Die gefähr­li­chen Illu­sio­nen des tech­ni­schen Fortschritts

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Ant­wort auf Jan Mül­ler »Sub­sis­tenz­wirt­schaft und Maschi­nen­we­sen oder die gefähr­li­chen Illu­sio­nen der Clau­dia von Werl­hof« in: Maga­zin der Mas­se, 8.4.2023

Aber es sind doch Sie, Herr Mül­ler, der »gefähr­li­che Illu­sio­nen« ver­brei­tet, nicht ich, und zwar lebens­ge­fähr­li­che. Es sind die gefähr­lichs­ten und dar­über hin­aus gewalt­tä­tigs­ten Illu­sio­nen schlecht­hin, näm­lich nicht nur die des bis­he­ri­gen, son­dern auch noch die eines von Ihnen pro­pa­gier­ten kom­men­den tech­ni­schen Fort­schritts, der den bis­he­ri­gen noch bei wei­tem in den Schat­ten stel­len soll. Sie pre­di­gen immer noch und erneut die Illu­si­on, dass aus­ge­rech­net die Nuklearal­che­mie, wie nicht nur ich sie nen­ne, nun aber end­lich und gewiss das »Para­dies« auf Erden brin­gen wür­de. Der per­ver­se Traum, mit dem Atom bezie­hungs­wei­se der Zer­stö­rung der star­ken Kern­kraft, der Grund­la­ge aller Mate­rie und des Lebens über­haupt, sämt­li­che Mensch­heits­pro­ble­me auf einen Schlag zu lösen, ist ja schon – aus­ge­rech­net nach Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki – in den 1950er Jah­ren geträumt und eben­so aus­ge­träumt wor­den, aller­dings nicht ohne mit über zwei­tau­send Atom- sowie eini­gen Was­ser­stoff­bom­ben­ex­plo­sio­nen auf dem Boden, unter Was­ser und in der Atmo­sphä­re, ein­schließ­lich der Magne­to­sphä­re, zur Zer­stö­rung und blei­ben­den radio­ak­ti­ven Ver­seu­chung der Erde bei­getra­gen zu haben. Auf der Grund­la­ge die­ser Kriegs­tech­no­lo­gie gegen das Leben schlecht­hin wol­len Sie, dass die Zukunft gestal­tet wird. Ja, wie wahn­sin­nig müss­ten die Men­schen sein, dem auch noch zuzustimmen?

Sol­che Hybris und Natur­be­herr­schungs-Träu­me sind Aus­druck des­sen, was ich den »alche­mis­ti­schen Wun­der­glau­ben« nen­ne. Damit sagen Sie den Men­schen: Es wird alles gut, ihr braucht nichts zu tun, und geben Ent­war­nung – aus­ge­rech­net dann, wenn nun end­lich das Erwa­chen aus der Illu­si­on der Moder­ne beginnt. Denn nichts ist ja wohl drin­gen­der als end­lich die so lan­ge bestehen­de Feind­schaft gegen die Natur zu been­den und in eine ech­te Freund­schaft mit ihr zu treten!

Ja, Sie war­nen umge­kehrt aus­ge­rech­net vor der Sub­sis­tenz­pro­duk­ti­on und ‑per­spek­ti­ve, die angeb­lich man­gels Pro­duk­ti­vi­tät in den all­ge­mei­nen Hun­ger­tod führt. Und wie­der ist es genau umge­kehrt: Die indus­tri­el­le Land­wirt­schaft ist das auf gro­tes­ke Wei­se unpro­duk­tivs­te und zer­stö­re­rischs­te Unter­neh­men schlecht­hin. Es beginnt mit einer gera­de­zu absurd nega­ti­ven Ener­gie­bi­lanz. Denn die moder­ne Land­wirt­schaft braucht um ein Viel­fa­ches mehr Ener­gie, um her­vor­zu­brin­gen, was sie her­vor­bringt. »Wir essen Öl«, heißt es dazu bei Tho­mas Hoof. Und das geht nur »gut«, weil es bis jetzt genü­gend Öl zu extrem nied­ri­gen Prei­sen gab, ein Modell, das gera­de gekippt wird, weil es nicht wei­ter auf­recht­zu­er­hal­ten ist. Denn das Öl schwin­det und sei­ne Aus­beu­te wird immer schwie­ri­ger – nicht das CO2 ist hier das Pro­blem, das ledig­lich vor­ge­scho­ben wird. Zum Irr­sinn der indus­tri­el­len Land­wirt­schaft gehö­ren eine rie­si­ge Maschi­ne­rie, anfäl­li­ge Mono­kul­tu­ren, eine Gen­tech­nik, wel­che die Pflan­zen schwächt, und der irrever­si­ble Ver­lust der Arten­viel­falt. Die Inputs die­ser Pro­duk­ti­on ver­gif­ten und zer­stö­ren die Böden, sodass am Ende nur mehr »tote Zonen« blei­ben, auf denen gar nichts mehr wächst. Und schließ­lich wur­de dafür in nur einem Jahr­hun­dert eine Res­sour­ce ver­braucht, die in Hun­der­ten von Mil­lio­nen Jah­ren oder noch län­ger brauch­te, um über­haupt vor­han­den zu sein. Was soll denn danach kom­men? Natur kaputt, Böden tot, Saat­gut weg oder unfrucht­bar gemacht – »Ter­mi­na­tor«- Saat­gut, in der Tat – Ener­gie ver­braucht… grü­ne Wüs­ten oder gar ein »green goo« über­all, also ein Umkip­pen der Pro­duk­ti­on in die Destruk­ti­on – und dann? 

All das kann man der Sub­sis­tenz­pro­duk­ti­on, Per­ma­kul­tur, bäu­er­li­chen Land­wirt­schaft und der Tra­di­ti­on von Gar­ten­städ­ten ja gera­de nicht vor­wer­fen. Ken­nen Sie nicht Van­da­na Shi­va oder gar mei­ne Habi­li­ta­ti­ons­schrift »Wenn die Bau­ern wiederkommen …«?

Ja, was kann neben Ihren Fort­schritts­vi­sio­nen eigent­lich noch unsin­ni­ger und – zumal auf die Dau­er – selbst­mör­de­ri­scher und absur­der sein als die »fort­schritt­li­che« Landwirtschaft?

Im Übri­gen: Aus­ge­rech­net Karl Marx wand­te sich am Ende sei­nes Lebens von der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on über­haupt ab! Der bes­te Bau­ern­for­scher des 20. Jahr­hun­derts, Theo­dor Shanin, beschreibt dies in Late Marx and the Rus­si­an Way. Marx plä­dier­te näm­lich für nichts Gerin­ge­res als eine Rück­kehr zur vor­pa­tri­ar­cha­len Wirt­schafts­wei­se der rus­si­schen Bau­ern­ge­mein­de, dem Mir!

Aber es gibt noch mehr alte Hüte und Ver­keh­run­gen in Ihrer unin­for­mier­ten Ant­wort auf einen ein­zi­gen Vor­trag und ein ein­zi­ges Inter­view von mir:

Die Maschi­ne. Welch nied­lich’ Ding, hat­ten sie doch schon die Matri­ar­cha­te! Das sagen Sie, und Sie haben dem­nach aus­ge­rech­net von Ihrem »Maschi­nen­we­sen« – was soll denn da ein Wesen sein? – kei­ne Ahnung, jeden­falls nicht von der Dis­kus­si­on zum wahr­haf­ti­gen Maschi­nen­un­we­sen zwi­schen den 1970 – 1990er Jah­ren genau hier, in Deutsch­land und Öster­reich. Fried­rich Wag­ner, Gün­ther Anders, Erwin Char­gaff, Joseph Wei­zen­baum, Rena­te Genth – noch nie gehört? Immer­hin ist der Witz an der Maschi­ne doch, dass sie Ener­gie benö­tigt, aber nicht nur das Feu­er des Schmie­des und den Ofen des Köh­lers. Die Maschi­ne braucht ein ener­ge­ti­sches Groß­sys­tem, eine rie­si­ge Infra­struk­tur an Ener­gie­ver­sor­gungs­leis­tun­gen und ‑lei­tun­gen, ohne die noch nicht ein­mal ein Staub­sauger funk­tio­niert. Eben: Koh­le, Öl, Gas, und schließ­lich Atom … Ein sich impe­ria­lis­tisch aus­brei­ten­des Sys­tem von wei­te­ren Maschi­nen und Infra­struk­tu­ren, bis hin zur kom­men­den »Einen Maschi­ne« (Anders), der tota­li­tä­ren »Megama­schi­ne« (Mum­ford), die uns heu­te ins Haus steht. Und so etwas soll es schon in den Matri­ar­cha­ten gege­ben haben? Sie ver­su­chen also, sogar die Matri­ar­chats­for­schung gegen mei­ne Patri­ar­chats­kri­tik ins Feld zu schi­cken, und behaup­ten dar­über hin­aus, die ers­ten öko­lo­gi­schen Schä­den der groß­räu­mi­gen Bewäs­se­rungs­land­wirt­schaft im his­to­ri­schen Süd­me­so­po­ta­mi­en sei­en einer matri­ar­cha­len Gesell­schaft anzu­las­ten! Aber hal­lo: Es han­delt sich um Fol­gen der von Marx soge­nann­ten »Asia­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se«, APW, die sol­ches her­vor­brach­te, sprich einer der ers­ten Des­po­tien des Vor­de­ren Ori­ents. Von matri­ar­cha­len Des­po­tien ist aller­dings nichts bekannt.

Auch mit der Alche­mie haben Sie sich nicht beschäf­tigt, schon gar nicht mit dem Unter­schied: hie die Natur als die Gro­ße Alche­mis­tin und die an sie ange­lehn­te matri­ar­cha­le Alche­mie – des Kochens, Kin­der­krie­gens, der Lei­bes­kul­tur, der Gär­ten und ers­ten Land­wirt­schaft sowie des Hand­werks… Sie tun ja so, als sei­en Sie ein Matri­ar­chats­ken­ner und ‑befür­wor­ter! Und da die patri­ar­cha­li­sier­te, ver­kehr­te, ganz ande­ren Zwe­cken als einer angeb­li­chen »Ver­bes­se­rung« – wie Sie sagen – die­nen­de anti­ke bis moder­ne »Alche­mie«, von der ich rede. Sie haben davon kei­ne Ahnung, und wie­so auch, haben Sie es sich doch erspart, sich ein­mal ein biss­chen zu infor­mie­ren. Denn bei der moder­nen Alche­mie geht es um nichts Gerin­ge­res als die Über­win­dung, Zer­stö­rung, Neu-Zusam­men­set­zung und künst­li­che Erset­zung der Natur, also die dar­aus resul­tie­ren­de Her­vor­brin­gung ihres abso­lu­ten Gegen­teils – eben, der Maschine.

Und dann das Patri­ar­chat! Das Wort »Gebär­neid« kommt bei mir kein ein­zi­ges Mal vor, nir­gends. War­um wohl? Oder glau­ben Sie, eine blo­ße psy­cho­lo­gi­sche Kate­go­rie kann den Gang der Welt­ge­schich­te der letz­ten 6000 Jah­re erklä­ren? Ja, wie­so hat­ten und haben denn die matri­ar­cha­len Män­ner kei­nen Gebär­neid? Sie hat­ten ihn nicht, weil man ihnen nicht ein­re­de­te, sie sei­en eigent­lich die Schöp­fer des Lebens und nicht Mut­ter Natur, und soll­ten sich daher am Umsturz die­ser Natur­ord­nung betei­li­gen, um dies auch zu bewei­sen. Denn Patri­ar­chat meint eben dies: die Her­vor­brin­gung des Gegen­teils von allem, was ist. Dar­an liegt es, dass die Müt­ter abge­schafft wer­den sol­len, wie Sie selbst fest­stel­len, ohne den Zusam­men­hang zu ver­ste­hen. Denn wozu wür­de man die dann noch brauchen?

Schließ­lich der »Gre­at Reset«. Da tun Sie gera­de­so, als wären Ver­ar­mung und Bevöl­ke­rungs­re­duk­ti­on ein Merk­mal der Sub­sis­tenz­per­spek­ti­ve und nicht der indus­tri­el­len Moder­ne, die – aus den bereits beschrie­be­nen Grün­den – nun in den Gre­at Reset mün­den soll, der eben eine sol­che Bevöl­ke­rungs­re­duk­ti­on pro­pa­giert, ohne irgend­ein Blatt vor den Mund zu neh­men. Denn die Her­vor­brin­gung von Men­schen­mas­sen, die das Kapi­tal seit 500 Jah­ren mit allen Mit­teln des Pro­na­ta­lis­mus und der Gesetz­ge­bung zum Zweck der Ver­hin­de­rung der Ver­fü­gung von Frau­en über ihren eige­nen Leib ver­folgt, ist nun an ihr Ende gekom­men. Marx’ »Bevöl­ke­rungs­ge­setz« als Vor­aus­set­zung der Kapi­tal­ak­ku­mu­la­ti­on hat sich gera­de erle­digt. Nun sind die Men­schen­mas­sen im Weg, weil die Erde end­lich und die Kapi­tal­ak­ku­mu­la­ti­on unend­lich ist. Es muss also bei­des neu orga­ni­siert wer­den, um das Sys­tem auf­recht zu erhal­ten – und das ist der Gre­at Reset. Er beginnt außer­dem jetzt, wo eine neue indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on mög­lich erscheint: die inzwi­schen vier­te. Dafür wird die zwei­te geschleift, samt den sie beglei­ten­den Arbei­ter­mas­sen. Und genau das wird auch noch als grün, öko­lo­gisch und alter­na­tiv aus­ge­ge­ben – wo es des­sen pures Gegen­teil ist, näm­lich der Auf- und Aus­bau einer Megama­schi­ne, in die auch die ver­blei­ben­den Men­schen – nun aber als Mensch­ma­schi­nen – ange­schlos­sen, ja ein­ge­schlos­sen wer­den sol­len … Men­schen jen­seits des Trans- und Post­hu­ma­nis­mus gäbe es dann kaum mehr.

Und Sie tun so, als wür­de ich dafür gewis­ser­ma­ßen auch noch Rekla­me machen – so, als hät­te der Gre­at Reset tat­säch­lich mit Grün, Natur­freund­lich­keit, Sub­sis­tenz­ori­en­tie­rung, ja, Öko­fe­mi­nis­mus zu tun – und ich dage­gen mit Bevöl­ke­rungs­re­duk­ti­on und ande­ren Ver­bre­chen bezie­hungs­wei­se »gefähr­li­chen Illu­sio­nen«! Damit sind Sie ein­fach nur noch unver­schämt, abge­se­hen davon, dass Sie der Pro­pa­gan­da des Gre­at Reset auf den Leim gegan­gen wären … Mit dem Trans­hu­ma­nis­mus und der Megama­schi­ne schei­nen Sie dage­gen weni­ger Pro­ble­me zu haben. Eben: typisch Fortschrittsdenken! 

Also: Von wo auch immer man schaut, für Sie ist alles ver­kehrt her­um, und am bes­ten, alles geht so wei­ter mit dem tech­ni­schen Fort­schritt, die­ser Hei­li­gen Kuh, dem Fetisch und Wahn des kapi­ta­lis­ti­schen Patriarchats.

Statt­des­sen schril­len die Alarm­glo­cken, damit end­lich auf­zu­hö­ren, den Scha­den zu besich­ti­gen, mit der Wie­der­gut­ma­chung zu begin­nen und die­ser Erde zu ver­spre­chen, ihr nie wie­der den Krieg zu erklä­ren, son­dern die unver­brüch­li­che Freund­schaft mit ihr zu begin­nen – sie über­haupt wahr- und anzu­neh­men, und sich zu über­le­gen, wie wir heu­te ganz neu anfan­gen kön­nen, mit ihr zu leben, und nicht gegen sie.

Das The­ma von Heu­te ist die Erfin­dung einer post­pa­tri­ar­cha­len Zivi­li­sa­ti­on, nichts Gerin­ge­res, Herr Mül­ler. Das heißt, die Sack­gas­se ver­las­sen, die Ent­frem­dung been­den, sich von Wahn­vor­stel­lun­gen befrei­en und sich an der Natur ori­en­tie­ren, von der wir ja gar nichts (mehr) wis­sen. Welch ein Auf­bruch, welch eine Freu­de wird das sein!

Bild: Wer­ner Pet­zold, »Die fried­li­che Nut­zung der Kern­ener­gie«, Male­rei auf Email, 16 x 12 m. 2006 vor Abbruch des Betriebs­ge­bäu­des der SDAG demon­tiert. 2007 im Zuge der BUGA neu auf­ge­stellt. Es wur­de im Auf­trag des Uran­berg­bau­un­ter­neh­mens Wis­mut geschaf­fen. Es wur­de auf 384 email­lier­te Stahl­ble­che gemalt, damit es Umwelt- und Wit­te­rungs­ein­flüs­sen bes­ser stand­hal­ten kann. Das Bild zeigt Arbei­ter im All­tag, die eine rote Fah­ne schwen­ken und sich um einen Atom­kern grup­pie­ren. Seit dem 5. Sep­tem­ber 2009 ist es auf einer Frei­flä­che in Löbich­au (Lage) bei Ron­ne­burg installiert

5 thoughts on “Die gefähr­li­chen Illu­sio­nen des tech­ni­schen Fortschritts

  1. In mei­nem Kom­men­tar zu Jan Mül­lers Artikel…
    https://​mag​ma​-maga​zin​.su/​2​0​2​3​/​0​4​/​j​a​n​m​u​e​l​l​e​r​/​s​u​b​s​i​s​t​e​n​z​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​-​u​n​d​-​m​a​s​c​h​i​n​e​n​w​e​s​e​n​-​o​d​e​r​-​d​i​e​-​g​e​f​a​e​h​r​l​i​c​h​e​n​-​i​l​l​u​s​i​o​n​e​n​-​d​e​r​-​c​l​a​u​d​i​a​-​v​o​n​-​w​e​r​l​h​o​f​/​#​c​o​m​m​e​n​t​-​1​286
    …habe ich the­ma­ti­siert »das Ver­hält­nis von Tech­no- und Bio­sphä­re« Die Unge­klärt­heit die­ses UNSE­RES Ver­hält­nis­ses, zu bei­dem, ist eigent­lich eine Unklar­heit in der Bestim­mung des­sen, was UNS aus­macht; und die­se Unklar­heit ist kei­ne theo­re­ti­sche, für Men­schem mit einem Begriffs-Spar­ren, son­dern ech­te prak­ti­sche Rat­lo­sig­keit. Als sol­che kann man sie womög­lich sogar (und das ist jetzt auch ein Ver­such, die aktu­el­le Ver­si­on von »Patri­ar­chat« kon­kret zu benen­nen) zum heim­li­chen Fun­da­men­tal­mo­tiv, also ‑gebre­chen der MODER­NE (in jed­we­dem (unum­gäng­lich) bür­ger­li­chem Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis, in dem sie bis­lang vor­kam) erklä­ren. Denn: Wir behan­deln uns zum einen als Werk­zeug neben andern, das den­sel­ben Opti­mie­rungs­be­stre­bun­gen unter­liegt wie sei­ne Mit-Werk­zeu­ge, was Leis­tungs­fä­hig­keit, Robust­heit, Effi­zi­enz usw angeht, und da sind wir ganz frei, »uns« umzu­ge­stal­ten, umzu­bau­en, in ein womög­lich GANZ ande­res, aber dafür »ertüch­tig­tes« MIT­TEL. Zum andern aber sind wir Trä­ger von ZWE­CKEN; die durch die Art, wie wir uns vor­fin­den, vor-bestimmt sind – Zwe­cke, die zu miss­ach­ten (etwa wenn wir uns als MIt­tel opti­mie­ren und umbau­en) uns irgend­wie nicht gut­tut, und unse­re Selbst-Erhal­tung, Repro­duk­ti­on als Indi­vi­du­en oder Gemein­schaft zu gefähr­den, wenn nicht sogar zu been­den droht. Nicht zuletzt ist dies bio­lo­gi­sche Sub­strat (das sich schnell in die gesam­te Bio­sphä­re hin­ein, oder bes­ser: sich ZUR gesam­ten Bio­sphä­re aus­wei­tet) die bis­lang undurch­drun­ge­ne Vor­aus­set­zung all unse­rer (Selbst-)Optimierungsversuche als Mit­tel, die an ihm dar­um eine bis­lang nicht zu durch­bre­chen­de Schran­ke vor­fin­den – aller­dings eine, wie eben schon fest­ge­stellt, UNBESTIMMTE.
    Anm.1: Genau­er. Die Über­schrei­tung der Gren­ze fin­det der­zeit ein­zig so statt, dass unse­re Zwe­cke (Wün­sche usw), als Aus­druck von »Bedürf­nis­sen«, genom­men wer­den bereits als Sym­pto­me der Beschä­digt­heit, die wir uns selbst im Zuge unse­rer Mit­tel-Tätig­keit zuge­fügt haben. Wie aber der Ursprungs­zu­stand aus­sä­he, wis­sen wir nicht – jener also, von dem erst­mals zu sagen wäre: SO wol­len wir blei­ben, SO fühlt es sich gut an, DAS zu erhal­ten lohnt sich (»ver­wei­le doch…«).
    Anm 2: Eigen­ar­ti­ger­wei­se fehlt uns Nach­hal­tig­keit als ent­schei­den­de stra­te­gi­sche Ziel­stel­lung, sogar beim Gestal­ten der Tech­no­sphä­re. Die welt­wei­te Pro­duk­ti­ons­ar­chi­tek­tur ist unglaub­lich gleich­gül­tig gegen (sie bedro­hen­de, auch geo­phy­si­ka­li­sche) Risi­ken, Not­wen­dig­keit von Red­un­dan­zen, Modu­la­ri­tät, Ein­fach­heit, welt­wei­ter Ein­setz­bar­keit, Repro­duk­ti­vi­tät… (und das alles eng­ge­führt im ZUSAM­MEN­WIR­KEN mit pas­sen­den Gegen­stü­cken in der (ins­ge­samt, dann, hof­fent­lich, wie­der, intak­ten) Bio­sphä­re). Mit ande­ren Wor­ten: Die­se Pro­duk­ti­ons­ar­chi­tek­tur ist PRI­MI­TIV. Und nur dar­um, weil sie als selbst­be­züg­li­che, als Tech­nik, die schnellst­mög­lich, pre­kär auf Kan­te genäht, stän­dig noch bes­se­re Tech­nik her­vor­brin­gen soll, als nicht enden­de Fort­schritts­spi­ra­le mit dem Ziel, eine tech­nisch kon­trol­lier­te (sich selbst kon­trol­lie­ren­de, auto­ma­ti­sier­te, selbst-erhal­ten­de), mine­ra­li­sche Bio-Sphä­re aller­erst zu erschaf­fen (als hät­ten wir noch kei­ne), die längst im rasen­den Still­stand gelan­det ist (neu­es­te Tech­nik gerecht­fer­tigt als MIt­tel, Tech­nik­fol­gen aus der letz­ten Umdre­hung der Spi­ra­le zu bewäl­ti­gen): Nur dar­um also auch ist die­ser sinn­lo­se Fort­schritt noch als KAPI­TAL­AK­KU­MU­LA­TI­ON abbild­bar, zumin­dest ver­meint­lich. Denn ob Pro­fit tat­säch­lich die erbärm­li­chen Erfol­ge die­ses Fort­schritts auf dem Weg in die Sack­gas­se dar­zu­stel­len imstand ist, bleibt nach­zu­wei­sen. (Ich glau­be: nicht­mal das.)

    PS: So ver­dienst­voll es ist, dass Jan Mül­ler DIE PRO­DUK­TI­ON zum The­ma macht – so sehr ist aus­zu­set­zen, dass er das Schlüs­sel­the­ma indus­tri­el­le Land­wirt­schaft glaubt igno­rie­ren zu dür­fen. Die ist, bis auf wei­te­res, am Ende, und führt in Fehl- und Man­gel­er­näh­rung, die viel­leicht grad eben satt­macht, aber auch krank. Und bio­lo­gi­sche Land­wirt­schaft -. eine, die die­sen Namen ver­dient (Gül­le jeden­falls ist Kunst­dün­ger unter anderm Namen..)? Die steht, soweit ich weiss, noch ziem­lich am Anfang. Nur eins steht fest: Eine Pro­duk­ti­ons­wei­se, die von DORT her sich auf­baut (auch wenn sie mit Werk­zeu­gen aus einer repro­duk­ti­ons­fä­hi­gen, raf­fi­nier­ten loka­len Indus­trie-Pro­duk­ti­ons­ar­chi­tek­tur betrie­ben wird), wird ein kom­plett ande­res Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis erfor­dern als das bür­ger­li­che. Da müs­sen alle alles Wesent­li­che wis­sen. Kei­ne Hier­ar­chie. Kei­ne Tren­nung also, oder gar Wider­spruch mehr von Kopf und Hand, Stadt und Land (Tech­no- und Bio­sphä­re), Zen­trum und Peri­phe­rie (statt­des­sen glei­che Lebens- und Pro­duk­ti­ons­chan­cen über­all auf dem Pla­ne­ten, wo man leben kann). Ja nicht­mal von »männ­lich« und »weib­lich« (das, so ver­stan­den, mit den leib­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der Fort­pflan­zung nicht nichts, aber auch wie­der nicht SO viel zu tun hat. Eige­nes Thema.).

      1. Selbst­ver­ständ­lich ist ein Ein­stel­len von Dün­gung kom­plett unsin­nig. Eine rena­tu­rie­ren­de Land­wirt­schaft ist ein Zukunfts­pro­jekt, für das frei­lich ers­te Ansät­ze exis­tie­ren. Dabei geht es um Boden­kul­tur. Der Hype um Per­ma­kul­tur ist dafür kein Ersatz (son­dern hat rege­ne­rier­te, um nicht zu sagen rena­tu­rier­te Böden zur Voaus­set­zung). Kein The­ma für Blitz­dis­pu­te mit drei Sätzen.
        (BTW, ich hat­te die Redak­ti­on gebe­ten, mein Fehl­pos­ting ohne Namen oben zu löschen.)

    1. Das vom Kapi­ta­lis­mus bevor­zug­te Spiel »mehr des­sel­ben« zum Lösen der Pro­ble­me, wel­ches »das­sel­be« über­haupt her­vor­ge­ru­fen hat, wird es auf jeden Fall nicht brin­gen. Tech­no­kra­ten wer­den es nicht bringen.

      🙄

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