Divest now! – Eine revolutionäre Forderung

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Weshalb lösen Palästina‐​Solidaritätscamps von Studenten eine solche Welle brutaler Unterdrückung, schwerer Polizeiübergriffe, Massenverhaftungen, überwältigender Missbilligung in den Konzernmedien und eine neue Stufe reaktionärer Gesetzgebung im US‐​Kongress aus?

Die Forderung nach der Zurückziehung der Investitionen, die bei fast jedem Camp erhoben wird, deckt die gegenwärtig tiefgreifende Einflussnahme des militärisch‐​industriellen Komplexes in das Herz fast aller höheren Bildungseinrichtungen in den USA auf.

Die Divestment‐​Forderung hat revolutionäre Konsequenzen. Divestment ist nicht nur eine Bedrohung für Universitätsvorstände, die Verwaltung und Alumni‐​Financiers. Sie ist eine Bedrohung für die etablierte kapitalistische Ordnung. Sie ist eine Forderung, mit den Konzernen zu brechen, die die Welt ausplündern. Hunderte Milliarden US‐​Dollar – vielleicht Billionen – stehen auf dem Spiel.

Die Divestment‐​Forderung wird allgemein von Palästina‐​Unterstützern getragen, vor allem bei Aktionen an US‐​amerikanischen Universitäten. Sie resultiert aus dem monatelangen Entsetzen über die massive Zerstörung dicht besiedelter ziviler Zentren in Palästina und aus der Erkenntnis, dass Institutionen – in denen Studenten, Mitarbeiter, Gemeinden und Gewerkschaften direkt involviert sind – diese massiven Kriegsverbrechen finanzieren.

Studentengruppen, die sich in kleinen Zelten auf den Rasenflächen eines Campus und auf Schulgeländen versammeln, wirken kaum bedrohlich. Handelte es sich um Musik‐ oder Sportveranstaltungen, blieben sie weitgehend unbemerkt. Doch haben die Gaza‐​Solidaritätscamps die Konfrontation über das Niveau von Massendemonstrationen hinaus gebracht. Die Forderungen nach Zurückziehung und Offenlegung der Investitionen sind für das kapitalistische System eine unmittelbare Herausforderung.

Die gesamte etablierte politische Ordnung reagiert als ob sie angegriffen würde. Das wird sie auch. Die Studenten reißen die trügerische Geschäftsfassade ein.

Staatliche Repression unterdrückt die freie Rede

Seit langem etablierte Rechte der Rede‐ und Versammlungsfreiheit werden in Tränengas und Pfefferspray erstickt. Gewählte Beamte auf Stadt‑, Landes‐ und Bundesebene, Demokraten und Republikaner gleichermaßen, und Polizeibehörden auf allen Ebenen agieren gemeinsam, um die Gaza‐​Solidaritätscamps in den USA und jetzt auch weltweit zu schließen.

Studenten werden kurzerhand suspendiert, vom Campus verwiesen, aus akademischen Jobs gefeuert, ihre Stipendien werden gestrichen. In dem verzweifelten Bemühen, die Debatte zu unterbinden und die Forderungen zum Schweigen zu bringen, verlegen die Universitäten Unterricht vollständig ins Internet und sagen sogar Abschlussfeiern ab. Die Ironie dabei ist, dass viele, die im Jahr 2024 ihren Abschluss machen, durch die Covid‐​19‐​Pandemie 2020 eine eingeschränkte Präsenzausbildung hatten, als sie die High Schools verließen.

In sozialen Medien, in Streaming‐​Videos und Fernsehnachrichten wird die Brutalität der Massenverhaftungen aufgezeichnet und gezeigt. Die schiere Zahl der Verhaftungen in den USA hat in der gesamten internationalen Bewegung Schockwellen ausgelöst. Die Samthandschuhe sind ausgezogen.

Während der monatelangen Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Unterstützung der brutalen israelischen Invasion Gazas durch die USA kam es zu Tausenden von Festnahmen. Doch mehr als 2.900 Festnahmen beziehungsweise Inhaftierungen an 57 Universitäten innerhalb von zwei Wochen sind eine unheilvolle Botschaft der verstärkten Repression in den USA (tinyurl​.com/​y​c​2​c​r​y3k).

Stiftungsgelder unterstützen Israels Kriegsmaschinerie

Investitionen in Höhe von Milliarden US‐​Dollar aus Stiftungsgeldern der Universitäten sowie Forschungszuschüsse des Pentagon und US‐​Verteidigungsministeriums kommen direkt der israelischen Kriegsmaschinerie zugute und sind mit führenden US‐​Rüstungsunternehmen verflochten. In Massenaktionen und mit detaillierten Recherchen entlarven und kritisieren Studenten diese militär‐ industrielle Übernahme der Hochschulbildung.

Die klare Divestment‐​Forderung bei Campus‐​Aktionen ist mit Forderungen nach »vollständiger Offenlegung« des Umfangs der Investitionen und der Forschungszuschüsse für Waffen, Überwachung und selbst direkter Unterstützungen von israelischen Hochschulen verbunden. Viele Campus‐​Proteste weisen darauf hin, dass Israels Bomben alle Universitäten in Gaza zerstörten.

Die Forderung, sich aus US‐​Unternehmen zurückzuziehen, die Ausrüstungen und Materialien für den Völkermord in Gaza liefern, verweist auf das riesige Netz der Unternehmensverstrickungen. Die Stiftungen für US‐​Hochschulen über steuerfreie Spenden von Persönlichkeiten der herrschenden Klasse, die entschlossen sind, die Institutionen so zu gestalten, dass sie der fortgesetzten kapitalistischen Herrschaft dienen, belaufen sich auf etwa 840 Milliarden US‐​Dollar (Vijay Prashad, zitiert nach Tricontinental News vom 3. Mai in »Campus Encampments challenging global imperialism«, Workers World vom 7. Mai).

Verteidigungsministerium dominiert MINT‐Studien

Weitaus größer als die gesammelten Stiftungsgelder sind die Mittel, die das Verteidigungsministerium direkt in die Universitäten pumpt. Diese Forschungs‐ und Entwicklungszuschüsse dominieren das Budget ganzer Fachbereiche, insbesondere in den MINT‐​Fächern (Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen, Mathematik).

Die Drohung, die staatlichen Mittel zu streichen, ist allmächtig. Die meisten wissenschaftlichen Forschungsprojekte sind von der zweckgebundenen Finanzierung durch das Pentagon abhängig.

Die Lösung planetarischer Probleme in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Klima steht nicht auf der Agenda des Pentagons. Dessen Schwerpunkt liegt auf der Forschung und Entwicklung tödlicher High‐Tech‐Waffen.

Eine klare Forderung ist aus einem lebendigen Kampf entstanden, der von Millionen von Menschen getragen wird, die in Bewegung sind und die die bittere Wahrheit erfahren haben, dass die Jahrzehnte währende politische Unterstützung durch die USA, Waffenlieferungen und massive Finanzierung für die zionistische Kriegsmaschinerie verantwortlich ist. Dieses eine Wort »Divestment« stellt das gesamte korrupte Gebäude der Kollaboration mit dem Zionismus und der Ausweitung der US‐​Kriege auf der ganzen Welt in Frage und legt es offen.

Die Studenten, Dozenten, Mitarbeitender und sie Unterstützende erheben mutig eine revolutionäre Forderung, die die gesamte Grundlage des heutigen Bildungssystems in den USA in Frage stellt. Was steht auf dem Spiel?

Der Milliardär Alex Karp, CEO von Palantir, ein CIA‐​gestütztes Unternehmen für Überwachungs‐ und Data‐​Mining‐​Technologien, das mit US‐​Geheimdienstkartellen und Israel verbunden ist, fasste die Debatte aus Sicht der herrschenden Klasse der USA zusammen:

»Man hält diese Dinge, die auf den College‐​Campi passieren, für eine Nebenshow. Nein, sie sind die Show. Wenn wir die intellektuelle Debatte verlieren, wird man im Westen keine Armee mobilisieren können, niemals.« (Palantir auf X, 8. Mai)

Disclose! Divest! We will not stop! We will not rest!

Dieser Beitrag erschien in Englisch in der »Workers World« vom 16. Mai 2024

Bild: Palästina‐​Solidaritätscamp der Universität Harvard, organisiert im April‐​Mai 2024, Wikimedia | Dariusz Jemielniak (»Pundit«)

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