Krieg »gegen Desinformation« großbritannischer Geheimdienste erreicht globale Dimension

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Am 13. September wurde im Rahmen eines Rechtsstreits gegen die US‐​amerikanischen Zentren für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (Centers for Disease Control and Prevention) ein außergewöhnliches Dokument veröffentlicht. Es handelt sich um eine Folienpräsentation der britischen, von Geheimdiensten durchsetzten Counter Disinformation Unit vom August 2021 vor dem Interagency Policy Committee des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses. Dieses Komitee versammelt regelmäßig die Spionagedienste Washingtons, um sich in Fragen der nationalen Sicherheit abzustimmen. Der Inhalt zeigt deutlich, wie Londons langjähriger Einsatz und Missbrauch von Sicherheits‐ und Geheimdiensten zur Verzerrung der Online‐​Wahrnehmung die Welt absichtlich in die Irre führt.

Die Präsentation, die bisher noch nie öffentlich gezeigt wurde, wurde am 10. August 2021 von Mitarbeitern der Counter disinformation unit (Abteilung zur Bekämpfung von Desinformation) gehalten. Zu diesem Zeitpunkt tagte der Nationale Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten (NSC) täglich, um die polizeiliche Überwachung und Unterdrückung pandemiebezogener Äußerungen innerhalb und außerhalb der USA zu erörtern. Die Briten wurden anscheinend eingeladen, dem Rat auf der Grundlage ihrer Erfahrungen mit der Counter disinformation unit, die 2019 gegründet wurde, Leitlinien für bewährte Verfahren zur Bekämpfung von »Desinformation« und »Fehlinformationen« vorzulegen. Die Londoner »Geheimdienstgemeinschaft«, die zunächst unter absoluter Geheimhaltung operierte, war seit ihrer Gründung von zentraler Bedeutung für ihre Bemühungen.

Der ungehinderte Zensurschub der Biden‐​Regierung während der COVID‐​19‐​Pandemie war absolut fanatisch und dreist. Die offene staatliche Überwachung der sozialen Medien hat die Durchschnittsbürger in den USA so sehr verärgert und verängstigt, dass sich sogar Mark Zuckerberg gezwungen sah, ein umfassendes Mea Culpa zu veröffentlichen. Im August gab er zu, dass hochrangige US‐​Beamte Facebook erfolgreich »unter Druck gesetzt« haben, um in diesem Zeitraum unzählige abweichende Inhalte zu entfernen, in fast allen Fällen auf völlig ungeheuerliche Weise. Der Vorstandsvorsitzende von Meta versprach wenig überzeugend, sich in Zukunft gegen ähnliche Schikanen durch die Regierung zu »wehren«.

Als weltweit führender Anbieter und Vollstrecker von Massenzensur war die britische Counter disinformation unit für die Biden‐​Regierung zwangsläufig von enormem Interesse. Doch Unterdrückung ist nur ein Aspekt des nie endenden Strebens der Abteilung – und damit auch Londons – nach Kontrolle über die Berichterstattung und nach Dominanz, sowohl online als auch offline. Wie wir sehen werden, gehören psychologische Kriegsführung, Stalking und Belästigung zum geheimen Instrumentarium der Counter disinformation unit. Die neu veröffentlichte Akte zeigt, dass der britische Geheimdienst dieses unheilvolle Credo der »Gegen‐​Desinformation« in alle Winkel der Welt exportiert.

Aufgrund der nahezu vollständigen Verschwörung des offiziellen Schweigens, das die Counter disinformation unit bis heute umgibt, bietet das Dokument einen beispiellos offenen Einblick in die Aktivitäten und die Vorgehensweise der Abteilung. Die Details sind mit Sicherheit von enormer Relevanz für ganz Europa und Nordamerika, da sich die Ranken und die Struktur der Einheit mittlerweile über die ganze Welt erstrecken. Die internationale Verbreitung dieses sehr britischen Zensur‑, Überwachungs‐ und Manipulationsmechanismus könnte durchaus dafür verantwortlich sein, dass so viele Informationsökosysteme seit der COVID‐​19‐​Pandemie zu effektiven Flügeln des angloamerikanischen nationalen Sicherheitsstaates geworden sind.

»Heimischer Widerspruch«

In der Folienpräsentation wird die Counter disinformation unit erwartungsgemäß in beschönigenden Worten beschrieben. So steht dort, dass die Abteilung »über Abteilungsgrenzen hinweg arbeitet und den Auftrag hat, in Zeiten erhöhter Risiken ein möglichst umfassendes Bild über Ausmaß, Umfang und Auswirkungen von Desinformation zu vermitteln«. Die Abteilung habe »eine operative Reaktion zur Bekämpfung von Desinformation während der Europawahlen 2019 und der britischen Parlamentswahlen 2019 eingeleitet« und sei seit März 2020 »als Reaktion auf Covid‐​19« äußerst aktiv gewesen.

Ein beigefügtes Diagramm stellt die Counter disinformation unit in den Mittelpunkt des britischen Staates und des tiefen Staates. Interne »Überwachungs«- und »Open Source«-Teams in den wichtigsten Regierungsabteilungen leiten Berichte über »Desinformation« an die Abteilung weiter, die dann »Unterstützung« von »Agenturen« erhält – ein Euphemismus für die britischen Sicherheits‐ und Nachrichtendienste – und umgekehrt, bevor sie sich mit dem Verteidigungsministerium über die »Reaktion« abstimmt. Oftmals bedeutet dies, dass Social‐​Media‐​Unternehmen angewiesen werden, Inhalte oder bestimmte Nutzer/​Konten zu drosseln oder zu löschen.

Dies könnte sich auch auf »Nicht‐​Plattform‐​Interventionen« wie »proaktive und reaktive Kommunikation« erstrecken Ihre Art wird nicht näher erläutert, aber es könnte aufschlussreich sein, dass die Counter disinformation unit eng mit der neu geschaffenen und ähnlich undurchsichtigen Government Information Cell zusammenarbeitet, um »russische Desinformation, die sich an das britische und internationale Publikum richtet, zu identifizieren und zu bekämpfen«. Die Zelle »bringt Fachwissen aus der gesamten Regierung zusammen«, darunter »Experten« für »Analyse, Desinformation sowie Verhaltens‐ und Einstellungsänderungen« aus den Sicherheits‐ und Nachrichtendiensten, und koordiniert sich direkt mit den wichtigsten Social‐Media‐Plattformen.

»Verhaltens‐ und Einstellungsänderungen« sind auch das Schlagwort der 77. Brigade. Die Einheit für psychologische Kriegsführung der britischen Armee arbeitete während der gesamten Pandemie im Gleichschritt mit der Counter disinformation unit. Die Online‐​Operationen der Brigade sind ebenso undurchsichtig wie offenbar umfangreich. Dazu gehört die Unterhaltung einer ansehnlichen Miliz aus echten, gefälschten und automatisierten Social‐​Media‐​Konten, um regierungsfreundliche Botschaften zu verbreiten und zu verstärken, während gleichzeitig die Feinde des britischen Staates, seien es inländische oder ausländische, überwacht und diskreditiert werden.

Nach dem Start der 77. Brigade im Jahr 2015 wurde von offizieller Seite wiederholt behauptet, dass die Einheit nicht nur keine Informationskriegsoperationen gegen britische Bürger durchführe, sondern dass dies auch gesetzlich verboten sei. Als der damalige britische Militärchef Nick Carter im April 2020 bekannt gab, dass die Brigade »dabei hilft, Gerüchte durch Fehlinformationen zu unterdrücken, aber auch Desinformation zu bekämpfen«, was mit der COVID‐​19‐​Pandemie zusammenhängt, weckte dies die offensichtliche Sorge, dass diese Schutzmaßnahmen verletzt werden könnten. Diese Bedenken wurden im Juni desselben Jahres von einem Armeesprecher auf stillschweigend bestätigt:

»Das [Verteidigungsministerium] hat im Rahmen der Rapid Response Unit des Cabinet Office daran gearbeitet, eine Reihe schädlicher Online‐​Narrative zu bekämpfen. Als britische Regierungsbehörde hat [die 77. Brigade] zwei Hauptzielgruppen: Regierungsbehörden und britische Bürger sowie alle anderen, die online nach zuverlässigen Informationen suchen.«

Im Januar 2023 enthüllte ehemaliger Mitarbeiter der Brigade und Whistleblower, wie die Counter disinformation unit und die 77. Brigade während des Kreuzzuges der Regierung gegen die Pandemie‐​Gegner routinemäßig langjährige innerstaatliche Gesetze und den Schutz der Zivilbevölkerung umgingen:

»Um die rechtlichen Schwierigkeiten zu umgehen, die sich aus der Überwachung von Dissidenten im Inland durch eine Militäreinheit ergeben, war man der Ansicht, dass sie, sofern in einem Profil nicht ausdrücklich ihr richtiger Name und ihre Nationalität angegeben waren, als ausländische Agenten angesehen werden könnten und vogelfrei wären. Es ist jedoch ziemlich offensichtlich, dass unsere Aktivitäten zur Überwachung der britischen Bevölkerung führten … Diese Beiträge enthielten keine unwahren oder koordinierten Informationen.«

Dabei wurden unzählige Menschen innerhalb und außerhalb Großbritanniens psychologischen Manipulationsstrategien ausgesetzt, die für den Einsatz auf Schlachtfeldern gegen feindliche Militärs entwickelt wurden. Dementsprechend wurde das Online‐​Profil eines Veteranen der 77. Brigade, der für die »Bekämpfung von Des‐ und Fehlinformationen während der COVID‐​19‐​Krise« zuständig war, direkt von einem Einsatz in Westasien übernommen, wo er »erfolgreich Strategien zur Verhaltensänderung gegen den Islamischen Staat umsetzte«.

Es waren nicht nur Durchschnittsbürger, die davon betroffen waren. Untersuchungen von Big Brother Watch deuten darauf hin, dass die Counter disinformation unit und die 77. Brigade die Online‐​Äußerungen von Ministern, gewählten Abgeordneten, Akademikern, Journalisten und Bürgern sehr genau im Auge behielten. Ihr Vergehen? Sie waren unter anderem gegen Impfpässe, kritisierten die schlechte finanzielle Unterstützung des Staates für Unternehmen, stellten die Modellierung in Frage, die zur Rechtfertigung eines zweiten Lockdowns im November 2020 herangezogen wurde, und kritisierten die NATO. Welche Reaktion sich der britische Staat in jedem einzelnen Fall ausgedacht hat, bleibt unserer Fantasie überlassen.

»Internationales Engagement«

Im April 2024 veröffentlichte der Ausschuss für Kultur, Medien und Sport des britischen Parlaments einen Bericht mit dem Titel »Misinformation and trusted voices« (Fehlinformationen und vertrauenswürdige Stimmen). Er enthielt einen vernichtenden Abschnitt über die Counter disinformation unit, in dem die Einheit als »eine der undurchsichtigsten … in der Regierung außerhalb der Sicherheitsdienste« beschrieben wurde. Obwohl Beamte aus dem Verteidigungsministerium versicherten, dass die Counter disinformation unit nicht »Einzelpersonen unter die Lupe nimmt« oder Material zensiert, sondern lediglich »Narrative identifiziert, die in einem bestimmten Bereich an Zugkraft gewinnen«, blieb der Ausschuss zutiefst misstrauisch. Er erklärte:

»Wir sind besorgt über den Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflicht der CDU und die Angemessenheit ihrer Reichweite. Wir empfehlen, dass die Regierung innerhalb der nächsten 12 Monate eine unabhängige Überprüfung der Aktivitäten und Strategie der Counter Disinformation Unit [sic] in Auftrag gibt und dem Parlament vorlegt.«

Es gibt bisher keine Anzeichen dafür, dass eine solche Überprüfung in Großbritannien eingeleitet wurde. Dennoch ist es sicherlich von höchster Dringlichkeit, dass ähnliche Untersuchungen in vielen anderen Ländern durchgeführt werden, um die Kontakte zwischen der Counter disinformation unit und ausländischen Regierungen zu beurteilen und zu ermitteln, inwieweit dies deren Vorgehen zur Unterdrückung unbequemer Wahrheiten und abweichender Standpunkte beeinflusst haben könnte. Mehrere Folien in der freigegebenen Präsentation beziehen sich auf das »internationale Engagement« der Abteilung.

Eine davon bezieht sich auf die Zusammenarbeit der Counter disinformation unit »mit Partnern zur Bekämpfung von Desinformation«. Dazu gehören der »Austausch von Ideen und Open‐​Source‐​Informationen, der Aufbau von Koalitionen, der Austausch von Erfahrungen, die Erkundung und Bereitstellung von Programmen und gemeinsamen Kampagnen sowie die multilaterale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Desinformation«. Eine andere rühmt sich des »bilateralen Engagements der Einheit mit mehr als 20 Ländern«, der »internationalen Ausbildung und Fähigkeiten« und der »gemeinsamen Arbeit« mit dem globalen Spionagenetzwerk Five Eyes.

Diese Auszüge deuten stark darauf hin, dass die Counter disinformation unit ein wichtiger Kern für westliche Regierungen ist, um gemeinsam den Online‐​Diskurs zu beeinflussen und in Fragen der nationalen Sicherheit eine einheitliche Meinung zu vertreten. Der Vorfall in Butcha könnte ein Beispiel dafür sein. Es wurde bestätigt, dass die Counter disinformation unit Online‐​Inhalte im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Massaker zensiert hat. Dass westliche Länder, allen voran Großbritannien, die mysteriösen Morde in der besetzten ukrainischen Stadt als gezielten Völkermord durch russische Streitkräfte darstellten, war entscheidend für die Sabotage fruchtbarer Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew im Mai 2022.

In diesem Zusammenhang sind die Folien über Londons »umfassendere Arbeit im Bereich der Desinformationspolitik« im Inland besonders beunruhigend. In diesen Abschnitten wird erörtert, wie die Maßnahmen der Counter disinformation unit mit einem umfassenderen nationalen Rechtsrahmen interagieren, der es den Behörden ermöglicht, »gegen Unternehmen vorzugehen, die sich nicht an die Online‐​Sprachregelungen der Regierung halten«, während sie mutmaßliche Verbreiter von »Desinformation« verfolgen und bestrafen. Der Inhalt ähnelt einer Verkaufsbroschüre, in der die Vorteile dieser restriktiven Gesetze und weitreichenden Befugnisse dargelegt werden und Partnerstaaten ermutigt werden, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen.

Eine beigefügte Karte zeigt die Auslandsbeziehungen der Counter disinformation unit zu Ländern in ganz Europa und Nordamerika und sogar so weit entfernten Ländern wie Kolumbien. Wenn Regierungen von Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren drakonische Maßnahmen ergriffen haben, um die angebliche Plage der »Desinformation« zu bekämpfen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie dabei nach einem vom britischen Geheimdienst ausgearbeiteten Drehbuch vorgegangen sind und dies auch heute noch tun.

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Zuerst in englisch erschienen auf Kit Klarenbergs Substack Global Delinquents

Bild: Folie aus thematisierter Präsentation

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