Geison entdeckte in den Notizbüchern, dass dies, ›um es milde auszudrücken, eine sehr irreführende Darstellung war‹.

Tatsächlich hatte Pasteur einen Impfstoff ausgiebig an Hunden getestet, wobei er einen Ansatz verfolgte, der genau das Gegenteil von dem war, der bei Meister angewendet wurde. Die Methode, die er bei dem Jungen anwendete, bestand aus Injektionen von immer stärkeren Dosen des Tollwutvirus. Dieser Ansatz wurde zum Zeitpunkt des Versuchs am Menschen an Laborhunden getestet, aber Pasteur hatte keine schlüssigen Tierversuchsergebnisse, die zeigten, dass die Technik funktionierte.

›Es gab keine experimentellen Beweise für seine veröffentlichten Behauptungen über das Ausmaß der Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs bei Tieren vor dem Tollwutversuch am Menschen‹, sagte Geison.«

Die CDC gab zu, dass die grundlegende »Pasteur‐​Behandlung«, die auf einem Impfstoff aus Gehirngewebe mit Zusatz von Formaldehyd basiert, immer noch tägliche Impfungen über einen Zeitraum von 14 bis 21 Tagen umfasst und immer noch das gleiche Risiko neurologischer Folgeschäden (d. h. Schäden am zentralen Nervensystem) birgt wie zu Pasteurs Zeiten. Es war bekannt, dass Pasteurs Impfstoff genau die Krankheit auslösen konnte, vor der er schützen sollte. Wie Geison feststellte, behaupteten Kritiker seiner Zeit, dass Pasteurs Tollwutimpfstoff nicht nur manchmal diejenigen nicht schützte, die sich ihm unterzogen, sondern selbst die Todesursache durch Tollwut war. Daher versuchten sie, Pasteur für den Tod von Personen verantwortlich zu machen, die Symptome einer Nervenkrankheit zeigten. Zur Untermauerung dieser Behauptung wies Geison darauf hin, dass Tollwut beim Menschen selten sei und es sich nicht um eine »ansteckende« Krankheit handele. Die Symptome könnten sich erst nach Jahren, in manchen Fällen bis zu 25 Jahren, entwickeln, was bei keiner anderen Krankheit der Fall sei. Geison erklärte, dass »die Korrelation zwischen Tierbissen und dem späteren Auftreten von Tollwut sehr unsicher ist – selbst wenn das beißende Tier nachweislich tollwütig ist«. Er wies darauf hin, dass die meisten Opfer von Bissen »tollwütiger« Tiere auf eine Behandlung verzichten und in Zukunft ohne Komplikationen überleben könnten. Wenn jemand vor Ausbruch der Krankheit geimpft wird, kann man nie sicher sein, ob das »Virus« oder der Impfstoff die Krankheit und den Tod verursacht hat. Die Kritiker wiesen darauf hin, dass diejenigen, die gegen Tollwut geimpft sind, nun mit einer neuartigen Krankheit konfrontiert werden könnten, die Pasteur selbst geschaffen hatte: künstliche oder Labor‐​Tollwut. Sie wiesen auch darauf hin, dass die »paralytische« Form der Tollwut, die unter natürlichen Bedingungen als selten galt, nach Pasteurs Behandlungen auftrat und dass die Verwendung eines neurotropen Impfstoffs die Diagnose bei jedem geimpften Individuum erschwerte, das später Nervensymptome entwickelte.

Um sich gegen die Behauptungen zu verteidigen, sein Impfstoff habe zu Tollwut‐​Todesfällen geführt, wies Pasteur auf die Unsicherheiten bei der Diagnose von Tollwut hin und stellte fest, dass es so etwas wie »falsche Tollwutfälle« gebe. Laut Geison stützte sich Pasteur auf die Autorität eines Dr. Trousseau und führte zwei Fälle an, bei denen die Krankheitssymptome ausschließlich durch Angst hervorgerufen worden waren:

»In einem Fall zeigte ein Mann plötzlich mehrere klassische Merkmale von Tollwut – darunter Kehlkopfkrämpfe, Brustschmerzen, extreme Angst und andere nervöse Symptome –, nur weil die Krankheit zum Gesprächsthema beim Mittagessen geworden war. Und dieser Mann war noch nie einem tollwütigen Tier begegnet. Vermutlich häufiger war der zweite Fall, der eines Richters, dessen Hand schon lange zuvor von einem Hund geleckt worden war, bei dem später Tollwutverdacht bestand. Als der Magistrat erfuhr, dass mehrere von diesem Hund gebissene Tiere an Tollwut gestorben waren, wurde er äußerst aufgeregt, ja sogar wahnsinnig und zeigte eine Abscheu vor Wasser. Seine Symptome verschwanden zehn Tage später, als sein Arzt ihn davon überzeugte, dass er bereits tot wäre, wenn er an echter Tollwut erkrankt wäre.«

Pasteur berichtete auch von einem Alkoholiker, der, nachdem er während des Mittagessens eine Art Ablagerung in seinem Glas gesehen hatte, »von einem Gefühl des Grauens gegenüber der Flüssigkeit und von einem Engegefühl im Hals erfasst wurde, gefolgt von Kopfschmerzen und von Lahmheit und Müdigkeit in allen Gliedern.« Pasteur erklärte, dass dieser Mann, der wenige Tage nach Auftreten der Symptome verstarb, »alle Merkmale einer heftigen Tollwut aufwies«, aber nicht an Tollwut starb, da er nie gebissen worden war. Wie Pasteur ironisch darlegte, ist also kein Mikroorganismus erforderlich, um die mit Tollwut verbundenen Symptome zu erklären.

Ungeachtet dessen gab Geison an, dass Pasteur und sein Labor aufgrund seines Impfstoffs eine Fülle von Spenden von Privatpersonen und Organisationen aus der ganzen Welt erhalten hätten. Dies führte zur Organisation einer formellen Subskription, bei der die Spenden bis November 1888, als sein neues Institut Pasteur offiziell eingeweiht wurde, die Summe von zwei Millionen Francs bei Weitem überstiegen. Zu sagen, dass die Entwicklung eines Tollwutimpfstoffs für Pasteur lukrativ war, ist eine Untertreibung. Zu sagen, dass er seine Hypothese bewiesen hat, dass eine bestimmte Mikrobe die Tollwut verursachen kann und dass sein Impfstoff das Auftreten der Krankheit verhindert, ist nichts anderes als pseudowissenschaftliche Fiktion. Pasteur gelang es nicht, aus dem Speichel, dem Blut und dem Nervengewebe erkrankter Tiere einen für Tollwut verantwortlichen Mikroorganismus zu kultivieren und zu identifizieren. Er glaubte jedoch weiterhin, dass trotz des Fehlens eines isolierten Erregers die Entwicklung eines erfolgreichen Impfstoffs beweisen würde, dass seine »Keimtheorie« wahr sei. Aufgrund der Geheimhaltung seiner Arbeit, so Geison, tobte eine Debatte darüber, »ob seine Arbeit über Tollwut den Standards wirklich wissenschaftlicher Forschung entsprach oder nicht«.

Aus seinem Vorstoß in die Tollwutforschung geht also hervor, dass Pasteur eindeutig daran gescheitert ist, seine Hypothese eines spezifischen Mikroorganismus als Erreger zu beweisen, da er:

  • nicht in der Lage war, einen für die von ihm erzeugte experimentelle Krankheit verantwortlichen Mikroorganismus zu isolieren.
  • zeigte, dass seine Methoden durch Injektionen von Mikrobenkulturen eine nicht in der Natur vorkommende, artfremde künstliche Krankheit hervorriefen, die dann zur Herstellung von Impfstoffen für seine neu geschaffene künstliche Krankheit verwendet werden konnte.
  • Er führte groteske, unnatürliche Injektionen von Nervengewebe in die Gehirne von Tieren durch, um eine Erkrankung des Nervensystems zu erzeugen, die nicht dem von ihm angenommenen Expositionsweg entsprach.
  • Er entwickelte einen Tollwutimpfstoff, der dieselben Anzeichen und Symptome der Krankheit hervorruft, vor der er schützen sollte, sogar solche, die in der Natur nicht vorkommen und zum Tod führen können.
  • Er gab zu, dass die Tollwuterkrankung ohne Tierbisse oder »pathogene Mikroben« aufgrund von Angst und Drogenmissbrauch auftreten kann.

Mangel an Beweisen

Wie bereits erwähnt, besteht der Zweck einer Hypothese darin, eine Erklärung für ein beobachtetes Naturphänomen vorzuschlagen, die durch Experimente getestet und bestätigt werden kann, um Erkenntnisse über Naturereignisse oder ‑prozesse zu gewinnen, die in der Natur auftreten. Die Experimente und Belege, die zur Untermauerung dieser Hypothese angeführt werden, sollten das beobachtete Naturphänomen widerspiegeln. Louis Pasteur hat in keiner Weise Belege geliefert, die diesem Anspruch gerecht werden könnten. Um seine Hypothesen zu »beweisen«, fütterte Pasteur Hühner mit den Überresten kranker Hühner, injizierte Tieren geronnene Substanzen in die Muskeln und die Haut und bohrte Löcher in die Köpfe von Hunden und injizierte ihnen krankes Gehirn‐ und Nervensystemmaterial. Keine dieser Expositionsmethoden spiegelt ein Ereignis oder einen Prozess wider, der in der Natur beobachtet wurde. Warum musste Pasteur auf solch groteske Methoden zurückgreifen, um experimentelle Krankheiten zu erzeugen, wenn seine Hypothese richtig war, dass die natürliche Exposition gegenüber Keimen selbst die Ursache der Krankheit war? Der Grund dafür ist, dass die Exposition gegenüber Mikroben auf natürlichem Wege, entweder durch Aerosolbildung oder durch Aufbringen von Reinkulturen auf das normale Futter, keine Krankheit hervorrief. Daher mussten unnatürliche und invasive Methoden, die nicht der Natur entsprachen, ersetzt werden, bis die gewünschten Ergebnisse erzielt wurden. Daher wurden die tatsächlich vorgeschlagenen Hypothesen darüber, wie die Krankheiten in der Natur auftreten sollten, durch das wiederholte Scheitern, die Krankheit auf natürliche Weise auf diese Weise zu reproduzieren, widerlegt. Ausgehend von der Arbeit von Louis Pasteur war die Keimhypothese von Anfang an widerlegt und hätte nie in den Rang einer wissenschaftlichen Theorie erhoben werden dürfen.

Doch die Arbeit von Pasteurs Zeitgenossen und erbittertem Rivalen, dem deutschen Bakteriologen Robert Koch, war letztendlich der Rettungsanker für Pasteurs widerlegte Keimhypothese. Da Kochs Arbeit maßgeblich dazu beitrug, die widerlegte Hypothese in den Rang einer wissenschaftlichen Theorie zu erheben, werden wir seine Beiträge in Teil 2 untersuchen. Wir werden untersuchen, ob Kochs experimentelle Ergebnisse in Kombination mit seinen revolutionären Methoden und logischen Postulaten ausreichten, um die fatalen Fehler von Pasteur zu überwinden.

Dieser Artikel erschien im englischen Original ursprünglich auf ViroLIEgy’s Antiviral Substack. Mike Stone betreit die Website https://​viroliegy​.com/ und einen Telegramkanal. Alle Fettungen wie Kursivierungen in Zitaten sind Hervorhebungen des Autors.

Bild: Louis Pasteur bei einer Schafimpfung in Pauly‐​le‐​Fort, 31. Mai 1881 (wikimedia commons)

4 thoughts on “Die Keimhypothese Teil 1: Pasteurs Probleme

  1. Kann mir mal jemand erklären, warum solch ein Blödsinn hier abgedruckt wird?
    Dieser Text hat mit Wissenschaft so viel zu tun wie die Bibel. Jedes weitere Wort wäre Verschwendung. Warum sich dieses Seite Magazin der Masse nennt, weiß ich jetzt. Es geht um die weitere Verblödung derselben.

  2. Alleine schon wenn man an die perverse Vorgehensweise dieser angeblichen »Wissenschaftler« denkt (Robert Koch hat zB seine Versuche an Schwarzen (darf man das Wort noch benutzen ;-( ) durchgeführt, die nur mit Waffengewalt zu so einer Behandlung getrieben werden konnten, Mengele ist ein direkter Nachfolger dieser Perversen), muss jedem anständigen Menschen die Galle hochkommen.

    Leider sind solche PR‐​Agenten, wie der oben, inzwischen die scheinbare Mehrheit …

    Solomon Asch (neben Skinner, Milgram, …) hat für diesen Zweig (PR, Massenkontrolle, Bewusstseins‐ und Verhaltenssteuerung, psychologische Manipulation, ..) der menschenverachtenden »Wissenschaften« die Grundlagen geschaffen.

    Diese Welt wird durch PR zugrunde gerichtet.

  3. Infektionen werden nicht durch Keime ausgelöst, weil Keime überall immer da sind. Sie gehören zu dieser Welt und sind ubiquitär wie Sauerstoff‑, Stickstoff‑, Wasserstoff‐ oder Kohlendioxid‐Moleküle.
    Das lokal gehäuften Auftreten von Infektionskrankheiten (Epidemie) ist eine Folge von lokalen Bedingungen, von denen alle betroffen sind. Wie etwa das Wetter, bzw. der saisonale Wetterwechsel.
    Aber es werden nicht alle krank sondern nur die, die dafür disponiert sind, also vorgeschwächte oder schon »angeschlagene« Personen.

    Die missglückten Ansteckungsversuche, der Misserfolg des Impfgedankens, all das sprich für Béchamps „Die Mikrobe ist nichts, das Milieu ist alles!“ 

    Nicht Pharmazie heilt oder hält uns gesund, sondern die Stärkung der Abwehrkräfte, gesunde Ernährung, ausgewogene Lebensführung, Stressvermeidung, regelmäßige echte Erholung und Ausgleich, Freude, Zuversicht, Lebensmut. 

    All diese Dinge werden uns durch die moderne, beworbene Lebensführung ausgetrieben und unmöglich gemacht. Wir werden zu Konsumenten IN ALLEN BEREICHEN der Existenz reduziert. ALLES dient der kapitalistischen Verwertung und Profitgenerierung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert