Die Frage der Hamas und der Linken

Die Linke muss sich dieser grundlegenden Frage stellen. Man kann sich nicht auf die Solidarität mit Palästina berufen und die Hamas abtun, übersehen oder ausschließen.

Kürzlich tauchte eine Reihe von Artikeln auf, in denen die westliche Linke dafür kritisiert wird, die Hamas zu »feiern«. Die meisten dieser Kritiken besagen, dass die Reduzierung der Unterstützung des palästinensischen Widerstands auf die Unterstützung der Hamas den Palästinensern einen schlechten Dienst erweist, da die Palästinenser eine Vielzahl von Stimmen mit unterschiedlichen politischen Einstellungen vertreten. Stattdessen, so die Argumente, sollte sich die westliche Linke mit der Komplexität und Vielfalt der palästinensischen Politik auseinandersetzen.

In einem Artikel der Zeitschrift Jacobin, »Der palästinensische Widerstand ist kein Monolith«, der sich eher wie eine versteckte Kritik am bewaffneten Widerstand als an der Hamas liest, prangert Bashir Abu Menneh an, was er als Abfeiern einer »sozial regressiven« Bewegung durch die Linke versteht. Matan Kaminer fordert in einer Antwort auf einen Artikel von Andreas Malm, beide im Verso‐​Blog erschienen, die globale Solidaritätsbewegung müsse »sich mit der Vielfalt der palästinensischen Politik auseinandersetzen«, wobei er »gegensystemische« Kräfte wie die Hamas kritisiert, denen eine linke Agenda fehle. In der Boston Review reagierte Ayça Çubukçu auf Jodi Deans Artikel »Palästina spricht für alle«, weil Dean vorschlug, die globale Solidaritätsbewegung sollte an der Seite der organisierten Linken in Palästina stehen und die derzeitige Hamas‐​Führung im Befreiungskampf unterstützen.

Natürlich ist es unerlässlich, sich mit der palästinensischen Politik, ihrer Geschichte, ihren aktuellen Bedingungen und ihrer Vielfalt zu befassen. Trotz der relativ geringen Zahl von Palästinensern und trotz der Tatsache, dass Palästina zwischen Fluss und Meer ein kleines Gebiet mit stark umkämpftem Terrain ist, kann man eine Vielzahl von Palästinensern finden, die eine Vielzahl von Fantasien oder Ideologien über den Konflikt vertreten – darunter auch Palästinenser, die bereitwillig die zionistische Ideologie bejahen.

Aber komischerweise ist es genau das, was westliche linke Kritiker der Hamas falsch verstehen. Sie verstehen nicht, dass die Vielfalt in der palästinensischen Gesellschaft und Politik sich auch in unterschiedlichen Haltungen zum Widerstand gegen den Kolonialismus niederschlägt. Sie fordern zwar ein differenziertes Verständnis der palästinensischen politischen Situation, doch dieses Verständnis erstreckt sich nicht auf die Dynamik und die Kräfte, die den antikolonialen Widerstand sowohl motivieren als auch vor ihm zurückscheuen (oder sich ihm aktiv widersetzen).

Diese Ignoranz gegenüber der palästinensischen politischen Situation ist fast vorsätzlich. Sie hegt eine heimliche Feindseligkeit gegenüber dem Widerstand – insbesondere dem bewaffneten Widerstand –, behauptet aber, die Hamas aus ganz anderen, etwa ideologischen Gründen abzulehnen. Doch um die innerpalästinensische Dynamik wirklich zu begreifen und den »Monolithen« zu entschlüsseln, müssen wir verstehen, wie sich die palästinensischen politischen Kräfte in Bezug auf die Idee des Widerstands überhaupt entwickelt haben.

Fragmentierte Geografie, fragmentierte Politik

Die Palästinenser sind verschiedenen Spaltungen unterworfen, die von Israel akribisch konstruiert wurden. In der Tat wäre es höchst überraschend, sollten die Palästinenser geeint sein, wenn ihr Alltag so radikal unterschiedlich ist – sie sind über die ganze Welt verstreut und verschiedenen Regierungsformen und Modalitäten israelischer Kontrolle unterworfen. Diese Trennungen sind nicht nur geografisch bedingt, sondern bringen auch unterschiedliche Privilegien und Ausschlüsse mit sich, die vom Kolonialstaat auferlegt werden. Ich spreche von Gaza, dem Westjordanland, Jerusalem, den Gebieten von 1948 und der Diaspora.

Diese fundamentale Zersplitterung veranlasste viele Palästinenser, die Idee unserer Einheit als Volk in Frage zu stellen und sich zu fragen, ob die Diskrepanz in der Befähigung der Palästinenser zum Widerstand das Gewicht der geografischen Trennungen und der verschiedenen kolonialen Regierungsformen nach 75 Jahren widerspiegelt.

Der genozidale Krieg in Gaza brachte die schlichte Tatsache ans Licht, dass die Palästinenser an ihren verschiedenen Orten – abgesehen von Gaza – nicht in der Lage waren, Macht zu akkumulieren, neue Taktiken zu entwickeln, neue Organisationen zu gründen oder ein neues intellektuelles und materielles Gebäude zu errichten, um der Herausforderung zu begegnen, die der Siedlerkolonialismus für das palästinensische Volk überall darstellt. Nichts verdeutlicht dieses Versagen mehr als die lähmende Angst, die die palästinensische Gesellschaft erfasst hat, soweit sie außerhalb des Gazastreifens und außerhalb einiger der fortschrittlicheren Artikulationen des Kampfes und neuer Formen des Widerstands stand, die sich in den letzten zehn Jahren entwickelten, einschließlich der Vorrangstellung von Taktiken wie atomisierten Widerstandsaktionen im Westjordanland und ’48 Palästina und der Verbreitung von bewaffneten Selbstverteidigungszonen im nördlichen Westjordanland.

Diese Vielfalt ist nicht nur eine Funktion der unterschiedlichen politischen Ideologien unter den Palästinensern, die unter verschiedene Formen der strukturellen Kontrolle fallen. Vielmehr entsteht sie im Inneren der individuellen palästinensischen Psyche. Es entspinnt sich ein intensiver innerer Dialog, bei dem die Palästinenser zwischen dem radikalen Potenzial des Widerstands und ihrer Angst vor dem unerbittlichen israelischen Moloch hin‐ und hergerissen sind. Man denke nur an das Paradoxon zwischen dem Wunsch nach Befreiung und der nagenden Angst, dass jede Störung des Alltagslebens – selbst wenn sie durch den Widerstand verursacht wird – den zerbrechlichen Anschein von Normalität sprengen könnte. Dies ist der wahre Schauplatz des ideologischen Kampfes, nicht nur in der öffentlichen Sphäre, sondern auch auf der Ebene des Individuums, wo die sublime Möglichkeit der Freiheit der traumatischen Realität einer möglichen Vernichtung durch eine überlegene Militärmaschinerie gegenübersteht.

Jede Strömung mit ihren eigenen Forderungen zieht die Palästinenser zu einer Reihe von existenziellen Entscheidungen hin – Revolution oder Resignation, Auswanderung oder Standhaftigkeit, symbolische Auslöschung oder die volle Bestätigung der Identität durch Opferhandlungen. Dieser stille innere Dialog manifestiert sich in verschiedenen politischen Artikulationen – im Schwanken zwischen der Haltung des Intellektuellen und Märtyrers Bassel Al‐​Araj, der erklärte, dass »Widerstand immer eine zeitgebundene Effizienz hat«, und der zynischeren Resignation, die Positionen wie die von Mahmoud Abbas implizieren, die proklamiert: »Lang lebe der Widerstand, aber er ist bereits tot und sollte getötet werden, wo immer er erneut auftaucht!«

Aber lassen wir uns nicht täuschen. Die ideologische Maschinerie, die mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verbunden ist und behauptet, über einen unmittelbaren Zugang zur »nackten Realität« zu verfügen, funktioniert genau dadurch, dass sie ihre eigene Ideologie verleugnet. Sie rühmen sich, die Welt ohne ideologische Scheuklappen zu sehen, und behaupten, ihre Einsicht bedinge ein autoritäres politisches System, in dem Widerstand gegen den Kolonialismus als »Farce« und die Zusammenarbeit mit dem Kolonisator als »sakrosankt« gelten. Diese realistisch‐​pragmatische Haltung führt die Palästinenser vordergründig zu einer Art Negation – einer symbolischen, politischen und materiellen Selbstauslöschung, die jedoch durch den Schein politischer Repräsentation und die Gründung eines Staates geschickt verschleiert wird.

Unterdessen hält die herrschende Klasse in ihrem Streben nach Kontinuität und Kontrolle einen »politischen Realismus« aufrecht, der bequemerweise ihre eigenen Klassenvorurteile und sozialen Dünkel übersieht. Eine schmale Elite aus den Reihen der Kolonisierten profitiert. Dieser Pragmatismus zielt letztlich darauf ab, eine Realität zu schaffen, in der der bloße Gedanke an Widerstand in den Annalen einer kompromittierten Wirklichkeit verschwindet. Aber es ist nichts weiter als eine ausgefeilte Rhetorik zur Rechtfertigung einer Sicherheits‐ und Wirtschaftsallianz mit einem Siedlerkolonialregime, das die Kolonisierten durch die Kolonisatoren ersetzt.

Das Ergebnis ist ein Kontinuum palästinensischer politischer Positionen mit unterschiedlichen Neigungen zum Widerstand. Man könnte sich Figuren wie Mahmoud Abbas und Mansour Abbas am einen Ende des Spektrums und politische Formationen wie den Islamischen Dschihad und die Hamas am anderen Ende vorstellen, mit kaum einer ernstzunehmenden politischen Kraft in der Mitte.

All dies zeigt uns, dass die Haupttrennlinie zwischen den palästinensischen politischen Gruppierungen nicht in der Spaltung zwischen Säkularismus und Islamismus, nicht in der Auseinandersetzung um unterschiedliche sozioökonomische Ziele oder um Vorzüge einer bestimmten Taktik zur Befreiung besteht. All dies sind für sich genommen wichtige Themen, aber was die palästinensische politische Arena tatsächlich spaltet, ist die Kluft zwischen einer Politik des rohen Trotzes und einer Politik des Entgegenkommens, der Kooperation und der Zusammenarbeit.

Letztlich übersieht die weltfremde Suche der westlichen Linken nach einer säkularen, progressiven Alternative zur Hamas eine einfache Tatsache: Zu diesem besonderen historischen Zeitpunkt gehören die politischen Kräfte, die noch an einer Widerstandsagenda festhalten und diese anführen, nicht zur säkularen Linken.

All dies ist kein Zufall. Israel und seine Verbündeten kultivieren und formen akribisch eine palästinensische Führung, die ihren kolonialen Ambitionen entspricht, während sie gleichzeitig alternative Kräfte verhaften, einschüchtern und ermorden lassen.

Dies ist für antikoloniale Bewegungen auch nicht ungewöhnlich; und ein Mitglied der Kolonisierten zu sein, bedeutet nicht automatisch, den antikolonialen Bemühungen treu zu bleiben. In Palästina hat ein Jahrhundert des Kolonialismus viele Verzerrungen in der palästinensischen politischen Landschaft hervorgebracht und die einst revolutionäre PLO in ein Vichy‐​ähnliches Regime verwandelt, das die Nation im Namen der Nation tötet. Andere Palästinenser haben neue Zugehörigkeiten und Identitäten angenommen, einschließlich der Identifikation mit Israel (soweit es möglich ist, sich mit einem Gebilde zu identifizieren, dessen Hauptmerkmal ein jüdischer Suprematismus ist). Die Geschichte hat uns gelehrt, dass es Fälle gibt, in denen Menschen auch für ihre Knechtschaft kämpfen, und man braucht nicht über Figuren wie Joseph Haddad und Mosab Hassan Yousef hinausschauen, um zu verstehen, was das bedeutet.

Doch es geht um einen grundlegeneren Kampf: Die Palästinenser kämpfen seit langem nicht nur um die Anerkennung ihrer Notlage, sondern vor allem darum, dass die Welt die Notwendigkeit zum Widerstand anerkennt. Diese Notwendigkeit des Widerstands und das Recht auf diesen Widerstand werden in einem globalen Kontext, in dem das Narrativ des palästinensischen Widerstands manipuliert und zynisch dazu benutzt wird, Israels hundert Jahre währenden Angriff auf die palästinensische Existenz und Handlungsfähigkeit zu rechtfertigen und zu legitimieren, noch wichtiger. Es ist ein perverses Szenario, in dem der Akt des Widerstands, der für das Überleben und die Möglichkeit der Gerechtigkeit unerlässlich ist, zu einer Rechtfertigung für die Unterdrückung verdreht wird, die er zu überwinden sucht.

Die Hamas dient hier als leicht zu verwendende Schreckfigur. Sie ist eine islamistische politische Gruppierung, die sowohl eine Politik des Widerstands verfolgt als auch eine soziale Agenda vorantreibt, die darauf abzielt, das palästinensische Subjekt neu zu konstituieren. Kritiker des Widerstands können leicht auf Unzulänglichkeiten in der sozioökonomischen Perspektive der Hamas hinweisen oder ihre »sozial regressive« Agenda verspotten. Aber sie sind nicht wirklich daran interessiert, die soziale Agenda der Hamas zu untergraben. In Wahrheit wollen sie die Form des Widerstands, für die sich die Hamas entschieden hat, untergraben oder sich von ihr distanzieren. Doch haben viele der Kritiker der Hamas in ihrem Bündnissystem, in ihren Kampfformen oder sogar in ihrem intellektuellen Output nichts zu bieten, das mit dem Beitrag der Hamas zur Machtakkumulation im Gazastreifen und dem Öffnen einer strategischen Büchse der Pandora vergleichbar wäre, die das Kolonialregime überfluten und deformieren konnte und ein historisches Moment erzeugte, das unter seinen vielen Möglichkeiten auch das Potenzial für die palästinensische Befreiung beinhaltet.

Die Politik der »Muzawada«

»Muzawada« ist ein Begriff aus dem arabischen politischen Lexikon, den man grob mit »politische Überbietungkunst« übersetzen könnte. Sie wird seit langem als Instrument der Verunglimpfung politischer Rivalen eingesetzt, und in der Praxis bestand seine Hauptfunktion darin, den politischen Konkurrenten zu diffamieren und zu demoralisieren, indem man seine Heuchelei, seinen unrealistischen Diskurs oder seine Unfähigkeit, Worte in die Tat umzusetzen, entlarvte. Der syrische marxistische Intellektuelle Elias Murkus führte das Beispiel an, wie die syrischen Baathisten die Muzawada einsetzten, um Jamal Abdul Nasser in den 1960er Jahren zu unterminieren, indem sie die Kluft zwischen seiner Rhetorik und seinen Taten in Bezug auf die Befreiung Palästinas aufzeigten. Murkus stellt jedoch fest, dass diese Verunglimpfung weniger einer echten Sorge um die Befreiung Palästinas entstammte, als vielmehr dem Wunsch, Nassers charismatischen Einfluss in Syrien und im Libanon zu schwächen.

In diesem Zusammenhang ist es nicht überraschend, dass Palästina historisch gesehen als Hauptschauplatz für solche politischen »Überbietungskünste« oder »Übertrumpfungsmanöver« in der arabischen politischen Landschaft auftaucht. Entscheidend ist, dass sich die Muzawada nicht auf rhetorische Wettkämpfe beschränkt, auch wenn sie in der Vergangenheit auf diese Weise eingesetzt wurde. In Palästina entwickelte sich die Muzawada in den 1990er Jahren von der rhetorischen Überbietung zur »praktizierten Überbietung«, bei der die politischen Gruppierungen durch die Fähigkeit, Widerstand zu leisten und diesen zu realisieren, miteinander konkurrierten.

Diese beiden Erscheinungsformen – rhetorische und praktizierte Muzawada – sind für das Verständnis der innerpalästinensischen politischen Rivalitäten von zentraler Bedeutung. Während der Zweiten Intifada war das Auftauchen der Figur des »Istishhadi« eine solche Form der praktizierten Überbietung, da sie über den traditionellen »Fida’i« hinausging. Der »Fida’i« war eine Figur der Selbstaufopferung, die den Feind angriff, aber möglicherweise zu ihrem Stützpunkt zurückkehrte, während der »Istishhadi« die Selbstaufopferung des Kämpfers verkörperte, der nicht beabsichtigte, zum Stützpunkt zurückzukehren, sondern tötete und getötet wurde und dadurch zum Märtyrer wurde.

Die Entstehung dieser neuen gegenhegemonialen Kraft um die Jahrhundertwende, die weitgehend auf die Initiative der Hamas und des Islamischen Dschihad zurückgeht, führte zu einer Neuformulierung des Widerstands durch die Schaffung neuer oppositioneller Modalitäten und einer neuen Opferfigur für den Widerstand.

In der Zweiten Intifada bedeutete »Überbietung«, den politischen Rivalen durch konkrete Widerstandsoperationen zu übertreffen. Bei dieser Form des innerpalästinensischen Wettbewerbs wurde die Arbeit des Widerstands als Mittel gesehen, um interne politische Missstände nach außen hin auf den Kolonisator zu lenken. Die palästinensischen Gruppierungen waren sich in der Ausrichtung ihrer politischen Aktionen einig, wetteiferten aber auch darum, ihre Rivalen durch die Verwirklichung verschiedener Widerstandshandlungen auszustechen.

Die gegenwärtige Uneinigkeit in Palästina ist jedoch keine Form des Überbietungswettstreits wie bei der Zweiten Intifada und basiert nicht auf der Idee, den internen Rivalen zu übertrumpfen. Vielmehr handelt es sich um eine Uneinigkeit, die entstand, als die PA die Zusammenarbeit mit Israel für »heilig« erklärte und die Fortsetzung des Widerstands als Farce betrachtete. Am anderen Ende dieser Uneinigkeit traten die Hamas und der Islamische Dschihad als die aktivsten Kräfte auf, die organisierte Formen des Widerstands anführten. Die Spaltung nahm geografische, ideologische und politische Formen an.

In dieser Form des Überbietens nutzte eine Seite der politischen Gleichung Israels militaristische Antwort auf den Widerstand, um festzustellen: »Seht ihr, das passiert, wenn ihr Widerstand leistet!« Damit wird die Suche nach einer Politik des Widerstands suspendiert und praktisch zu Gunsten einer politischen Lähmung argumentiert, für Stillstand und Kompromissbereitschaft gegenüber Israel auf Kosten der langfristigen Widerstandsfähigkeit der Palästinenser.

Innerhalb dieses Telos haben sich drei linke palästinensische Antworten herausgebildet. Die erste ist eine Linke, die sich auf der Basis des »Säkularismus« und aufgrund ihrer organisatorischen Schwäche mit der Palästinensischen Verwaltung und der Kompradoren‐​Klasse zusammentut – zum Beispiel die Palästinensische Volkspartei (früher Kommunistische Partei). Eine andere Linke positioniert sich mit islamistischen Kräften auf der Ebene des gemeinsamen Widerstands gegen den Kolonialismus, distanziert sich aber auf der Ebene der sozialen Agenda, so die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Eine dritte Linke, etwa die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas, setzt die Hamas mit der Palästinensischen Verwaltung gleich, in der Hoffnung, als Alternative zu beiden gesehen zu werden, vorgebend, beide seien »gleich schlecht«, ist aber nicht in der Lage, eine soziale oder politische Alternative zu organisieren.

Der Begriff »sozial regressiv« oder »sozial progressiv« in der gegenwärtigen politischen Landschaft Palästinas ist, gelinde gesagt, äußerst komplex. Wie können wir beispielsweise linke Parteien in Einklang bringen, die Formen des sozialen Rückschritts und des politischen Autoritarismus im Westjordanland unterstützen, wie dies derzeit bei den Überbleibseln der Kommunistischen Partei der Fall ist? Wie definieren wir überhaupt »sozialen Rückschritt« im Kontext eines voranschreitenden Siedlerkolonialismus, der darauf abzielt, eine ganze Gesellschaft auszulöschen? Ist der Widerstand gegen diesen Kolonialismus nicht an und für sich ein fortschrittlicher Akt, der die Besitzlosen stärkt? Und ist nicht die Kollaboration selbst ein sozial regressiver Faktor, weil sie die Kolonisierten subordiniert? Oder ist die proklamierte Ideologie der Widerstand Leistenden wichtiger?

Wo fangen wir an, eine sozial fortschrittliche Agenda in konkreten Situationen wie dem Westjordanland zu formulieren, wo die PA eine Mischung aus autoritären Praktiken anwendet, auf Frontalunterricht besteht, auf traditionelle soziale Strukturen wie Familien und Clans zurückgreift und im inneren Feind den ultimativen Feind sieht, wodurch Bedingungen eines andauernden Bürgerkriegs und der Spaltung entstehen, da die Palästinenser auch versuchen, sich gegen koloniale Übergriffe und Auslöschung zu wehren. Streng »westlich« betrachtet gibt es in Palästina keine völlig fortschrittliche Kraft, sondern nur fortschrittliche Elemente oder Tendenzen – selbst innerhalb politischer Formationen, die als regressiv abgetan werden.

Versteckte Kritik am bewaffneten Widerstand

In diesen aufeinanderfolgenden Artikeln stoßen wir auf eine irreführende Verdrehung, die darauf abzielt, die Unterstützung für den Widerstand, insbesondere den bewaffneten Widerstand, zu untergraben. Viele im »Westen« erkennen nach und nach die Notwendigkeit und Wirksamkeit des Widerstands, oder zumindest, dass man sich nach jahrzehntelanger Ignoranz hinsichtlich der Erklärung seiner Ursachen und Notwendigkeit mit seiner Realität befassen könnte. Dazu gehört, dass man sich mit ihm auseinandersetzt, ohne ihn zu profanisieren. Dieser Wandel in der westlichen Linken bedeutet nicht, dass sie sich plötzlich dem Islamismus zugewandt hat, aber sie erkennt das Wesen der Situation an, in der die Palästinenser gefangen sind – eine grausame Siedlerkolonie, die sich weigert, eine politische Sprache mit denjenigen zu sprechen, die sie erniedrigt, die sich auf exzessive Gewalt und diplomatische und rechtliche Straffreiheit verlässt und die ein komplexes System architektonischer, technologischer und indirekter Formen der Kontrolle anwendet.

Noch beunruhigender ist jedoch, dass die Hartnäckigkeit und die Entwicklung des bewaffneten Widerstands einigen der operativen Theorien, Interessen und politischen Dispositionen der palästinensischen Intelligenz widersprechen, einschließlich der Angst vor einem wirklichen Bruch im kolonialen Regime, der den Beginn der Arbeit der Dekolonisierung ermöglicht.

Dies sind die Theorien, die sich seit Jahrzehnten hartnäckig halten und sich eines weithin akzeptierten Argumentes bedienen, wonach die Palästinenser auf bewaffneten Widerstand verzichten sollten, um sich im Westen und auf der globalen Bühne ein positives Image zu verschaffen.

Nach vorherrschender Meinung ist bewaffneter Widerstand grundsätzlich unvereinbar mit der Gewinnung von Sympathien für die palästinensische Sache. Man fetischisiert eine bestimmte Lesart der Ersten Intifada als beispielhaftes Modell eines weitgehend gewaltlosen und allgemein getragenen Volksaufstands, der in der Lage ist, die Unterstützung der Massen, der Zivilgesellschaft und internationaler Rechtsinstanzen zu gewinnen und damit an die liberale Sensibilität der westlichen Mainstream‐​Gesellschaften zu appellieren.

Natürlich blendet eine solche Lesart auch den psychischen und ideologischen Ansturm aus, dem die Palästinenser im Gefolge der Zweiten Intifada ausgesetzt waren und der darauf abzielte, die Vorstellung in das palästinensische Bewusstsein einzubrennen, dass Widerstand zwecklos ist, dass bewaffneter Widerstand nur Unheil anrichten wird und dass die Palästinenser Israel aufgrund der Machtasymmetrie nicht militärisch konfrontieren können und sollten. Doch ähnlich wie die Palästinensische Verwaltung wurde eine widerspenstige Alternative, die auf »Volkswiderstand« oder »friedlichem Volkswiderstand« aufbaut, nur als ideologisches und psychologisches Instrument zur Aufrechterhaltung dessen benutzt, was Abu Mazen und die PA als »heilige Sicherheitskooperation« bezeichneten. Es gab nur sehr wenige Versuche, den Volkswiderstand zu organisieren, und in vielen Fällen wurden diese auch von der PA und ihrem Sicherheitssystem bekämpft und sowohl in Gaza als auch im Westjordanland mit schwerer Gewalt beantwortet.

Die Behauptung, die westliche Linke sei plötzlich zu Cheerleadern der Hamas geworden, ist zutiefst unaufrichtig. Jodi Dean hat die Hamas nicht gefeiert, aber vielleicht fand sie etwas Berauschendes am Akt des Trotzes – am Marsch zur Durchbrechung des koloniale Regimes, das den Gazastreifen umgibt. Sie schloss sich dem Teil der palästinensischen Linken an, der sich im Widerstand engagiert. Die meisten Palästinenser teilten an jenem Tag Deans Meinung, darunter auch viele, die später desillusioniert wurden oder ihre Ansichten revidierten, entweder aus ethischen Erwägungen oder aufgrund der israelischen Teppichbombenkampagne und des genozidalen Krieges, so dass einige zu dem Schluss kamen, dass »es sich nicht gelohnt hat«.

Ja, es gibt viele Stimmen, die die Hamas im Gazastreifen, im Westjordanland und im gesamten palästinensischen Gemeinwesen verabscheuen – aus einer Vielzahl von Gründen. Darunter sind viele auf der palästinensischen »Linken«, die ihre ideologischen Differenzen und die islamistisch‐​säkulare Kluft als Deckmantel für ihre Ablehnung von »Widerstand« insgesamt nutzen. Wie Bassel Al‐​Araj sagte, wenn die Linke in Palästina mit den Islamisten konkurrieren will, sollte sie im Widerstand konkurrieren. Muzawada durch Aktion.

Letztendlich ist die Hamas die zeitgenössische Artikulation einer langen Geschichte des Widerstands, die die Bauern des Palästinas vor der Nakba, die palästinensischen Revolutionäre im Exil während der frühen Jahre der PLO und die Islamisten, die in den 1980er Jahren und danach die Initiative auf breiter Ebene ergriffen, in sich vereinte.

Viele in der säkularen Linken sind schlapp geworden und lehnen den Widerstand der Hamas nicht aus der Überzeugung heraus ab, dass er unweigerlich scheitern muss, sondern aus einer tief sitzenden Angst vor seinem potenziellen Erfolg.

Dabei handelt es sich nicht nur um eine ethische Ablehnung der Gewaltanwendung, sondern um die Befürchtung, dass sich die Islamisten tatsächlich als effektiver erweisen könnten als ihre eigene, inzwischen weitgehend melancholische und demobilisierte politische Haltung. In der Zwischenzeit blicken bestimmte Fraktionen der palästinensischen Elite auf Israel als Leuchtturm der Moderne und sind zutiefst beunruhigt von ihrer eigenen, als »rückschrittlich« empfundenen Gesellschaft – ein bezeichnendes Indiz für ihre ideologischen Verfasstheiten, der Verlockung des Anderen verfallen und furchtsam gegenüber dem emanzipatorischen Potenzial der palästinensischen Massen.

Politische und ideologische Differenzen mit der Hamas und taktische Meinungsverschiedenheiten, einschließlich ethischer Probleme mit ihren Zielsetzungen oder ihren Fähigkeiten zur Kriegsführung, sind eine Sache. Aber das Minimum an Verständnis dafür zu unterminieren, warum die Palästinenser in all ihren ideologischen Ausformungen und historischen Artikulationen den Widerstand in all seinen bewaffneten und unbewaffneten Formen als eine Notwendigkeit ansehen, ist eine andere. In der Tat ist das geradezu dreist, vor allem in einem Umfeld, in dem Professoren für die Äußerung jeglicher Emotion oder Symbolik der Unterstützung des palästinensischen Widerstands gefeuert werden.

Die Welt kann durchaus die Notwendigkeit des Widerstands und die Bemühungen von Einzelpersonen anerkennen, zu kämpfen und zurückzufordern, was sie verloren haben. Dies geht über das Konzept der Opferrolle hinaus, auf das viele Liberale in Palästina und einige in der Linken unseren Kampf beschränken wollen – eine Form der palästinensischen Subjektivität, die nur Mitleid hervorruft.

Widerstand ist vorpolitisch

Auch ohne formelle bewaffnete Bewegungen oder strikte ideologische Formationen sah das Westjordanland die Entstehung kleiner, informeller Gruppen – Vertrauenskreise, Freundeskreise und kleine bewaffnete Einheiten, die ideologische Grenzen transzendierten. Das bedeutet, dass jede Analyse von greifbaren Realitäten ausgehen muss. Die Projektion idealisierter, starrer Rahmenbedingungen auf politische Gruppen ist nicht nur wenig hilfreich, sondern auch intellektuell faul und ignoriert zutiefst die Tatsache, dass diese Generation weiterhin Widerstand leisten wird.

Widerstand ist vorpolitisch. Er entsteht organisch unter dieser Generation von Palästinensern, die weiterhin aus ihrem Land vertrieben werden und Freunde und geliebte Menschen verlieren. Diese Kräfte sind es, die diesen latenten Widerstand zu organisieren verstehen und schließlich zu einer Kraft werden, mit der in der palästinensischen Gesellschaft gerechnet werden muss. Er ist eine Notwendigkeit, und selbst in seiner Militarisierung erwächst er aus greifbaren materiellen Realitäten und nicht lediglich aus ideologischen Erwägungen.

Die vorherrschende Befürchtung ist stets, dass unsere Kritik am Widerstand unter dem Deckmantel gravierender ideologischer Differenzen (die auch ich teile) zu einem Versuch wird, die Möglichkeit des Widerstands selbst auszulöschen.

Die Hamas stellt nur eines von vielen politischen Projekten und historischen Versuchen dar, die von Israel auferlegte Eiserne Mauer zu durchbrechen. Sie mag scheitern oder erfolgreich sein, aber sie hat nichts getan, was nicht auch andere sozial fortschrittliche Kräfte in Palästina versucht haben. Noch wichtiger ist, dass die Hamas in Gaza nicht nur ein externer Einfluss oder Import ist; sie ist untrennbar mit dem größeren sozialen Gefüge verwoben und verdient zumindestens mehr, als auf pauschaler Basis als »regressiv« versus »progressiv« abgetan zu werden.

Die Hamas wird aus der palästinensischen Politik nicht verschwinden. Sie ist eine tatkräftige politische Einheit, die scharfsinnig aus den Fehlern ihrer Vorgängerin, der PLO, sowohl in der Kriegsführung als auch in den Verhandlungen gelernt hat. Sie hat ihre intellektuellen, politischen und militärischen Ressourcen akribisch in das Verständnis Israels und seines psychischen Gravitationszentrums investiert. Ob es uns nun gefällt oder nicht, die Hamas ist jetzt die wichtigste Kraft, die den palästinensischen Kampf anführt.

Die Linke muss sich dieser grundlegenden Tatsache stellen. Man kann die Solidarität mit Palästina nicht auf eine Politik gründen, die die Hamas ablehnt, übersieht oder ausschließt. Diese Haltung verkennt die Komplexität und die Widersprüche, die dem palästinensischen Kampf innewohnen. Auf diese Weise übersieht die Linke die Trennlinie zwischen Kollaboration und Widerstand zu ihrem eigenen Schaden.

Dieser Beitrag erschien in Englisch in Mondoweis am 31.5.2024 und am selben Tag in (nicht exakt gleicher) deutscher Übersetzung in der Sicht vom Hochblauen von Evelyn Hecht‐Galinski

Bild: Protestaktion in Ottawa, Kanada 26.7.2014 – Wikimedia Commons | Tony Webster

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