Warum das Bündnis Sahra Wagenknecht keine Friedenspartei ist

Ist das Bündnis Sahra Wagenknecht eine Friedenspartei? Ich denke eher nicht. Hierfür gibt es zahlreiche Anzeichen. Zunächst einmal wäre da das Wagenknechtultimatum an Russland zu nennen. Im Europawahlprogramm des BSW – dem einzigen Programm, das existiert – heißt es auf Seite 15 explizit zum Ukrainekrieg:

»Wir fordern einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Um Russland zur Aufnahme von Verhandlungen zu motivieren, sollte für diesen Fall der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine angeboten werden.«1

Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn Russland auf Wagenknechts Forderung nicht eingeht, ist auch sie für Waffenlieferungen an die Ukraine. Eine solche Weigerung ist abzusehen, denn Deutschland kann weder einen Waffenstillstand der Ukraine gegenüber Russland garantieren, noch die Einstellung der Waffenlieferungen der anderen Länder an sie einschließlich der USA. Erst recht kann Deutschland nicht verhindern, dass die Ukraine nach einem Waffenstillstand bis zur Halskrause aufgerüstet wird, um den Krieg später fortzusetzen.

Deutlich wird an dieser Forderung, dass Wagenknecht genauso wie alle anderen Mainstreamparteien die Sicherheitsbedürfnisse Russlands komplett ignoriert. Für Russland wäre eine Ukraine als Mitglied der NATO aus verschiedenen Gründen eine tödliche Bedrohung.

Ursprünglich dachte ich noch, diese Formulierung sei einfach nur Wagenknechts Arroganz und der Überschätzung ihrer Handlungsmöglichkeiten geschuldet. Angesichts zahlreicher anderer hintergründiger Formulierungen im Programm zum Beispiel zum Verbrennerverbot2 denke ich inzwischen: in Wirklichkeit ist Wagenknecht auch für Waffenlieferungen an die Ukraine und will Russland nur den Schwarzen Peter zuschieben. Das ist propagandamäßig nur etwas geschickter als die Brachialmethode der anderen Mainstream‐​Parteien und der Medien, die bei vielen Menschen nicht mehr gut ankommt.

Dafür spricht auch ihr Koalitionsangebot an die Kriegspartei CDU in Thüringen und Sachsen3 bei gleichzeitiger strikter Ablehnung einer irgendwie gearteten Zusammenarbeit mit der AfD. Bekanntlich will die CDU nach den Worten ihres militärpolitischen Sprechers Roderich Kiesewetter den Krieg nach Russland tragen und den Taurus an die Ukraine liefern, was Deutschland definitiv zur Kriegspartei machen würde.

Wagenknechts kürzliche Rücknahme dieser allzu plumpen Anbiederung an die CDU hat wohl nur wahltaktische Gründe und ist nicht ernst gemeint. Denn sie hat nach den Wahlen faktisch nur die Wahl für eine Koalition mit der Kriegspartei CDU oder der AfD. Mit letzterer Partei will sie aber definitiv nicht zusammenarbeiten.

Sind diese Befürchtungen übertrieben und wortklauberisch? Vielleicht, aber ein grundsätzliches Misstrauen ist angebracht. Hat doch die Linke, die Vorgängerpartei des BSW, über Jahrzehnte ein Friedensgesäusel angestimmt, nur um damit zu enden, dass sie Vertreterinnen der schrillen ukrainischen Poplinken für ihre russophoben Tiraden auf Parteitagen stehende Ovationen gab und die inzwischen Sanktionen gegen Russland befürwortet. Nur zur Erinnerung: Es handelt sich hierbei um die schärfsten Wirtschaftssanktionen, die je gegen ein Land verhängt wurden. Sie sollen Russland ruinieren. Manche Linkenpolitiker fordern inzwischen auch Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Linke ist also eine Partei, die nichts aus der Geschichte gelernt hat, zum Beispiel aus der deutschen Hungerblockade gegen Leningrad, der rund eine Million Menschen zum Opfer fielen.

Demgegenüber spricht die AfD Russlands Sicherheitsbedürfnisse durchaus an und befürwortet eine neue multipolare Weltordnung, soweit so etwas im deutschen Polizeistaat überhaupt noch sagbar ist. Ein Beispiel hierfür ist die Rede, die der AfD‐​Bundestagsabgeordnete Rainer Rothfuß kürzlich in Ansbach gehalten hat.4 Er berichtet darin auch, dass der bekennende Marxist Rainer Rupp5 wegen ihrer Friedenspolitik ein Fan der AfD geworden ist (Min. 11:30). Rupp ist zuzustimmen, wenn er feststellt, dass die AfD friedenspolitisch die am weitesten links stehende Partei im Deutschen Bundestag ist. Was natürlich nichts daran ändert, dass andere Programmpunkte der AfD gruselig und strikt abzulehnen sind.

Insgesamt macht die AfD in der Friedensfrage klare und nachvollziehbare Aussagen ohne Hintergedanken und Herumeiern. Sie ist für einen Frieden mit Russland, weil das im deutschen ökonomischen Interesse liegt. Eine überbordende Moral spielt bei ihr im Gegensatz zu den anderen Parteien keine Rolle. Da Frieden auch im Interesse derjenigen deutschen Kapitalfraktion ist, die die AfD finanziert, dürfte die Aussage ernst gemeint sein.

Ob das BSW eine Friedenspartei ist oder nicht, wird sich letztlich an ihren Handlungen zeigen. Eine Koalition oder sonstige Zusammenarbeit (zum Beispiel Tolerierung) mit der CDU nach den ostdeutschen Wahlen würde in dieser Frage negative Klarheit schaffen.

Es spricht nicht für Wagenknecht, dass sie eine Zusammenarbeit mit der AfD noch nicht einmal versuchen will, obwohl es in der Friedensfrage angeblich große Gemeinsamkeiten gibt. Eine solche Zusammenarbeit kann aus anderen Gründen immer noch scheitern, zum Beispiel, weil die AfD nicht vom Sozialabbau lassen will. Aber Wagenknecht lehnt solche Verhandlungen strikt ab, weil die AfD »rechts« sei. Damit hat sie sich der Definitionsmacht des Mainstreams unterworfen, mit wem sie zusammenarbeiten darf und mit wem nicht. Das sind wahrlich keine guten Voraussetzungen dafür, in Deutschland etwas zu ändern, was zwangsläufig den herrschenden internationalen Kapitalfraktionen weh tun würde.

Verweise

2 Scheinbar ist Wagenknecht gegen das Verbrennerverbot, de facto befürwortet sie es, was aber durch eine geschickte Formulierung kaschiert wird (EU‐​Wahlprogramm, S. 9).

4 Rainer Rothfuß: USA? So will die AfD Deutschland unabhängig machen!, YouTube, 29.07.2024, im Internet: https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​O​X​I​N​m​G​R​r​vic, abgerufen am 02.08.2024.

5 Rainer Rupp war Kundschafter des MfS bei der NATO und hat in dieser Funktion durch seine Berichte in der Ryan‐​Able‐​Archer‐​Krise 1983 höchstwahrscheinlich einen Atomkrieg verhindert.

Bild: Wahlplakat des BSW zur Europawahl 2024

3 thoughts on “Warum das Bündnis Sahra Wagenknecht keine Friedenspartei ist

  1. Das ist aus meiner Sicht eine grobe Fehlanalyse mit falscher Schlussfolgerung. Wagenknecht hat, ich weiß nicht mehr in welcher Talkshow gesagt, dass sie sich an den Bedingungen Russlands für einen Waffenstillstand, die Putin in jüngster Vergangenheit genannt hat, orientieren würde. Ich glaube bei Meybrit Illner.

    1. Sahra Wagenknecht sagt viel, wenn der Tag lang ist, auch in ihren Besseren Zeiten hat sie sich anders geäußert. Parteiprogramme haben aber einen ganz anderen Stellenwert. Es liegt in ihrer Verantwortung, diese wasserdicht zu formulieren, dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Das ist doch kein Hexenwerk. Die AfD bekommt sowas auch hin.

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