Angst und Abscheu an der Hei­mat­front: Wüten­de Patrio­ten, Olig­ar­chen­kämp­fe und eine Flut von »Sicherheits«-Maßnahmen

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Russ­land hat eine ereig­nis­rei­che Woche hin­ter sich. Der Rei­he nach:

Pri­go­schin sagt, dass der Krieg von Russ­lands tie­fem Staat sabo­tiert wird

Der CEO von Wag­ner, Jew­ge­ni Pri­go­schin, ver­öf­fent­lich­te am 14. April einen Arti­kel, in dem er fol­gen­de Behaup­tun­gen aufstellte:

  • »Die stra­te­gi­sche Rol­le von Bakhmut ist nicht so groß. Auf Bakhmut fol­gen Sewersk, Sla­wjansk, Kra­ma­torsk, Kon­stan­ti­now­ka, Drusch­kow­ka und Cha­sow Jar … [D]ie Ein­nah­me von Bakhmut selbst wird kei­nen kurz­fris­ti­gen Sieg über die Ukrai­ne, den Weg zum Dnjepr oder gar die Ein­nah­me des Don­bass sicherstellen.«
  • »Die USA brau­chen kei­nen schnel­len Krieg«. Washing­ton will den Kon­flikt so lan­ge wie mög­lich hin­aus­zö­gern, um Russ­land zu desta­bi­li­sie­ren und »in vie­le Fürs­ten­tü­mer zu zerlegen«.
  • Der tie­fe Staat Russ­lands, »eine Gemein­schaft staats­na­her Eli­ten, die unab­hän­gig von der poli­ti­schen Füh­rung des Staa­tes agie­ren«, sabo­tiert aktiv die Kriegsanstrengungen.
  • Um zu ver­hin­dern, dass der Tie­fe Staat Zuge­ständ­nis­se an Washing­ton macht, soll­te Russ­land den erfolg­rei­chen Abschluss der »mili­tä­ri­schen Son­der­ope­ra­ti­on« ver­kün­den und die Gebiets­ge­win­ne konsolidieren.

Zusam­men­ge­fasst: Ein Olig­arch, der Russ­lands ein­zi­ge erkenn­ba­re Offen­si­ve in der Ukrai­ne anführt, sagt, der Krieg wer­de auf abseh­ba­re Zeit wei­ter­ge­hen, selbst wenn Bakhmut ein­ge­nom­men wird. In der Zwi­schen­zeit will eine mäch­ti­ge Grup­pe von Olig­ar­chen und Büro­kra­ten mit Washing­ton ein Abkom­men durch die Hin­ter­tür aus­han­deln, das kata­stro­pha­le Fol­gen für Russ­land haben würde.

Scho­ckie­ren­de und unge­heu­er­li­che Behaup­tun­gen? Nur, wenn Sie Ihre »Kriegs-Updates« von You­Tube beziehen.

Strel­kovs »wüten­de Patrio­ten« ver­öf­fent­li­chen Manifest

Der Club der wüten­den Patrio­ten von Igor Strel­kov ver­öf­fent­lich­te am 17. April ein Mani­fest. Ein paar Highlights:

  • »Die Gele­gen­heit für einen schnel­len und unblu­ti­gen Sieg über den ukrai­ni­schen Staat, der zu einer Waf­fe der NATO gewor­den ist, wur­de 2014 durch die Unter­zeich­nung der ver­rä­te­ri­schen Mins­ker Ver­ein­ba­run­gen ver­passt. Die Mili­tär­ope­ra­ti­on im Jahr 2022 hät­te einen völ­lig ande­ren Ver­lauf neh­men kön­nen, aber die mit­tel­mä­ßi­ge Orga­ni­sa­ti­on auf stra­te­gi­scher, ope­ra­ti­ver und tak­ti­scher Ebe­ne hat unser Land in einen Zer­mür­bungs­krieg geführt.«
  • »Eine Nie­der­la­ge in die­sem Krieg wird für Russ­land kata­stro­pha­le Fol­gen haben. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten und die NATO-Staa­ten machen kei­nen Hehl aus ihren Absich­ten, die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on zu zer­stü­ckeln und das rus­si­sche Volk unter ein neu­es [west­li­ches] Joch zu zwingen.«
  • »Die mili­tä­risch-poli­ti­sche Füh­rung Russ­lands ist sich des Erns­tes der Lage nicht bewusst«.
  • »Die­je­ni­gen, die ihr Kapi­tal und ihre Loya­li­tät in den Wes­ten ver­la­gert haben, blei­ben an der Macht wie das Groß­ka­pi­tal. Sie sind sowohl zur Sabo­ta­ge als auch zum direk­ten Zusam­men­spiel mit dem Feind und damit zum Ver­rat bereit. Wir schlie­ßen nicht aus, dass sie einen pro-west­li­chen Staats­streich, die Kapi­tu­la­ti­on und damit die Zer­stü­cke­lung Russ­lands vorbereiten«.
  • »Wir wer­den die­sem Sze­na­rio [Ver­rat durch die West­treu­en] mit allen ver­füg­ba­ren Mit­teln entgegentreten«.

Bemer­kens­wert ist, dass Strel­kow und Pri­go­schin, die sich nicht beson­ders mögen (wenn man mit ihrer wech­sel­vol­len Geschich­te ver­traut ist), im Grun­de genom­men genau das Glei­che sagen.

Das »Unsterb­li­che Regi­ment« wird lan­des­weit gestri­chen; die Mai­auf­mär­sche wer­den redu­ziert; ein all­ge­mei­nes Durch­grei­fen gegen wider­spens­ti­ge Proleten

Der Obers­te Gerichts­hof Russ­lands ent­schied am 18. April, dass das Schrei­ben von unschmei­chel­haf­ten Äuße­run­gen über rus­si­sche Regie­rungs­be­am­te im Inter­net eine Straf­tat dar­stellt, die mit einer Geld­stra­fe von bis zu 40.000 Rubel, gemein­nüt­zi­ger Arbeit von bis zu 360 Stun­den oder »kor­ri­gie­ren­der Arbeit« von bis zu einem Jahr geahn­det wird.

Quel­le: TASS

Am sel­ben Tag wur­de bekannt gege­ben, dass das »Unsterb­li­che Regi­ment« – eine Pro­zes­si­on am Tag des Sie­ges, bei der die Rus­sen ihre im Gro­ßen Vater­län­di­schen Krieg gefal­le­nen Ver­wand­ten ehren – lan­des­weit abge­sagt wer­den solle.

Eben­falls am 18. April sag­te St. Peters­burg sei­nen 1. Mai-Auf­marsch unter Beru­fung auf »COVID-Beschrän­kun­gen« ab und reih­te sich damit in die wach­sen­de Lis­te von Regio­nen ein, die die Per­voye-Maya-Fei­er­lich­kei­ten auf­grund von angeb­li­chen Virus- und/​oder Sicher­heits­be­den­ken abge­sagt haben.

Wir wei­sen nur ungern auf den Ele­fan­ten im Raum hin, aber wie kann Russ­land für die »Ent­na­zi­fi­zie­rung« der Ukrai­ne kämp­fen und gleich­zei­tig sei­nen Bür­gern das Recht vor­ent­hal­ten, ihre Ange­hö­ri­gen zu ehren, die .… gegen die Nazis gekämpft haben?

Und wie kommt es, dass die Ein­woh­ner von St. Peters­burg ihrem täg­li­chen Leben ohne nen­nens­wer­te »epi­de­mio­lo­gi­sche« Ein­schrän­kun­gen nach­ge­hen, aber aus irgend­ei­nem Grund nicht mit Schil­dern auf der Stra­ße her­um­lau­fen dür­fen, auf denen »Frie­den! Arbeit! Mai!« tra­gen – wegen des »Coro­na­vi­rus«?

In der Zwi­schen­zeit bestä­tig­te TASS, dass Mos­kau Kame­ras zur Gesichts­er­ken­nung ein­setzt, um unpünkt­li­che Wehr­pflich­ti­ge auf­zu­spü­ren. (Nakan­une ver­öf­fent­lich­te einen aus­ge­zeich­ne­ten Arti­kel über die­se Ent­wick­lung, für die­je­ni­gen, die dar­an inter­es­siert sind).

Quel­le: TASS

Am sel­ben Tag – dem 18. April – wur­de ein Gesetz ver­ab­schie­det, das es den Behör­den erlaubt, ein­ge­bür­ger­ten Bür­gern ohne Gerichts­ver­fah­ren die rus­si­sche Staats­bür­ger­schaft zu ent­zie­hen, wenn sie beschul­digt wer­den, das rus­si­sche Mili­tär zu diskreditieren.

Ja, Sal­ty­kow-Scht­sche­drins zeit­lo­ser Apho­ris­mus, »die Stren­ge der rus­si­schen Geset­ze wird durch die feh­len­de Ver­pflich­tung zu ihrer Ein­hal­tung gemil­dert«, gilt auch heu­te noch. Aber das ist selbst für rus­si­sche Ver­hält­nis­se übertrieben.

»Russ­lands digi­ta­le Sek­tie­rer haben sich verrechnet«

Ein weit­rei­chen­des Gesetz über elek­tro­ni­sche Vor­la­dun­gen des Mili­tärs und die Ein­rich­tung einer Daten­bank aller wehr­fä­hi­gen Bür­ger wur­de am Sams­tag nach einem Blitz­durch­gang in der Bun­des­ver­samm­lung unter­zeich­net.

Kat​ju​scha​.org – ein Pro-Putin- und Pro-SMO-Alter­na­tiv­me­di­um, das von dem konservativen/​orthodoxen Hitz­kopf Andrej Tsy­ga­now gelei­tet wird – beschrieb das neue Gesetz in einem am 18. April ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel als »sozia­les Bewer­tungs­sys­tem für Wehr­pflich­ti­ge und mobi­li­sier­te [Reser­vis­ten]«:

Es scheint kein Zufall zu sein, dass zwi­schen dem Erschei­nen des Geset­zes­tex­tes in der aktua­li­sier­ten zwei­ten Lesung und sei­ner end­gül­ti­gen Ver­ab­schie­dung durch das Par­la­ment nur drei Stun­den ver­gin­gen … [Nach dem Gesetz] wird einem Bür­ger ohne Gerichts­be­schluss das Recht auf Frei­zü­gig­keit, das Recht, als Ein­zel­un­ter­neh­mer zu arbei­ten (d. h. das Recht auf Arbeit), und das Recht, Immo­bi­li­en zu besit­zen und zu ver­kau­fen, entzogen. […]

Wenn die digi­ta­len Sek­tie­rer, die an der Macht sind, hof­fen, durch das Anzie­hen der Schrau­ben eine Wel­le des Patrio­tis­mus aus­zu­lö­sen … dann glau­ben wir, dass sie sich ver­kal­ku­liert haben. In der Pra­xis wird der Effekt genau das Gegen­teil sein.

Abschlie­ßend eine rhe­to­ri­sche Fra­ge: Wer erschüt­tert die Gesell­schaft in einem hei­ßen Krieg mit dem Wes­ten, und warum?

Was zum Teu­fel ist in Russ­land los?

Wir berich­ten, Sie entscheiden.

Bild: Col­la­ge von Edward Slavsquat

Zuerst in eng­lisch erschie­nen im Sub­stack von Edward Slavs­quat: https://​edwards​lavs​quat​.sub​stack​.com/

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