1. Lenins »Testament«
Eines der häufigsten Argumente, die Trotzkisten gegen den Marxismus‐Leninismus vorbringen, ist, dass Lenin in seinem »Testament« »befohlen« habe, Stalin von seinem Posten zu entfernen. Es wird auch oft behauptet, Lenin habe sogar gewollt, dass Stalin durch Trotzki als zukünftigen Parteiführer ersetzt werde. Tatsächlich könnte dies nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Was Lenin tatsächlich sagte:
»Stalin ist zu grob, und dieser Mangel, der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten durchaus erträglich ist, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte, und jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder Hinsicht von Gen. Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet, nämlich dadurch, daß er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer, weniger launenhaft usw. ist.«
Achten Sie genau darauf, was gesagt wird: A) Stalin ist zu »unhöflich« B) er sollte durch eine hypothetische Person ersetzt werden, die mit ihm identisch ist, aber weniger unhöflich.
- Lenin hatte keine diktatorische Kontrolle über diese Frage. Der Brief war lediglich ein Vorschlag. Der Parteitag zog ihn in Erwägung, stimmte aber dafür, Stalin in seinem Amt zu belassen. Selbst Trotzki und Sinowjew stimmten zugunsten Stalins.
Wie Trotzki hervorhob: »Der Parteitag widmete diesem und den anderen Briefen die größte Aufmerksamkeit und zog die entsprechenden Schlussfolgerungen.« Dazu später mehr.
2) Stalin war der Generalsekretär, aber nicht der Führer der Partei. Lenin war der Führer. Lenin wollte nicht, dass Stalin von der Position des »Parteiführers« entfernt wird, weil er kein solcher war.
3) Lenin sagte nichts darüber, Trotzki an Stalins Stelle als Führer oder als Generalsekretär zu setzen.
Die Idee, wonach Lenin wollte, dass Trotzki Stalin als »den Führer« ersetze, wurde von einem amerikanischen Trotzkisten, Max Eastman, in seinem Buch vorgestellt. Das ist ein Märchen. Dies ist, was Trotzki selbst über das Buch sagte:
»Eastman irrt erneut, wenn er behauptet, Genosse Lenin habe mir den Posten des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare und des Rates für Arbeit und Verteidigung angeboten. Davon höre ich zum ersten Mal aus Eastmans Buch (Trotzki, »Brief zum Buch von Eastman«).«
4) Lenin schlug nur vor, Stalin von seinem Posten als Generalsekretär zu entfernen, sagte aber kein Wort darüber, dass er von einem anderen seiner Posten oder aus dem Zentralkomitee oder Politbüro entfernt werden sollte.
Erste Schlussfolgerung: Lenin wollte nicht, dass Stalin aus den Machtpositionen entfernt oder durch Trotzki ersetzt wird. Er beklagte sich über Stalins Unhöflichkeit, sagte aber, er solle durch jemanden ersetzt werden, der genauso sei, nur weniger unhöflich. Eine solche Person gab es nicht, abgesehen von Stalin selbst.
Die naheliegende Frage lautet: Warum schlug Lenin die Entfernung Stalins von diesem speziellen Posten vor?
Im Jahr 1922 erlitt Lenin einen Schlaganfall und war zur Einstellung seiner politischen Arbeit gezwungen. Er schrieb weiter und verfasste sogar bedeutende Werke wie »Über das Genossenschaftswesen«, in dem er sich für die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Land aussprach. Sein Zustand verschlechterte sich jedoch, er erlitt einen weiteren Schlaganfall und war fortan an den Rollstuhl gefesselt. Er versuchte dennoch, mit der Politik in Kontakt zu bleiben und diktierte mehrere Briefe und andere Dokumente, bis er schließlich die Fähigkeit zu sprechen verlor.
Doch was hat es mit der Unhöflichkeit auf sich? Stalin wurde vom Zentralkomitee (Stalin, Trotzki, Dserschinski, Kalinin, Molotow, Bucharin, Sinowjew und andere) die Verantwortung für Lenins Gesundheit übertragen. Die Ärzte ordneten an, dass Lenin sich nicht in der Politik engagieren dürfe, da er Stress vermeiden müsse. Außerdem wurde ihm die Lektüre politischer Dokumente untersagt.
Lenin gefiel das überhaupt nicht, obwohl er scherzhaft zu Stalin sagte: »Ich darf keine Zeitungen lesen»und »ich darf nicht über Politik reden. Ich vermeide sorgfältig jedes Stück Papier, das auf dem Tisch liegt, damit es sich nicht als Zeitung entpuppt und zu einem Verstoß gegen die Disziplin führt (Genosse Lenin auf Urlaub, Notizen).«
Als sich sein Zustand verschlimmerte, wurde er immer unruhiger und frustrierter. Stalin war ständig anwesend, um sicherzustellen, dass er keine politische Arbeit verrichtete. Lenin bat schließlich seine Frau Nadeschda Krupskaja und seine Schwester Marija Uljanowa, ihm politische Dokumente zuzuschmuggeln, was sie entgegen der Anweisung der Ärzte auch taten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies der Grund dafür war, dass Lenin sich über Stalin aufregte und wahrscheinlich aufgrund seines schweren Zustands emotional nicht gefestigt war.
Man beachte, dass der Teil, in dem Lenin Stalins Unhöflichkeit kritisiert, ein späterer Zusatz zu Brief II war. In dem ursprünglichen Brief sagte er nichts über Stalins Unhöflichkeit. Da er Stalin seit Jahren kannte, erscheint es seltsam, dass er plötzlich so besorgt über seine Umgangsformen war, es sei denn, es lag an seiner Krankheit.
Ich denke, es lohnt sich, die Meinung von Lenins Schwester Maria zu hören:
»Es gab einen Vorfall zwischen Lenin und Stalin, den Genosse Sinowjew in seiner Rede erwähnt und der sich kurz vor dem Verlust der Redegewalt von Iljitsch (März 1923) ereignete, aber er war völlig persönlich und hatte nichts mit Politik zu tun. Genosse Sinowjew wusste das sehr gut, und es war absolut unnötig, ihn zu zitieren. Dieser Vorfall ereignete sich, weil das Zentralkomitee auf Verlangen der Ärzte Stalin damit beauftragte, darüber zu wachen, dass Lenin in dieser Zeit seiner schweren Krankheit keine politischen Nachrichten erreichten. Dies geschah, um ihn nicht zu beunruhigen und um seinen Zustand nicht zu verschlechtern; er (Stalin) schimpfte sogar über seine Familie, weil sie diese Art von Informationen weitergegeben hatte. Iljitsch, der zufällig davon erfuhr und der sich auch immer Sorgen um ein so starkes Schutzregime machte, schimpfte seinerseits mit Stalin. Stalin entschuldigte sich und damit war der Vorfall erledigt. Was soll man dazu sagen – wenn Lenin in dieser Zeit nicht so schwer krank gewesen wäre, hätte er anders auf den Vorfall reagiert, wie ich angedeutet hatte. Es gibt Dokumente zu diesem Vorfall, und auf erstes Verlangen des Zentralkomitees kann ich sie vorlegen.
Auf diese Weise bestätige ich, dass das ganze Gerede der Opposition über Lenins Verhältnis zu Stalin nicht der Realität entspricht. Diese Beziehungen waren sehr eng und freundschaftlich und blieben es auch (26. Juli 1926. M. Uljanowa.).«
Ich bin geneigt, Maria Uljanowa zu glauben, die wahrscheinlich die objektivste Quelle war, die man sich zu diesem Thema vorstellen kann.
Es ist erwähnenswert, dass Krupskaja (Lenins Frau) eine langjährige Genossin Stalins war, die damals Sinowjew unterstützte, obwohl sie keine Anhängerin Trotzkis war. Hier ist Krupskaja über Trotzki im Jahr 1925:
»Die marxistische Analyse war nie die Stärke des Genossen Trotzki.«
»…wenn ein Genosse wie Trotzki, wenn auch unbewusst, den Weg der Revision des Leninismus beschreitet, dann muss die Partei eine Erklärung abgeben (N. Krupskaja, »Die Lehren des Oktobers«, in: Die Fehler des Trotzkismus).«
Es ist erwähnenswert, dass Sinowjew und Kamenew zwischen dem Trotzkismus und dem Leninismus schwankten und sich 1925 gegen Trotzki stellten, während sie 1926 auf seine Seite wechselten.
Zweite Schlussfolgerung: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Lenin Stalin nur aufgrund seiner schweren Krankheit kritisierte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese ihn dazu veranlasste, sich über Stalins tatsächliche oder eingebildete Unhöflichkeit übermäßig Sorgen zu machen. Trotz der Tatsache, dass Krupskaja zu dieser Zeit keine Anhängerin von Stalin war, war sie auch keine Anhängerin von Trotzki. Sie unterstützte Stalin sogar viel mehr als Trotzki, den sie offen und scharf kritisierte. Tatsache ist, dass Krupskaja schließlich von der Richtigkeit von Stalins Politik überzeugt war:
»Die Massen sehen, wie vollständig und unermüdlich sich der Genosse Stalin diesem heiligen Werk, dem Werk Lenins, dem Aufbau des Sozialismus widmet, wie er sie zu einem besseren Leben führt. Jeder kann das sehen und sie glauben ihm, er ist von ihrem Vertrauen und ihrer Liebe umgeben.
Die Trotzkisten und die Sinowjews haben nicht an die Massen gedacht. Sie lebten nicht in der Realität. Sie dachten nur daran, wie sie die Macht erobern konnten (N. Krupskaja, »Warum verteidigt die Zweite Internationale Trotzki?«).«
Ganz abgesehen davon, dass Krupskaja und Stalin jahrzehntelang Genossen in der Partei gewesen waren. Krupskaja hatte Stalins frühe Werke gelobt, in denen er den Leninismus verteidigte, beispielsweise die »Kurze Darlegung der Meinungsverschiedenheiten in der Partei« und »Sozialismus oder Anarchismus?« Sie stellte sich nur in dieser einen Frage für kurze Zeit gegen Stalin.
2. Ursprung der Legende vom »Testament«
Der moderne Trotzkismus und die rechtsgerichtete antikommunistische Propaganda halten es für eine feststehende Tatsache, dass:
1) Trotzki der rechtmäßige Nachfolger Lenins war.
2) Lenin dies in einem Testament festgehalten hat.
3) Stalin das Testament verbot und verheimlichte.
In der Tat ist keine dieser Behauptungen wahr. Wie wir bereits festgestellt haben, sagte Lenin nichts darüber, dass Stalin aus Machtpositionen entfernt werden sollte, dass Trotzkis Macht gestärkt werden sollte und es ist fraglich, wie ernst es ihm damit war, dass Stalin durch irgendjemanden als Generalsekretär ersetzt werden könnte.
Diese Gerüchte (oder vielmehr Lügen und Verleumdungen) haben eine Quelle. Sie alle lassen sich auf ein Buch des amerikanischen Trotzkisten Max Eastman zurückführen.
Praktischerweise hat Trotzki selbst alle diese Lügen widerlegt, obwohl er später selbst mit ihrer Verbreitung begann. Die meisten Trotzkisten haben diese Unwahrheiten wahrscheinlich aus Trotzkis Autobiographie gelernt und akzeptieren sie als Botschaft des Evangeliums. In jedem Fall sind sie reine Fiktion, wie Sie bald herausfinden werden.
Bald nach Lenins Tod begannen Gerüchte über Eastmans skandalöses Buch zu die Runde zu machen. Für die sowjetischen Kommunisten waren die Informationen in Eastmans Buch offensichtlich falsch. Da Eastman ein überzeugter Trotzkist war, war Leo Trotzki selbst gezwungen, Eastman zu antworten. Er hatte keine andere Wahl, als sich von Eastmans antisowjetischen und nicht überzeugenden Lügen zu distanzieren.
Trotzki widerlegte ursprünglich jede einzelne von Eastmans Lügen, begann aber später selbst, genau dieselben Lügen zu verbreiten. Der folgende Abschnitt wird etwas schizophren erscheinen. Ich werde Trotzki aus den Jahren 1925 und 1928 zitieren, und Sie werden feststellen, dass er völlig gegensätzliche Dinge sagt und sich selbst auf Schritt und Tritt widerspricht. Erlauben Sie mir also, Ihnen ohne weiteres »Trotzki debattiert mit Trotzki« vorzustellen.
Trotzki aus dem »Brief über Eastmans Buch« von 1925:
»Das Buch von Eastman, auf das Sie sich beziehen, ist mir unbekannt. Die bürgerlichen Zeitungen, die es zitiert haben, haben mich nicht erreicht. Natürlich lehne ich von vornherein und mit aller Entschiedenheit alle Kommentare ab, die gegen die Russische Kommunistische Partei gerichtet sind.«
»Eastman kommt zu Schlussfolgerungen, die sich ausschließlich gegen unsere Partei richten und die, wenn man ihnen Glauben schenkt, sowohl die Partei als auch die sowjetische Regierung in Misskredit bringen könnten. «
»Die bürgerliche Presse, besonders die menschewistische Presse, bedient sich der Aussagen Eastmans, zitiert aus seinen Erinnerungen, um seine »engen Beziehungen«, seine »Freundschaft« mit mir (als meinem Biographen) hervorzuheben und seinen Schlussfolgerungen auf diese Weise indirekt eine Bedeutung beizumessen, die sie nicht haben und nicht haben können.«
Lassen Sie uns rekapitulieren. Trotzki distanziert sich von Eastman und sagt, dass sie sich nie sehr nahe standen oder Freunde waren. Dass Eastmans Schlussfolgerungen keine Bedeutung haben und haben können. Dass seine Schlussfolgerungen antisowjetische Lügen sind. Drei Jahre später lobt er Eastman:
»Ich habe Ihre Anfrage über den Genossen Max Eastman erhalten, der von unserer Presse von Zeit zu Zeit als Schwindler hingestellt wird, fast wie ein Handlanger der Bourgeoisie, der ihr die Staatsgeheimnisse der UdSSR verkauft. Dies ist eine schamlose Lüge. Genosse Max Eastman ist ein amerikanischer Revolutionär vom Schlage eines John Reed, ein treuer Freund der Oktoberrevolution (Trotzki, »Über Max Eastman«, 1928).«
Trotzki im »Brief zum Buch von Eastman« von 1925:
»Eastmans Zitat aus dem Wortlaut des »Testaments« ist ebenfalls falsch. Dieser wurde im Sotsialistichesky Vestnik veröffentlicht und sozusagen von Konterrevolutionären aus dem Parteiarchiv gestohlen. In Wirklichkeit ging der Wortlaut, wie er im Vestnik veröffentlicht wurde, durch viele Hände, bevor er in dieser Zeitung erschien. Er wurde immer wieder ›aufgefrischt‹ und in einem Maße entstellt, dass es absolut unmöglich ist, seinen ursprünglichen Sinn wiederherzustellen. Es ist möglich, dass die Änderungen von der Redaktion dieses Blattes vorgenommen wurden.«
Trotzki wies 1925 darauf hin, dass es sich bei den Briefen an den Parteitag keineswegs um ein »Testament« handelte, sondern lediglich um Briefe mit Ratschlägen. Er wies ferner darauf hin, dass sie, nachdem Eastman den Inhalt an bürgerliche Zeitungen weitergegeben hatte, in unglaublicher Weise verzerrt und gegen die sowjetische Regierung verwendet wurden.
Im Gegensatz dazu siehe, was er 1928 in »Über Max Eastman« sagt:
»Es war überhaupt nichts Hinterhältiges an einer solchen Ausnutzung einer Zeitung durch Eastman um der Popularität willen. Auch auf den Seiten einer bürgerlichen Zeitung bleibt das Testament von Lenin Lenins Testament.«
Plötzlich sah er kein Problem mehr darin, die Briefe zu veröffentlichen, damit die bürgerliche Presse sie entstellen konnte. In der Tat erwähnt er nicht einmal, dass sie überhaupt entstellt wurden. Man beachte auch, dass er, während er zuvor sagte, die Briefe seien kein »Testament«, nun selbst das Wort »Testament« ohne Anführungszeichen verwendet!
Er fährt fort zu sagen, dass es richtig war, dies zu tun, weil Lenin ausländischen Zeitungen Interviews gab, was anscheinend in Trotzkis Augen dasselbe ist wie die Übergabe vertraulicher Dokumente über innerparteiliche Angelegenheiten an bürgerliche Zeitungen, die, um Trotzki zu zitieren, »so stark verändert sind, dass sie fast unkenntlich sind«, und sie zu benutzen, um »die Partei wie auch die Sowjetregierung zu diskreditieren«.
1928 schreibt Trotzki in »Über Max Eastman«:
»In dem Wunsch, Lenins Testament um jeden Preis so weit wie möglich bekannt zu machen, gab Eastman es an eine amerikanische bürgerliche Zeitung weiter. Jeder von uns, sowohl vor als auch während der Epoche der Sowjetregierung, hatte mehr als einmal die Gelegenheit, auf ausländische bürgerliche Zeitungen zurückzugreifen, um der einen oder anderen Nachricht die weite Verbreitung zu verschaffen, die wir sonst nicht bekommen konnten. Lenin nutzte mehr als einmal eine solche Öffentlichkeit in Form von Interviews mit ausländischen Journalisten. Man muss auch hinzufügen, dass die amerikanischen Arbeiter, abgesehen von einer absolut unbedeutenden Minderheit, nur die bürgerliche Presse lesen.«
Hier ist noch mehr. Trotzki 1925 im »Brief zum Buch von Eastman«:
»Eastman behauptet an mehreren Stellen, das Zentralkomitee habe der Partei eine große Anzahl von Dokumenten von außerordentlicher Bedeutung »verschwiegen«, die Lenin in der letzten Periode seines Lebens geschrieben hat (bei den fraglichen Dokumenten handelt es sich um Briefe zur nationalen Frage, das berühmte »Testament« und so weiter). Das ist eine reine Verleumdung des Zentralkomitees unserer Partei. Eastmans Worte erwecken den Eindruck, dass Lenin diese Briefe, die beratenden Charakter haben und sich mit der innerparteilichen Organisation befassen, in der Absicht geschrieben hat, sie veröffentlichen zu lassen. Das entspricht überhaupt nicht den Tatsachen.«
»Eastmans Behauptungen, das Zentralkomitee habe meine Broschüren und Artikel 1923 oder 1924 beschlagnahmt oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt oder mit irgendeinem anderen Mittel deren Veröffentlichung verhindert, sind unwahr und beruhen auf Phantasiegerüchten.
Eastman hat wiederum unrecht, wenn er behauptet, Genosse Lenin habe mir den Posten des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare und des Rates für Arbeit und Verteidigung angeboten. Davon höre ich zum ersten Mal aus Eastmans Buch.«
»Während seiner Krankheit richtete Lenin wiederholt Briefe und Vorschläge an die führenden Organe und Parteitage der Partei. Es muss mit Bestimmtheit festgestellt werden, dass alle diese Briefe und Vorschläge ausnahmslos an ihren Bestimmungsort gelangt sind, dass sie alle den Delegierten des Zwölften und Dreizehnten Parteitages zur Kenntnis gebracht wurden und dass sie ausnahmslos ihren Einfluss auf die Entscheidungen der Partei ausgeübt haben. Wenn alle diese Briefe nicht veröffentlicht wurden, dann deshalb, weil ihr Verfasser nicht die Absicht hatte, sie zu veröffentlichen. Genosse Lenin hat kein »Testament« hinterlassen; der Charakter seiner Beziehungen zur Partei und der Charakter der Partei selbst schließen die Möglichkeit eines solchen »Testaments« aus. Die bürgerliche und menschewistische Presse versteht unter der Bezeichnung »Testament« im Allgemeinen einen der Briefe des Genossen Lenin (der so stark verändert ist, dass er kaum noch zu erkennen ist), in dem er der Partei einige organisatorische Ratschläge gibt. Der Dreizehnte Parteitag widmete diesem und den anderen Briefen größte Aufmerksamkeit und zog daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen. Alles Gerede über ein verborgenes oder verstümmeltes ›Testament‹ ist nichts anderes als eine niederträchtige Lüge, die sich gegen den wirklichen Willen des Genossen Lenin und gegen die Interessen der von ihm geschaffenen Partei richtet.«
Hier weist Trotzki in angemessener Weise auf das hin, was auch alle anderen in der Sowjetunion zu dieser Zeit sagten. Die Briefe an den Parteitag waren speziell an den Parteitag gerichtet und überhaupt nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Es gab keine Verschwörung, um etwas zu verbergen.
Drei Jahre später behauptet er jedoch, dass genau diese Briefe, die er jetzt als Testament bezeichnet, von der »stalinistischen Zensur« versteckt und verboten wurden und dass sie veröffentlicht werden sollten: »Die stalinistische Zensur hatte das Testament Lenins verboten (Trotzki, »Über Max Eastman«, 1928:).«
Während Trotzki früher sagte, er stehe Eastman nicht nahe und sei kein Freund und dass Eastman antisowjetische und parteifeindliche Unwahrheiten verbreite, lobt er Eastman jetzt als einen »untadeligen Revolutionär« und einen Freund und Unterstützer der Oktoberrevolution und der trotzkistischen Opposition.
Trotzki, »Über Max Eastman«, 1928:
»Er [Eastman] ist ein Dichter, Schriftsteller und Journalist; er kam in die Sowjetrepublik während der ersten schwierigen Jahre ihres Bestehens, lernte hier die russische Sprache und kam in engen Kontakt mit unserem inneren Leben, um die Sowjetrepublik besser und mit größerer Sicherheit vor den nationalen Massen Amerikas zu verteidigen.«
»Eastman ist ein absolut untadeliger Revolutionär.«
»Soweit mich im letzten Jahr Nachrichten über Eastman erreicht haben, ist er auch jetzt noch das, was er war: ein Freund der Oktoberrevolution und ein Unterstützer der Ansichten der Opposition.«
Da haben Sie es. Urteilen Sie selbst …
Nur die naivsten oder unwissendsten Menschen konnten Trotzkis Märchen glauben. Er war nichts anderes als ein verachtenswerter Lügner und ein Werkzeug der rechten, antikommunistischen und antisowjetischen Propaganda.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung des bei ML‐Theory: A Marxist‐Leninist Blog erschienen englischen Orginals
Bild: Der erste Teil des Briefes von Lenin (wikimedia commons)