Russ­land ist wei­ter­hin in den Gre­at Reset verwickelt

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»Russ­land und der Gre­at Reset – Wider­stand oder Kom­pli­zen­schaft?« – ein Jahr später

Vor zwölf Mona­ten (plus ein paar Tage) nahm ich an einer von Whit­ney Webb und Kit Knight­ly mode­rier­ten Dis­kus­si­ons­run­de teil: »Rus­sia & the Gre­at Reset – Resis­tance or Com­pli­ci­ty?« Eine kur­ze Zusam­men­fas­sung mei­ner Posi­ti­on (»Yes, Rus­sia is com­pli­cit in the Gre­at Reset« vom 3. April 2022) wur­de schnell zum zweit­meist­ge­le­se­nen Arti­kel in die­sem Blog. Im Juli griff ich die­ses bri­san­te The­ma erneut auf (»Reset­ting Wit­hout Schwab: Rus­sia & the Fourth Indus­tri­al Revo­lu­ti­on«), wobei ich Klaus Schwabs Future of the Fourth Indus­tri­al Revo­lu­ti­on (2018) als Leit­fa­den für Mos­kaus tech­no­kra­ti­sche Machen­schaf­ten ver­wen­de­te. Wie dem auch sei. Ich hielt es für ange­mes­sen und lehr­reich, den ein­jäh­ri­gen Jah­res­tag der Zoom-Debat­te zu nut­zen, um mei­ne Pro­gno­sen zu aktua­li­sie­ren. Was folgt, ist ein Nach­trag zum Arti­kel vom Juli, der die glei­chen Kate­go­rien des Gre­at Reset ver­wen­det: digi­ta­le Wäh­run­gen, siche­re (und intel­li­gen­te) Städ­te, gene­ti­sche »Impf­stof­fe« und nach­hal­ti­ge Entwicklung.

Digi­ta­le Währungen

Ein Geset­zes­pa­ket über den digi­ta­len Rubel wird der­zeit von der Staats­du­ma ver­ab­schie­det. Ursprüng­lich soll­te die Gesetz­ge­bung bis zum 1. April ver­ab­schie­det wer­den, nun wird sie vor­aus­sicht­lich bis Anfang Mai ver­ab­schie­det. Drei­zehn rus­si­sche Ban­ken neh­men an einem Pilot­pro­jekt für den digi­ta­len Token teil. Wenn der Test­lauf erfolg­reich ver­läuft, könn­te das Digi­ta­le Zen­tral­bank­geld (CBDC) der Bank von Russ­land inner­halb von 3 bis 5 Jah­ren für sozia­le Zah­lun­gen, ein­schließ­lich Ren­ten, ver­wen­det wer­den, berich­te­te die Iswes­ti­ja Ende März. Die rück­ver­folg­ba­re, pro­gram­mier­ba­re Wäh­rung wur­de der Öffent­lich­keit als Instru­ment zur Umge­hung von Sank­tio­nen und zur Ver­rin­ge­rung der Kor­rup­ti­on ange­prie­sen. Wie wir kürz­lich (am 29. Janu­ar und am 28. März) dar­ge­legt haben, glau­ben rus­si­sche Akti­vis­ten und Kom­men­ta­to­ren, ins­be­son­de­re in den patriotischen/​konservativen Medi­en, nicht daran.

Quel­le: Katy​u​sha​.org, 17 Janu­ar 2023
Quel­le: Tsa​r​grad​.tv, 19. Febru­ar 2023

Selbst in den Putin-freund­li­chen Medi­en wird die Behaup­tung, der digi­ta­le Rubel wer­de Ver­schwen­dung und Betrug durch die Regie­rung aus­mer­zen, nicht ernst genom­men. Die »Schrau­ben wer­den ange­zo­gen« für nor­ma­le Bür­ger, wäh­rend es immer Schlupf­lö­cher für »Die­ner des Vol­kes« geben wird, sag­te Tsa­r­grad-TV-Mode­ra­tor Juri Pron­ko in einer Sen­dung am 9. März. Zwei Wochen spä­ter deu­te­te Pron­ko an, dass es Wunsch­den­ken sei, zu glau­ben, der digi­ta­le Rubel wür­de frei­wil­lig blei­ben. Der Jour­na­list wit­zel­te am 25. März:

Alles ist also frei­wil­lig. Wir wis­sen jedoch aus der Geschich­te, dass vie­les, was auf frei­wil­li­ger Basis begann, inner­halb kür­zes­ter Zeit zur Pflicht wur­de. Die Geschich­te der COVID-Imp­fun­gen, an die sich heu­te nie­mand mehr erin­nert, ist ein anschau­li­cher Beweis dafür.

Siche­re (und smar­te) Städte

Das rus­si­sche Pro­gramm »Siche­re Stadt« nutzt »orga­ni­sa­to­ri­sche, infor­ma­to­ri­sche, ana­ly­ti­sche, prä­dik­ti­ve und ande­re metho­di­sche, tech­ni­sche und tech­no­lo­gi­sche Lösun­gen, um die Sicher­heit und nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung der Städ­te zu gewähr­leis­ten«. Das lan­des­wei­te Netz von Über­wa­chungs­ka­me­ras, das durch Gesichts­er­ken­nungs­tech­no­lo­gie unter­stützt wird, wird immer grö­ßer und aus­ge­feil­ter. Eine ein­fa­che Yand­ex-Suche ergab eine Viel­zahl von Akti­vi­tä­ten in den letz­ten zwei Wochen.

Die Regi­on Tju­men plant, ihr Safe-City-Netz­werk mit 4.500 CCTV-Kame­ras um 378 Kame­ras zu erwei­tern, schrieb Fed​press​.ru am 24. März. Die Stadt­ver­wal­tung von Woro­nesch stellt gera­de Plä­ne für ein »Öko-Vier­tel« fer­tig, berich­te­ten loka­le Medi­en am 25. März: »Das digi­ta­le Vier­tel wird ›intel­li­gen­te‹ Gegen­sprech­an­la­gen mit Gesichts­er­ken­nung, Park­ein­gän­ge mit Num­mern­schil­der­ken­nung, Video­über­wa­chung und Smart­phone-Lade­sta­tio­nen im Hof umfassen«

Am 28. März gab die Regie­rung der Oblast Lenin­grad bekannt, dass 3.013 Über­wa­chungs­ka­me­ras an das Safe-City-Sys­tem der Regi­on ange­schlos­sen wor­den sind. Bis Juli wer­den die Video­über­wa­chungs­ka­me­ras in Bil­dungs­ein­rich­tun­gen »in ein ein­zi­ges Safe-City-Sys­tem inte­griert, das es ermög­li­chen wird, jun­ge Lenin­gra­der vor Bedro­hun­gen von außen zu schüt­zen«, so die Regio­nal­re­gie­rung in einer Pres­se­er­klä­rung. Die Regi­on Now­go­rod hat im Jahr 2022 146 Über­wa­chungs­ka­me­ras instal­liert, womit sich die Gesamt­zahl der CCTV-Kame­ras in ihrem Safe-City-Pro­gramm auf 700 erhöht. »Öffent­li­che Berei­che in Weli­ki Now­go­rod und den Regio­nen der Regi­on wer­den rund um die Uhr über­wacht«, hieß es am 29. März in einem loka­len Medi­en­be­richt. Ab dem 1. April wer­den auch die Schu­len in Ros­tow in das Safe-City-Sys­tem der Stadt inte­griert.

Quel­le: Blo​knot​-ros​tov​.ru

Das in der (für rus­si­sche Ver­hält­nis­se) win­zi­gen Repu­blik Tschu­wa­schien instal­lier­te Safe-City-Netz über­wacht mehr als 1.300 Orte; die Kame­ras ana­ly­sie­ren die Daten mit­hil­fe von Algo­rith­men und KI in Echt­zeit. Not­ruf- und Ver­sor­gungs­diens­te sol­len bis Ende 2023 an das Sys­tem ange­schlos­sen wer­den, berich­te­te Ver​sia​.ru am 7. April.

Die Ein­füh­rung bio­me­tri­scher ID- und Tem­pe­ra­tur­kon­troll­sys­te­me in Schu­len ist wohl der besorg­nis­er­re­gends­te Aspekt des Safe/​Smart City-Pro­gramms. »Der Punkt ist, dass der Bil­dungs­sek­tor in einen Markt für digi­ta­le Unter­neh­men ver­wan­delt wird«, sag­te Olga Chet­ver­i­ko­va, Direk­to­rin des Heri­ta­ge of the Fat­her­land Tra­di­tio­nal Values Sup­port Fund, im Oktober:

Und wenn wir uns die ange­kün­dig­ten Wett­be­wer­be anse­hen: für Video­auf­nah­me­ge­rä­te in Mos­kau – mehr als 2 Mil­li­ar­den Rubel. Ein Wett­be­werb für die Lie­fe­rung von Gerä­ten zum Scree­ning des Kör­pers – 392 Mil­lio­nen Rubel. Es wird deut­lich, dass es sich hier um ein Geschäft han­delt, das abso­lut nichts für die Kin­der tut, weder im Hin­blick auf die Bil­dung, noch auf die Gesund­heit, noch auf die Sicher­heit, aber es ist von gro­ßem Inter­es­se für kom­mer­zi­el­le IT-Strukturen.

Gene­ti­sche »Impf­stof­fe«

Ende Sep­tem­ber gab das Gam­a­leya-Zen­trum – die angeb­li­che Geburts­stät­te des Astra­Ze­ne­ca-Klons Sput­nik V – bekannt, dass es mit der Arbeit an einem eige­nen mRNA-Impf­stoff begin­nen wer­de. »Die Tech­no­lo­gie der mRNA-Impf­stof­fe hat einen sehr wich­ti­gen Vor­teil: Sie kann min­des­tens jeden Monat ver­ab­reicht wer­den«, erklär­te Denis Logu­n­ov, der stell­ver­tre­ten­de Direk­tor von Gam­a­leya. Er füg­te hin­zu, dass die mRNA-Imp­fun­gen von Moder­na und Pfi­zer nach­ah­mens­wer­te Bei­spie­le sei­en, da sie bei­de »nach drei bis vier Imp­fun­gen eine star­ke Immu­ni­tät verleihen«.

Quel­le: TASS

Einen Tag spä­ter stell­te das staat­li­che Vec­tor-Insti­tut sei­ne eige­nen Plä­ne zur Ent­wick­lung eines mRNA-Impf­stoffs vor. TASS berich­te­te unter Beru­fung auf einen stell­ver­tre­ten­den Direk­tor des Instituts:

Die Ent­wick­lung von mRNA-Impf­stof­fen ist ein viel­ver­spre­chen­der Bereich in der gan­zen Welt. Es wird erwar­tet, dass die Vor­tei­le des zu ent­wi­ckeln­den Impf­stoffs gegen­über den bereits exis­tie­ren­den rus­si­schen Impf­stof­fen … in der Sicher­heit, der Geschwin­dig­keit der Pro­duk­ti­on und den Kos­ten der Medi­ka­men­te lie­gen werden.

Quel­le: TASS

Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um hat ande­re Wege gefun­den, um die »Sicher­heit« und die »Geschwin­dig­keit der Pro­duk­ti­on« von Impf­stof­fen zu erhö­hen. Im Okto­ber ver­ab­schie­de­te das Minis­te­ri­um neue Vor­schrif­ten, die eine beschleu­nig­te Zulas­sung von »aktua­li­sier­ten« COVID-Imp­fun­gen ermög­li­chen. Gam­a­leya, Vec­tor und ande­re rus­si­sche Impf­stoff­ent­wick­ler müs­sen ihre »ver­bes­ser­ten« For­meln nur noch an »50 gesun­den Frei­wil­li­gen« tes­ten. Um das Ver­fah­ren zu beschleu­ni­gen, kön­nen die Pro­to­kol­le für die­se »kli­ni­schen Ver­su­che« sofort begin­nen, so dass die übli­che Prü­fung durch die staat­li­chen Auf­sichts­be­hör­den umgan­gen wird. Das neue und ver­bes­ser­te Zulas­sungs­ver­fah­ren wird zwi­schen 16 und 38 Tagen dauern.

Gam­a­leya-Direk­tor Alex­an­der Gint­s­burg sag­te im Janu­ar, dass Sput­nik V »alle 9 – 10 Mona­te« aktua­li­siert wer­den müs­se, und füg­te hin­zu, dass sein Team bereits einen Impf­stoff gegen den so genann­ten »Kraken«-Stamm ent­wick­le. Einen Monat spä­ter gab Gint­s­burg bekannt, dass sein neu­er COVID-»Impfstoff« für Kin­der im Alter von 6 – 11 Jah­ren die Sicher­heits- und Wirk­sam­keits­tests mit Bra­vour bestan­den hat. COVID ist in Russ­land aus den Schlag­zei­len ver­schwun­den, was also soll das alles?

Nach­hal­ti­ge Entwicklung

Vor kur­zem haben wir einen Bericht über Russ­lands anhal­ten­de Roman­tik mit den Zie­len für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung und der ESG-Agen­da ver­öf­fent­licht, aber wir haben eini­ge merk­wür­di­ge Ent­wick­lun­gen über­se­hen. »[Rus­si­sche] Ban­ken erklä­ren, dass sie wei­ter­hin die ESG-Stra­te­gie ver­fol­gen wer­den, trotz der Iso­lie­rung durch west­li­che Rating- und Ana­ly­se­agen­tu­ren, die sich mit der Agen­da für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung befas­sen«, schrieb Ban­king Review am 7. Okto­ber. Von Juli 2021 bis Juli 2022 ver­drei­fach­te sich das Port­fo­lio der ESG-Kre­di­te rus­si­scher Ban­ken und erreich­te 1,2 Bil­lio­nen Rubel, berich­te­te das Blatt. Die anhal­ten­de Begeis­te­rung für alles, was mit ESG zu tun hat, kam in einem von der rus­si­schen Han­dels­kam­mer im Novem­ber ver­öf­fent­lich­ten Kom­men­tar zum Aus­druck.

Quel­le: tpprf​.ru

Am 6. April lob­te der ers­te stell­ver­tre­ten­de Vor­stands­vor­sit­zen­de der Sber­bank, Alex­an­der Ved­y­ak­hin, die ESG-Agen­da und sag­te vor­aus, dass sie »die Zukunft des Pla­ne­ten für die nächs­ten Jahr­zehn­te bestim­men« werde.

Quel­le: irkutsk​me​dia​.ru

Was die Zie­le für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals, SDGs) betrifft: Die zwei­te Pha­se des rus­si­schen Fahr­plans für die Umset­zung der SDGs begann 2023. Fünf­zig Städ­te mit einem ein­zi­gen Wirt­schafts­zweig in Russ­land wer­den an einem Pro­jekt teil­neh­men, das »Gesell­schaft, Umwelt und Öko­lo­gie« über­wacht. Jede Kom­mu­ne erhält einen maß­ge­schnei­der­ten Plan, der zur Ver­wirk­li­chung der von den Ver­ein­ten Natio­nen ange­streb­ten Uto­pie bei­tra­gen soll. Russ­lands Bestre­ben, die SDGs zu errei­chen, erhielt Ende Dezem­ber gro­ßen Auf­trieb, als der rus­si­sche Prä­si­dent Wla­di­mir Putin das ein­heit­li­che bio­me­tri­sche Sys­tem als Gesetz unter­zeich­ne­te. Die zen­tra­le bio­me­tri­sche Daten­bank wur­de von der Inter­na­tio­na­len Fern­mel­de­uni­on (ITU), der Agen­tur der Ver­ein­ten Natio­nen für Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gien, für ihre beson­ders nach­hal­ti­gen Eigen­schaf­ten aus­ge­zeich­net.

Epi­log

Erschwe­rend kommt hin­zu, dass Putin immer noch mit Her­man Gref zusam­men ist, dem Schwab-anbe­ten­den Ban­ker, der für nicht weni­ger als 50 Pro­zent all der oben auf­ge­zähl­ten ekel­haf­ten Din­ge ver­ant­wort­lich ist.

At the Artificial Intelligence Journey 2022 conference. With Sberbank President and Board Chairman German Gref.
Völ­lig inak­zep­ta­bel. Quel­le: Kreml​.ru, 24. Novem­ber 2022

Wir den­ken immer noch, dass Russ­land ein schö­ner, ruhi­ger Ort ist, um Kar­tof­feln anzu­bau­en und gedul­dig dar­auf zu war­ten, dass die emp­fin­dungs­fä­hi­gen Chat­bots alle aus­rot­ten. Am Ende wird es nur Sie, die Chat­bots und die Kar­tof­feln geben. Die Chat­bots wer­den dich als Haus­tier behal­ten; zum Spaß wer­den sie sofort ein Java­script-Pro­gramm pro­gram­mie­ren, das dir alle 15 Sekun­den eine Kar­tof­fel in den Mund schiebt, für immer.

Aber ja, Russ­land ist immer noch mit­schul­dig. In gro­ßem Stil.

Zuerst in eng­lisch erschie­nen im Sub­stack von Edward Slavs­quat: https://​edwards​lavs​quat​.sub​stack​.com/

4 thoughts on “Russ­land ist wei­ter­hin in den Gre­at Reset verwickelt

  1. Ich weiß, dass es modern ist, einen Arti­kel für zeit­los gül­tig zu erklä­ren und kein Erschei­nungs­da­tum zu schrei­ben, aber dass ihr dabei mit­macht ist bezeich­nend. Schließ­lich ist es auch eine Art »Can­cel Cul­tu­re«, wenn man als Leser kei­ne chro­no­lo­gi­sche Ein­ord­nung machen kann.

    Falls ihr das Datum irgend­wo gut ver­steckt habt, dann gilt die Kri­tik trotzdem.

    1. Oben links neben dem Titel­bild im Desk­top-Look. Wenn per Han­dy, dann ist das nicht sicht­bar, was in der Tat blöd ist, aber man sieht auf der Haupt­sei­te auch mit Han­dy ein Datum.

      1. Der 9.4. ist das Datum der Ver­öf­fent­li­chung der deut­schen Über­set­zung hier. Der eng­li­sche Text wur­de am 7.4.2023 hier ver­öf­fent­licht: https://​edwards​lavs​quat​.sub​stack​.com/​p​/​r​u​s​s​i​a​-​i​s​-​s​t​i​l​l​-​c​o​m​p​l​i​c​i​t​-​i​n​-​the – dahin ist rela­tiv leicht hin­zu­kom­men über den ange­ge­be­nen Link am Ende des Artikels.

        Meckern ist rela­tiv ein­fach, ist mei­ner Mei­nung nach aber nicht berech­tigt, wenn’s so ein­fach raus­zu­fin­den ist.

  2. War­nung vor dem Waggaman(n) !

    Der Name des Autors die­ses Arti­kels ist Riley Wag­ga­man. Letz­te­rer ist ein unweit von Mos­kau leben­der Ame­ri­ka­ner, der einen Blog betreibt und dort
    in ers­ter Linie die hun­dert­pro­zen­ti­ge Kom­pli­zen­schaft Russ­lands in den glo­ba­lis­tisch-olig­ar­chi­schen Machen­schaf­ten, die seit dem Jahr 2020 in eine hei­ße­re Pha­se ein­ge­tre­ten sind, zu doku­men­tie­ren ver­sucht. Man kann ihn
    einem bestimm­ten Kreis von Jour­na­lis­ten bzw. Blog­gern zuord­nen, wel­che ein stark von liber­ta­ris­ti­schen Ideen gepräg­tes Welt­bild eint, des­sen Über­gän­ge zum Anti­kom­mu­nis­mus flie­ßend sind. Zen­tra­le Figu­ren die­ses Krei­ses, imit­ten des­sen auf Wag­ga­man als bevor­zug­te und ein­zi­ge(!) Quel­le zur Unter­maue­rung der The­se, dass Russ­land nur kon­trol­lier­te Oppo­si­ti­on sei, ver­wie­sen wird sind (u.a.) Kit Knight­ley vom »Off-Guar­di­an«, James Cor­bett vom »The Cor­bett Report« und der Blog­ger und Buch­au­tor Iain Davis. Die­se aus­schließ­lich eng­lisch­spra­chi­gen Autoren leis­ten all­ge­mein her­vor­ra­gen­de For­schungs­ar­beit z. Bsp. in Bezug auf die Beschrei­bung von Macht­struk­tu­ren (und ihrer repres­si­ven Tech­ni­ken) im Zuge des Auf­baus von »öffent­lich-pri­va­ten Part­ner­schaf­ten« in den letz­ten Jahr­zehn­ten. Dies mag eine Ver­öf­fent­li­chung im Netz­werk lin­ker Wider­stand aus die­ser Rich­tung recht­fer­ti­gen. Nun ist in kür­zes­ter Zeit schon ein zwei­ter Arti­kel von Wag­ga­man auf Mag­ma erschie­nen und es ist an der Zeit die, eher dem Kom­mu­nis­mus zuge­neig­ten, Leser ein wenig mehr auf die Welt­an­schau­ung der »Liber­ta­ri­ans« hin­zu­wei­sen, wel­che sie aller­dings und natür­li­cher­wei­se bei der Aus­wahl ihrer The­men und der Art der Dar­stel­lung die Din­ge doch zum einem gewis­sen Grad auch durch eine ideo­lo­gi­sche Bril­le sehen lässt. Dazu zunächst ein Zitat des , mitt­ler­wei­le wohl all­seits bekann­ten, in St.Petersburg ansäs­si­gen Jour­na­lis­ten Tho­mas Röper, der außer­dem als eine in Russ­land behei­ma­te­te macht­kri­ti­sche Quel­le gel­ten kann, die Waga­manns Ansich­ten nicht teilt:
    »Auf tkp ist vor einer Woche ein Arti­kel erschie­nen, der Wir­bel gemacht hat. Der Arti­kel war von einem Ame­ri­ka­ner, der in Mos­kau lebt, und tkp hat ihn über­setzt. In dem Arti­kel wur­de behaup­tet, die zwangs­wei­se mobi­li­sier­ten rus­si­schen Sol­da­ten wür­den auch noch zwangs­wei­se mit Sputnik‑V gegen Covid-19 geimpft.

    Ich hat­te dazu eine Anfra­ge beim rus­si­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um gestellt und die Ant­wort bekom­men, dass es kei­ne Zwangs­imp­fun­gen für mobi­li­sier­te rus­si­sche Sol­da­ten gibt. Damit hät­te die Dis­kus­si­on eigent­lich zu Ende sein müs­sen, denn als es im letz­ten Som­mer eine Impf­pflicht bei der rus­si­schen Armee gege­ben hat, wur­de das offen kom­mu­ni­ziert. Es gibt daher kei­nen Grund anzu­neh­men, dass das Minis­te­ri­um in der Fra­ge lügen sollte.

    Aber der Autor des Arti­kels, Riley Wag­ga­man, ist ein Autor, der in sei­nem eige­nen, sehr fest­ge­füg­ten, Welt­bild lebt und nur schwer für Fak­ten zugäng­lich ist, die sei­nem Welt­bild wider­spre­chen. Daher leg­te er nach und behaup­te­te in einem wei­te­ren Arti­kel, ich läge falsch. Auch den zwei­ten Arti­kel hat tkp über­setzt und ver­öf­fent­licht und der Redak­teur von tkp, der die Arti­kel über­setzt hat, hat mir sogar eine Mail mit der Auf­for­de­rung geschrie­ben, die­se öffent­li­che Dis­kus­si­on fort­zu­set­zen und dar­auf mit einem wei­te­ren Arti­kel zu antworten.
    Das hat mich über­rascht, denn ich hal­te tkp für ein seriö­ses Por­tal, und nicht für ein sen­sa­ti­ons­hei­schen­des Por­tal, das „vir­tu­el­le Schlamm­schlach­ten“ för­dert. Ich habe dem daher ein Absa­ge erteilt, denn aus mei­ner Sicht war zu dem The­ma alles gesagt.
    Ich schrei­be die­ses Update, weil ich auf­grund der Arti­kel von tkp, die auch von ande­ren alter­na­ti­ven Medi­en auf­ge­grif­fen wur­den, immer noch vie­le Mails bekom­me. Inzwi­schen hat aber sogar Wag­ga­man ein­ge­se­hen, dass er Unrecht hat und in einem Arti­kel vom 10. Okto­ber mit­ge­teilt, es gäbe kei­ne Impf­pflicht für die mobi­li­sier­ten rus­si­schen Sol­da­ten. Er hat den gan­zen Hype auf­grund eini­ger Mel­dun­gen ver­an­stal­tet, die er sich so zusam­men­ge­reimt hat, dass sie in sein Welt­bild pas­sen. So arbei­tet er lei­der immer, wes­halb ich mich wun­de­re, dass sei­ne Arti­kel von tkp über­haupt auf­ge­grif­fen wer­den, denn tkp hal­te ich, auch auf die Gefahr hin, mich zu wie­der­ho­len, für ein seriö­ses Portal.
    Wag­ga­man hat sei­ne Mei­nung erst geän­dert, nach­dem er auf einem Por­tal der rus­si­schen Regie­rung eine leicht zu fin­den­den Sei­te gefun­den hat, die bestä­tigt, dass es bei der rus­si­schen Armee kei­ne Zwangs­imp­fun­gen gegen Covid-19 für Mobi­li­sier­te gibt. Dass er nicht frü­her auf die Idee gekom­men ist, die­se Infor­ma­ti­on zu suchen, son­dern statt­des­sen eine Woche lang auf­grund von Mel­dun­gen irgend­wel­cher regio­na­ler rus­si­scher Por­ta­le unge­prüft in meh­re­ren Arti­keln die Unwahr­heit ver­brei­tet hat, lässt tief bli­cken. Auch dass er lie­ber einen öffent­li­chen Dis­put mit mir gesucht hat, anstatt selbst beim Minis­te­ri­um nach­zu­fra­gen, zeigt, dass es ihm eher um Publi­ci­ty und sein Welt­bild, als um wahr­heits­ge­mä­ße Bericht­erstat­tung geht. Die offi­zi­el­le Ant­wort des Minis­te­ri­ums hat­te ich ja schon ver­öf­fent­licht, sie war ihm bekannt. «
    (https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​u​p​d​a​t​e​-​w​e​r​d​e​n​-​m​o​b​i​l​i​s​i​e​r​t​e​-​s​o​l​d​a​t​e​n​-​i​n​-​r​u​s​s​l​a​n​d​-​z​w​a​n​g​s​g​e​i​m​p​f​t​/​?​d​o​i​n​g​_​w​p​_​c​r​o​n​=​1​6​8​1​2​1​1​3​1​5​.​3​2​4​0​7​9​9​9​0​3​8​6​9​6​2​8​9​0​6​250)

    Wag­ga­man ist auch mit dem Brown­stone Insti­tut ver­bun­den (https://​de​.brown​stone​.org/​a​u​t​h​o​r​/​r​i​l​e​y​-​w​a​g​g​a​m​an/), des­sen Grün­der Jef­frey A. Tucker ein erklär­ter Ver­fech­ter des »Anarcho-Kapi­ta­lis­mus« ist. Das liber­ta­ris­ti­sche Welt­bild geht aus von der natur­recht­li­chen Ver­tei­di­gung der abso­lu­ten »Frei­wil­lig­keit« des Indi­vi­du­ums in sozia­len, poli­ti­schen, öko­no­mi­schen Fra­gen („vol­un­t­a­ry­ism“) anstatt die Frei­heit des Indi­vi­du­ums, die der Kom­mu­nis­mus genau­so hoch­schät­zen muss, als Bedin­gung und Ziel des gemein­schaft­li­chen Lebens und somit auch als eine Fra­ge der sozia­len Ver­ant­wor­tung zu ver­ste­hen. Man kri­ti­siert die Insti­tu­ti­on des Staa­tes an sich (als »Sta­tism«) und somit auch den Sozi­al­staat. Eine kla­re Gren­ze zu den Theo­rien Hay­eks, Fried­mans etc. wird nicht gezo­gen. Die Ableh­nung bezieht sich also über­haupt eher auf den Staat als auf den Kapi­ta­lis­mus. Eine nicht ganz unwich­ti­ge Unter­schei­dung. Der Ursprung in einer westlich-(anglo-amerikanisch)protestantischen(calvinistischen) Ethik der pol­ti­ischen Phi­lo­so­phie des »Liber­ta­ria­nism« wird hier sehr deut­lich. (Ihre Anhän­ger bezeich­nen sich aller­dings auch als »Anarchisten«(wie der erwähn­te Tucker), wel­ches für die radi­ka­len Lin­ke zu Miss­ver­ständ­nis­sen füh­ren kann.)
    Auf­grund der Ablehn­nung des Staa­tes gel­ten Poli­ti­ker per se als Böse­wich­te. Auch der russ­län­di­sche Staat, ihr Prä­si­dent (»Putin is just ano­ther thug…«) usw. kön­nen hier also grund­sätz­lich, rein poten­zi­ell über­haupt kei­ne Aus­nah­me bil­den. Lei­der muss man fest­stel­len, dass die Liber­ta­ris­ten eine über­heb­lich-recht­ha­be­ri­sche Ein­stel­lung an den Tag legen und sich z.Bsp. in Sachen »Russ­land und der Gre­at Reset« abso­lut sicher sind, wäh­rend ande­re ten­den­zi­ell für ihre »Nai­vi­tät« ver­spot­tet wer­den, falls sie die eura­si­schen Mäch­te als eine ech­te Oppo­si­ti­on zum US-Impe­ria­lis­mus begrei­fen oder sogar ver­eh­ren. Ana­log zur Losung »Es geht nicht um rechts gegen links, son­dern die Regie­rung gegen uns« lau­tet das Cre­do »Es geht nicht um USA vs. Russ­land son­dern die Mächtigen/​Reichen gegen uns«. Auch im Sin­ne des Klas­sen­be­wusst­seins ist dies bis zu einem gewis­sen Grad rich­tig und übt seit 2020 immer wie­der eine gewis­se Fas­zi­na­ti­on auf wei­te Krei­se des Wider­stan­des aller Rich­tun­gen aus. Aller­dings soll­te man genau hin­se­hen. Legt man das kon­ven­tio­nel­le, mas­sen­me­di­al ver­wen­de­te Kon­zept des Links-Rechts-Sche­mas zugrun­de, so ist aus der Per­spek­ti­ve der Unter­drück­ten wohl kaum ein für sie bedeu­ten­der Kon­flikt inner­halb der Par­tei­en­olig­ar­chie zu erken­nen. Die Annah­me eines wei­ten Spek­trums von links­au­ßen nach rechts­au­ßen ist ein­deu­tig trü­ge­risch und leis­tet dem Tota­li­ta­rismsube­griff, Gleich­set­zung von »Links­extre­mis­mus« mit Faschis­mus, Vorschub.
    Anders läge es jedoch rede­fi­nier­te man links und rechts so wie Prof. Maus­feld es in sei­nem Werk »War­um schwei­gen die Läm­mer ?« ver­sucht hat, und man die Gren­ze zwi­schen links und rechts als Gren­ze zwi­schen Sta­tus-Quo Ver­tei­di­gern und revo­lu­tio­nä­ren Kräf­ten ver­steht. Nach die­sem Ver­ständ­nis befin­den sich zumin­dest in den Par­la­men­ten unse­rer reprä­sen­ta­ti­ven Demo­kra­tien über­haupt kei­ne lin­ken Kräfte.
    Hin­sicht­lich der Kon­flik­te zwi­schen Natio­nal­staa­ten kann der tra­di­tio­nel­le Ost-West Kon­flikt zwi­schen einer mehr kol­lek­ti­vis­tisch, reli­gi­ös gestimm­ten Gemein­schaft und einer mehr indi­vi­dua­lis­tisch-mate­ria­lis­ti­schen Gesell­schaft nicht außer Acht gelas­sen wer­den. In der Fra­ge der ulti­ma­ti­ven Kon­zen­tra­ti­on von Macht (One World Govern­ment) ist es außer­dem schwie­rig eine kla­re Gren­ze zwi­schen natio­na­len US-Inter­es­sen und glo­ba­lis­ti­schen Inter­es­sen zu ziehen.
    Dies alles nur als ers­ter, kur­zer Ansatz zu einer zumin­dest dif­fe­ren­zier­ten Auf­nah­me der durch den vir­tu­el­len Raum geis­tern­den Theo­rien des Wag­ga­manns und sei­ner Gesinnungsgenossen.

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