Der Drit­te Welt­krieg Teil 1: Der Ukrai­ni­sche Kriegs­schau­platz 2022 (Impe­ria­lis­mus und Gre­at Reset Teil 7.4.1)

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Dies ist der zehn­te Teil einer mehr­tei­li­gen Serie von Jan Mül­ler zur aktu­el­len Impe­ria­lis­mus­de­bat­te in der kom­mu­nis­ti­schen Bewe­gung. Sie beinhal­tet fol­gen­de­ne Teile:

1. Ein­lei­tung & Marx­sche Methode

2. Klas­si­scher Impe­ria­lis­mus (1895 – 1945)

3. Der Spät­ka­pi­ta­lis­mus (1945 – 1989)

4. Die expan­si­ve Pha­se des neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus (1989 – 2007)

5. Der Neo­li­be­ra­lis­mus in der Kri­se (seit 2007)

6. Chi­nas Auf­stieg und der Abstieg des Wes­tens (bis 2020)

7. Eine vier­te impe­ria­lis­ti­sche Epoche?

7.1 Der Gre­at Reset

7.2 Die Kli­ma-Hys­te­rie von 2019 als Vorspiel

7.3 Die Coro­na-Hys­te­rie von 2020 bis 2022

7.4 Der Drit­te Weltkrieg

7.4.1 Der Ukrai­ni­sche Kriegs­schau­platz 2022

7.4.2 Der Wirt­schafts­krieg gegen Russland

7.4.3 Der Wirt­schafts­krieg der USA gegen Deutsch­land und Europa

7.4.4. Kli­ma­lock­down und Gre­at Reset

7.4.5. Faschis­mus in der Ukrai­ne, Demo­kra­tie­ab­bau im Westen

7.4.6. Umbruch in der Weltwirtschaft

7.4.7. Die Eska­la­ti­on des Krieges

8. Exkur­se zur aktu­el­len Imperialismusdebatte

9. Per­spek­ti­ven des Sozia­lis­mus auf der Erde

Die Serie kann als Bro­schü­re im PDF- und Epub­for­mat frei her­un­ter­ge­la­den werden.

7.4. Der Drit­te Weltkrieg

Von eini­gen Beob­ach­tern wie den Jour­na­lis­ten Pepe Esco­bar und dem His­to­ri­ker Ema­nu­el Todd wer­den die Ereig­nis­se seit 2022 als Drit­ter Welt­kriegs bezeich­net. Inzwi­schen muss man fest­stel­len, dass die­se Ein­schät­zung zutrifft. Denn es ste­hen sich zwei gro­ße kapi­ta­lis­ti­sche Staa­ten­bünd­nis­se gegen­über, einer­seits der eng um die USA geschar­te Wes­ten und ande­rer­seits eine locke­re Staa­ten­ko­ali­ti­on um Russ­land und Chi­na. Es fin­det nicht mehr nur wie in den Jah­ren 2014 bis 2021 ein Kal­ter Krieg zwi­schen dem Wes­ten und sei­nen Her­aus­for­de­rern statt, son­dern in der Ukrai­ne und viel­leicht bald auch auf ande­ren Schau­plät­zen ein hei­ßer Krieg.

Der Krieg wird nicht nur in der Ukrai­ne aus­ge­foch­ten, son­dern auf der gan­zen Welt – auch im Bereich der Wirt­schaft, der Tech­nik, der Infor­ma­ti­on und der Ideo­lo­gien. Letzt­lich geht es bei dem glo­ba­len Rin­gen um die Fra­ge, ob die USA die ein­zi­ge Super­macht blei­ben oder ob es zu einer mul­ti­po­la­ren Welt­ord­nung unter chi­ne­si­scher Hege­mo­nie kom­men wird.

Der Aus­gang die­ses Rin­gens ist noch völ­lig offen. Einer­seits ist der chi­ne­si­sche Kapi­ta­lis­mus dyna­mi­scher und Chi­na macht auch im Bereich der Tech­nik gro­ße Fort­schrit­te, aber noch ist der Wes­ten wirt­schaft­lich, tech­no­lo­gisch und mili­tä­risch weit­aus stär­ker als sei­ne Her­aus­for­de­rer. Ande­rer­seits füh­ren die west­li­chen, beson­ders die euro­päi­schen Regie­run­gen unter dem Schlag­wort Gre­at Reset auch einen Krieg gegen ihre eige­nen Bevölkerungen.

Wäh­rend Chi­na einen lang­fris­ti­gen und fried­li­chen Auf­stieg zur glo­bal füh­ren­den Super­macht anstrebt, agiert der Wes­ten extrem aggres­siv, um eben die­sen Auf­stieg zu unter­bin­den. Aller­dings gelang es dem Wes­ten, Russ­land so lan­ge zu pro­vo­zie­ren, bis es in der Ukrai­ne den ers­ten Schritt tat.

Die ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen des Drit­ten Welt­kriegs sind im Augen­blick (Stand Febru­ar 2023) folgende:

  • Russ­land will in der Ukrai­ne sei­ne Sicher­heits­in­ter­es­sen gegen die NATO und die ukrai­ni­schen Faschis­ten durch­set­zen, die vom Wes­ten mili­tä­risch und finan­zi­ell unter­stützt wer­den. Der Wes­ten strebt die tota­le mili­tä­ri­sche Nie­der­la­ge Russ­lands und die Ent­fer­nung Prä­si­dent Putins von der Macht an.
  • Der Wes­ten führt einen Wirt­schafts­krieg gegen Russ­land. Sein Ziel ist es, Russ­land zu ruinieren.
  • Der Wes­ten berei­tet sich auf einen hei­ßen Krieg gegen Chi­na vor und führt jetzt schon einen Tech­no­lo­gie­krieg gegen das Land.
  • Die USA füh­ren einen Wirt­schaft­krieg gegen ihre angeb­li­chen Ver­bün­de­ten in Euro­pa und beson­ders gegen Deutsch­land, um das eige­ne Land zu reindus­tria­li­sie­ren und einen aus ihrer Sicht gefähr­li­chen Kon­kur­ren­ten zu beseitigen.
  • Die im World Eco­no­mic Forum orga­ni­sier­ten Olig­ar­chen trei­ben der­weil den Gre­at Reset vor­an. Ihr Ziel ist es, die finan­zi­el­le Abhän­gig­keit der Ent­wick­lungs­län­der vom Wes­ten auf­recht zu erhal­ten, die Wirt­schaft Euro­pas krea­tiv zu zer­stö­ren und die Men­schen zu ver­ar­men. Die­se Zer­stö­rung wird unter ande­rem mit der Kli­ma­ret­tung begründet.
  • Der Ukrai­ne­krieg dient einer­seits zur Mas­kie­rung der immer bru­ta­le­ren Reduk­ti­ons­zie­le der EU. Gleich­zei­tig führt die von Poli­tik und Medi­en geschaf­fe­ne Kriegs­hys­te­rie dazu, dass auch über die Metho­den der Kli­ma­ret­tung nicht mehr dis­ku­tiert wer­den kann. Das heißt, ohne die auf­ge­heiz­te fie­bern­de Kriegs­at­mo­sphä­re könn­te der Gre­at Reset so nicht durch­ge­setzt wer­den. Genau­so wie die Coro­na-Hys­te­rie wird der Ukrai­ne­krieg zum Demo­kra­tie­ab­bau genutzt, denn die west­li­chen Mil­li­ar­dä­re set­zen auf eine auto­ri­tä­re Herrschaftsform.
  • Als Fol­ge von Sank­tio­nen und Wirt­schafts­krieg kommt es zu Umbrü­chen in der Welt­wirt­schaft. Wäh­rend Euro­pa deindus­tria­li­siert wird, pro­fi­tie­ren Chi­na, West­asi­en, Süd­asi­en und teil­wei­se auch Afri­ka von preis­wer­ten rus­si­schen Energierohstoffen.

Inner­halb der Kom­mu­nis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on KO, einer der weni­gen noch nicht voll­stän­dig geheim­dienst­lich gesteu­er­ten lin­ken Grup­pen, ist es zu einer Debat­te um den Cha­rak­ter Russ­lands gekom­men. Hier­auf soll eben­falls ein­ge­gan­gen wer­den, obwohl das eigent­lich nicht die zen­tra­le Fra­ge ist. Denn der Wes­ten greift Russ­land als Ver­bün­de­ten, Schutz­schild und Roh­stoff­lie­fe­ran­ten Chi­nas an.

7.4.1. Der ukrai­ni­sche Kriegs­schau­platz 2022

7.4.1.1. Die Vor­ge­schich­te des Krieges

Der Ukrai­ne­krieg hat eine lan­ge Vor­ge­schich­te, die im Wes­ten absichts­voll aus­ge­blen­det wird. Nach dem Putsch von 2014 erklär­ten die von eth­ni­schen Rus­sen bewohn­ten Oblas­te Donetsk und Lugansk ihre Unab­hän­gig­keit von der Putsch­re­gie­rung und rie­fen die jewei­li­gen Volks­re­pu­bli­ken aus. Die ukrai­ni­schen Macht­or­ga­ne wur­den gestürzt.

Noch im Früh­jahr 2014 star­te­te die neue Putsch­re­gie­rung der Ukrai­ne die soge­nann­te »Anti­ter­ror­ope­ra­ti­on«. Die bei­den Volks­re­pu­bli­ken soll­ten gewalt­sam zurück­er­obert wer­den. Weil die Armee 2014 in einem deso­la­ten Zustand war, wur­den die Kämp­fe im Don­bass vor allem von so genann­ten Frei­wil­li­gen­ba­tail­lo­nen getra­gen, die zum größ­ten Teil aus Faschis­ten und aus­län­di­schen Söld­nern bestehen. Das bekann­tes­te die­ser Batail­lo­ne ist das Asow-Batail­lon. Sein Emblem ist die Wolfs­an­gel. Es ist an das Logo der 2. SS-Pan­zer­di­vi­si­on »Das Reich« angelehnt.

Spä­ter wur­den die­se faschis­ti­schen Frei­wil­li­gen­ba­tail­lo­ne in der Natio­nal­gar­de zusam­men­ge­fasst. Nach Anga­ben der pro­west­li­chen OSZE-Beob­ach­ter sind durch die Kämp­fe und den Beschuss seit 2014 mehr als 14.000 Men­schen im Don­bass ums Leben gekom­men. Nach Aus­sa­gen von Behör­den­ver­tre­tern aus Donetsk sind dar­un­ter min­des­tens 91 Kinder.

Im Jahr 2015 wur­de das Mins­ker Abkom­men unter­zeich­net und der Kon­flikt ein­ge­fro­ren. Es sah unter ande­rem einen Waf­fen­still­stand, den Abzug der schwe­ren Waf­fen sowie die Reinte­gra­ti­on der Volks­re­pu­bli­ken in den ukrai­ni­schen Staats­ver­band bei beson­de­ren Auto­no­mie­re­ge­lun­gen für die­se vor. Unter­zeich­ner­staa­ten waren Deutsch­land, Frank­reich, die Ukrai­ne und Russ­land. Wie 2022 bekannt wur­de, hat­ten weder die Ukrai­ne noch der Wes­ten jemals vor, das Abkom­men umzu­set­zen. Die gewon­ne­ne Zeit soll­te genutzt wer­den, um die Ukrai­ne auf­zu­rüs­ten, so dass die Volks­re­pu­bli­ken gewalt­sam wie­der­erobert wer­den konn­ten. Der Wes­ten hat Russ­land also bewusst getäuscht.[1]

Wäh­rend der Prä­si­dent­schaft Trumps zwi­schen 2016 und 2020 ging der Beschuss der Volks­re­pu­bli­ken zurück, aber er hör­te nie ganz auf. Der neue US-Prä­si­dent Biden pump­te sofort nach sei­ner Macht­über­nah­me die Ukrai­ne mit Waf­fen im Wert von Mil­li­ar­den Dol­lar voll. Im Jahr 2021 hiel­ten sich NATO-Aus­bil­dungs­mis­sio­nen in Grö­ßen­ord­nun­gen von meh­re­ren 1.000 Mann in der Ukrai­ne auf. De fac­to wur­de sie als NATO-Mit­glied behandelt.

Im Jahr 2021 nahm der Wes­ten klar Kurs auf eine bewuss­te Eska­la­ti­on des Ukrai­ne­kon­flik­tes. Am 24. März die­ses Jah­res unter­zeich­ne­te Prä­si­dent Selen­sky die »Stra­te­gie zur Deok­ku­pa­ti­on und Reinte­gra­ti­on der Krim«. Die­se Stra­te­gie defi­niert eine Rei­he von Maß­nah­men diplo­ma­ti­scher, mili­tä­ri­scher, wirt­schaft­li­cher, pro­pa­gan­dis­ti­scher, huma­ni­tä­rer und ande­rer Art, um die Krim zurück­zu­er­obern. Die Ukrai­ne hat somit einen Krieg mit Russ­land wegen der Krim angekündigt.

Im April 2021 nahm der Beschuss des Don­bass durch ukrai­ni­sche Trup­pen stark zu. Gleich­zei­tig fan­den meh­re­re gro­ße NATO-Übun­gen im Schwar­zen Meer, der Ost­see und in Ost­eu­ro­pa statt, beglei­tet von einer deut­li­chen Zunah­me der Auf­klä­rungs­flü­ge ent­lang der rus­si­schen Gren­ze. Russ­land ant­wor­te­te sei­ner­seits mit Übun­gen. Aus bis­her nicht bekann­ten Grün­den kam es damals noch nicht zum Krieg und der Beschuss des Don­bass ging zurück.

Im Novem­ber erklär­ten Deutsch­land und Frank­reich gegen­über Russ­land, das Mins­ker Abkom­men nicht mehr umset­zen zu wol­len. Damit hing der Frie­dens­plan in der Luft.[2] Im Dezem­ber hat Russ­land dem Wes­ten vor­ge­schla­gen über völ­ker­recht­lich bin­den­de Sicher­heits­ga­ran­tien für bei­de Sei­ten zu ver­han­deln. Die­se sahen unter ande­rem vor, dass die Ukrai­ne nicht Mit­glied der NATO wird und dort kei­ne west­li­che Mili­tär­in­fra­struk­tur sta­tio­niert wird. Der Wes­ten lehn­te Ver­hand­lun­gen dar­über ab.

Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Selen­ski kün­dig­te auf der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz am 18. Febru­ar 2022 an, sich Nukle­ar­waf­fen beschaf­fen zu wol­len. An die­ser Ankün­di­gung wur­de kei­ner­lei Kri­tik geübt, son­dern sei­ne Rede mit ste­hen­den Ova­tio­nen gefeiert.

7.1.1.2. Kriegs­aus­bruch und Kämp­fe des Jah­res 2022

Aber bereits seit dem 15. Febru­ar 2022 nahm der Beschuss der Don­bass-Repu­bli­ken durch ukrai­ni­sche Trup­pen stark zu. Er stei­ger­te sich von weni­ger als 100 am 15. auf über 1.400 Explo­sio­nen am 18. Febru­ar.[3] Nach rus­si­schen Anga­ben plan­te die Ukrai­ne eine Groß­of­fen­si­ve für den 8. März 2022 und zog dafür Trup­pen an der Don­bass­front zusammen.

Damit im Zusam­men­hang steht wohl die selt­sa­me Ankün­di­gung von US-Prä­si­dent Biden, dass Russ­land am 16. Febru­ar die Ukrai­ne »über­fal­len« wer­de. Was aber nicht pas­sier­te. Offen­sicht­lich kann­te Biden die ukrai­ni­schen Pla­nun­gen und es ging ihm dar­um, Russ­land im Vor­aus als Aggres­sor zu for­ma­tie­ren. Die­se Ankün­di­gung ent­sprach der US-Pro­ze­dur bei der psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung, wonach es das aller­wich­tigs­te sei, die Kon­trol­le über das Nar­ra­tiv zu behal­ten. Was auch ganz her­vor­ra­gend gelun­gen ist.[4]

Als Reak­ti­on auf den mas­si­ven Beschuss ord­ne­ten die Regie­rungs­chefs der Donets­ker und Lugans­ker Volks­re­pu­blik am 18. Febru­ar die Eva­ku­ie­rung der Zivil­be­völ­ke­rung nach Russ­land an. Am 21. Febru­ar erkann­te Prä­si­dent Putin die Volks­re­pu­bli­ken diplo­ma­tisch an.[5] Nur einen Tag spä­ter stopp­te die BRD die Zer­ti­fi­zie­rung der Pipe­line Nord­stream 2. Ers­te Sank­tio­nen gegen Russ­land wur­den verhängt.

Am 24. Febru­ar dran­gen rus­si­sche Trup­pen in die Ukrai­ne ein. Damit beginnt der Ukrai­ne­krieg. Vor­her hat­ten die inzwi­schen von Russ­land aner­kann­ten Don­bass-Repu­bli­ken Russ­land um mili­tä­ri­schen Bei­stand gebe­ten. Die rus­si­sche Offen­si­ve begann mit der Zer­stö­rung der Luft­waf­fe am Boden sowie von Gefechts­stän­den, einem ukrai­ni­scher Mari­ne­stütz­punkt sowie Radar­sta­tio­nen der Luft­ab­wehr­sys­te­me S‑300 und Buk-M1.

Anschlie­ßend rück­ten rus­si­sche Trup­pen nach dem Prin­zip des »flie­ßen­den Was­sers« über­all dort vor, wo der Wider­stand schwach war. Sie stan­den nach eini­gen Tagen im Nor­den und Wes­ten von Kiew, in der Nähe von Char­kow sowie in der Regi­on nörd­lich der Krim. Dabei konn­ten sie die rus­sisch­spra­chi­gen Groß­städ­te Cher­son und Meli­to­pol ohne grö­ße­re Kämp­fe befrei­en. Im Nor­den besetz­ten Fall­schirm­jä­ger das Kern­kraft­werk Tscher­no­byl, um Sabo­ta­ge­ak­te zu verhindern.

In der Nähe der Volks­re­pu­bli­ken hat­ten die ukrai­ni­schen Trup­pen ein viel­fach gestaf­fel­tes Schüt­zen­gra­ben­sys­tem mit Beton­bun­kern gebaut. Das konn­ten die rus­si­schen Trup­pen nicht über­win­den. Ange­hö­ri­ge des faschis­ti­schen Asow-Batail­lons rie­gel­ten der­weil die Groß­stadt Mariu­pol ab und ver­hin­der­ten die Flucht von Zivi­lis­ten. Die Stadt wur­de von rus­si­schen Trup­pen bela­gert und in den fol­gen­den Mona­ten Stück für Stück in einem auf­rei­ben­den Stra­ßen­kampf befreit, wobei die Asow-Leu­te die Bevöl­ke­rung als Schutz­schil­de benutz­ten. Schließ­lich kon­zen­trier­ten sich die Kämp­fe auf das Stahl­werk Asow-Stahl. Die Faschis­ten muss­ten dort am 20. Mai 2022 kapi­tu­lie­ren. Damit ende­ten die Kämp­fe in der inzwi­schen gro­ßen­teils zer­stör­ten Stadt.

Am 25. Febru­ar wur­de in der Ukrai­ne die all­ge­mei­ne Mobil­ma­chung aus­ge­ru­fen. Inzwi­schen ste­hen dort mehr als eine Mil­li­on Mann unter Waf­fen. Am glei­chen Tag ver­häng­te die EU har­te Wirt­schafts­sank­tio­nen gegen Russ­land mit dem aus­drück­li­chen Ziel, sei­ne Wirt­schaft zu rui­nie­ren (sie­he unten). Am 27. Febru­ar kün­dig­te Bun­des­kanz­ler Scholz an, den deut­schen Wehr­etat zu ver­dop­peln. Es wur­de ein Son­der­ver­mö­gen von 100 Mil­li­ar­den Euro für die Bun­des­wehr eingerichtet.

Eben­so began­nen die USA, Deutsch­land und die EU selbst zusätz­li­che Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne. Gelie­fert wur­den unter ande­rem 1.000 Pan­zer­ab­wehr­waf­fen (»Pan­zer­faust 3«) und 500 trag­ba­re Luft­ab­wehr­ra­ke­ten (»Stin­ger«). Vor allem die Stin­ger-Rake­ten haben nicht nur mili­tä­ri­schen, son­dern auch sym­bo­li­schen Wert: Sie wur­den in den 1980er Jah­ren an die afgha­ni­schen Muja­he­din gelie­fert und tru­gen dazu bei, die sowje­ti­sche Luft­herr­schaft zu bre­chen, wodurch der Aus­gang des Krie­ges ent­schie­den wurde.

Am 2. März sperr­te die EU die rus­si­schen Aus­lands­sen­der RT und Sput­nik. Das wider­spricht eigent­lich dem Zen­sur­ver­bot der euro­päi­schen Ver­trä­ge, aber die­se Medi­en wur­den kur­zer­hand als Teil der rus­si­schen Kriegs­füh­rung ein­ge­ord­net, wes­halb das Zen­sur­ver­bot nicht für sie gelte.

Am 7. März öff­ne­ten rus­si­sche Trup­pen den seit 2014 von den Ukrai­nern gesperr­ten Nord-Krim-Kanal, so dass die Krim wie­der mit Was­ser ver­sorgt wer­den kann. Im März und April fan­den Ver­hand­lun­gen zwi­schen der Ukrai­ne und Russ­land in Istan­bul statt. Es zeich­ne­te sich ein Kom­pro­miss ab: Danach ver­zich­tet die Ukrai­ne auf die Krim und Don­bass. Sie wird nicht NATO-Mit­glied. Aller­dings darf sie der EU bei­tre­ten, die eben­falls einen mili­tä­ri­schen Arm hat. Auf Druck des Wes­tens wur­den die Ver­hand­lun­gen abgebrochen.

In der glei­chen Zeit zogen sich rus­si­sche Trup­pen aus der Umge­bung von Kiew zurück. Unge­klär­te Mas­sa­ker­vor­wür­fe in der zeit­wei­se von rus­si­schen Trup­pen besetz­ten Stadt But­scha führ­ten zu neu­en Erre­gungs­wel­len im Wes­ten und zu neu­en Sank­tio­nen gegen Russ­land. Wei­te­re Mas­sa­ker­be­schul­di­gun­gen wur­den vom Wes­ten wegen des Ein­schlags einer nur von ukrai­ni­schen Trup­pen genutz­ten Totsch­ka-U-Rake­te auf den Bahn­hof von Kre­ma­torsk gegen Russ­land erho­ben. Der­weil wur­de die ukrai­ni­sche Men­schen­rechts­be­auf­trag­te Lyud­mi­la Den­is­o­va abge­setzt, weil sich die von ihr ver­brei­te­ten Beschul­di­gun­gen von Mas­sen­ver­ge­wal­ti­gun­gen durch rus­si­sche Trup­pen als Lügen erwie­sen hat­ten. Denn als west­li­che NGOs die Namen und Adres­sen der Opfer, Ort und Zeit­punkt der Taten, Umstän­de der Tat und ande­re Details wis­sen woll­ten, konn­te sie die­se nicht lie­fern. Schließ­lich gab sie zu, dass alle die­se Geschich­ten frei erfun­den waren.[6]

Im Mai 2022 rück­ten rus­si­sche Trup­pen auf dem Ter­ri­to­ri­um der Volks­re­pu­blik Lugansk vor und konn­ten am 3. Juli die Städ­te Lys­ich­ansk und Sever­odo­netsk befrei­en. Das war der letz­te mili­tä­ri­sche Erfolg Russ­lands im Jahr 2022.

Seit die­ser Zeit häuf­ten sich die schmerz­haf­ten Rückzüge:

  • Am 5. Juli 2022 von der Schlan­gen­in­sel im Schwar­zen Meer.
  • Am 7. Sep­tem­ber 2022 von dem Gebiet um die Stadt Isjum bei Charkow.
  • Am 30. Sep­tem­ber 2022 erober­ten ukrai­ni­sche Trup­pen die Stadt Kras­ny Liman bei Isjum
  • Am 9. Novem­ber 2022 aus der Groß­stadt Cher­son und dem West­ufer des Dnjepr.

Haupt­ur­sa­che die­ser Rück­zü­ge war die Lie­fe­rung von moder­nen west­li­chen Waf­fen an die ukrai­ni­schen Trup­pen. Die fran­zö­si­schen Cae­sar-Artil­le­rie­sys­te­me hat­ten eine so gro­ße Reich­wei­te, dass die Schlan­gen­in­sel vom Fest­land aus beschos­sen wer­den konn­te, was die rus­si­schen Stel­lun­gen dort unhalt­bar machte.

Die USA lie­fer­ten 16 Bat­te­rien (zu je 9 Fahr­zeu­gen) Mehr­fach­ra­ke­ten­wer­fer vom Typ HIMARS. Das ist die Abkür­zung für High Mobi­li­ty Artil­lery Rocket Sys­tem. Die­se kön­nen Rake­ten mit einer Reich­wei­te zwi­schen 80 und 300 km ver­schie­ßen. Die USA lie­fer­ten aber vor­erst nur Rake­ten mit einer Reich­wei­te von 80 km. Mit die­sen mög­li­cher­wei­se von aus­län­di­schen »Söld­nern« bedien­ten Rake­ten­wer­fern und unter Nut­zung von US-Auf­klä­rungs­er­geb­nis­sen gelang es den Ukrai­nern, zahl­rei­che rus­si­sche Muni­ti­ons­la­ger und Ölde­pots, ein Dut­zend Kom­man­do­pos­ten, Trup­pen­kon­zen­tra­tio­nen und sowie meh­re­re Luft­ver­tei­di­gungs- und Artil­le­rie­stel­lun­gen im nahen und fer­nen Hin­ter­land zu zer­stö­ren. Es gab gro­ße Ver­lus­te an Per­so­nal und Aus­rüs­tung. Meh­re­re Gene­rä­le fie­len. Dar­über hin­aus beschos­sen die Ukrai­ner mit den HIMARS auch zivi­le Zie­le in den Groß­städ­ten Donetsk und Lugansk. Auch zahl­rei­che Brü­cken, zum Bei­spiel über den Dnjepr, wur­den mit Hil­fe der HIMARS zer­stört. Das alles ver­rin­ger­te die Mobi­li­tät der rus­si­schen Trup­pen erheb­lich, wäh­rend die ukrai­ni­schen Trup­pen blitz­schnell ver­legt wer­den konnten.

Unter die­sen Umstän­den mach­te sich rus­si­sche Per­so­nal­man­gel umso schmerz­haf­ter bemerk­bar. Viel­leicht 80.000 rus­si­schen Berufs­sol­da­ten stan­den 1.000.000 ukrai­ni­sche Sol­da­ten gegen­über. Damit war der rus­si­sche Vor­marsch gestoppt. Als Reak­ti­on auf den Rück­zug bei Char­kow ver­kün­de­te Russ­lands Prä­si­dent Putin am 13. Sep­tem­ber eine Teil­mo­bil­ma­chung. 300.000 Mann wur­den ein­ge­zo­gen und in den Mona­ten Sep­tem­ber bis Dezem­ber aus­ge­bil­det. Anschlie­ßend erreich­ten sie in immer grö­ße­rer Anzahl den Kriegsschauplatz.

Som­mer und Herbst 2022 war auch die Zeit der gro­ßen west­li­chen Pro­vo­ka­tio­nen Russ­lands. Es ent­stand zeit­wei­se der Ein­druck, als wol­le der Wes­ten in den Krieg ein­tre­ten. Vom 20. Juni 2022 bis in den August hin­ein ver­häng­te Litau­en eine Blo­cka­de über die rus­si­sche Enkla­ve Kali­nin­grad. Dies unter dem Vor­wand der Durch­set­zung von Sank­tio­nen. Im Juli und August 2022 beschos­sen ukrai­ni­sche Trup­pen das unter rus­si­scher Kon­trol­le ste­hen­de Kern­kraft­werk Sapo­rosch­je. Meh­re­re Hilfs­sys­te­me wur­den beschä­digt, aber die Reak­tor­kup­peln konn­ten nicht durch­schla­gen wer­den. Die Ket­ten­re­ak­ti­on in den sechs Reak­to­ren wur­de gestoppt.

Offen­bar war es das Ziel der Ukrai­ne, eine groß­flä­chi­ge radio­ak­ti­ve Ver­seu­chung in Euro­pa her­vor­zu­ru­fen, um so den Bünd­nis­fall der NATO aus­zu­lö­sen. Tat­säch­lich erklär­ten NATO-Ver­tre­ter, dass jede Beschä­di­gung des Kern­kraft­wer­kes mit Frei­set­zung radio­ak­ti­ver Strah­lung als Angriff auf das Bünd­nis­ge­biet gewer­tet wird. So schrieb der bri­ti­sche Abge­ord­ne­te Tobi­as Elwood: »Jede vor­sätz­li­che Beschä­di­gung, die zu einem mög­li­chen Aus­tritt von Strah­lung in einem ukrai­ni­schen Atom­re­ak­tor führt, wäre ein Fall für Arti­kel 5 der NATO.«[7]

West­li­che Medi­en decken den Angriff, indem sie behaup­ten, dass Russ­land das von sei­nen eige­nen Trup­pen kon­trol­lier­te Kern­kraft­werk beschie­ße. Die­se Pro­vo­ka­ti­on wur­de Anfang Sep­tem­ber noch gestei­gert, als ukrai­ni­sche Spe­zi­al­ein­hei­ten meh­re­re erfolg­lo­se Ver­su­che unter­nah­men, das Kern­kraft­werk Sapo­rosch­je zu stür­men. Sie beka­men offen­bar logis­ti­sche Unter­stüt­zung von bri­ti­schen Militärs.

Am 20. August 2022 wur­de die rus­si­sche Jour­na­lis­tin Dar­ja Dugi­na durch eine Auto­bom­be auf einer Stra­ße bei Mos­kau ermor­det. Sie war die Toch­ter des kon­ser­va­ti­ven Phi­lo­so­phen Alex­an­der Dugin. Wie Ermitt­lun­gen des FSB nahe legen, sind ukrai­ni­sche Agen­ten für die Tat ver­ant­wort­lich. Am 26. Sep­tem­ber 2022 wur­den die Nord­stream-Pipe­lines gesprengt. Nord­stream 1 ist völ­lig zer­stört, von Nord­stream 2 eine von zwei Röh­ren. Der Anschlag ereig­ne­te sich in der west­li­chen Ost­see bei der däni­schen Insel Born­holm. Eine Ver­ant­wor­tung der USA liegt nahe. Nach den Ent­hül­lun­gen des Jour­na­lis­ten Sey­mour Hersh im Janu­ar 2023 dürf­te es an der Täter­schaft der USA kaum noch Zwei­fel geben.[8]

Ursu­la von der Ley­en schrieb am 27. Sep­tem­ber: »Jede vor­sätz­li­che Stö­rung der akti­ven euro­päi­schen Ener­gie­infra­struk­tur ist inak­zep­ta­bel und wird zu den schärfst mög­li­chen Maß­nah­men füh­ren.« Josep Bor­rell, hoher Ver­tre­ter der EU für Außen- und Sicher­heits­po­li­tik und Vize­prä­si­dent der EU-Kom­mis­si­on, äußer­te sich ähn­lich. Damit droht sie Russ­land prak­tisch mit Krieg. Von die­sen Dro­hun­gen hört man aller­dings in der Fol­ge nichts mehr.

Am 8. Okto­ber 2022 wur­de eine Fahr­bahn der Krim­brü­cke bei Kertsch gesprengt. Ver­ant­wort­lich sind nach Ermitt­lun­gen des FSB ukrai­ni­sche Sabo­ta­ge­ein­hei­ten, die mög­li­cher­wei­se logis­ti­sche Unter­stüt­zung des bri­ti­schen Geheim­diens­tes beka­men. Am 15. Novem­ber 2022 schlu­gen zwei Rake­ten in Polen ein. Zwei Men­schen kamen ums Leben. Die Medi­en berich­ten zunächst, dass es sich um rus­si­sche Rake­ten gehan­delt habe. Spä­ter stell­te sich her­aus, dass sie von der Ukrai­ne abge­feu­ert wur­den. Der Wes­ten lehnt die Aus­ru­fung des Bünd­nis­fal­les ab.

Jeder die­ser Vor­fäl­le, ange­fan­gen von der Kali­nin­grad-Blo­cka­de bis zum Rake­ten­ein­schlag in Polen, hät­te einen Krieg der NATO gegen Russ­land aus­lö­sen kön­nen, wenn das der Wes­ten gewollt hät­te. Aus bis­her nicht bekann­ten Grün­den schreck­te er in der zwei­ten Jah­res­hälf­te 2022 noch davor zurück. Sei es, weil man in den west­li­chen Ent­schei­dungs­zen­tra­len noch hoff­te, Russ­land mit Hil­fe der Ukrai­ne mili­tä­risch nie­der­zu­rin­gen und mit den Sank­tio­nen wirt­schaft­lich rui­nie­ren zu kön­nen, sei es, weil die west­li­che Bevöl­ke­rung noch nicht bereit für einen sol­chen Groß­krieg war. Nach Bider­manns Dia­gramm des Zwan­ges stan­den nach der bewusst geschür­ten Kriegs­furcht im Som­mer und Herbst 2022 Locke­run­gen und Zuge­ständ­nis­se auf dem Pro­gramm. Dies geschah einer­seits dadurch, dass der Wes­ten in Spät­herbst 2022 doch noch nicht den Bünd­nis­fall aus­rief und ande­rer­seits zum Bei­spiel in Deutsch­land mit dem »Dop­pel­wumms« der Bevöl­ke­rung trotz Ener­gie­preis­explo­si­on zunächst noch ein not­dürf­ti­ges Über­le­ben ermöglichte.

Ziel der Wes­tens war es zunächst noch, den Kon­flikt in die Läge zu zie­hen und Russ­land in einen zer­mür­ben­den Abnut­zungs­krieg zu ver­wi­ckeln. Vor­bild ist der Afgha­ni­stan­krieg 1980 bis 1988, der viel zum Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on bei­getra­gen hat. Die har­ten Wirt­schafts­sank­tio­nen gegen Russ­land sol­len die­se Ent­wick­lung beschleu­ni­gen. Es ging also dar­um, das mili­tä­ri­sche Poten­ti­al Russ­lands durch den Krieg zu neu­tra­li­sie­ren und die Unzu­frie­den­heit in der Bevöl­ke­rung zu schü­ren. Putin soll dann in einer bun­ten Revo­lu­ti­on durch eine pro­west­li­che Mario­net­te ersetzt und Russ­land in sei­ne Bestand­tei­le auf­ge­glie­dert werden.

Aller­dings wür­de hier­durch auch die Ukrai­ne in eine Rui­nen­land­schaft ver­wan­delt und sie min­des­tens eben­so stark aus­blu­ten wie Russ­land. Sie wäre dau­er­haft auf huma­ni­tä­re Unter­stüt­zung durch die EU in Mil­li­ar­den­hö­he ange­wie­sen. Die Ukrai­ne wäre wie ein Beton­klotz an den Bei­nen eines öko­no­misch ver­sin­ken­den Euro­pas, das zu allem Über­fluss noch mit ukrai­ni­schen Flücht­lin­gen geflu­tet wird. Die­se wür­den ihre faschis­ti­sche Ideo­lo­gie mit­brin­gen und ent­spre­chend in ihren Auf­nah­me­län­dern agie­ren. Das Resul­tat wäre ein poli­ti­sches Cha­os.[9] Die USA dage­gen kön­nen sich sta­bi­li­sie­ren, indem sie die euro­päi­sche Indus­trie an sich zie­hen (sie­he unten).

Nach fast einem Jahr Krieg sieht es in der Tat so aus, als wür­de der Plan der USA auf­ge­hen. Der Wes­ten hat die Ukrai­ne im Jahr 2022 mit mehr als 60 Mil­li­ar­den Dol­lar unter­stützt. So etwas hat es in der Geschich­te noch nie gege­ben. Davon ent­fal­len mehr als 40 Mil­li­ar­den auf die USA. Von die­sen wie­der­um waren 20 Mil­li­ar­den Mili­tär­hil­fe. Unter ande­rem wur­den gelie­fert: 1.400 Luft­ab­wehr­ge­schüt­ze vom Typ Stin­ger, über 8.500 Pan­zer­ab­wehr­ge­schüt­ze vom Typ Jave­lin, 32.000 ande­re pan­zer­bre­chen­de Platt­for­men sowie rund 988.000 Hau­bit­zen­gra­na­ten, 60 Mil­lio­nen Schuss Klein­waf­fen­mu­ni­ti­on, Zehn­tau­sen­de Mör­ser, Rake­ten und Gra­na­ten, mehr als 150 Artil­le­rie­ge­schüt­ze, 20 Mi-17-Hub­schrau­ber, 200 gepan­zer­te Mann­schafts­trans­por­ter M113, Hun­der­te von Hum­vee-Fahr­zeu­gen und 16 Bat­te­rien High Mobi­li­ty Artil­lery Rocket Sys­tems (HIMARS).

Die Spi­ra­le der Rüs­tungs­lie­fe­run­gen beson­ders der USA dreht sich immer schnel­ler und ein Ende ist nicht abzu­se­hen. Berich­te über eine angeb­li­che Knapp­heit an mili­tä­ri­schen Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­den haben sich bis­her stets als Zweck­lü­gen erwie­sen. Die EU hat in der glei­chen Zeit mehr als 20 Mil­li­ar­den Euro an die Ukrai­ne über­wie­sen und über­nimmt die kom­plet­te Finan­zie­rung ihres Staats­haus­hal­tes.[10] Der Wes­ten kann die­ses Niveau auch noch über Jah­re hin­weg auf­recht erhal­ten. So sag­te der US-Vier-Ster­ne-Gene­ral Jack Kean auf Fox News:

Wir haben Krü­mel in die Ukrai­ne inves­tiert – nur 66 Mil­li­ar­den. Das ent­spricht 1,1 Pro­zent des Haus­halts. Aber wir erhal­ten unver­hält­nis­mä­ßig vie­le Vor­tei­le. Washing­ton hat das Wich­tigs­te geschafft, an den Gren­zen Russ­lands einen ernst­haf­ten Riva­len für Mos­kau zu schaf­fen, der die Ein­fluss­po­li­tik der rus­si­schen Füh­rung in Ost­eu­ro­pa, ins­be­son­de­re in den Län­dern der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on, stö­ren wird. Daher ist die­se Inves­ti­ti­on – gera­de in Ukrai­ner, die im Inter­es­se der USA gegen Russ­land kämp­fen – sehr pro­fi­ta­bel.[11]

Auf jeden mili­tä­ri­schen Erfolg Russ­lands reagiert der Wes­ten mit der Lie­fe­rung von wei­te­ren noch töd­li­che­ren Waf­fen. Zunächst mit Stin­gers, Jave­lins und Hau­bit­zen, dann mit dem sehr wir­kungs­vol­len HIMARS. Auch NASAMS sind schon in der Ukrai­ne ein­ge­trof­fen.[12] Der Wes­ten besitzt nach wie vor Eska­la­ti­ons­do­mi­nanz, das heißt, er besitzt die Fähig­keit, die Zeit und Grad der mili­tä­ri­schen Ver­schär­fung eines Kon­flikts zu bestimmen.

Denn die­se Waf­fen­lie­fe­run­gen waren eine Reak­ti­on auf die sich häu­fen­den rus­si­schen Rake­ten- und Droh­nen­an­grif­fe auf Infra­struk­tur­ob­jek­te in der Ukrai­ne seit dem Okto­ber 2022, unter ande­rem auf Umspann­wer­ke. Dar­auf hat­te Russ­land bis­her ver­zich­tet, um die Zivil­be­völ­ke­rung zu scho­nen. Die­se Angrif­fe waren aber eine Reak­ti­on auf die gro­ßen mili­tä­ri­schen Erfol­ge der ukrai­ni­schen Trup­pen im Som­mer 2022. Wie wir gese­hen haben, war ein wich­ti­ger Fak­tor die­ser Erfol­ge ihre hohe Beweg­lich­keit. Sie konn­ten in kür­zes­ter Frist an Front­ab­schnit­te gebracht wer­den, wo die Rus­sen nur schwa­che Kräf­te sta­tio­niert hat­ten. Mit der Aus­schal­tung der Ener­gie­infra­struk­tur ist die­se Beweg­lich­keit stark ein­ge­schränkt wor­den. EU-Prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en hat unbe­ab­sich­tigt bestä­tigt, dass die Ukrai­ne tat­säch­lich Ver­lus­te in Höhe von 100.000 Mann erlit­ten hat.[13]

Mit sei­nen Waf­fen­lie­fe­run­gen hoff­te der Wes­ten, den Kon­flikt auf einem Niveau ein­pe­geln zu kön­nen, wo weder Russ­land noch die Ukrai­ne ent­schei­den­de Erfol­ge erzie­len. Damit woll­te er eine Eska­la­ti­on zu einem Nukle­ar­krieg ver­mei­den. Von einer Errei­chung sei­ner Kriegs­zie­le war Russ­land Ende 2022 weit ent­fernt. Die­se bestehen in der Ent­mi­li­ta­ri­sie­rung und Ent­na­zi­fi­zie­rung der Ukrai­ne. Aber um die­ses Ziel zu errei­chen, müss­te Russ­land die jet­zi­ge faschis­to­ide pro­west­li­che Regie­rung stür­zen und eine ande­re Regie­rung ein­set­zen, die die Ukrai­ne nicht als Sta­chel im Fleisch von Russ­land begreift.

Aller­dings hat Russ­land auf die mili­tä­ri­sche und poli­ti­sche Eska­la­ti­on des Wes­tens sei­ner­seits mit einer Gegen­es­ka­la­ti­on reagiert. Hier­un­ter fal­len nicht nur die Angrif­fe auf die ukrai­ni­schen Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen, son­dern auch die Refe­ren­den in den Volks­re­pu­bli­ken Donetsk und Lugansk, sowie den Oblas­ten Sapo­ros­h­je und Cher­son mit dem anschlie­ßen­den Bei­tritt die­ser Gebie­te zur Rus­si­schen Föde­ra­ti­on am 4. Okto­ber 2022. Russ­land ist bis­her jeden Eska­la­ti­ons­schritt des Wes­tens mitgegangen.

Ver­wei­se

[1] Vgl. Tho­mas Röper: Kiew hat 2019 beschlos­sen, Minsk II nicht umzu­set­zen und Krieg mit Russ­land vor­be­rei­tet, 26.08.2022, Anti-Spie­gel, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​k​i​e​w​-​h​a​t​-​2​0​1​9​-​b​e​s​c​h​l​o​s​s​e​n​-​m​i​n​s​k​-​i​i​-​n​i​c​h​t​-​u​m​z​u​s​e​t​z​e​n​-​u​n​d​-​k​r​i​e​g​-​m​i​t​-​r​u​s​s​l​a​n​d​-​v​o​r​b​e​r​e​i​t​et/, abge­ru­fen am 23.02.2023, Tho­mas Röper: Mer­kel: »Mins­ker Abkom­men 2014 war der Ver­such, der Ukrai­ne Zeit zu geben«, 07.12.2022, Anti-Spie­gel, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​m​e​r​k​e​l​-​m​i​n​s​k​e​r​-​a​b​k​o​m​m​e​n​-​2​0​1​4​-​w​a​r​-​d​e​r​-​v​e​r​s​u​c​h​-​d​e​r​-​u​k​r​a​i​n​e​-​z​e​i​t​-​z​u​-​g​e​b​en/, abge­ru­fen am 23.02.2023.

[2] Vgl. Röper, 06.08.2023, a.a.O.

[3] Vgl. Jaques Baud: Die mili­tä­ri­sche Lage in der Ukrai­ne, 07.04.2022, Free21, im Inter­net: https://​free21​.org/​d​i​e​-​m​i​l​i​t​a​e​r​i​s​c​h​e​-​l​a​g​e​-​i​n​-​d​e​r​-​u​k​r​a​i​ne/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[4] Vgl. Mathi­as Brö­ckers: Noti­zen vom Ende der uni­po­la­ren Welt – 37, 08.07.2022, Blog von Mathi­as Brö­ckers, im Inter­net: https://​www​.broe​ckers​.com/​2​0​2​2​/​0​7​/​0​8​/​n​o​t​i​z​e​n​-​v​o​m​-​e​n​d​e​-​d​e​r​-​u​n​i​p​o​l​a​r​e​n​-​w​e​l​t​-​37/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[5] Vgl. Tho­mas Röper: Die Don­bass-Repu­bli­ken bit­ten Putin um mili­tä­ri­sche Hil­fe, 24.02.2022, Anti-Spie­gel, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​d​i​e​-​d​o​n​b​a​s​s​-​r​e​p​u​b​l​i​k​e​n​-​b​i​t​t​e​n​-​p​u​t​i​n​-​u​m​-​m​i​l​i​t​a​e​r​i​s​c​h​e​-​h​i​l​fe/, abge­ru­fen am 23.02.2023.

[6] Vgl. Rai­ner Rupp: Ukrai­ni­sches Par­la­ment ent­larvt Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­wür­fe gegen Rus­sen als Lügen, 04.06.2022, Frei­den­ker, im Inter­net: https://​www​.frei​den​ker​.org/​?​p​=​1​3​317, abge­ru­fen am 23.02.2023

[7] Vgl. Tho­mas Röper: Geht es um Arti­kel 5? Die Logik hin­ter dem Beschuss des AKW Sapo­rischschja, 29.08.2022, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​g​e​h​t​-​e​s​-​u​m​-​a​r​t​i​k​e​l​-​5​-​d​i​e​-​l​o​g​i​k​-​h​i​n​t​e​r​-​d​e​m​-​b​e​s​c​h​u​s​s​-​d​e​s​-​a​k​w​-​s​a​p​o​r​i​s​c​h​s​c​h​ja/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[8] Vgl. Deut­sche Über­set­zung des Arti­kels von Hersh: Die Details wer­den bekannt: Wie die USA Nord Stream gesprengt haben, 09.02.2023, Anti-Spie­gel, https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​3​/​d​i​e​-​d​e​t​a​i​l​s​-​w​e​r​d​e​n​-​b​e​k​a​n​n​t​-​w​i​e​-​d​i​e​-​u​s​a​-​n​o​r​d​-​s​t​r​e​a​m​-​g​e​s​p​r​e​n​g​t​-​h​a​b​en/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[9] Vgl. Dag­mar Henn: Mal einen Gedan­ken vor­aus: Wohin führt die gan­ze Aus­ein­an­der­set­zung in der Ukrai­ne?, 07.05.2022, RT, im Inter­net: https://​de​.rt​.com/​m​e​i​n​u​n​g​/​1​3​7​6​4​2​-​w​o​h​i​n​-​f​u​h​r​t​-​g​a​n​z​e​-​a​u​s​e​i​n​a​n​d​e​r​s​e​t​z​u​n​g​-​in/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[10] Vgl. Tho­mas Röper: Der Wes­ten bewil­ligt der Ukrai­ne bis zu 60 Mil­li­ar­den Dol­lar zusätz­lich, 11.05.2022, Anti-Spie­gel, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​d​e​r​-​w​e​s​t​e​n​-​b​e​w​i​l​l​i​g​t​-​d​e​r​-​u​k​r​a​i​n​e​-​b​i​s​-​z​u​-​6​0​-​m​i​l​l​i​a​r​d​e​n​-​d​o​l​l​a​r​-​z​u​s​a​e​t​z​l​i​ch/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[11] Tho­mas Röper: Mor­de und Kriegs­ver­bre­chen durch Ukrai­ner und west­li­che Söld­ner, 10.10.2022, Anti-Spie­gel, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​m​o​r​d​e​-​u​n​d​-​k​r​i​e​g​s​v​e​r​b​r​e​c​h​e​n​-​d​u​r​c​h​-​u​k​r​a​i​n​e​r​-​u​n​d​-​w​e​s​t​l​i​c​h​e​-​s​o​e​l​d​n​er/, abge­ru­fen am 23.02.2023

[12] USA ermun­ter­ten Scholz zu »Leopard«-Lieferung, NTV, 06.12.2022, im Inter­net: https://www.n‑tv.de/politik/USA-ermunterten-Scholz-zu-Leopard-Lieferung-article23766888.html, abge­ru­fen am 23.02.2023

[13] Vgl. Tho­mas Röper: EU-Kom­mis­si­on bestä­tigt 100.000 tote ukrai­ni­sche Sol­da­ten und löscht das Video, 30.11.2022, Anti-Spie­gel, im Inter­net: https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​2​/​e​u​-​k​o​m​m​i​s​s​i​o​n​-​b​e​s​t​a​e​t​i​g​t​-​100 – 000-tote-ukrai­ni­sche-sol­da­ten-und-loescht-das-video/, abge­ru­fen am 23.02.2023

Bild: Zer­stör­ter ukrai­ni­scher Pan­zer im Jahr 2022

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