Unter diesem Titel erschien am 20. Februar 2023 auf der Webseite des chinesischen Außenministeriums in Form eines »Berichts« ein vernichtender geostrategischer Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika und den Wunsch ihrer Eliten, die Welt zu beherrschen. Eine derart scharfe Sprache war von Peking bisher noch nicht zu hören gewesen. China hat damit nicht nur seine Übereinstimmung mit Russland in der Konfrontation gegen die USA zum Ausdruck gebracht sondern auch seine Bereitschaft bekundet, im Schulterschluss mit dem globalen Süden eine führende Rolle bei der Überwindung der neokolonialistischen Weltordnung zu übernehmen.
Timur Fomenko, ein russischer Mathematiker und Professor an der Lomonossow‐Universität in Moskau, hat das Dokument ausführlich kommentiert: Er hebt besonders hervor, dass China trotz Washingtons Feindseligkeiten gegenüber Peking viele Jahre lang überwältigend zurückhaltend blieb. »Peking hielt lange Zeit an der Überzeugung fest, dass man sich mit den USA arrangieren kann, dass das Land irgendwie zur Vernunft gebracht werden kann und dass die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und China verbessert und stabilisiert werden können.« Doch die Biden‐Präsidentschaft habe die US‐Politik von einer ›America First‹-Frustration in Bezug auf den gegenseitigen Handel hin zu einer allumfassenden Kampagne militärischer und strategischer Eindämmung eskalieren lassen, sodass die Spannungen zwischen beiden Ländern dramatisch zunahmen. Und Fomenko weiter:
Die Schlussfolgerung, zu der Peking schließlich kommen musste, ist, dass es keinen ernsthaften Dialog mit den Vereinigten Staaten geben kann. Das ist reine Zeitverschwendung. China steht einem kriegerischen, hegemonialen und böswilligen Akteur gegenüber, der versucht, es einzudämmen und um jeden Preis strategisch zu vernichten. Die USA zwingen China somit, eine Anpassung seiner Außenpolitik vorzunehmen… China hat jetzt erkennen müssen, dass seine beste Option nicht darin besteht, Washington zu beschwichtigen, sondern dass seine weitere Entwicklung und sein eigener Wohlstand davon abhängt, eine multipolare Welt aufzubauen und aufrechtzuerhalten, in der die US‐amerikanische Macht verwässert wird. China hat die US‐Hegemonie jetzt offiziell als die größte Quelle von Instabilität, Chaos, Ungleichheit und für die Konflikte in der Welt identifiziert und damit die Feststellungen von Wladimir Putin untermauert.
Eine Recherche im deutschsprachigen Internet ergibt einen einsamen Hinweis auf das Dokument bei t‑online vom 23. Februar. In einem Bericht aus New York in Vorschau auf den Auftritt von Annalena Baerbock vor der UN‐Generalversammlung heißt es: »… seit Tagen mehren sich die Zeichen, dass China sich deutlicher an der Seite Russlands positionieren wird als bislang«. Das Pekinger Außenministerium verbreite »eine Darstellung, die Putin gefallen dürfte.« Man verbreite »ein anti‐amerikanisches Pamphlet, das auch an Journalisten verschickt wurde.« Doch die deutschen Mainstreammedien schweigen. Es kennzeichnet die Lage, dass es die Webseite eines Ortsverbands der AfD ist, die auf das Dokument hinweist und verlinkt, mit der Begründung, dass »man es als unwahrscheinlich erachten muß, daß die Leitmedien im gebotenem Maße darüber berichten«.
Bemerkenswert ist ferner ein Video‐Kommentar von Gonzalo Lira, einem US‐Bürger chilenischer Herkunft, der in Charkow/Ukraine lebt. Aus seiner Sicht ist das Dokument des chinesischen Außenministeriums eine »klare Darlegung, warum es für China zu einem Krieg mit den Vereinigten Staaten kommen wird«. Er meint, das Dokument »legt die Grundlagen für die eigene Rechtfertigung, dass China in den Krieg gegen die USA zieht. Und hier ist das schmutzige kleine Geheimnis: in einem Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China werden die Vereinigten Staaten verlieren, und böse verlieren. Und wegen dieses Verlustes und wegen der daraus folgenden Panik und Hysterie ist es sehr wahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten Atomwaffen einsetzen werden, und was danach geschieht, weiß niemand.« Lira kommt zu dieser Einschätzung u.a. auch aufgrund der Tatsache, dass Offiziere des Militärs der USA in provozierender Weise öffentlich über einen Krieg gegen China reden, ohne dafür gemaßregelt zu werden. Bekannt geworden ist ein Memorandum des Viersternegeneral Mike Minihan vom 27. Januar 2023, in dem er die ihm unterstellten Offiziere anweist, sich auf einen Krieg mit China in 2 Jahren vorzubereiten. Dieser General ist Chef des Air Mobility Command General, das fast 50.000 Soldaten und fast 500 Flugzeuge umfasst und für Transport und Betankung verantwortlich ist.
Die »Einleitung« des Dokuments, das in deutscher Übersetzung hier verfügbar ist, enthält im Wesentlichen die gesamte Argumentation und soll hier vollständig wiedergegeben werden:
Seit die Vereinigten Staaten nach den beiden Weltkriegen und dem Kalten Krieg zum mächtigsten Land der Welt geworden sind, haben sie sich immer dreister in die inneren Angelegenheiten anderer Länder eingemischt, ihre Hegemonie angestrebt, aufrechterhalten und missbraucht, Subversion und Infiltration vorangetrieben und vorsätzlich Kriege geführt, die der internationalen Gemeinschaft Schaden zufügen.
Die Vereinigten Staaten haben ein hegemoniales Drehbuch entwickelt, um unter dem Deckmantel der Förderung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten »farbige Revolutionen« zu inszenieren, regionale Streitigkeiten anzuzetteln und sogar direkt Kriege zu führen. In Anlehnung an die Mentalität des Kalten Krieges haben die Vereinigten Staaten die Blockpolitik angeheizt und Konflikte und Konfrontationen geschürt. Sie haben das Konzept der nationalen Sicherheit überstrapaziert, Exportkontrollen missbraucht und anderen einseitige Sanktionen aufgezwungen. Sie sind selektiv mit internationalem Recht und internationalen Regeln umgegangen, haben diese je nach Bedarf genutzt oder verworfen und versucht, im Namen der Aufrechterhaltung einer »regelbasierten internationalen Ordnung« Regeln durchzusetzen, die ihren eigenen Interessen dienen.
Dieser Bericht will durch die Darstellung der relevanten Fakten den Hegemoniemissbrauch der USA auf politischem, militärischem, wirtschaftlichem, finanziellem, technologischem und kulturellem Gebiet aufdecken und die internationale Aufmerksamkeit auf die Gefahren der US‐Praktiken für den Weltfrieden und die Stabilität sowie das Wohlergehen aller Völker lenken.
Die im Hauptteil des Dokuments dargelegten Fakten sind überwiegend allgemein bekannt. Was die Darstellung besonders interessant macht ist der umfassende Charakter der Analyse unter Verwendung meist westlicher Quellen und die logischen Gliederung in folgende fünf Bereiche:
- Politische Hegemonie – Sein Gewicht in die Waagschale werfen
- Militärische Hegemonie – Leichtfertige Anwendung von Gewalt
- Wirtschaftliche Hegemonie – Plünderung und Ausbeutung
- Technologische Hegemonie – Monopolisierung und Unterdrückung
- Kulturelle Hegemonie – Verbreitung falscher Narrative
Die »Schlussfolgerung« schließt mit den Worten:
Die historischen Trends zu Frieden, Entwicklung, Zusammenarbeit und gegenseitigem Nutzen sind unaufhaltsam. Die Vereinigten Staaten haben sich mit ihrer Macht über die Wahrheit hinweggesetzt und das Recht mit Füßen getreten, um ihren eigenen Interessen zu dienen. Diese einseitigen, egoistischen und regressiven hegemonialen Praktiken stoßen auf wachsende, heftige Kritik und Widerstand in der internationalen Gemeinschaft.
Die Länder müssen sich gegenseitig respektieren und als Gleichberechtigte behandeln. Große Länder sollten sich so verhalten, wie es ihrem Status entspricht, und die Führung bei der Verfolgung eines neuen Modells der Beziehungen zwischen den Staaten übernehmen, das auf Dialog und Partnerschaft und nicht auf Konfrontation oder Allianz setzt. China wendet sich gegen alle Formen von Hegemonismus und Machtpolitik und lehnt die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ab. Die Vereinigten Staaten müssen sich ernsthaft mit sich selbst auseinandersetzen. Sie müssen kritisch prüfen, was sie getan haben, ihre Arroganz und Vorurteile ablegen und ihre hegemonialen, herrschsüchtigen und schikanösen Praktiken aufgeben.
Klaus von Raussendorff ist Mitarbeiter des Verbandsvorstandes des Deutschen Freidenker‐Verbandes, von dessen Website freidenker.org der Artikel übernommen wurde
Bild: Gebäude des Außenministeriums Chinas (wikimedia commons)