Wenn wir uns in unseren unmittelbaren Umgebungen umschauen, all die Dinge betrachten, die wir nutzen und essen, wenn wir an uns selbst herunterschauen, die Dinge betrachten, die wir am Leib tragen, und fragen: »Wer hat wo für all das gearbeitet?«, liegt die Antwort nah und fern. Die meisten Dinge unseres Alltags sind im Wortsinn Menschheitswerk.
Teilen wir die Menschheit in eine des »Globalen Nordens« und eine des »Globalen Südens« auf, wird fassbar, dass wir einen großen Teil dieser Dinge der Mühe von Arbeiterinnen und Arbeitern des Globalen Südens verdanken. Sie haben den Kaffee geerntet, den wir trinken, vermutlich die Kaffeemaschine gemacht, in der wir ihn zubereiten, unsere T‑Shirts und Schuhe produziert, das Notebook oder Handy hergestellt, das wir gerade verwenden, viele der dafür nötigen Rohstoffe aus der Erde gebuddelt, die meisten Schiffe gebaut, auf denen Lebensmittel, Klamotten, Haushalts‐ und IT‐Geräte zu uns gebracht werden …
Im Juli 2024 erschien in der bürgerlich‐renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature Communicatons eine Studie, nach der die Menschen im Globalen Norden für etwa 46 Prozent dessen, was sie konsumieren, in Arbeitsstunden gerechnet, keinen Gegenwert leisten.
In der Studie – »Unequal exchange of labour in the world economy« (Ungleicher Tausch von Arbeit in der Weltwirtschaft) von Jason Hickel, Morena Hanbury Lemos und Felix Barbour (Nature Communications 15, 6298 /2024) – heißt es:
»Im Jahr 2021 importierte der Globale Norden 906 Milliarden Stunden vergegenständlichter Arbeit aus dem Süden und exportierte im Gegenzug nur 80 Milliarden Stunden (ein Verhältnis von 11:1). Im Durchschnitt des gesamten Zeitraums importierte der Norden 15 mal mehr Arbeitsleistung aus dem Süden als er im Gegenzug exportierte. Mit anderen Worten: Der Norden eignet sich netto große Mengen Arbeit aus dem Süden an. Diese Nettoaneignung findet in allen Qualifikationskategorien statt, auch bei hochqualifizierter Arbeit. Im Durchschnitt importiert der Norden 4 mal mehr hochqualifizierte Arbeit aus dem Süden als er exportiert, zusammen mit 17 mal mehr mittelqualifizierter und 29 mal mehr geringqualifizierter Arbeit. […]
Der […] ungleiche Tausch von Arbeit lässt sich nicht durch sektorale Unterschiede erklären. […] Im Durchschnitt importierte der Norden 120 mal mehr landwirtschaftliche Arbeit als er exportierte, 110 mal mehr Arbeit aus dem Bergbau, 11 mal mehr Arbeit aus dem verarbeitenden Gewerbe und 6 mal mehr Arbeit aus dem Dienstleistungssektor.« (S. 3 – unautorisiert übersetzt)
Der ungleiche Tausch, so die Studie, werde letztlich von den Unternehmen und Investierenden, die die Lieferketten kontrollieren, und von den Staatsapparaten, die Handels‐ und Finanzierungsbedingungen festlegen, betrieben. Dazu gehören (in der Studie nicht so ausgemalt): durch Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds erzwungene neoliberale »Strukturanpassungsmaßnahmen« zu Gunsten multinationaler Konzerne; Rückbau öffentlicher Dienstleistungen; Übergaben von Großprojekten an Konzerne des Globalen Nordens zu Korruptionspreisen; Zölle; Nötigungen zu exportorientierten Produktionen in Bereichen hoher Weltmarktkonkurrenz und damit Preiskonkurrenz; Eingliederung von Produktionen des Globalen Südens in globale Lieferketten mit monopolistischen Preisfestlegungen; in US‐Dollar oder Euro zu bedienende Zinsforderungen, wodurch die Nachfrage nach diesen Währungen steigt, und anderes mehr.
Einzelheiten
Die Berechnungen der Studie umfassen die Jahre 1995 bis 2021. Zur Definition des »Globalen Nordens« diente eine Liste der »fortgeschrittenen Ökonomien« des Internationalen Währungsfonds. Aufgrund der Struktur der wirtschaftlichen Quelldaten wurde diese Liste etwas geändert. Sie umfasst: USA, Vereinigtes Königreich, Kanada, Australien, Norwegen, Österreich, Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Finnland, Schweden, Schweiz, Japan, Südkorea, Estland, Spanien, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Malta, Portugal, Slowenien, Slowakei, Taiwan, Zypern und die Tschechische Republik. Der »Globale Süden« enthält den Rest der Welt, darunter einige Gebiete, die eigentlich als »fortgeschrittene Ökonomien« zum »Globalen Norden« zu rechnen wären, zum Beispiel Singapur und Hongkong. Dadurch wird das Ausmaß des ungleichen Tauschs zwischen Norden und Süden etwas untertrieben.
Für den Globalen Süden, dessen Bevölkerung erheblich größer ist als die des Nordens, bedeutet der ungleiche Tausch, so die Studie, einen Verlust von 9 bis 16 Prozent seiner Arbeitskapazität.
Die »Qualifikationskategorien« der Arbeit wurden nach dem Standard der Internationalen Arbeitsorganisation (ILU) gebildet, grob zusammengefasst:
- »unqualifiziere Arbeit«: »ungelernte« Arbeit
- »mittelqualifizierte Arbeit«: Arbeit in Ausbildungsberufen sowie in Service und Verkauf
- »hochqualifizierte Arbeit«: Arbeit in Hochschul‐/Universitätsberufen, Managementpositionen
Die wirtschaftlichen Quelldaten stammen aus der EXIOBASE, einem von der EU‐Kommission finanzierten Datenbank‐Projekt, das von europäischen Wissenschaftsorganisationen und einem Thinktank für »nachhaltige« Wirtschaftsentwicklung in Europa betrieben wird. Die Datenbank fasst feingliedrig nach Produktionszweigen unterschiedene Wirtschaftsdaten der statistischen Ämter der Nationen der Welt seit 1995 zusammen. Sie enthält nach den drei »Qualifikationskategorien« unterteilte Arbeitszeiten – bezeichnenderweise in einer Kategorie »impacts« (»Auswirkungen«) zusammen mit Wasserverbrauch und »Treibhausgas«-Emissionen. An den EXIOBASE‐Daten wird statistisch herumgedoktert, z.B. um von den Nationen angegebene Auto‐Einfuhrmengen an die von anderen Nationen angegebenen Auto‐Ausfuhrmengen anzugleichen oder auch, um fehlende Daten einer Nation mit Durchschnittsdaten aus anderen Nationen aufzufüllen. Es handelt sich also um Schätzungen, die allerdings genauer hinzubekommen kaum möglich wäre.
Weitere Ergebnisse der Studie:
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Von 1995 bis 2005 nahm die Ausbeutung des Globalen Südens zu, von 2005 bis 2015 ab und seither wieder zu. Dies korrespondiert mit Lohnentwicklungen im Globalen Süden, die zwischen 2005 bis 2015 näher an die Löhne im Globalen Norden heranrückten. Seither bleibt der Lohnabstand ungefähr gleich. Die zunehmende Ausbeutung seit 2015 wird mit steigenden Handelsvolumen erklärt.
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Die Netto‐Zuflüsse von Arbeitsleistung in den Globalen Norden stammen zu etwa einem Sechstel aus China.
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Leisteten die Arbeiterinnen und Arbeiter des Globalen Nordens die aus dem Süden angeeignete Arbeit selbst, wären ihnen jährlich rund 17 Trillionen Euro zusätzliche Löhne zu zahlen (Euros mit Stand von 2005 inflationsbereinigt), entsprechend ungefähr 825 Milliarden Arbeitsstunden. Oder andersherum gesehen: den Arbeiterinnen und Arbeitern des Globalen Südens werden 17 Trillionen Euro Lohnzahlungen vorenthalten.
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Die Löhne im Globalen Süden liegen auf allen drei Qualifikationsniveaus um rund 90 Prozent niedriger als ihre Entsprechungen des Globalen Nordens. Löhne für »hochqualifizierte Arbeit« im Globalen Süden erreichen 68 Prozent des Niveaus der Löhne für »unqualifizierte Arbeit« im Globalen Norden. Als Maß dieses Vergleichs diente die Kaufkraft der Währungen auf dem Weltmarkt. Die Lohnunterschiede spiegeln damit nicht unbedingt Unterschiede im konkreten Lebensniveau wider. Dazu wären u.a. die Miethöhen und Kosten inländisch produzierter Lebensmittel relativ zu den Löhnen zu vergleichen. Am ungleichen Tausch von Arbeitsstunden ändert das nichts.
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Die Lohneinkommen entsprachen 2017 bis 2021 weltweit durchschnittlich knapp 52 Prozent der Bruttoinlandprodukte (BIP) der jeweiligen Nationen. In den 1990er Jahren waren es noch knapp 54 Prozent. Im Globalen Norden liegen die durchschnittlichen Lohneinkommen bei 54,7 Prozent des BIP, im Globalen Süden bei 47,5 Prozent des BIP.
Das Ausmaß der Ausbeutung des Globalen Südens lässt sich laut der Studie weder durch Technologie‐ noch durch Produktivitätsunterschiede erklären.
Zur Technologie heißt es in der Studie:
»[U]nsere Ergebnisse bezüglich der Abhängigkeit des Nordens von hochqualifizierten Arbeitskräften des Südens werden von Aussagen der Vorstandsvorsitzenden großer Unternehmen bestätigt, die behaupten, die für ihre Produktion erforderliche Menge an hochqualifizierten Ingenieur:innen stehe in den Kernstaaten nicht zur Verfügung, so dass diese Produktionen im Ausland durchgeführt werden müsssen. Der frühere CEO von Apple, Steve Jobs, stellte fest, dass sein Unternehmen 30.000 Ingenieur:innen benötige; wie er es ausdrückte: ›So viele kann man in Amerika nicht einstellen‹. Laut dem derzeitigen CEO Tim Cook ist die Produktion von Apple auf große Mengen hochqualifizierter Arbeitskräfte in China für fortschrittliche Technik, Werkzeuge und Innovationen angewiesen ist. ›In den USA könnte man ein Treffen von Werkzeugbauingenieur:innen veranstalten, und ich bin mir nicht sicher, ob wir den Raum füllen könnten. In China könnte man mehrere Fußballfelder füllen«.
Bereits 2010 lebten mindestens 79 Prozent der Industriearbeiter:innen der Welt im Globalen Süden. Etwa 70 Prozent der Exporte des Globalen Südens sind Industrieerzeugnisse.
Zu Produktivitätsunterschieden nennen die Studie und ein dazugehörender Anhang unter anderem folgende Aspekte:
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Industrieproduktionen im Globalen Süden erfolgen zumeist mit modernen Technologien, oft von multinationalen Kapitalen bereitgestellt.
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Pro Stunde erzeugen die Arbeitenden des Globalen Südens gleich viel oder mehr Waren vergleichbarer Art als die des Globalen Nordens. So stellte beispielsweise eine Untersuchung von 1992 beim Vergleich von Mexiko mit den USA fest: in Mexiko sind Metallarbeiter:innen um 40 Prozent pro Stunde produktiver als in den USA. Elektronikarbeiter:innen sind um 10 bis 15 Prozent und Näher:innen um 30 Prozent pro Stunde produktiver als in den USA. Dies ist oft auf härtere Regime der Arbeitskontrolle zurückzuführen.
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In den Fällen, in denen die Exportindustrien des Südens mit weniger effizienten Technologien arbeiten, sind die Produktivitätsunterschiede nur für einen kleinen Teil des Lohngefälles zwischen Nord und Süd und der Nettoaneignung von Arbeit verantwortlich. Der springende Punkt ist, dass Unternehmen des Nordens sich nicht pauschal deshalb für Arbeitskräfte aus dem Süden entscheiden, weil die Stundenlöhne niedriger liegen, sondern weil die Löhne pro erzeugter Einheit physischer Produktion niedriger liegen. Durch niedrige Löhne motivierter Nichteinsatz arbeitssparender Technologien bedeutet, »mehr Arbeitskraft zur Produktion für den internationalen Handel einzusetzen, als dies bei einem rationelleren und gerechteren Einsatz der Technologie erforderlich wäre, wodurch wichtige Produktionskapazitäten verloren gehen, die zur Herstellung von Waren und Dienstleistungen eingesetzt werden könnten, die dem lokalen Wohlergehen und der lokalen Entwicklung dienen könnten.«
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Für viele Produktkategorien aus dem Süden gibt es kein Gegenstück im Norden, weil sie dort nicht produziert werden, z.B. Kaffee, Coltan und Smartphones. Produktivitätsunterschiede zwischen Süden und Norden liegen in solchen Fällen nicht vor. Generelle Produktionstransfers vom Norden in den Süden, wie sie zum Beispiel bei Textilien und bei elektrotechnischen Geräten stattfanden, sind mit enormen Preissenkungen verbunden.
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Zur Einschätzung der Produktivität greifen konventionelle Studien häufig auf die Kategorie der »Wertschöpfung« (»value‐added«) zurück. Doch gerade sie verbirgt den Einfluss der Lohnunterschiede, indem sie Anlässe für »Wert«-Steigerungen in die »Produktivität« untermischt, die nichts mit der Produktion zu tun haben. Die Verwendung des Begriffs »Wertschöpfung« als einfaches Maß für Produktivität führt zu absurden logischen Konsequenzen, wie etwa der, dass ein Friseur in den Vereinigten Staaten 30 mal produktiver ist als ein Friseur in Indien, auch wenn beide die gleiche Anzahl von Haarschnitten pro Stunde »produzieren« (A.M. Fischer: Beware the Fallacy of Productivity Reductionism, Eur J Dev Res 23/2011, 521 – 526).
Auswirkungen
Dass die Ausbeutung des Globalen Südens auf ihr Ende zusteuert, zeichnet sich ab: an BRICS+ und damit verbundenen Währungs‐ und Kreditpolitiken; an den Geschehnissen in Burkina Faso, Mali und Niger; am weitgehenden Scheitern der euroatlantischen anti‐russischen und anti‐iranischen Sanktionen; an der aggressiver werdenden Außenpolitik Deutschlands und anderem mehr.
In Deutschland und anderen EU‐Ländern basiertes Kapital ist dabei alles andere als ein »Vasall« der USA. Seine Partnerschaft mit den USA, ihrer Soft‐ und Hardpower, ist die Voraussetzung dafür, dass weiterhin Zugewinne in die EU fließen. Auf sich allein gestellt setzt die EU kaum mehr afrikanische Kleinstaaten unter Druck und könnte nichts gegen den wachsenden Einfluss insbesondere Chinas und Russlands in »weniger entwickelten« Ländern ausrichten, der die EU‐Zugewinne gefährdet.
Die jetzige Situation im Globalen Norden ist noch geprägt von Zeiten üppiger Zugewinne:
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Abbau des traditionell aufmüpfigeren Industrieproletariats zugunsten des Handels‐ und Finanzsektors, verwaltungstechnischer Jobs, Gesundheits‐ und Wohlstandsdienstleistungen
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große Spreizung der Lohneinkommen, bei denen sich das mittlere Drittel – die Hauptstütze der Gewerkschaften – gelassener Systemgläubigkeit hingeben konnte und das ärmere Drittel genug bekam, um ruhig zu bleiben. Bis heute findet es Schlechtergestellte zum drauf Herumtrampeln, zum Beispiel, nachdem es den Rückgang des öffentlichen Wohnungsbaus und die Privatisierung ganzer Stadtviertel nahezu widerstandslos geduldet hat und bevor es öffentliche Wohnungsbauprogramme fordert, in Container und Hotelzimmer gestopfte Neuankömmlinge, die »uns« die noch bezahlbaren Wohnungen wegnehmen.
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Abfederung der für den Kapitalismus typischen Konjunkturkrisen durch Aufrechterhaltung eines gewissen Konsumtionsniveaus; Verschiebung von Krisenwirkungen und Aufstandspotenzial in den Globalen Süden
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auf der Linken: Glaube an die Möglichkeit eines friedlichen »sozialstaatlichen« Kapitalismus; auf der Rechten: Glaube an die Möglichkeit eines friedlichen »freiheitlichen« Kapitalismus, der letztlich allen nützt; beide im Chor: »schaffendes« Kapital ist gut, »raffendes« Kapital böse
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Herausbildung eines wirk‐lichen, nicht nur indoktrinierten, nationalen Interesses – nämlich an der Aufrechterhaltung der Zugewinne, begleitet von entsprechenden Weltanschauungen: Überlegenheit der Weißen, der eigenen Kultur etc. pp.
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(abgesehen von militärisch‐offen und politfinanziell‐verdeckt erzeugter Einwanderung) wirtschaftlich motivierte Einwanderung aus dem Globalen Süden, die unter den Bedingungen der vorigen Punkte eher Spaltungen und Schwächungen der Proletariate des Globalen Nordens mit sich bringt als gemeinsame Kämpfe und internationale Solidarität.
Die Studie, die solche Auswirkungen nicht thematisiert, deutet an, was im Globalen Norden passieren könnte, sollte die Ausbeutung des Südens einem fairen Handel Platz machen:
»Um den gegenwärtigen Konsum aufrechtzuerhalten, müsste die Bevölkerung des Nordens ihre Arbeitszeit erheblich verlängern (und gleichzeitig wesentlich mehr Land, Material und Energie für die Produktion einsetzen) […] Es ist plausibel, dass die Menschen es vorziehen würden, auf bestimmte Arten der Produktion zu verzichten (z.B. auf die Produktion von Gütern für den Konsum der Elite) oder auf Formen der Versorgung umzusteigen, die weniger Arbeit erfordern (z.B. öffentliche Verkehrsmittel anstelle von Privatfahrzeugen).«
Plausibel wäre es auch, wenn sich die gegenwärtige Einkommensspreizung im Globalen Norden nicht mehr aufrecht erhalten ließe. Das ärmste Drittel der Bevölkerungen würde bei Ausfall des Zugewinns aus dem Süden ohne deutliche Umverteilungen ärmer werden als es sich überlebenstechnisch gefallen lassen könnte.
Doch nicht nur das: Der Kapitalismus als Wirtschaftsweise würde in eine Dauerkrise zunehmender Verelendung und Selbstzerfleischung versacken, wenn nicht effektvoll zusammenkrachen. Zur Erkärung, die Rosa Luxemburg aus dem Marxschen Mehrwertbegriff ableitete, siehe zum Beispiel »Instant‐Marx«.
Sollte an der Erklärung was dran sein, blieben bei Wegfall der Zugewinne aus dem Globalen Süden ohne Übergang zu sozialistischen, von den Arbeitenden kontrollierte gebrauchswertorientierte Produktionsweisen zumindestens in den Hauptbereichen der Produktion, kombiniert mit einem Übergang zu einem geeigneten Geldwesen, nicht viele Möglichkeiten. Die Gesellschaften des Globalen Nordens tasten sich, falls das nicht schon untertrieben ist, an sie heran:
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Produktionseinstellungen mangels Profitabilität bei abschmelzenden sozialstaatlichen Abfederungen. Also Diktatur und perspektivisch Massensterben.
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Kriege im Bemühen, Zugewinne aus dem Globalen Süden zu sichern bzw. wieder herzustellen. Also ebenfalls Diktatur und Massensterben – zur Rettung der Demokratie, versteht sich.
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Neofeudalismus bzw. Faschismus 2.0, bei dem die superreiche Oligarchie durch Instrumentalisierung der Staatsapparate ihr Eigentum an Produktionsmitteln dem Wertgesetz entzieht und das Eigentum an Produktionsmitteln kleinerer Kapitale, das dem Wertgesetz noch unterworfen ist, untergeht oder in die Hände der superreichen Oligarchie übergeht. Also Diktatur und günstigenfalls geordnetes Massensterben – für unsere Gesundheit und zur Rettung des Klimas, versteht sich.
Vom Globalen Norden aus ist Massensterben vorerst nur im Fernsehen sichtbar. Viele scheint das eher in Illusionen hinein als heraus zu treiben. Bleibt zu hoffen, dass die Zeiten der üppigen Zugewinne im Globalen Norden genügend Anspruchshaltung und Verweichlichung erzeugten, um dessen Proletariate wenigstens ab dem Massensterben im Nahseh‐Bereich zu einer frühzeitigen Desillusionierung zu motivieren.
Bild: Bergleute einer Kupfermine in Chile 2007, Wikimedia | National Institute of Public Health of Chile