Hannah Arendts Befreiung aus der Musealität – Hannah Arendt, das »gefährliche Denken« und Wir (Teil 2)

Bernd Schoepes Essay besteht aus drei Teilen, von denen manche wiederum in mehreren Teilen erscheinen:

Teil 1: Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Hannah Arendts politisches Denken revisited

I) Einleitung: Die »nicht identische Identität« der H.A. /​Hannah Arendts Rolle in der »größten Geschichtslektion« der Deutschen

II) Hannah Arendts Befreiung aus der Musealität

Teil 2: Die Krise der Öffentlichkeit: Lüge und Wahrheit, Cancel Culture, der Informationskrieg und das Ende der Politik. Mit einem Exkurs zur autoritären Linken

Teil 3: Digital‐​dystopische Transformation der Demokratie: Von der »Herrschaft des Niemand« in die transhumanistische Zombie‐​Apokalypse?

Wo stehen wir heute?

Auf die große Herausforderung, unsere verworrene Post‐​Corona‐​Zeit zu verstehen, gibt das Werk Hannah Arendts überraschend aktuelle Auskünfte.

Mit guten Gründen kann sich die Kritik einer »großen Transformation« der Politik – und der dahinter sichtbar werdenden transhumanistischen Global Governance‐​Agenda – auf diese faszinierende, aber auch verkannte Denkerin berufen .

Im aktuellen Licht sollten die Analysen und Reflexionen ihres Werkes uns Warnung sein, was mit der Pandemie‐ und Global‐​Governance‐​Politik wirklich auf dem Spiel steht.

Konsequenzen für unser Handeln müssen wir aber selbst daraus ziehen.

Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Hannah Arendts politisches Denken revisited

Teil 2: Hannah Arendts Befreiung aus der Musealität

Die Gegenwehr der überflüssigen Menschen

Nun erleben wir gerade heute, in einer Zeit, in welcher auf bedauerungswürdige Art und Weise die Demokratie und der Republikanismus selbst zu Schatten ihrer selbst verkümmert sind, wie Hannah Arendts Werk ganz praktisch von einer engagierten, Partizipation und Mitbestimmung fordernden, basisdemokratischen Graswurzelbewegung, aus ihrer sterilen Musealität befreit wird:

Einer Bewegung, die sich rund um den Erdball als Antwort auf das Wiedererstarken totalitärer Tendenzen innerhalb demokratischer Systeme – genau dem Phänomen, vor dem Arendt immer wieder gewarnt hatte – in kürzester Zeit formiert hat.

Eindrücklich beschreibt Arendt die Gefahren eines neuen Totalitarismus, der hervorgetrieben wird durch eine unheilige Allianz zwischen dem technologischen Fortschritt und der Atomisierung und Entwurzelung der Subjekte in den modernen Massengesellschaften. Unter der Ägide einer bürokratisch‐​technokratisch verkürzten Zweck‐​Rationalität, die Vernunft in ihr Gegenteil umschlagen lässt, werden die Bedingungen für ein politisch‐​gestaltendes Miteinander‐​Handeln immer schwieriger, die Räume dafür immer enger gezogen. Was sich nun aber, wenige Minuten – oder sind es Sekunden? – vor zwölf beim Ausschlag des Pendels auf der Weltkatastrophen‐​Uhr zeigt, ist die Emanation einer Erhebung der Vielen im Bild der ansteigenden Welle. Sie schlägt den Wenigen entgegen, welche die Überzeugung gewonnen haben, die Vielen nicht mehr zu benötigen. Ja, die Wenigen glauben, dass die Vielen nicht einmal mehr im Konjunktiv in Zukunft als »humankapitalistische Ressourcenreserve« noch zu gebrauchen sein werden – woraufhin man sie einfach für »überflüssig« erklärt:

»Die ungeheure Gefahr der totalitären Erfindungen, Menschen überflüssig zu machen, ist, daß in einem Zeitalter rapiden Bevölkerungszuwachses und ständigen Anwachsens der Bodenlosigkeit und Heimatlosigkeit überall dauernd Massen von Menschen im Sinne utilitaristischer Kategorien in der Tat ›überflüssig‹ werden. Es ist, als ob alle entscheidenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tendenzen der Zeit in einer heimlichen Verschwörung mit den Institutionen sind, die dazu dienen könnten, Menschen wirklich als überflüssig zu behandeln und zu handhaben (…) Ganz gleich wie lange die gegenwärtigen totalitären Systeme sich halten können (…) steht zu befürchten, daß die Konzentrationslager und Gaskammern, welche zweifellos eine Art Patentlösung für alle Probleme von Überbevölkerung und ›Überflüssigkeit‹ darstellen, nicht nur eine Warnung, sondern auch ein Beispiel bleiben werden«. (78)

Zu den »überflüssigen Menschen« in ihrer zeitgenössisch aktuellsten Fassung – und wie aufgrund der Logik des technologischen Fortschritts mit ihnen in Zukunft umgegangen werde – hat der israelische Historiker und Bestseller‐​Autor Yuval‐​Noah Harari (Homo Deus. Eine Geschichte von morgen, deutsche Ausgabe 2017), ein führender intellektueller Kopf hinter der transhumanistischen Global Governance‐​Agenda, die vom World Economic Forum (WEF) vorangetrieben wird, kürzlich folgendes bemerkt:

»Die beiden Prozesse – Biotechnologie gekoppelt mit dem Aufstieg künstlicher Intelligenz – könnten (…) im Zusammenspiel dazu führen, dass sich die Menschheit in eine kleine Klasse von Übermenschen und eine riesige Unterschicht nutzloser Homo Sapiens aufspaltet. Diese ohnehin bereits düstere Lage könnte sich noch weiter verschlimmern, denn wenn die Massen ihre ökonomische Bedeutung und ihre politische Macht verlieren, dann könnte der Staat zumindest teilweise den Anreiz verlieren, in ihre Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt zu investieren. Es ist höchst gefährlich, überflüssig zu sein. Die Zukunft der Massen wird somit vom guten Willen einer kleinen Elite abhängen. Vielleicht besteht dieser gute Wille ein paar Jahrzehnte lang. Doch im Falle einer Krise – etwa einer Klimakatastrophe – wäre es ziemlich verführerisch und nicht besonders schwer, die überflüssigen Menschen einfach über Bord zu werfen.« (79, Hervorhebungen im Text von mir, B.S.)

Abgesehen davon, dass es schon erstaunlich ist, wie ein Jude – selbst einer, der sich wie Harari von den religiösen Wurzeln seines Judentums erklärtermaßen gelöst hat (80) –angesichts der Erfahrungen seines Volkes mit der Shoah, dazu kommt, dieses Problem und die davon betroffenen Menschen in solch kaltschnäuziger Art und Weise zu behandeln, zeigt das Statement des WEF‐​Chefberaters Harari, was beim durchschlagenden Erfolg der Artificial Intelligence und der biotechnologischen Revolution ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung (Harari spricht sogar von der »Zukunft der Massen«) »von einer kleinen Elite« zu gewärtigen hat.

Wenn Harari für »die meisten Menschen (…)«, die man dann »nicht mehr brauchen kann« an anderer Stelle die (Zwischen?-)Lösung parat hat, sich in Zukunft »in virtuellen Realitäten zu tummeln« und »sich mit 3D‐​Computerspielen zu unterhalten«, verrät das nicht nur viel über sein zynisches Menschenbild, sondern signalisiert auch, wohin die Reise auf dem Ticket der »vierten industriellen Revolution« gehen soll (81).

Harari, der genau wie Klaus Schwab betont hat, dass die Corona‐​Krise ein window of opportunity sei, um die Global Governance‐​Agenda implementieren zu können, sieht ein wichtiges Ergebnis der Pandemiepolitik darin, dass sie zur wachsenden Bereitschaft in der Bevölkerung geführt habe, sich umfassend überwachen zu lassen. Durch die Virusangst seien Veränderungen im Bereich der Einstellungen und des Verhaltens möglich geworden, von denen Politiker und Konzernlenker in normalen Zeiten nur hätten träumen können:

»In dieser Zeit der (Corona-)Krise wird alles überwacht, in dieser Zeit wird der Wissenschaft gefolgt. Es wird gesagt, dass man eine Krise nie ungenutzt verstreichen lassen sollte, denn eine Krise ist auch eine Gelegenheit Gutes oder auch Falsches zu tun. In normalen Zeiten würden die Menschen dem niemals zustimmen, aber in einer Krise haben wir eine Chance, also lasst es uns tun!« (82)

Damit sprechen Harari und Schwab wiederum lediglich aus, worauf bereits die Pandemieplanspiele wie z. B. »Clade X« (2018) und »Event 201« (2019) ausgelegt waren. So spielte die Frage, wie man etwaigen Widerstand gegen eine Beschneidung oder Aufhebung von Grundrechten im Pandemiefall erst in Schach halten und dann unterbinden beziehungsweise brechen könne, bei den Ernstfall‐​Vorbereitungen eine wichtige Rolle. Die aus früheren Informationskriegen gewonnenen Erkenntnisse sollten in den Pandemieszenarien nun direkt gegen die eigene, möglicherweise sich renitent verhaltende Bevölkerung, geprobt, durchgespielt und konzertiert zum Einsatz kommen. Trotzdem wurden einerseits die Widerstände und Proteste dann in der Realität des »offenen Feldversuchs« vom Pandemiemanagement unterschätzt. So gelang es letztlich den beiden Regierungen, die am weitesten in Europa politisch in diese Richtung vorpreschen sollten, Österreich und Deutschland, nicht, ihre Impfpflichtpläne aufgrund des öffentlichen Widerstandes durchsetzen. Millionen von »Impfunwilligen« (jeweils etwa 20 Prozent der Gesamtpopulation beider Länder) zu kriminalisieren, schien den Regierungen dann doch nicht möglich zu sein. Die meisten anderen Länder drehten schon früher bei und »beendeten« die sog. Pandemie im Frühjahr 2022. Bedingt durch die föderal‐​bundesstaatliche Ordnung, waren in den USA schon 2020 starke Unterschiede im Umgang mit Covid‐​19 auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten zu sehen. (Dieses Schisma in der Politik in den USA ist übrigens auch dem Zweiparteien‐​System geschuldet, was »große Koalitionen«, die im Ausnahmezustand über größere Zeiträume hinweg paktieren etwas weniger wahrscheinlich machen.) Andererseits führten Maßnahmen wegen ihrer Sinnlosigkeit und Übergriffigkeit – wie lebensfeindlich‐​rigide Verbote und der Einsatz brutaler Polizeigewalt in mehreren Ländern zeigten – in den Teilen der Bevölkerung, die nicht hundertprozentig hinter dem offiziellen Narrativ standen, statt zur abschreckenden, Gehorsamkeit trainierenden Verhaltenskonditionierung zum gegenteiligen Effekt: maßnahmenkritische Kundgaben erhielten durch spontane Solidarisierungseffekte mehr Unterstützung und Zulauf; doch vor allem drehte sich die Stimmung im Laufe der sog. Pandemie: ein Effekt, der durch das unverhältnismäßig harte Durchgreifen der Staatsmacht mit ausgelöst wurde.

Das defizitäre Menschenbild des Transhumanismus und die »Herrschaft des Niemand«

Je mehr auf den alternativen und Social‐​Media‐​Kanälen über die Hintergründe des Great Reset beziehungsweise der Agenda 2030 und ihrer Zusammenhänge mit den Impfprogrammen der GAVI‐​Impfallianz und den Gates‐​und Rockefeller‐​Stiftungen bekannt wurde –einschließlich der brisanten Rolle, die die Pharma‐​und Biotechnologie‐​Lobby in der durch sie gekaperten Weltgesundheits‐​Organisation (WHO) spielt – desto stärker kamen auch die problematischen Züge des transhumanistischen Menschenbildes an die Oberfläche. Denn der Transhumanismus, der den wissenschaftlich‐​ideologischen Hintergund für die Bestrebungen und Ziele der Global Governance liefert, beruht auf einem defizitären Bild vom Menschen: »Im Transhumanismus verdichtet sich das negative Menschenbild zu einer Ideologie der Lieblosigkeit, in der der Mensch schlichtweg als suboptimales Auslaufmodell angesehen wird«, so Sarah Spiekermann, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Wirtschaftsuniversität von Wien (83).

Nach Auffassung der Transhumanismus‐​Anhänger in den Spitzenpositionen vieler führender IT‐​Konzerne im Silicon Valley seien Menschen Wesen, die »ähnlich wie vorhersehbare Computersysteme funktionieren«. Dies, so Spiekermann, »beeinflusse die Entwicklung digitaler Technologien, die wiederum großen Einfluss auf unser Leben« hätten. Ihr Plädoyer lautet wie folgt:

»Der Transhumanismus geht oft von der Annahme aus, dass Menschen unglücklich sind, dass sie suboptimal sind und dass sie rein rationale Präferenz‐​Optimierer sind. (…) Das ist ein unschönes Menschenbild, und wir müssten in der Spätmoderne ein besseres entwickeln, das mehr Vertrauen in den einzelnen Menschen setzt«. (84)

Seit fast drei Jahren erleben wir nun, dass sich hinter den Losungen für und den Forderungen nach Freiheit und Gleichheit und für Selbstbestimmung und Teilhabe am politischen Prozess, kritisch fühlende, denkende und handelnde Menschen versammeln. Sie können als der lebendige Gegenbeweis für das von einer tiefen Seinsvergessenheit (Heidegger) durchdrungene transhumanistische Menschenbild angesehen werden. Dessen Cyborgs erzeugende Transplantationsszenarien sind selbst Ausdruck eines in naiver Technikgläubigkeit befangenen Komplexitätsreduktionismus, der deshalb letztlich auch zum Scheitern verurteilt sein wird. (Die Prognose ist nur scheinbar beruhigend, denn die entscheidende Frage wird dabei sein, welchen Preis wir alle für das Scheitern dieser ultramodernen Hybris bezahlen müssen, und er könnte sehr hoch sein).

Auch wenn der Transhumanismus zunächst nicht im Vordergrund der Proteste stand, wurde in zahlreichen Ländern ein neues Kapitel im Kampf eines – im besten Sinne – populistischen, das heißt von der Basis der Gesellschaft kommenden, parteipolitisch nicht instrumentalisierbaren demokratischen Widerstandes gegen Staatsautoritarismus und die Gefahren eines neuen, »smarten« Totalitarismus (85) aufgeschlagen. Die seither nicht mehr verebbenden, selbstorganisierten Proteste verweisen deutlich darauf, dass die totalitaristische Bedrohung nicht vorüber ist – auch nach dem Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in repräsentativ verfassten Demokratien nach Ende des Faschismus und dem zweiten Weltkrieg nicht. Hannah Arendt hatte das bereits im Jahr 1955 vorausgesehen. Am Ende von Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft heißt es:

»So wie in der heutigen Welt totalitäre Tendenzen überall und nicht nur in totalitär regierten Ländern zu finden sind, so könnte diese zentrale Institution der totalen Herrschaft leicht den Sturz aller uns bekannter totalitärer Regime überleben«. (86)

Im Vergleich zu Arendts Lebzeiten richtet der Protest sich gegen die unter monopolkapitalistischen Bedingungen im transnationalen Maßstab weiter entwickelten, unter dem Dach von Big Money und Big Data wesentlich national und regional entgrenzt operierenden technologischen und bürokratischen Apparate. Deren Eigenheit besteht darin, die »Herrschaft des Niemand« (Arendt) auf die Spitze zu treiben:

»Je mehr die Bürokratisierung des öffentlichen Lebens zunimmt« (für die heute die Digitalisierung den Schlüsselbegriff liefert, Anm. B.S.) »desto stärker wird die Versuchung sein, einfach zuzuschlagen. Denn in einer vollentwickelten Bürokratie« (lies: Digitalisierung oder »Herrschaft der Algorithmen«, Anm. B.S.) »gibt es, wenn man Verantwortung verlangt oder auch Reformen, nur den Niemand. Und mit dem Niemand kann man nicht rechten, ihn kann man nicht beeinflussen oder überzeugen, auf ihn keinen Druck der Macht ausüben. Bürokratie ist diejenige Staatsform, in welcher es niemanden mehr gibt, der Macht ausübt; und wo alle gleichermaßen ohnmächtig sind haben wir eine Tyrannis ohne Tyrannen«. (87)

Arendt selbst sah die durch die ungeheure Beschleunigung der technischen Produktivkräfte‐​Entwicklung zu globalen Dimensionen sich ausweitende, bündelnde und fortschreitend zentralisierte Macht für bedrohlich an. So schreibt sie in »Nationalstaat und Demokratie«:

»Wirkliche Demokratie (…) kann es nur geben, wo die Machtzentralisierung (…) gebrochen ist und an ihre Stelle die dem föderativen System eigene Diffusion der Macht in viele Machtzentren getreten ist. Gegen das Machtmonopol eines zentral organisierten Staatsapparats ist nicht nur der Einzelne, sondern auch die aus Einzelnen bestehende Gruppe fast immer ohnmächtig, und die Ohnmacht des Bürger, selbst bei Wahrung aller seiner bürgerlichen Rechte, steht in einem grundsätzlichen Gegensatz zur Demokratie in all ihren Formen«. (88)

Als Antwort auf die wachsende Gefahr der Entmündigung und Enteignung des Menschen durch eine Apparatelogik, deren Modalitäten Herrschaft zu funktionalisieren nach Auffassung Arendts für den Sinnverlust und die Zerstörung »einer mit anderen (Menschen) in der Perspektivenpluralität (…) geteilten Welt« (89) stehen, schließen die Menschen sich zu spontanen, herrschaftsfreien Aktionsgruppen‐​und Bündnissen zusammen. Sie weisen eine durchaus schillernde und neue soziologische Qualität auf (90). In jedem Prozess politischer Subjektwerdung werden sie sich aufs Neue ihrer Macht gewahr: Sie und nur sie sind Arendt zufolge imstande die ungerechte, gegen die Freiheit gerichtete Ordnung zu zerschlagen, »und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie die große Zahl und die wirkliche Macht auf ihrer Seite haben« (91).

Fundamental artikuliert sich für Arendt darin die menschliche Fähigkeit, »nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln«. Trotz aller Verschiedenheit, die wesensmäßig bei ihr die eine Seite des Begriffs der Pluralität ausmacht – die Gruppen setzen sich sehr heterogen aus Individuen, breit über das Spektrum (fast) der gesamten Gesellschaft gestreut zusammen; gehören, abwärts der Oberschicht, verschiedenen Schichten und Milieus an, spiegeln dabei mehrheitlich aber durchaus das wider, was als bürgerliche Mitte zu bezeichnen ist – eint sie ihr Eintreten für die verfassungsmäßige Ordnung, für die Wahrung und Achtung der Menschenwürde und die Forderung nach Schutz und Einhaltung aller Grundrechte. So verbinden und verbrüdern sie sich im Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung gegen eine globalistische Kamarilla, die sich anmaßt, immer stärker in jedes Leben hineinzuregieren und es zu reglementieren. Die Grundrechtebewegung will dagegen den Gemein‐ und Bürgersinn, die souveräne Autonomie der Subjekte und die selbstorganisierte, demokratische Kultur – die die »Gleichheits‐​Seite« der Pluralität bezeichnen – stärken. Die Gemeinwohlorientierung soll anstelle übermächtig gewordener Partikularinteressen – wie sie durch die Eliten, von der Global Governance ausgehend, überall verfolgt, propagiert und durchgesetzt werden – wieder als allgemeine Richtschnur anerkannt beziehungsweise als verbindliche regulative Idee des politischen Handelns aufs Schild gehoben werden.

Darüber hinaus wird – gerade unter dem Eindruck des Ukraine‐​Krieges – die Rückbesinnung auf eine dem Frieden und der Abrüstung dienende Politik verlangt, die aktiv zur Entspannung und Deeskalation internationaler Konflikte beiträgt, zum Beispiel durch eine Diplomatie der kleinen Schritte, das verloren gegangenes Vertrauen auf beiden Seiten vorsichtig wieder herzustellen versucht (»Wandel durch Annäherung«).

Die Protestierenden sprechen sich für ein gewaltfreies, friedliches und gedeihliches Zusammenleben aller Völker und Staaten – bei Anerkennung ihrer kulturell und religiös unterschiedlich geprägten Wertvorstellungen und Weltzugänge aus. Die Schaffung einer unipolaren Weltordnung, in der die pax americana imperialistisch‐​aggressiv mit dem Ziel exportiert wird, hegemonialen US‐​amerikanischen Anspruch auf alle Weltregionen zu erheben und gegenüber allen Menschheitsfamilien durchsetzen zu wollen, wird eine klare Absage erteilt. Dagegen wird das Modell einer multipolaren Ordnung gesetzt, mit mehreren, möglichst gleich starken Machtzentren – ein Ordnungsmodell, dessen Vorteile durchaus in Analogie zur Organisation und den Funktionsabläufen der Gewaltenteilung auf nationaler oder international‐​regionaler Ebene zu sehen sind. Nur das multipolare Modell ist in der Lage, Willkür und Tyrannei durch ein bestimmtes Land im supranationalen, globalen Maßstab zu verhindern; durch ein Land, das seine Interessen, sein Wertesystem und Weltbild allen anderen Nationen, sei es durch wirtschaftliche (»Freihandel«, Korruption, Sanktionen), politische (Regime Change) oder militärische Gewalt (Krieg, Stellvertreterkrieg, Interventionen) aufzwingen will. An diesem Punkt muss hinzugefügt werden, dass es realpolitisch auf der ganzen Welt nur einen einzigen Vertreter dieses Oktroyismus gibt: Die Vereinigten Staaten von Amerika.

Schließlich dürfte – nicht zu vergessen – ein ganz wichtiger, alle verbindender Handlungsantrieb in dem sehnlichen Wunsch nach Erneuerung der Politik aus dem Geist von Wahrheit und Wahrhaftigkeit liegen. Zum Thema Wahrheit und Lüge in der Politik wies Arendt ausdrücklich darauf hin, dass auch in Demokratien immer wieder Tatsachenwahrheiten wie bloße Meinungen behandelt würden (92).

In Anbetracht des heute im Dreieck von Politik, Verwaltung und Big Business (Rüstung, IT, Pharmaindustrie, Biotechnologien/​Human‐​Enhancement‐​Wissenschaften) global herrschenden, gigantischen Ausmaßes an institutionalisierter Korruption (93) , kann der allgemein etablierte äußerst »flexible«, rein taktische Umgang mit Lüge und Wahrheit, bei der die Wahrheit auf der Strecke bleiben muss, nicht verwundern. Besonders ruchbar wurde das in der Corona‐​Krise, die politischen Entscheidungen begleitet es aber schon länger. So schreibt der Politikwissenschaftler van der Pijl: »Täuschung und Propaganda in Bezug auf wichtige historische Ereignisse sind seit den 1990er Jahren zur Routine geworden (94).«

In der Folge davon werden Institutionen, die eine Kontrollfunktion für den Schutz der Bevölkerung ausüben sollen – die also ihrer Satzung nach im Auftrag und Dienst des nationalen oder europäischen Souveräns (im Rahmen der EU) zu handeln verpflichtet wären – wie z. B. die EMA (European Medicines Agency), so stark durch finanzielle Abhängigkeiten und lobbyistische Einflussnahmen ins Fahrwasser mächtiger privatkapitalistischer Interessen dirigiert, dass sie der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht oder nicht mehr hinreichend nachkommen können. Das gilt auf globaler Ebene auch für die Welt‐​Gesundheits‐​Organisation (WHO), die politisch im Zuge gravierender Umstrukturierungen innerhalb der Global Governance‐​Institutionenarchitektur, sehr weit reichende Befugnisse auf dem Public Health‐​Sektor erhalten hat. Geht es nach den Vorstellungen der USA, Deutschlands und einigen anderen einflussreichen Staaten, soll die WHO zu einer globalen Super‐​Gesundheitsregierung mit vielerlei Sondervollmachten bei Gesundheitsgefahren und ‑notständen um‐ und ausgebaut werden, die nur sie an den nationalen Parlamenten und Regierungen vorbei definieren beziehungsweise selbst nur ausrufen können soll (95).

Auch die Nicht‐​Regierungsorganisationen (NGO), die so etwas wie das zivilgesellschaftliche Rückgrat der demokratischen Länder bildeten, stehen seit etwa zehn bis zwanzig Jahren immer stärker im Fadenkreuz institutionalisierter Korruption. Seither haben außerordentlich finanz‐​und reichweitenstarke Netzwerke, die für die Global Governance arbeiten, ihre Bemühungen zur Unterwanderung kritischer NGO intensiviert. Das führt in immer mehr Fällen dazu, dass der kapitalismus‐​und globalisierungskritischen Arbeit dieser Organisationen die Spitze abgebrochen wird. Die Umlenkung erfolgt z. B. durch Personalrochaden, in deren Zusammenhängen unbestechlich‐​integre, auf ihre politische Unabhängigkeit pochende Aktivisten kaltgestellt beziehungsweise anhand fingierter Beschuldigungen gezwungen werden, die NGO zu verlassen. Beliebt sind auch Mittel des Sponsorings wie sonstiger sog. Incentives, die die NGO nicht nur finanziell an die Leine informeller und intransparent agierender »Relaisstationen« der Global Governance legen und für das Politik‐​Establishment steuerbar machen. Dadurch werden sie als potenziell politisch gefährliche Faktoren neutralisiert. Moritz Müller hat kürzlich in einem Artikel über das auffallend zurückhaltende Engagement von Amnesty International, für die Freiheit und das Leben Julian Assanges, insbesondere auf der Leitungsebene dieser bekannten und wichtigen NGO, auf den Nachdenkseiten den Eindruck geäußert, »dass es in der Welt der Nichtregierungsorganisationen ein Karussell gibt, mit dem das Führungspersonal von einer Organisation zur anderen, dann in Regierungsämter und wieder zurück wechselt« (96).

Um den NGO entsprechende Stromlinienförmigkeit zu verpassen, muss in den meisten Fällen nicht einmal deren Status angetastet, geschweige denn ihre Existenz in Frage gestellt werden. Das gilt gleichermaßen für Umwelt, Natur‐​und Tierschutzinitiativen, soziale Bewegungen, Organisationen, die gegen Lobbyismus und Korruption aktiv werden, wie für Bewegungen, die sich für stärkere Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie einsetzen.

Arendts Republikanismus und das Fehlen eines »konkreten Organs der Demokratie«

Das Versagen der NGOs macht das Problem und die Dringlichkeit, hier Abhilfen zu schaffen, nur noch deutlicher: In schmerzhafter Weise drehen sich heute die Anliegen der Protestierenden wiederum um das, was die amerikanische und Französische Nach‐​Revolutionsgesellschaften schon rund 250 Jahren vor uns durchlebt haben und als politische Kollektive bearbeiten mussten (97). Letztlich kreist alles um das Fehlen »eines konkreten Organs der Demokratie« (Arendt), ein Organ, in dem die Bürger ihre öffentlichen Interessen in Form von Kritik, Verbesserungsvorschlägen oder als Eingaben und eigene Initiativen nicht nur wirksam im Rahmen der republikanischen Verfassung formulieren und an die Regierung adressieren können, sondern mit der Republik ein konstitutives Organ bereitsteht beziehungsweise bereitgestellt wird, das garantiert, dass die Menschen selbst sich zum politischen Handeln aufgerufen fühlen (können) und tatsächlich dazu berufen sind, öffentlich und frei an der Gestaltung und Entwicklung ihres Gemeinwesens zu partizipieren.

Anhand der »Bilder von Tausenden von Menschen auf den Straßen, die sich der Gewalt und den Schikanen der Polizei widersetzen (…) sehen wir bereits eine populistische Bewegung, die von Tag zu Tag wächst.«

Sie hat die Macht, die geschichtliche Lage entscheidend zu beeinflussen, weil in ihr laut der Hamburger Philosophin Elena Luisa Lange der folgende Erkenntnisprozess heranreift:

»Denn diese Menschen und viele andere, die zu erkennen beginnen, dass die entfesselte Macht des Staates eine gespaltene, schwache und willfährige Masse von Sujets, nicht von Citoyens, hervorbringt, sind die größte Gefahr für die herrschende Klasse. Die Macht der Eliten mag stärker sein als 1989, als das letzte Mal eine Massenbewegung zivilen Ungehorsams ein Regime zu Fall brachte. Aber die Parallelen sind offensichtlich. Und wir sind immer noch der Souverän«. (98)

Im Hinblick auf den Souveränismus, der sowohl dem Begriff der Demokratie wie dem des Republikanismus – wenn auch auf unterschiedlich akzentuierter Weise zugrunde liegt – entwickelte sich in Arendts Denken als ein Resultat der Auseinandersetzung mit der amerikanischen und der Französischen Revolution der Republikanismus zur entscheidenden und wichtigeren Idee, da sie im Republikanismus – darin Thomas Jefferson, einem der Gründungsväter der US‐​amerikanischen Revolution und späteren Präsidenten (1801 – 1809) folgend – »die Gründung eines neuen öffentlichen Raumes, (…) in dem jeder ‚participant in government’ (Teilnehmer an der Regierung) werden konnte«, erblickte (99).

Die republikanische Idee, jeder müsse »Teilnehmer an der Regierung werden können« ist voraussetzungsreich, insofern als dass diese Idee zunächst einmal besagt, dass eine republikanische Regierung verpflichtet ist, die Meinungen aller der Republik angehörenden und an deren Diskursen aktiv teilnehmenden Bürgern zu achten, indem sie sie anhört, das heißt in die Entscheidungsprozesse mit aufnimmt.

Mithin ist jede republikanische Regierung an der Bereitschaft zu messen, diese Meinungen frei und ohne Einschränkungen oder gar Zensur öffentlich zu diskutieren.

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Hannah Arendts republikanische Idee seit dem Frühjahr 2020 wieder hunderttausendfach Menschen inspiriert und bewegt. Menschen, die nicht bereit sind, ihrer Entmachtung als Souverän und der Zerstörung des republikanischen Souveränismus tatenlos zuzusehen, sondern stattdessen ihren Protest dagegen lautstark auf die Straße bringen.

Dies begann unter dem skeptischen und nach dem ersten Schock zunehmend ungläubigen Eindruck, den die Menschen unabhängig voneinander – da sie während der Covid‐​Krise ja tatsächlich voneinander separiert wurden – bezüglich der zur Eindämmung des SARS‐​CoV‐​2‐​Virus gewählten Maßnahmen gewonnen hatten. Nachdem auf historisch einmalige, nämlich global‐​synchronisierte Weise die Regierungen die Parlamente – beziehungsweise diese sich selbst – ausschalteten und nicht nur illiberale, sondern illegitime Vorgehensweisen aus, wie heute bekannt ist, fingierten Katastrophenschutzgründen zur Staatsräson erklärt wurden, hätten angesichts der leidvollen historischen Erfahrungen mit dem Ausnahmezustand (»Souverän ist der, der über den Ausnahmezustand entscheidet«, Carl Schmitt) für alle überzeugten Demokraten und Konstitutionalisten, das heißt für die Freunde der Verfassung, die Alarmglocken läuten und Zweifel und Kritik Einzug in den öffentlichen Diskurs halten müssen.

Zentraler Kritikpunkt dabei war und ist, dass ohne freie, pluralistische Diskurse und ohne eine auch nur auf diesem Weg sicherzustellende wissenschaftliche Evidenz hinsichtlich einer realistischen Gefahrenabschätzung in Bezug auf einen respiratorischen, die oberen Atemwege betreffenden Infekt, handstreichartig massive Grundrechtseinschränkungen – die weitreichendsten der Nachkriegsgeschichte – vorgenommen wurden. Der eigentlich aufgrund der Eingriffstiefe zwingend gebotene Abwägungsprozess zwischen einer akut gegebenen Gesundheitsgefahr und anderen schützenswerten gesellschaftlichen Gütern und Rechtgütern fand nicht statt, ernsthafte Prüfungen des Gesamtnutzens und der Gesamtkosten verhängter Maßnahmen unterblieben und stehen bis heute wegen einer nach wie vor nicht oder nicht zureichend ermittelten Datenlage aus. Grundsätzlich können pandemiepolitische Entscheidungen aber sinnvollerweise überhaupt nur auf der Basis solch gesicherter Daten getroffen werden (100). Dieses von ihnen selbst verschuldete Manko hielt die Politiker jedoch nicht davon ab, die Grundrechtseingriffe und Einschränkungen über einen Zeitraum von fast drei Jahren zu verstetigen.

Der Hauptvorwurf gegen die Regierungen lautet, dass sie dadurch ihre Kompetenzen und Befugnisse weit – viel zu weit – überschritten haben. In Deutschland, dessen Regierung im Vergleich schon früh durch einen besonders rigiden Kurs gegen die sog. Pandemie auffiel, folgten der Politisierung aufgrund des Grundrechtediebstahls schnell erste Demonstrationen. Die Demonstranten bekamen bereits im März/​April 2020 die eiserne Hand der Staatsgewalt zu spüren, obwohl ihre Kundgebungen völlig gewaltlos abliefen und sie sich gegenüber den Ordnungskräften kooperativ und deeskalierend verhielten. Höhepunkt war dann die Demonstration am 1. August 2020 in Berlin, an der wohl deutlich mehr als hunderttausend Menschen teilnahmen. Damit stellte sie die weltweit größte Manifestation maßnahmenkritischer, explizit sich auf die Grundrechte berufener Demonstranten im ersten Jahr der sog. Corona‐​Pandemie dar. Auffällig war, dass es sich – wie sich das schon zuvor bei globalisierungskritischen, sich gegen den internationalen Finanzkapitalismus und dessen Agenda gerichteten Demonstrationen während der Weltfinanzkrise 2008/​09, und dann im Anschluss an sie, vor allem gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA in den 2010er Jahre gezeigt hatte – bei den Protestierenden in der Regel nicht um die »üblichen Demo‐​Verdächtigen« handelte, die sozusagen ohnehin aus ideologisch festgezurrten und traditionell‐​parteiagitatorischen Gründen die Straßen und Plätze bevorzugt zum Ort ihrer Proteste machen und diese »bespielen«. Vielmehr kam es zu einer Politisierung von vor allem abstiegsgefährdeten oder den Abstieg selbst als besonders bedrohliches Syndrom wahrnehmenden Bevölkerungsteilen. Diese gehörten vorher nicht zum typischen Kern der gesellschaftlichen Protestmilieus. Folgerichtig organisierten sie ihren Protest auch spontan und losgelöst von parteiisch‐​sektiererischen, ideologisch stark, z. T. bis zur Militanz geprägten system‐​oppositionellen Subkulturen. Zusammengebracht wurden sie durch das individuelle Betroffensein – etwa aus Sorge um Rechtsstaat und Demokratie sowie durch die von den Maßnahmen hervorgerufenen materiellen Nöte und Abstiegsängste – und eine weitgehend sich überschneidende Situationswahrnehmung: merkwürdige Gleichzeitigkeiten und Gleichförmigkeiten bei der politischen Behandlung der Virusgefahr, Gleichausrichtung bei den Reaktions‐ und Kommentierweisen in den Massen‐ beziehungsweise Leitmedien). Schlussendlich lag den Protesten übereinstimmend die Einschätzung zugrunde, dass wir es bei alldem mit einer gesteigerten Qualität und neuen Gestalt einer »Katastrophenpolitik« zu tun haben, die in der Tat eine »Zeitenwende« gegen die Interessen der breiten Mehrheit der Bevölkerung markiert.

Der Griff der Großkonzerne nach der Weltherrschaft

Ich bin bereits darauf eingegangen, wie durch die republikanische Idee, die Hannah Arendt in »Über die Revolution« als das erkämpfte Recht der Bevölkerung participator in government zu sein, beschrieben hat, dafür Sorge getragen werden soll, dass »ein auf Wahl beruhender Despotismus, der ein ebenso großes und vielleicht noch größeres Übel (…) als die Monarchie« darstellt – so Thomas Jefferson, den Arendt hier zitiert – vom Gemeinwesen nicht Besitz ergreifen kann. Nun sind gegen die spätestens seit dem Corona‐​Fehlalarm offensichtlich gewordene neue Form »der uralte(n) Unterscheidung von Herrschern und Beherrschten (…) die sich wieder durchgesetzt (…) hat« (101), aufs Neue in hunderttausendfacher Zahl durch die Ereignisse Menschen wachgerüttelt und wieder inspiriert worden, unmittelbar als politisch Handelnde in Erscheinung zu treten, um sich »mit allem zu beschäftigen, was die Freiheit, Gleichheit, Einheit und Unteilbarkeit der Republik angeht.« (Über die Revolution, S. 311). Wenn ich »wieder« geschrieben habe, so will ich damit etwas ansprechen, was im Zusammenhang mit der Protestbewegung gegen die globale Herrschaft der Global Corporate Governance eine wichtige Rolle spielt, aber in der überwiegenden Anzahl der Diskurse beziehungsweise den landläufig verbreiteten Interpretationen über die Protesthistorie m.E. bislang unterbelichtet beziehungsweise absichtlich verdeckt blieb. Tatsächlich stehen die Proteste gegen die Corona‐​Maßnahmen mit den antiglobalistischen Kämpfen, die gegen eine konzernkapitalistisch getriebene Globalisierung geführt werden – welche allein deren Oligarchenklasse begünstigt und auf Kosten von 99 Prozent der Weltbevölkerung geht – im engsten Zusammenhang (102). Diese Kämpfe nahmen Ende der 1990er Jahre mit der Occupy‐​Bewegung gegen die Politik der WTO (Welthandels‐​Organisation) in Seattle Fahrt auf.

Was sich schon lange vor der Corona‐​Krise abzeichnete – dass auf der Rückseite der Übermacht, die aus dem historisch singulären Reichtum resultiert, den die Spekulanten und shareholder des Finanzkapitalismus anhäufen, steigende Armut, extreme Verelendung und, insbesondere in der jungen Generation, zunehmend Perspektivlosigkeit und psychische Deprivation entsteht sowie außerdem eine Enteignung der besonders in den Zangengriff der Oligarchen genommenen Mittelschichten stattfindet – wurde mit dem vorläufigen Pandemie‐​Ende, wie jüngst in einer Studie von Oxfam International anhand neuester Zahlen untermauert wurde – mehr als bestätigt. Laut der Studie gehen die Superreichen und Großkonzerne nicht nur einmal mehr als große Gewinner aus der Krise hervor – und das trotz monatelanger Lockdowns und Unterbrechungen der internationalen Lieferketten. Das alleine dürfte aber niemanden noch groß überraschen. Jedoch konnte die »plutokratische Internationale« selbst im Vergleich zu den überdurchschnittlichen Profiten, die sie schon aus früheren Katastrophen schlug, nochmals in der Corona‐​Krise kräftig draufsatteln und sensationell rekordverdächtige Vermögensgewinne einfahren. Während sich das Vermögen der zehn Reichsten der Welt in der Corona‐​Krise – im Zeitraum von nur zwei Jahren – von siebenhundert Milliarden auf 1,5 Billionen Dollar mehr als verdoppelte (!), leben über 160 Millionen Menschen mehr in extremer Armut als vor Corona (103). Auf Deutschland bezogen entfielen von den Vermögenszuwächsen, die 2020 und 2021 erwirtschaftet werden konnten, 81 Prozent auf die reichsten ein Prozent der Bevölkerung, weltweit sind es nach Angaben von Oxfam 67 Prozent. Alarmierend laut Oxfam sei auch, »dass zuletzt erstmals seit 25 Jahren extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zugenommen habe« (104).

Seit Ende der 1990er Jahre richtet sich der Protest gegen die Strukturen, die durch die exorbitant gestiegene Macht‐​und Entscheidungsgewalt transnationaler Institutionen und ihrer intermediären PR‐​und Lobbygruppen sowie ihren Boten in Kultur und Medien geschaffen werden, durch jene Institutionen und Think Tanks, die die Interessen der tonangebenden anglo‐​amerikanischen Oligarchien in der Welt vertreten. Sie rekrutieren sich seit dem Ende des Systemantagonismus zwischen West und Ost im Jahr 1990, durch Deregulierungen im Finanz‐​und Wirtschaftssektor eingeleitet und angetrieben, aus der Geld‐ und Wirtschaftselite, die das schon sprichwörtlich gewordene »one percent« (»Richest 1 Prozent gained $6.5 trillion in wealth last year« – CNBC). Es bezeichnet die Spitze der globalen Vermögens‐​und Einkommenshierarchie. An den Hauptkritikpunkten, dass der Expansionismus dieser Elite eine immer größere soziale Ungleichheit schafft und – zieht man dabei die Folgen des erreichten Levels an Ungleichheit in Betracht – dadurch immer weniger Freiheit, soziale Teilhabe und politische Repräsentation für die Masse der Bevölkerung bei gleichzeitig immer höherer Machtkonzentration sowie immer neofeudaler anmutenden Privilegien für die winzig‐​kleine Spitze der Gesellschaftspyramide übrig bleibt, hat sich nichts geändert. Aber empirisch nachweislich verhärteten sich die Unterschiede zwischen den ganz Wenigen ganz oben und dem »Rest« innerhalb der letzten 30 Jahre mehr und mehr, schneller und schneller.

Wirft man einen Blick darauf, was auf Ebene des Governance‐​Buildings zur gleichen Zeit vorging, erkennt man, was der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring als den »Ausverkauf der UN an die Konzerne« genau beschrieben hat (105).

Dieser Ausverkauf läutete die Neofeudalisierung auf dem Gebiet der Global Governance‐​Politik ein: Nachdem eine private Stiftung zur Unterstützung der UN, aufgrund ihrer akuten Geldnot gegründet wurde, in die sie dadurch geraten war, weil sich wichtige Staaten, allen voran die USA, von der Finanzierung der UN und ihrer Einzelorganisationen immer stärker zurückgezogen hatten – bekamen private Interessen immer stärkeren Einfluss auf UN‐​Programme. Das ging so weit, bis sie vollständig seit 2019, ratifiziert durch ein »weitgehend (…) von der Öffentlichkeit (…) unbemerkt« (106) gebliebenes Abkommen zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und dem Weltwirtschaftsforum, durch letzteres klar dominiert werden. Wie Häring nachweist, spielt die UN seitdem »in der Umgestaltung der globalen Governance im Sinne des Weltwirtschaftsforums« (107) eine Rolle, die zwar in der UN‐​Charta nicht vorgesehen ist, ihr aber durch die vom Fuß auf den Kopf verdrehten Machtverhältnisse zwischen privaten Groß‐​Investoren und den Staaten als vorgesehenen Geldgebern und Förderern den Vereinten Nationen zugewiesen wurde:

»Im Fall der Multinationalen Konzerne hat ihre Reichweite als de‐​facto‐​Institutionen der globalen Governance schon lange die Tätigkeit des UN‐​Systems überflügelt. (…) Multinationale Konzerne und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen als vollwertige Akteure im globalen Governance System anerkannt werden, nicht nur als Lobbyisten«. (108)

Zugleich war damit »der Griff der Großkonzerne nach der Weltherrschaft« (Häring) endgültig vollzogen. Zusätzlich flankiert und unterstützt wird der Auftritt der Großkonzerne als »Weltregierung«, durch den die nationalen Regierungen immer mehr eigene Handlungsspielraum einbüßen, durch die Übernahme der Rekrutierung politischen Führungspersonals in den Zuständigkeitsbereich des Weltwirtschaftsforums:

»Die unabhängige Nicht‐​Regierungs‐​Organisation Young Global Leaders Forum bringt ihre Mitglieder zusammen, um die potenzielle Elite der Zukunft zu fördern und zu vernetzen. (…) Das Young Global Leaders Forum zählt zu den einflussreichsten NGOs der Welt. Es zählt mittlerweile über 1.400 Mitglieder (Stand 01.02.22, Quelle: younggloballeaders​.org). (…) Die amtierende, deutsche Außenministerin (Stand: 01.02.22) Annalena Baerbock von Bündnis 90/​Die Grünen gehört ebenso zu den Alumni des Young Global Leaders Forums wie change.org-Gründer Gregor Hackmack und der französische Präsident (Stand: 01.02.22) Emmanuel Macron. Hubertus Heil (SPD) und Cem Özdemir (Bündnis 90/​Die Grünen) waren ebenso Teilnehmer des Forums wie Thomas de Maizière und Jens Spahn von der CDU«. (109)

Der hier ausschnittsweise zitierte Focus‐​Artikel ist insofern selektiv und lückenhaft, als dass darin Klaus Schwabs »größter Stolz« in Bezug auf die Young Global‐​Leadership‐​Programm nicht vermeldet wurde, den nämlich, dass diese Young Global‐​Leader inzwischen die einzelnen nationalen Regierungen erfolgreich »penetrieren« (110) würden. In der Tat sind aus den Reihen der Young‐​Global‐​Leader schon zahlreiche Personen in die obersten Ränge der nationalen politischen Machteliten aufgestiegen beziehungsweise in die Regierungskabinette und Ministerien eingeschleust worden, um dort das Wort im Sinne von WEF & Co. zu führen. Das wird, sofern es nicht gleich faktenwidrig als »Verschwörungserzählung« wie unlängst in der »Tagesschau« abgetan wird, von den Medien einfach so ohne kritische Nachfrage goutiert, obwohl es keinerlei Legitimation durch einen demokratischen Souverän dafür gibt. Demokratische Politiker müssten demokratietheoretisch sauber ihre Führungsqualitäten eigentlich im politischen Wettbewerb unter Beweis stellen, zum Beispiel durch den Gewinn von Wahlen. Geflissentlich in den Leitmedien ausgespart bleibt auch die Frage, wer denn das Weltwirtschaftsforum und seine Netzwerke eigentlich dazu beauftragt hat, für die Weltpolitik zuständig zu sein beziehungsweise sich inzwischen als hauptzuständige Stelle für sie zu gebärden.

Nach zwei Dekaden des Virus der politischen Unruhe kam Corona

Aus Anlass der Corona‐​Krise hat der niederländische Politikwissenschaftler Kees van der Pijl die Entwicklung von der Global Governance zur Global Corporate Governance nachgezeichnet und ihre Hintergründe in dem schon erwähnten, äußerst lesenswerten Buch mit dem Titel Die belagerte Welt dargelegt (110).

Van der Pijl, der bis 2019 als Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Sussex lehrte, weist auf die signifikant gestiegene Zahl von Protesten seit der Jahrtausendwende hin. Besonders seit der Weltfinanzkrise 2008 hätten

»Streiks Unruhen und Anti‐​Regierungs‐​Demonstrationen in jeder Kategorie Rekorde gebrochen. Die Wiederherstellung der Ordnung ist daher die grundlegende Erklärung für die Verhängung des globalen Ausnahmezustandes, für den im Sommer 2020, als das SARS‐​CoV2‐​Virus überstanden war, keine gesundheitlichen Gründe mehr bestanden«. (112)

Ähnlich äußert er sich in einem Interview über sein Buch zur Ursache der im März 2020 durch die WHO ausgerufenen Covid‐​19‐​Pandemie, die er als »biopolitische Machtergreifung« deutet:

»Die Welt ist von den Kräften in einen Belagerungszustand gebracht worden, die sich durch die wachsende Unruhe der Völker bedroht fühlen. (…) In meinem Buch schlage ich vor, dass mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems 1989/​91 die Notwendigkeit einer neuen Methode des Regierens anerkannt wurde ( …) Dabei sollte Angst — statt wie bisher materielle Vorteile kombiniert mit Ablehnung des Kommunismus — die Basis der legitimen Regierungsfähigkeit sein. ( …) Mit dem 11. September 2001 und danach wurde dann die schon national wie in Italien ausprobierte Strategie der Spannung internationalisiert. Das wurde fortgesetzt über den Terrorismus bis heute zur Angstmache mit dem ›Virus‹. Ich denke übrigens, dass die Unruhe, die ich als Anlass zur Entfesselung des Pandemieszenarios auffasse, gerade wie in beziehungsweise nach den zwei Weltkriegen, nach dem Ausnahmezustand verstärkt zurückkehrt. Klaus Schwab warnt davon auch in seinem ›Great Reset‹«. (113)

Zur Weltfinanzkrise 2008 merkt van der Pijl an, dass diese »den sozialen Kampf auf globaler Ebene nur beschleunigt« habe. So sei es im selben Jahr noch in mehr als 20 Ländern zu schweren Unruhen gekommen, weil die Menschen keine Grundnahrungsmittel mehr bezahlen konnten. Alle Indikatoren, so van der Pijl, hätten in den Folgejahren einen Aufwärtstrend für soziale Unruhen gezeigt. Ab 2011 verzeichnet van der Pijl

»(…) einen starken Anstieg der Streiks. (…) Auch die Zahl der regierungskritischen Demonstrationen nahm nach 2011 rapide zu, und die Zahl der Unruhen stieg nicht minder spektakulär an (sie versechsfachte sich) und brach 2013 den Rekord von 1968/​69«. (114)

Der niederländische Politikwissenschaftler referiert des Weiteren auf Aussagen des US‐​Sicherheitsberaters und Chefstrategen Zbigniew Brzezinski. Für Brzezinski seien die Aufstände des sog. arabischen Frühlings »Anlass für die Warnung« gewesen, nach der

»der globale Bevölkerungsüberschuss in Verbindung mit der Informationsrevolution ein neues 1848 ankündige (das Revolutionsjahr in Europa, in dem auch das Kommunistische Manifest erschien). Es könne durchaus sein, argumentierte er (…), ›dass die Millionen junger Menschen in der Welt von heute das Äquivalent zu Marx’ Proletariat sind; während ihre Aussichten auf ein menschenwürdiges Dasein minimal sind, sind sie durch das Internet über die politische und soziale Realität, die ihre Misere verursacht, reichlich informiert‹. Auch andere erkannten die Ähnlichkeit mit 1848, aber in einem Bericht von 2013 kam die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zu dem Schluss, die akuteste Gefahr einer solchen Explosion bestehe nicht im Nahen Osten, sondern in der EU (…). Vor allem Frankreich schien auf eine revolutionäre Krise zuzusteuern – bis die ›Pandemie‹ ausgerufen wurde«. (115)

Kontinuitäten und Diskontinuitäten im globalisierungskritischen Widerstand

Wie der Verlauf der Corona‐​Krise und die Dynamiken der Protestbewegung zeigen sollten, ging die Rechnung durch die Inszenierung einer weltweiten Pandemie die sozialen Unruhen in den Griff zu bekommen, nicht auf. Den Regierungen, in enger Kooperation mit den Organen der Global Governance und deren Werkzeugen, gelang es trotz des machtvoll und geballt eingesetzten propagandistischen Apparats, auf den sie sich bei ihrem konzertiert erfolgenden, staatsstreichähnlichen Vorgehen im transnationalen Rahmen stützen konnten, nicht, einen vollständigen gesellschaftlichen Konformismus à la chinesischem Modell oder gar nach nordkoreanischem Vorbild erzwingen zu können.

So suchte sich bekanntlich, um es am heimischen Beispiel aufzuzeigen, nachdem die meisten Demonstrationen in der Phase in und um den zweiten Lockdown im Herbst/​Winter 2021 – 22 aus »Infektionsschutzgründen« verboten worden waren – der Protest in Deutschland bei den sog. Montagsspaziergängen trotzig neue, aber wiederum friedliche Bahnen. Die dezentralen Spaziergänge fanden an so vielen Orten in Deutschland gleichzeitig statt, dass die Einsatzleitungen der Polizei sich kaum noch imstande sahen, genügend Ordnungskräfte dafür abstellen und einsetzen zu können. Von der Friedfertigkeit im Zusammenhang mit den Corona‐​Protesten ausdrücklich auszunehmen sind allerdings verstörende Fälle von Polizeigewalt, die sogar dazu führen sollten, dass der UN‐​Sonderbeauftragte für Folter, der Schweizer Rechtsprofessor Nils Melzer, bei der deutschen Regierung intervenierte (116). Mehrere Demonstranten verloren durch solche brutalen Polizeieinsätze ihr Leben. Bis auf ganz wenige Ausnahmen mauert die Justiz bei den Versuchen der rechtlichen Aufklärung und Aufarbeitung möglicher Straftaten durch Polizeibeamte. Ebenfalls trägt der schlimme Korpsgeist, der bei der Polizei herrscht, dazu bei, Aufklärung in der Richtung zu vereiteln. Dass dieser unsägliche Korpsgeist Duldung bei der Politik findet, kann nicht anders als ein riesengroßer Skandal für unseren Rechtsstaat bezeichnet werden.

Als Reaktion darauf, dass die Versammlungsfreiheit zu dieser Zeit in Deutschland de facto für tot erklärt werden musste – obwohl schon im April 2021 durch Gutachten der Aerosolforscher bekannt war, dass die Ansteckungsgefahr mit dem SARS‐​CoV‐​2‐​Virus im Freien äußerst gering ist (Zitat aus dem Offenen Brief der Deutschen Gesellschaft für Aerosolforschung an Bundeskanzlerin Merkel: »Ansteckungen im Freien finden so gut wie gar nicht statt« (117) – hätte man noch vor Corona, in Zeiten der »alten Normalität« erwartet, dass die Presse zur Verteidigung dieses Grundrechts eine scharfe Lanze bricht, da die Versammlungsfreiheit ein Herzstück der Demokratie darstellt. Indes geschah das Gegenteil: Insbesondere die »bürgerlichen« und die im Mainstream als »linksliberal« geltenden Presseorgane taten sich damit hervor, die Proteste zu skandalisieren und zu kriminalisieren und die Stimmung gegen die außerparlamentarische Opposition besorgter Bürger anzuheizen. So schrieb, um nur ein Beispiel zu nennen, die Frankfurter Rundschau: »Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner immer gewaltbereiter: ‚Es ist verdammt ernst’ (…) Querdenker, Rechtsextreme, Antisemiten und Neonazis sind Feinde der Freiheit (…) und als solche sollten sie behandelt werden«. (118)

Noch ein Wort zu den rühmlichen Ausnahmen: Schon am 16. April 2020 schrieb die Journalistin und Publizistin Sabine Beppler‐​Spahl den Medien und der Politik eine Erkenntnis ins Stammbuch, die lange als Selbstverständlichkeit gegolten hatte – genau solange, bis man sich offenkundig entschied, diese gleichzeitig über Nacht aus den Zeitungsredaktionen und öffentlichen Rundfunkanstalten für die gesamte weitere Pandemiedauer zu verbannen, bis zum heutigen Tag. Denn es steht weiterhin eine Entschuldigung dafür aus: »Es ist an der Zeit, unsere Politiker daran zu erinnern, dass sie gewählt wurden, um unsere Grundrechte zu garantieren. Kein Virus sollte uns dieses wichtige Prinzip vergessen lassen«. (119)

Und, um noch zwei weitere, relativ bekannt gewordene Fälle zu nennen: Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung mahnte immer wieder rechtsstaatliches Augenmaß und Gewaltenkontrolle an – vergebens. Und die Chefredaktion des Berliner Tagesspiegels löschte Harald Martensteins Kolumne und mobbte ihn wegen seines bedingt geäußerten Verständnisses dafür, dass sich Corona‐​Maßnahmenkritiker als Opfer staatlicher Willkür und Ausgrenzung empfinden (120), aus dem Haus. Über diesem Haus prangt wie zum Hohn der schöne Satz: »Rerum cognoscere causas« (Den Sachen auf den Grund gehen).

Durch den Schachzug, eine internationale Gesundheitskrise zum Vorwand zur Durchführung und Intensivierung einer Agenda zu machen, die auf umfassende digitale Überwachung, ökonomische Enteignung und das transhumanistische Neudesign von Mensch und Gesellschaft abzielt, gelang es der Global Corporate Governance, das stark angewachsene globalisierungskritische Lager in Corona‐​Maßnahmenbefürworter‐​und Gegner zu spalten. Wiederauferstehung erlebte der alte Machiavellismus des »Divide et impera!«, ein Machiavellismus, der wegen seines beispiellosen Framings in die Geschichte eingehen wird: Das Framing fand Anwendung in der Absicht, die Proteste umgehend ausschalten, unschädlich machen, respektive bestenfalls im Keim ersticken zu können. »Corona‐​Leugner«, »Rechte/​Rechtsextreme«, »Antisemiten« »Nazis«, »Reichsbürger«, »Schwurbler«, »Verschwörungstheoretiker« (121) lauteten die ständig wiederholten, einem verunsicherten und orientierungslos gemachten Publikum eingehämmerten Stereotypen. Dafür griff man in den Administrationen auf Techniken der Beeinflussung zurück, die Arendt schon in den Elementen und Ursprüngen totaler Herrschaft zum Gegenstand ihrer Untersuchung gemacht hatte. Die Regelhaftigkeit dieser Cancel‐​Culture‐​Praxis ist lehrbuchartig. Sie offenbart, wie und womit eine an sich ja völlig unsubtile Manipulationsmethode mittels ständig gebrauchter, mit einer sinnentleerten (Pseudo‐) Bewertung versehener und mechanisch wiederholter Begriffe nicht nur inflationäre Verbreitung findet, sondern trotz oder gerade wegen ihrer enervierenden, geisttötenden Plattheit und Dumpfheit so äußerst erfolgreich ist. Es scheint, als hätte Edward Snowden den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn er dazu bemerkt: »Das ganze System beruht auf der Idee, dass man der Mehrheit alles einreden kann, solange man es laut und oft wiederholt. Und es funktioniert.«

Der Ausschluss läuft über den abstrusen Kontaktschuld‐​Vorwurf, der noch dazu an der politischen Realität vorbei konstruiert wird; es nehmen nämlich nicht mehr, sondern weniger Leute mit rechtsextremer Gesinnung als das gemessen am durchschnittlichen Anteil von Rechtsextremen relativ zur Gesamtbevölkerung eigentlich statistisch zu erwarten wäre, an den Corona‐​Protesten teil. Was auch weiter nicht verwunderlich ist, da Aufstände gegen staatliche Autorität oder gegen Kadavergehorsam, so wie man ihn der Bevölkerung während der Corona-»Pandemie« abverlangte, gerade nicht in die Domäne der Rechten fallen und gerade Rechte vielmehr im begründeten Ruf stehen, diese Autorität und diesen Gehorsam besonders verinnerlicht zu haben. U.a. der Evangelische Pressedienst (dem man wohl kaum eine intime Nähe zum »Querdenkermilieu« unterstellen kann) titelte dann auch: »Corona‐​Demos: Laut Behörden 90 Prozent nicht rechtsextrem« (123). Daraus lässt sich lernen, dass auf diese Weise allen für die Erhärtung dieses Verdachts fehlenden Belegen zum Trotz der Versuch unternommen wird, Bürger‐​Demokraten mit Aplomb in die gesellschaftliche Ecke zu verfrachten, in der man sie am besten zu Parias stempeln kann. Unter derartigen Generalverdacht gestellt werden die Demonstranten in z. T. rufmörderischer Absicht diskreditiert: »Wer mit Nazis läuft, ist ein Nazi!«. Ausgerechnet beim politischen Nachwuchs der SPD und der Grünen tat man – neben der sogenannten Antifa – sich dadurch hervor, Corona‐​Maßnahmen‐​Demonstranten, die sich bei ihrem Protest auf das Grundgesetz beriefen, als »Nazis« niederzubrüllen und zu beschimpfen.

Die Spaltungspolitik, die mittels dieser Einrahmungs‐ und Diffamierungskampagnen während der gesamten Corona‐​Zeit praktiziert wurde, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier eine neue, weder in Begriffen von Partei‐​Orientierungen zu erfassende, noch nach Partei‐​Ideologien einzuordnende, sondern Parteienpolitik und Parteienloyalitäten sowie ein Denken entlang der Parteikategorien gerade ablehnende Protestkultur heraus gebildet hat, durch die sich der Parteienstaat logischerweise natürlich besonders angegriffen und herausgefordert sieht. Die neue Form zeitigte aber zugleich den Effekt, dass das Protestspektrum, die Gruppe, der mit dem Zustand der Republik Unzufriedenen, welche diese Unzufriedenheit aber auch nach außen hin artikuliert, also in politisches Handeln übersetzt, sich insgesamt noch einmal deutlich vergrößert hat. Da dieser Protest‐​Ansatz sich auch gegenüber orthodoxen altlinken Protestformen neu positioniert (die eigentlich neulinks sind; genauer wäre es hier wohl, von den »neuen Linken als progressive Fraktion des neoliberalen Establishments« zu sprechen) – und in dieser Position sich eine unübersehbare Diskrepanz zu ihnen auftut – ist es aus der Herrschaftsperspektive betrachtet ungleich schwerer, diesen Protest zu kanalisieren beziehungsweise mit schon bewährten Mitteln aus dem Arsenal hybrider Kriegsführung möglichst schnell und wirkungsvoll neutralisieren zu können. Das dürfte auch der entscheidende Grund dafür sein, ihn in die äußere rechte, geschichtlich vorbelastete und tabuisierte Ecke zu schieben.

Den gleichen Mechanismus sehen wir jetzt übrigens bei den Friedensdemonstrationen am Werk, wobei der Unsinn dieses Framings hier vielleicht noch offensichtlicher zutage tritt, da Rechten noch nie der Ruf große Friedensfreunde oder gar Pazifisten zu sein, voraus ging. In Wahrheit ist die kriegstreiberische Russland‐ und Aufrüstungspolitik und ihre Zeitenwende‐​Proklamation für Militarisierung und deutsche Großmachtspolitik – womit die Scholz‐​Regierung vor einem Jahr einen brutalen Traditionsbruch mit der bundesrepublikanischen raison d’être vollzogen hat – sowie die von den Leitmedien ohne Sinn und Verstand gepushten Bemühungen zur (Wieder-)Herstellung eines geschlossen bellizistischen Weltbildes einschließlich massiver Feindbild‐​Propaganda eindeutig rechts. Die Zeitenwende‐​Proklamation und was regierungspolitisch seither daraus folgt, stellt, um es auf den Punkt zu bringen, den stärksten Rechtsruck in der Geschichte der Bundesrepublik zumindest seit der Wiederbewaffnung 1955 dar.

Einiges spricht vor diesem Hintergrund dafür, dass sich die zunächst erfolgreiche Spaltungspolitik der Eliten mittel‐​und langfristig als Pyrrhus‐​Sieg herausstellen könnte, da in the long run die Ausgrenzungs‐​und Diskriminierungsmittel ihre Wirkung verfehlen und neue nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen werden. Ändern ließe sich das wohl nur, wenn man in ein offenes Bürgerkriegs‐ oder Kriegsszenario wechseln würde.

Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt der Entwicklung, so wie sie die außerparlamentarische Protestbewegung bis jetzt genommen hat, ist, dass sich nunmehr Prognosen zur Frage, wer sich an einer auf dem Boden des Grundgesetzes immer dringlicher erscheinenden Verfassungs‐​und Demokratieerneuerung beteiligen würde – und wer dafür ausfällt (z. B. die Partei der Linken) – weitaus verlässlicher anstellen lassen. Auch wenn der Spaltpilz des polit‐​medialen Establishments gegenüber den an der gesellschaftlichen Basis aufbegehrenden demokratischen – Arendt würde sagen: republikanischen – Kräfte mit Erfolg grassierte; Familien, Ehen, Partner‐​und Freundschaften wegen der Einstellung zu Corona zerstörte und namenlos viel Leid und Schmerz produzierte, lässt sich nun – positives Resultat eines negativen Prozesses – immerhin viel leichter die pseudokritische Spreu vom revolutionären Weizen trennen. Auch wenn der Preis immens hoch dafür war, dürfte das der Freiheits‐​und Grundrechtsbewegung für die anstehenden nächsten Phasen im gesellschaftlichen Großkonflikt zwischen Bürger‐​Republikanismus und korporatistisch‐​elitärer Gouvernementalität mehr Vor‐ als Nachteile bringen.

So kristallisiert sich aus den hier nachgezeichneten Entwicklungen – und den Schlussfolgerungen, die mit Arendt daraus gezogen werden können – die Idee einer »Republik der Engagierten« heraus. Dieser Idee möchte ich im dritten Teil meiner Darstellung aus einer radikaldemokratischen und linksrepublikanischen Perspektive, die sich maßgeblich aus Arendts Denken speist, Gestalt geben. Im Vorgriff seien die Kriterien, die für ein mit ihrem Denken übereinstimmendes, unorthodox‐​linkes, nachmarxistisches Programm in Anschlag zu bringen wären, genannt: Demnach wäre das politische Denken als links zu definieren, insoweit es (1.) strukturelle Herrschaftskritik auf Grundlage eines sowohl empirisch wie philosophisch‐​anthropologisch gehaltvollen Handlungs‐ und Emergenzbegriffs übt, (2.) für den Primat der Freiheit gegenüber jedem (noch so gut gemeinten) Zwangskollektivismus eintritt und für die Verwirklichung dieses revolutionären Primats, alle Menschen zu befreien, kämpft und (3.) dem Ideal eines »partizipatorischen gesellschaftlichen Holismus« verpflichtet ist, das heißt Mitbestimmung in allen Bereichen der öffentlichen Angelegenheiten, ob in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft, einfordert und zu verwirklichen bestrebt ist.

Diese Kriterien lassen sich aus Hannah Arendts historisch‐​kritischer Phänomenologie des Handelns sowie ihren damit im Zusammenhang stehenden Überlegungen zur Bedeutung des Engagements für eine Neubegründung der politischen Praxis ableiten beziehungsweise können aus ihren Vorstellungen über die Geburt des Politischen aus der zwischenmenschlichen Pluralität gewonnen werden. Die drei Kriterien und ihre Bedeutung im Kontext einer Revitalisierung linker Politik werden wir an späterer Stelle noch näher beleuchten. Dort wird auch gezeigt werden, worin konkret sich diese Kriterien von jenen unterscheiden, die für die orthodoxe beziehungsweise autoritäre Linke als leitend angesehen werden müssen.

Das Problem einer Realisierung vorhandener Veränderungsenergien in eine befreiende und (be-)glückende Praxis wieder gewonnener politischer Handlungsmöglichkeiten – die zugleich die Exit‐​Strategien aus dem neoliberalen »There‐​is‐​no‐​alternative‐​TINA«– Dogma bedeuten würden – scheint in der heute vorzufindenden vorrevolutionären Gemengelage gleichzeitig nahe und doch unendlich weit von einer Lösung entfernt zu sein. Auf einen nicht bloß denkbaren, sondern in der Tat naheliegenden und gut einzuschlagenden Weg dorthin – für den aus meiner Sicht jedenfalls mit Nachdruck geworben werden sollte – weisen uns die Autoren des Offenen Briefes des neuen, lagerübergreifenden Protestbündnisses gegen die sog. Münchener Sicherheitskonferenz am 18. Februar 2023 hin. In dem Offenen Brief wird die Münchener Sicherheitskonferenz als ein wichtiges Forum für Aufrüstung und Kriegspropaganda und als entscheidender Think Tank der NATO zur weiteren Militarisierung von Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft benannt und kritisiert. Der Brief entwickelt darüber hinaus Vorschläge, wie eine Gegenstrategie aussehen muss, die genügend Einfluss auf die öffentliche Debatte erlangt, um den Kriegskurs unserer Regierung erfolgreich zu stoppen. Das Bündnis »Macht Frieden« hat sich aus der Corona‐​Grundrechtsbewegung heraus entwickelt. Seine Antwort auf die Absage des parteiendominierten Demonstrationsbündnisses »Anti‐​Siko«, zu kooperieren – »Macht Frieden« war an das »Anti-Siko«-Bündnis mit dem Vorschlag im Vorfeld der Organisation der Proteste für den 18. Februar herangetreten, um Voraussetzungen dafür zu schaffen, an diesem Tag ein möglichst starkes und öffentlichkeitswirksames gemeinsames Zeichen gegen den Krieg zu setzen – verdient es auszugsweise zitiert zu werden:

»Es sind nicht die nationalen Identitäten, nicht die Unterschiede in Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung, die die Menschen trennen. Der Kampf der Völker, der Demokratischen Souveräne, gegen die Oligarchie um die Kontrolle der Staaten findet überall auf der Welt statt. Viel mehr trennen uns die politischen Ideologien und die damit verbundenen Assoziationen. Sie manifestieren sich gerne in politischen Parteien. Wir sehen das auch hier, da sich unsere Unvereinbarkeiten um Parteien drehen. Wir möchten das Verbindende betonen, nicht das Trennende«. (124)

Freiheit versus »Supergrundrecht« Leben

Diese Erkenntnisse führen uns wieder zu Hannah Arendt zurück. Sie war nicht bereit, Einschränkungen der Freiheit aus ideologischen Gründen oder Gründen der Partei‐​oder Staatsräson zu akzeptieren. Auch war sie nicht gewillt, Postulaten zuzustimmen, die eine Vorrangigkeit anderer, gleichwelcher Zwecke, über die Freiheit behaupten. Solche Postulate wurden stattdessen einer ideologiekritischen Lektüre unterzogen: Die Geschichte habe hinlänglich bewiesen, dass so etwas nur der Festigung der Herrschaft von Menschen über Menschen diene und regelmäßig dafür herhalten müsse, aus machtpolitischen Interessen missbraucht zu werden. Skepsis und Kritik an der Berufung auf »höhere Werte« (als die Freiheit) dürfte auch als Ghostwriter bei der Niederschrift ihres oft zitierten Satzes »Die Freiheit, frei zu sein« Pate gestanden haben.

Schließlich ist Freiheit für Arendt mehr als ein Recht oder ein Wert, sie ist eine Herausforderung. Eine Antwort auf diese Herausforderung zu geben, dazu wird man vor allem dann mit seiner ganzen Existenz gezwungen, wenn sich der politische Antagonismus zwischen dem Ich und den Vielen (Alexander Mitscherlich) krisenhaft zuspitzt. Dann sieht sich das Ich alleine und isoliert vor die Undurchdringlichkeit und Hermetik einer apparatehaft, anonym gewordenen bürokratischen Herrschaft gestellt und durch sie in existenzieller Weise abgewiesen. In dem ganz auf sich selbst Zurückgeworfen‐​Sein dieser Situation verliert der Mensch sich vollends oder aber er findet und er erfindet sich neu.

Arendt wendet sich auch kritisch – so zum Beispiel in ihrer Vorlesungsreihe »Some Questions of Moral Philosophy« an der New York School for Social Research 1965, die in Deutschland 2007 unter dem Titel »Über das Böse« veröffentlicht wurde (125) – gegen eine Priorisierung des Lebens oder Überlebens gegenüber allen moral‑, tugend‐​und rechtsphilosophischen Gütern. In der Corona‐​Krise stellte das als »Supergrundrecht Leben« die Begründungsfigur dafür dar, der Legitimität einer unter »Ausnahmebedingungen« erfolgenden, dem Schutz des »nackten Lebens« verpflichteten Aufhebung von Grundrechten das Wort zu reden und eine Berechtigung von nicht grundrechtsgemäßen Verordnungen zu statuieren, mit denen tief in die Privatsphäre der Individuen eingedrungen oder diese Privatsphäre rein »nach Ermessen« des Gesetzgebers sogar ausgehebelt werden kann.

»Das Leben als höchstes Gut anzusetzen ist, was die Ethik angeht, fragwürdig. (…) Wenn durch menschliches Verhalten je die Existenz der Menschheit als ganzer aufs Spiel gesetzt werden könnte, und hinsichtlich dieses Grenzfalles, könnte man in der Tat behaupten, dass das Leben, das Überleben der Welt und der menschlichen Spezies, das höchste Gut sei. Doch das würde nichts anderes bedeuten, als dass Ethik oder Moral einfach zu existieren aufhörten«. (126)

Das impliziert – und gibt im Übrigen auch einen wichtigen Fingerzeig für die Klimadebatte – dass wir uns nur als Menschen, die eine Wahlfreiheit besitzen und von dieser auch Gebrauch machen, moralisch bewähren und ein Leben führen können, das den ethischen Ansprüchen gerecht werden kann.

Arendts Freiheitsbegriff steht dabei im Gegensatz zu einer nur formal negativen und rechtlich rein abstrakten Bestimmung (»Freiheit als Abwesenheit von….«). Dies wird zum Beispiel in folgender Äußerung prägnant von ihr zum Ausdruck gebracht:

»Freiheiten im Sinne von Bürgerrechten sind das Ergebnis von Befreiungen, aber sie sind keineswegs der tatsächliche Inhalt von Freiheit, deren Wesenskern der Zugang zum öffentlichen Bereich und die Beteiligung an den Regierungsgeschäften sind«. (127)

Neue Methoden und hybride Strategien der Kriegsführung

Die Demonstrationen und Protest‐​Spaziergänge gegen die Corona‐​Politik trugen ebenso plötzlich und nicht vorhersehbar, wie sie entstanden waren, jedoch keinesfalls zufällig den Namen Hannah Arendts und wesentliche ihrer Gedanken und Mahnungen, vor allem aber ihren freiheitlichen Geist, auf die Straßen und Plätze. Damit wurden sie dorthin zurückgebracht, wo Arendt – wie ihr großes antikes Vorbild Sokrates – den Geburtsort des politischen Denkens und Handelns lokalisiert hat: Die Straßen und Plätze der Polis. Sie sind der Raum der Pluralität, in dem das Individuelle in seiner Vielfalt erscheint und der Ort des Austausches von differenten Meinungen. Aus diesen bildet sich der menschliche Reichtum an Perspektiven und Weltansichten und jeder Mensch selbst bildet durch sein Hineingeborenwerden in diesen Reichtum sinnhafter Weltbezüge Geist und Urteilsvermögen nach den Maßgaben aus, durch die es ihm konkret gelingt, seine Fähigkeiten zum Perspektivenwechsel zu kultivieren. Perspektivreichtum und die Möglichkeit des Perspektivwechsels sind für Arendt ein Synonym für Politik, sofern man sich denkend und ordnend einen Überblick auf die Perspektiven verschafft und auf dieser Grundlage lernt, selbständig, das heißt souverän zu urteilen:

»Einsicht in einen politischen Sachverhalt heißt nichts anderes, als die größtmögliche Übersicht über die möglichen Standorte und Standpunkte, aus denen der Sachverhalt gesehen und von denen her er beurteilt werden kann, zu gewinnen und präsent zu haben«. (128)

Da hatten einige der sich spontan zusammenschließenden Bürgerinnen und Bürger wohl »ihre« Hannah Arendt am über uns hereingebrochenen, »leibhaftigen« zeitgeschichtlichen Objekt studiert und die Zeit des ersten Lockdowns vielleicht sogar dafür nutzen können, das eine oder andere bei ihr noch einmal nachzulesen. Umso stärker musste man sich die Augen reiben, als dann reflexartig die Versammlungen, auf denen Hannah Arendt, Rosa Luxemburg, Sophie Scholl, Theodor W. Adorno, Erich Fromm, Ignazio Silone, Antonio Gramsci, Henry David Thoreau, Willy Brandt, Gustav Heinemann und das Grundgesetz – im wahrsten Sinne des Wortes – »hochgehalten« wurden, von Mainstream‐​Medien und der Politik als »rechts« oder rechtsextrem« geframed (129) und die Demonstrationen als verantwortungslose Aufzüge eines Leib und Leben leichtfertig aufs Spiel setzenden Mobs von »Covidioten« – so die SPD‐​Vorsitzende Saskia Esken (130) – verurteilt wurden.

In dem Essay »Sokrates. Apologie der Pluralität« legt Arendt ihre Vorstellungen zur Pluralität als zentralen Aspekt der conditio humana dar. Von dieser Warte aus expliziert und akzentuiert sie ihren Begriff des Politischen und gibt ihm philosophische Tiefenschärfe. Das Besondere an der Pluralität bei Arendt ist, dass aus diesem Begriff ihre ganze politische Theorie zur Entfaltung gebracht werden kann:

»Das Ziel des Sokratischen Dialogs (…) besteht vor allem darin, eine gemeinsame Grundlage aus den verschiedenen Perspektiven zu gewinnen, also eine Grundlage, die sich aus der Verständigung über plurale Sichtweisen auf die Welt ergibt. Der Pluralismus formiert sich dementsprechend als ein spezifischer Perspektivismus in einem zwischenmenschlichen, einem öffentlichen Raum«. (131)

Mit anderen Worten, entsteht Politik für Arendt nicht im (einzelnen) Menschen, sondern zwischen den Menschen, gerade aus ihrer Verschiedenheit. Der öffentliche Raum, der sich im Austausch der Menschen erst bildet, sein Perspektivismus, ist heute in großer Gefahr, da er nicht nur von zunehmend autoritär agierenden Regierungen und einer Agenda, die auf einen smarten Totalitarismus hinausläuft, sondern auch durch die Cancel Culture zur Disposition gestellt wird. Inzwischen muss von einem ganzen Cancel‐​Culture‐​Kartell gesprochen werden, das unsere politischen Freiheiten bedroht: Unter dem Dach dieses Kartells finden sich die Vertreter und Anhänger woker Identitätspolitik, ihre journalistischen Lautsprecher und medialen Multiplikatoren, die Gilde selbstautorisierter »Fakten‐​Checker« und Diskurspolizisten, die im Dienst höherer Mächte die staatlichen und überstaatlichen Stellungen und Gräben im information warfare befestigen, halten und den Kampf immer wieder befeuern sowie sämtliche weiteren staatlichen, staatsnahen oder privatwirtschaftlichen Akteure mitsamt des von ihnen angeheuerten Heers an Informationskriegs‐​Söldnern: kurzum alle, die sich dazu berufen fühlen (oder die dafür bezahlt werden), den Meinungskrieg gegen das vermeintlich Böse zu führen. Ohne deren unermüdlichen Kampfeinsätzen gegen Trump‐​Anhänger, Putin‐​Trolle, Querfrontler, Corona‐​Leugner, Wissenschaftsfeinde und wütende weiße alte Männer droht – so soll suggeriert werden – den westlichen Gesellschaften eine staatszersetzende Durchseuchung mit Fake‐​News und Desinformation. Dabei sind gerade sie es, die die öffentliche Meinungsbildung – und zwar systematisch – manipulieren, wie zuletzt die Enthüllungen um den Russiagate‐​Skandal und die Twitter‐​Files eindrucksvoll gezeigt haben. 

Erst wenn es gelingt, die Methoden und Mechanismen zu durchdringen, die hinter der gegen die eigene Bevölkerung gerichteten hybriden Kriegsstrategie stehen, lässt sich die eminent große Bedeutung der Informationspolitik im Kontext des heute herrschenden Katastrophenkapitalismus und seiner Agenda, realistisch ermessen, einordnen und einer adäquaten Bewertung unterziehen. Und nur dann lassen sich auch richtige Schlüsse für die Verteidigung der Freiheit daraus ziehen.

Was diese Einordnung und Bewertung angeht, so hat der italienische Philosoph Giorgio Agamben (»An welchem Punkt stehen wir heute? Die Epidemie als Politik«, Wien 2020) im Dezember 2022 einen Beitrag unter dem Titel »Libertá e insicurezza«– Freiheit und Unsicherheit – veröffentlicht. In diesem unternimmt er den Versuch, die Dialektik des zeitgenössischen Sicherheitsstaates herauszuarbeiten. 

Für Agamben, der als Philosoph schon in jungen Jahren in seinem Denken stark von Arendt beeinflusst wurde (in »Macht und Gewalt« zitiert sie Agamben), stehen sich im modernen Sicherheitsstaat »Freiheit und Sicherheit nicht mehr polarisierend entgegen«, weil die Regierungen »nur noch zwischen Freiheit und Unsicherheit (…) abwägen«. Was wir heute erleben, so Agamben, sei eine »extreme Entfaltung des Sicherheitsparadigmas (dem Bürger glauben zu machen, dass die Regierung über ihren Seelenfrieden und ihre Zukunft wacht) bei (…) gleichzeitiger radikaler Umkehr«. Agamben bezeichnet das als die »Dialektik des zeitgenössischen Sicherheitsstaates« und führt näher dazu aus:

»Die Hauptaufgabe der Regierungen scheint darin zu bestehen unter den Bürgern ein Gefühl der Unsicherheit und sogar der Panik zu verbreiten, das mit der extremen Einschränkung ihrer Freiheit einhergeht, die gerade in dieser Unsicherheit ihre Rechtfertigung findet. (…) Es ist daher nicht mehr von Belang, dass sich die Regierungen als fähig erweisen, Probleme und Katastrophen zu meistern: Die Unsicherheit und der Notfall, die heute die einzige Grundlage ihrer Legitimität sind, dürfen keinesfalls beseitigt werden, sondern – wie wir heute mit der Ersetzung des Krieges gegen das Virus durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine sehen – nur auf eine Art und Weise artikuliert werden, die konvergiert, aber jedes Mal anders ist. Eine solche Regierung ist im Wesentlichen anarchisch in dem Sinne, dass sie keine Prinzipien hat, an die sie sich halten kann, außer dem Ausnahmezustand, den sie produziert und perpetuiert«. (132)

Übergänge und Ausblicke

Nachfolgend wird zu zeigen sein, wie der information warfare, die »hybride Kriegsführung gegenüber der eigenen Bevölkerung«, die mit dem War on terror – »the ongoing international counterterrorism military campaign initiated by the United States of America« (133) – nach Zerstörung der Twin‐​Towers des World Trade Centers mit Datum des 11. September 2001 einsetzte, durch das Corona‐​Narrativ eine neue Stufe erreicht hat. Was bedeutet diese neue Stufe? Was folgt aus der Elevatio, die der Informationskrieg und seine zunehmende Bedeutung im Kontext der Global Governance‐​Aktivitäten erfährt? Und was sagt diese den Neoliberalismus noch einmal verschärfende Kriegsdoktrin über den Allgemeinzustand von Politik und Öffentlichkeit im Post‐​Corona‐​Interregnum aus? Ich werde versuchen, diese Fragen im Licht der Überlegungen, die Arendt u.a. über die Beziehung zwischen Macht, Herrschaft und Gewalt (Macht und Gewalt, deutsche Ausgabe 1970), das »Verstehen (in) der Politik« und die spezifischen Merkmale der totalitären Herrschaftstypologie angestellt hat, im zweiten Teil meines Textes zu beantworten.

Trotz der medialen Dominanz des Ukraine‐​Krieges und seiner Ersatz‐​und Ablenkungsfunktion, durch die die gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung der Schäden, die die Pandemiepolitik angerichtet hat und weiter anrichtet (134), behindert wird, ist es so, dass die schlimmen gesundheitlichen Nachwirkungen der gentherapeutischen Injektionen nach und nach dennoch in den Fokus der Printmedien und öffentlich‐​rechtlichen Sendeanstalten geraten. Denn in dem Maße, wie die Problemdimensionen in puncto Unsicherheit der Vakzine und Schäden durch die publik werdenden Behandlungsfolgen wachsen, entsteht zunehmend eine Art Überdruck auf dem medialen Kessel. Auch die Frage nach den Ursachen und Verantwortlichkeiten für die seit 2021 statistisch nachweisbare Übersterblichkeit, die eine Korrelation zwischen der Höhe der jeweiligen Injektionsquoten in den Ländern, in denen die gentherapeutischen Präparate gegen Covid‐​19 verabreicht wurden und dem Anstieg der allgemeinen Mortalitätsrate aufweist (135), stellt sich immer drängender. Ebenso verdichten sich die Verdachtsmomente auf durch Korruption hervorgerufene Fehlentscheidungen und Fehlverhalten bei der EU‐​Kommission hinsichtlich der unaufgeklärten Umstände beim über 70 Milliarden Euro teuren Deal zur Beschaffung der sog. Covid‐​19‐​Impfstoffe. Es wäre nicht der erste Korruptionsskandal in den letzten zwölf Monaten, der die EU erschüttern würde. Die geheim gehaltenen Vertragsklauseln im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Abnahme von 1,8 Milliarden sog. Impfdosen, die die EU‐​Kommission eingegangen ist, obwohl diese experimentellen Stoffe vorher nicht auf ihre Wirksamkeit gegen das SARS‐​CoV‐​2‐​Virus getestet worden sind (136) , geben insbesondere im Hinblick auf die dubiose Rolle, die die EU‐​Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Einfädeln des »Impfstoff«-Mega-Deals mit Pfizer‐​CEO Albert Bourla gespielt hat, viele Fragen auf. Durch den Ankauf von viel zu viel Präparaten (die Menge reicht aus, um die experimentellen Stoffe jeden in der EU lebenden Menschen – vom Säugling bis zum Greis – sechs Mal zu injizieren) zu negativen Bedingungen für die EU, hat die EU‐​Kommission möglicherweise Milliarden von Steuergeldern verschwendet (137). Da die Nachfrage nach den Präparaten seit Monaten äußerst gering ist (138) , könnte die bevorstehende Vernichtung großer Mengen an Präparaten, deren Haltbarkeitsdauer in der Bundesrepublik schon einmal durch Gesundheitsminister Lauterbach verlängert wurde, womöglich wie ein Brandbeschleuniger für eine Art Purgatorium wirken, das uns von dem Dickicht der Schwärzungen, Verschleierungen, Vertuschungen sowie des Verschweigens und der Ausreden, die uns die Sicht auf den mutmaßlich mit Abstand größten Arzneimittelskandal in der Geschichte der Europäischen Union noch verstellen, befreit.

Das Licht in diesen, wie in viele andere Skandale gebracht wird, die das Pandemiemanagement von Anfang an begleiten, ist dem großen Engagement und den couragierten Recherchen zahlreicher Zeitgenossen mit großer Expertise aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft zu verdanken. Die unermüdliche und meist auch unbezahlt geleistete Arbeit ist als entscheidender Beitrag zur Aufdeckung der dem Pandemienarrativ inhärenten und z. T. auch zugrundeliegenden mafiös‐​verbrecherischen Strukturen anzusehen. Dank ungezählter, von unten entstandener und sich vernetzender Initiativen, die in der Regel nicht nur ohne Unterstützung durch staatliche Institutionen und Leitmedien, sondern oft sogar gegen sie, wichtige Aufklärungsarbeit leisten, werden sowohl die wahren Gründe als auch die negativen Folgen des bereits vom Ansatz her verfehlten Pandemiemanagements und seiner sowohl unverhältnismäßigen als auch ineffizienten und inkompetenten Durchführung nach und nach öffentlich immer sichtbarer. Sei es durch das einzelne Engagement couragierter Mitmenschen oder durch Initiativen in kleinen Teams und Arbeitsgemeinschaften, die zusammen gefunden haben: Insgesamt wurden in vielen Bereichen elementar wichtige Grundlagen zur dringend erforderlichen gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung der Corona‐​Krise gelegt. Und das, obwohl diese Aufgabe eigentlich den staatlichen Institutionen obliegt beziehungsweise hätte obliegen müssen. Man kommt daher nicht umhin, hier den wirklich dramatischen Fall eines multiplen Staatsversagens attestieren zu müssen.

Der Aufklärungsprozess wird sicher noch einige Zeit mehr benötigen, bis er das Zentrum beziehungsweise die Mehrheitsöffentlichkeit wirklich erreicht haben wird. Das liegt vor allem daran, dass durch die Spaltung der Gesellschaft, insbesondere infolge des Impfnarrativs, hohe psychische Barrieren errichtet worden sind. Diese Barrieren verhindern vorerst noch, dass man sich mit den gebrochenen Versprechen der Politiker und dem verletzten Vertrauen in die Institutionen in der notwendigen gesellschaftlichen Breite (und Tiefe) auseinandersetzt. Die Menschen, die der sog. Impfung vertraut haben, sind ja in äußerst zynischer Weise belogen, betrogen, hintergangen und als Mittel zum Zweck missbraucht worden. Angesichts dieser Erfahrung, die jetzt schon reihenweise Menschen zu Opfern, die ihre Gesundheit eingebüßt haben wie zu Opfern von Traumatisierung gemacht hat und in vielen weiteren Fällen Menschen noch zukünftig krank machen und traumatisieren wird, braucht es viel Kraft und großen persönlichen Mut, um sich eingestehen zu können, Opfer einer so massiven Manipulations‐ und Missbrauchskampagne geworden zu sein. Wer – frei nach Gustave le Bons Psychologie der Massen (1895) – die Menschen zu täuschen versucht, wird leichter ihr Herr, als wer sie darüber aufklärt, dass sie getäuscht wurden. Dies kognitiv und vor allem seelisch vor den Erkenntnis‐​und Gewissensinstanzen des Ich zu ratifizieren, bedeutet, dass man sich eine in Mark und Bein gehende narzisstische Kränkung erst einmal überhaupt eingestehen und als Wahrheit für sich zulassen können muss: »ICH habe mich täuschen lassen, ICH war so ›dumm‹ oder so schwach, die Lüge und das Manipuliert‐​Werden nicht zu durchschauen. Daher konnte ICH so leicht zum Opfer werden.«

Damit sind große Ängste assoziiert, die vor ihrer Bewusstwerdung sozusagen noch »eingefroren« sind, also erst einmal »auftauen« müssen. Zu diesen Ängsten muss man sich zunächst einmal so stellen können, dass es möglich wird, sich zu ihnen zu bekennen, womit sie seelisch überhaupt erst bearbeitbar gemacht werden.

Aus diesem Grund wird es, wie gesagt, noch länger dauern, bis diese Barrieren abgebaut und überwunden werden können. Freilich wird das Gelingen dabei von weiteren konkreten, nicht vorhersagbaren Umständen und Ereignissen abhängig sein. Dass dennoch das Interesse und die Aufmerksamkeit gegenüber dem, was unter dem Begriff der hybriden Kriegsführung gegenüber der eigenen Bevölkerung verstanden werden muss, in den letzten Monaten nicht ab‑, sondern zugenommen hat, kann vor dem Hintergrund nur als ein gutes Zeichen gedeutet werden.

Der »drohende Verlust, das Mögliche zu tun« oder »ein neues Beispiel an Mitbestimmungsdemokratie«?

Beim derzeitigen Stand der Aufklärung – und unter Berücksichtigung der Eigendynamik, den dieser Prozess entwickelt – ist davon auszugehen, dass die hybride Kriegsstrategie der Global Governance weiter unter Druck geraten wird. Dabei scheint vorgezeichnet zu sein, dass diese unvermittelt und noch offensichtlicher in naher Zukunft mit den Kernelementen der Demokratie und ihrer immerhin über siebzig Jahre alten Praxis kollidieren wird: dem Element einer pluralistisch verfassten Öffentlichkeit und den Prinzipien der Gewaltenteilung. Beide hatten allerdings unter den jüngsten Angriffen der pandemischen Katastrophenpolitik bereits schwer zu leiden. Auf den z. T. schon jetzt hochkochenden, möglicherweise kurz vor der Eskalation beziehungsweise Explosion stehenden Kollisionsfall möchte ich im zweiten Teil das Augenmerk richten. Dieser Teil wird sich nicht nur mit der Krise der Öffentlichkeit, sondern auch mit dem bedrohlich nah uns bevorstehenden Ende der Politik befassen. Man kommt jedenfalls nicht darum herum, den bald eintretenden Tod des Politischen – der Patient ist schon auf der Intensivstation– zu antizipieren, wenn wir als Beurteilungsmaßstab für die Analyse Arendts empathischen Politikbegriff anlegen. Denn Politik ist bei Arendt nicht durch Herrschaft, sondern, wie wir bereits gesehen haben, durch Handeln definiert:

»Was den Menschen zu einem politischen Wesen macht, ist seine Fähigkeit zu handeln; sie befähigt ihn, sich mit seinesgleichen zusammenzutun, gemeinsame Sache mit ihnen zu machen, sich Ziele zu setzen und Unternehmungen zuzuwenden, die ihm nie in den Sinn hätten kommen können, wäre ihm nicht diese Gabe zuteil geworden: etwas Neues zu beginnen (…) Keine andere Fähigkeit außer der Sprache (…) unterscheidet uns so radikal von jeder Tierart. Alle dem Leben zugeschriebenen schöpferischen Qualitäten, die sich angeblich in Macht und Gewalt manifestieren, sind in Wahrheit einzig der Fähigkeit zu handeln geschuldet«. (139)

An diesem Punkt ist es sehr aufschlussreich und auch berührend zu sehen, wie Arendt das neuzeitliche Epochenproblem der Herrschaft thematisiert. Sie macht dieses Problem an der schwierigen, brüchig und prekär gewordenen Beziehung der Herrschaft zum Handeln fest und formuliert ihre Diagnose als Statement, das sich für uns heute wie ein vielsagendes, Prophezeiung und Bekenntnis amalgamierendes zeithistorisches Zeugnis liest. In den 1960er Jahren, »zwischen Vergangenheit und Zukunft« (140), sieht Arendt am Horizont der Geschichte jene ominösen Kräfte schon machtvoll heraufziehen, die – wenn sie sich durch die Interventionen, ein Dazwischen‐​Gehen und Sich‐​Einmischen freiheitsliebender Menschen nicht stoppen lassen – ewige Nacht über das Politische zu legen drohen. Erschreckend hellsichtig – so dass wir beim Lesen dieser Sätze unweigerlich an die zeitgenössische Transhumanisten‐​Agenda und die durch sie zwar vollmundig und äußerst sendungsbewusst, aber zugleich auch trivialisiert adaptierte Losung: »Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll!« (141) aus Nietzsches Also sprach Zarathustra, denken müssen – heißt es am Ende von Macht und Gewalt:

»Ich glaube, es läßt sich nachweisen, daß keine andere menschliche Fähigkeit in solchem Ausmaß unter dem ›Fortschritt‹ der Neuzeit gelitten hat wie die Fähigkeit zu handeln. Denn Fortschritt nennen wir den erbarmungslosen Prozeß des Mehr und Mehr, Größer und Größer, Schneller und Schneller, der immer gigantischerer Verwaltungsapparate bedarf, um nicht im Chaos zu enden. Woran Macht heute scheitert, ist nicht so sehr die Gewalt als der prinzipiell anonyme Verwaltungsapparat. (…) Sollen die nächsten tausend Jahre nicht zu einem Zeitalter ›überzivilisierter Affen‹ führen – beziehungsweise die Menschen, wie der (…) russische Physiker Sacharow ausführt, zu Hühnern oder Ratten werden, denen man ›mittels mit dem Gehirn gekoppelten Elektroden angenehme elektronische Reize versetzt‹, die von den ›weisen Ratschlägen ihrer zukünftigen geistigen Helfern, den künstlichen Denkautomaten regiert werden‹, (…) bedürfe die Welt offenbar eines ’neuen Beispiels‹ (…) an Mitbestimmungsdemokratie – participatory democracy – (…) um nicht die Fähigkeit das Mögliche zu tun, (zu) verlieren« (142)

Anmerkungen

78 Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S.942. Ähnlich heißt es am Ende des Eichmann‐​Berichts: »Die erschreckende Koinzidenz der modernen Bevölkerungsexplosion mit den technischen Erfindungen der Automation einerseits, die große Teile der Bevölkerung als Arbeitskräfte ‘überflüssig‘ zu machen droht, und mit der Entdeckung der Atomenergie andererseits hat eine Situation geschaffen, in der man ‚Probleme‘ mit einem Vernichtungspotential lösen könnte, dem gegenüber Hitlers Gasanlagen sich wie stümperhafte Versuche eines bösartigen Kindes ausnehmen. Es besteht aller Grund sich zu fürchten (…)« Zit. nach

https://​www​.deutschlandfunk​.de/​h​a​n​n​a​h​-​a​r​e​n​d​t​-​r​e​v​i​s​i​t​e​d​-​e​i​c​h​m​a​n​n​-​i​n​-​j​e​r​u​s​a​l​e​m​-​u​n​d​-​d​i​e​-​f​o​l​g​e​n​-​1​0​0​.​h​tml, 26.3.2001.

79 Yuval Noah Harari, 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, München 2020, S. 133 f.

80 Kai Ehlers, Trojanisches Pferd des Transhumanismus, 8.7.2020, https://​www​.rubikon​.news/​a​r​t​i​k​e​l​/​t​r​o​j​a​n​i​s​c​h​e​s​-​p​f​e​r​d​-​d​e​s​-​t​r​a​n​s​h​u​m​a​n​i​s​mus

81 https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/cebit2017/zukunfftsf…-fuer-die-wirtschaft-ueberfluessig/v_detail_tab_print/19553518.html

Als »vierte industrielle Revolution« bezeichnet der Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab, in seinem gleichnamigen Buch »die Verschmelzung von physischer, digitaler und biologischer Identität«. Sie wird als Schlüsselbegriff für den vom Weltwirtschaftsforum vorgesehenen globalen Transformationsprozess verwandt. Klaus Schwab, Die vierte industrielle Revolution, München 2016. Siehe dazu auch Klaus Schwabs Rede »The Fourth Industrial Revolution has already begun” vor dem Chicago Council on Global Affairs, 15.9.2019.

82 Vgl. dazu auch die Einschätzungen Edward Snowdens, der schon am Beginn der sog. Corona‐​Pandemie vor einer »Architektur der Unterdrückung« gewarnt hat: https://​tkp​.at/​2​0​2​2​/​1​2​/​2​5​/​e​d​w​a​r​d​-​s​n​o​w​d​e​n​-​c​o​r​o​n​a​-​m​a​s​s​n​a​h​m​e​n​-​h​a​b​e​n​-​a​u​s​s​p​i​o​n​i​e​r​e​n​-​v​o​n​-​b​u​e​r​g​e​r​n​-​n​o​r​m​a​l​i​s​i​e​rt/, 25.12.2022.

83 https://​www​.derstandard​.de/​s​t​o​r​y​/​2​0​0​0​1​1​7​1​9​2​3​5​3​/​t​r​a​n​s​h​u​m​a​n​i​s​m​u​s​-​m​u​s​s​-​d​e​r​-​m​e​n​s​c​h​-​o​p​t​i​m​i​e​r​t​-​w​e​r​den.

84 Ebd.

85 SMART steht übrigens nicht für »clever und smart«, sondern als Akronym für die vier zentralen, datafizierten Funktionen digitaler Systeme = Surveillance (Überwachung) M = Monitoring (Kontrolle), A = Analysis (Analyse), R = Reporting (Berichterstattung). T steht für die Technologien (Technologies), durch die diese Funktionen datengestützt ausgeübt werden. Zu Aspekten des smarten Totalitarismus siehe Byung Chul Han, Infokratie, Berlin 2021: »Das Smartphone erweist sich als effizienter Informant, der uns einer Dauerüberwachung unterzieht. Smart Home verwandelt die ganze Wohnung in ein digitales Gefängnis, das unser alltägliches Leben minutiös protokolliert. Der smarte Staubsaugerroboter, der uns mühsames Putzen erspart, kartiert die ganze Wohnung. Das Smart Bed mit vernetzten Sensoren setzt die Überwachung auch während des Schlafes fort. Die Überwachung schleicht sich in Form von ‚Convenience’ in den Alltag ein. Im digitalen Gefängnis als smarter Wohlfühlzone erhebt sich kein Widerstand gegen das herrschende Regime. Der Like schließt jede Revolution aus.« Han zitiert nach https://​www​.deutschlandfunkkultur​.de/​b​y​u​n​g​-​c​h​u​l​-​h​a​n​-​i​n​f​o​k​r​a​t​i​e​-​d​i​e​-​f​o​l​g​e​n​-​v​o​n​-​b​i​g​-​d​a​t​a​-​u​n​d​-​1​0​0​.​h​tml

86 Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 943

87 Arendt, Macht und Gewalt, a.a.O., S. 87.

88 Arendt, Nationalstaat und Demokratie, Einleitungsreferat zu einer Diskussion mit dem Politikwissenschaftler und Publizisten Eugen Kogon, WDR‐​Radiogespräch, 11.7.1963.

89 Das ganze Zitat lautet: »Sinn entsteht bei Arendt deshalb nicht aus der einsamen Entscheidung über ein zu verfolgendes Ziel, sondern in der Perspektivenpluralität einer mit anderen geteilten Welt. Umgekehrt folgt Sinnverlust (…) nicht aus der Pluralisierung von Werten, sondern aus der Zerstörung dieser pluralen, aber gemeinsamen Welt durch Herrschaft und Funktionalisierung.« Winfried Thaa, Kulturkritik und Demokratie bei Max Weber und Hannah Arendt, S.42

https://​de​.readkong​.com/​p​a​g​e​/​k​u​l​t​u​r​k​r​i​t​i​k​-​u​n​d​-​d​e​m​o​k​r​a​t​i​e​-​b​e​i​-​m​a​x​-​w​e​b​e​r​-​u​n​d​-​h​a​n​n​a​h​-​a​r​e​n​d​t​-​8​7​2​9​695

90 Über die Zusammensetzung der der Corona‐​Politik kritisch beziehungsweise sehr kritisch gegenüber eingestellten, und an Protesten gegen sie beteiligten Bevölkerungsteilen, hat der Soziologe Oliver Nachtwey empirisch geforscht. Abgesehen davon, dass sich Nachtwey auf geradezu ridiküle Art und Weise des Framings der Demonstranten als »Verschwörungsideologen«, und zwar bis zum Biegen und Brechen im ihm offenbar nicht zu Bewusstsein gelangenden Widerspruch zu den eigenen, diese Annahmen falsifizierenden Forschungsergebnissen bedient, sind einzelne Ergebnisse seiner Stichproben‐​Befragung, die sein Team und er einschließlich qualitativer Interviews durchgeführt hat, es durchaus wert, hier ausführlich wiedergegeben zu werden:

»Das ist eine neuartige und auch überraschende Bewegung, weil sie mitunter sehr disparate Milieus miteinander verbindet: Menschen, die eher aus dem anthroposophischen, alternativen Spektrum kommen, die zu ganzheitlichem und esoterischem Denken neigen und wahrscheinlich eher die Grünen gewählt haben. Aber auf diesen Demonstrationen haben wir auch gesehen, dass durchaus sehr konservative und mitunter auch Rechtsextreme mitgelaufen sind. (…) Das Überraschende an dieser Bewegung (..) ist, dass es eine Bewegung ist, die zum Teil von links kommt (…) es ist sozialstrukturell eine Bewegung, die durchaus qualifiziert, mitunter sogar hochqualifiziert ist, (…) dass so viele mit einem Universitätsabschluss – und wir haben sogar vier Prozent mit einem Doktortitel (…) – sich der Bewegung anschließen. (…) Was wir sehen in unseren Daten, ist, dass sehr, sehr viele Leute zunächst (..) mal gewissermaßen antiautoritär geprägt sind – im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung keine besonders (…) ausgeprägten antimuslimischen Ressentiments, einen relativ geringen Sozialchauvinismus, (…) also fast eher linksliberal sind (…) und im Grunde etwas Rebellisches haben.« Die Aussagen werden durch den Grad an Realitätsverleugnung zunehmend komischer, je länger man Nachtwey zuhört. https://​www​.deutschlandfunk​.de/​s​t​u​d​i​e​-​z​u​r​-​q​u​e​r​d​e​n​k​e​r​-​b​e​w​e​g​u​n​g​-​k​o​m​m​t​-​z​u​m​-​t​e​i​l​-​v​o​n​-​l​i​n​k​s​-​1​0​0​.​h​tml – Eigene soziologischen Beobachtungen habe ich anlässlich der großen Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern gegen die Corona‐​Maßnahmen in Hamburg im Dezember 2021 angestellt: Bernd Schoepe, Gefährliche Proteste, https://​www​.novo​-argumente​.com/​a​r​t​i​k​e​l​/​g​e​f​a​e​h​r​l​i​c​h​e​_​p​r​o​t​e​ste, 17.12.2021.

91 Arendt, Macht und Gewalt, S. 93.

92 Arendt, Über Wahrheit und Lüge…In Richard J. Bernsteins Buch »Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt«, dem ich wichtige Anregungen zu diesem Essay verdanke, schreibt Bernstein über das Verhältnis von Lüge und Wahrheit in der Politik aus Sicht Arendts, dass heute ständig die von ihr für den Totalitarismus herausgearbeitete Gefahr bestünde »dass wirkungsvolle Überzeugungsmethoden dazu verwendet« würden, »Tatsachenwahrheiten zu leugnen, Fakten in bloße Meinungen zu verwandeln und eine Welt ‚alternativer Fakten’ zu schaffen. Und Bernstein führt weiter aus:

»Arendt warnt vor einer noch größeren Gefahr: ‚Wo Tatsachen konsequent durch Lügen und Totalfiktionen ersetzt werden, stellt sich heraus, daß es einen Ersatz für die Wahrheit nicht gibt. Denn das Resultat ist keineswegs, daß die Lügen nun als wahr akzeptiert und die Wahrheit als Lüge diffamiert wird, sondern daß der menschliche Orientierungssinn im Bereich des Wirklichen, der ohne die Unterscheidung von Wahrheit und Unwahrheit nicht funktionieren kann, vernichtet wird.« Richard J. Bernstein, Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt, Frankfurt/​M. 2020, S. 83. Dies trifft für die Corona-»Pandemie« ebenso zu wie für den Ukraine‐​Krieg und muss als Menetekel für den drohenden Zerfall der öffentlichen Meinung gesehen werden.

93 Siehe dazu Wolfgang Wodarg, Falsche Pandemien. Argumente gegen die Herrschaft der Angst, Kap. 14: Institutionelle Korruption – Von der Deregulierung zur institutionellen Korruption, München 2021, S. 314 – 331.

94 Van der Pijl, Die belagerte Welt, a.a.O., S. 7.

95 https://​norberthaering​.de/​m​a​c​h​t​-​k​o​n​t​r​o​l​l​e​/​w​h​o​-​p​a​n​d​e​m​i​e​v​e​r​t​r​ag/ 28.3 – 2022

https://​norberthaering​.de/​m​a​c​h​t​-​k​o​n​t​r​o​l​l​e​/​s​e​l​f​-​s​p​r​e​a​d​i​n​g​-​v​a​c​c​i​n​es/, 30.3.2022.

Der zuletzt aktualisierte Stand der Bemühungen, mittels eines »Welt‐​Pandemievertrages« die nationalen Parlamente und Regierungen zu entmachten und die Öffentlichkeit durch Beeinflussung und Zensur über den Sinn und Zweck des beabsichtigten globalen Regelwerks zu täuschen:

https://​norberthaering​.de/​p​r​o​p​a​g​a​n​d​a​-​z​e​n​s​u​r​/​b​e​h​a​v​i​o​u​r​a​l​-​s​c​i​e​n​c​e​s​-​b​e​t​t​e​r​-​h​e​a​l​th/, 14.2.2023.

https://​tkp​.at/​2​0​2​3​/​0​2​/​0​6​/​w​h​o​-​e​n​t​w​u​r​f​-​f​u​e​r​-​a​u​s​w​e​i​t​u​n​g​-​d​e​s​-​p​a​n​d​e​m​i​e​v​e​r​t​r​a​g​-​z​e​n​s​u​r​-​v​o​n​-​u​n​e​r​w​u​e​n​s​c​h​t​e​n​-​i​n​f​o​r​m​a​t​i​o​n​e​n​-​a​l​s​-​z​e​n​t​r​a​l​e​s​-​t​h​e​ma/, 6.2.2023.

96 Moritz Müller, Julian Assange schmort weiter im Gefängnis während Amnesty International ihn weiter nicht als »Prisoner of Conscience« anerkennt, https://​www​.nachdenkseiten​.de/​?​p​=​9​3​333, 2.2.2023.

97 Das wird im Einzelnen in seinen historischen Ausdrucksformen und Bezügen zur Politik und politischen Theorie in Arendts Werk »Über die Revolution« entfaltet.

98 https://​magma​-magazin​.su/​2​0​2​2​/​0​2​/​e​l​e​n​a​-​l​o​u​i​s​a​-​l​a​n​g​e​/​w​a​s​-​i​s​t​-​e​i​n​e​-​g​e​s​e​l​l​s​c​h​a​ft/

99 Hannah Arendt, Revolution und Freiheit, in: Dieselbe, Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 246 f.

100 Zu diesen Erfordernissen und ihre Nicht‐​Beachtung durch die Politik siehe das Interview des Cicero mit dem Medizinstatistiker Gerd Antes, »Es wurde nahezu jeder Fehler gemacht, den man machen konnte«, Die Stadtredaktion Heidelberg via Cicero, 3.9.2021, https://​www​.die​-stadtredaktion​.de/​2​0​2​1​/​0​9​/​r​e​d​a​k​t​i​o​n​s​e​m​p​f​e​h​l​u​n​g​e​n​/​e​m​p​f​e​h​l​u​n​g​e​n​/​e​s​-​w​u​r​d​e​-​n​a​h​e​z​u​-​j​e​d​e​r​-​f​e​h​l​e​r​-​g​e​m​a​c​h​t​-​d​e​n​-​m​a​n​-​m​a​c​h​e​n​-​k​o​n​n​te/

Vgl. auch Karsten Montag, Geplante Corona‐​Regeln ab Oktober entbehren jeglicher sachlichen Grundlage, https://​www​.nachdenkseiten​.de/​?​p​=​8​6​753, 10.8.2022.

101 Arendt, Über die Revolution, S.305.

103 https://​www​.zeit​.de/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​2​022 – 01/oxfam-corona-pandemie-reichtum-armut-steuerreform?utm_referrer=https Prozent3A Prozent2F Prozent2Fwww​.google​.com Prozent2F

102 So argumentiert van der Pijl in seinem o.a. Buch, siehe bsd. Kap. 2 »Kann die Weltbevölkerung noch unter Kontrolle gehalten werden?, S. 30 – 54.

103 https://​www​.zeit​.de/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​2​022 – 01/oxfam-corona-pandemie-reichtum-armut-steuerreform?utm_referrer=https Prozent3A Prozent2F Prozent2Fwww​.google​.com Prozent2F

104 https://​www​.merkur​.de/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​o​x​f​a​m​-​k​o​n​z​e​r​n​e​-​u​n​d​-​s​u​p​e​r​r​e​i​c​h​e​-​s​i​n​d​-​g​e​w​i​n​n​e​r​-​d​e​r​-​k​r​i​s​e​n​-​z​r​-​9​2​0​2​9​4​5​9​.​h​tml, 17.1.2023.

105 https://​norberthaering​.de/​m​a​c​h​t​-​k​o​n​t​r​o​l​l​e​/​a​u​s​v​e​r​k​a​u​f​-​un/ Siehe auch Norbert Häring, Endspiel des Kapitalismus. Wie die Konzerne die Macht übernahmen und wie wir sie zurückholen, Köln 2021, S. 68 – 91.

106 Ebd.

107 Zitat aus dem Readers‘ Guide zur Studie »Everybody’s Business«, in der das Weltwirtschaftsforum seine Vorstellung über die Rolle der UN und die eigene Rolle darlegt. Sie wird von Norbert Häring in seinem o.a. Artikel wiedergegeben.

108 Häring, ebd.

109 https://​praxistipps​.focus​.de/​y​o​u​n​g​-​g​l​o​b​a​l​-​l​e​a​d​e​r​s​-​m​i​t​g​l​i​e​d​e​r​-​u​n​d​-​z​i​e​l​e​-​d​e​r​-​s​c​h​w​a​b​-​f​r​e​u​n​d​e​_​1​4​1​556

110 https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​S​j​x​J​1​w​P​n​kk4

111 Minutiös recherchiert und äußerst faktenreich dokumentiert, untersucht van der Pijl darin die Ursachen, Absichten und Ziele der »Pandemie«: »Im Laufe der Recherchen und des Schreibens habe ich festgestellt, dass die ‚Pandemie’ kein einfacher Betrug oder großartiger Plan ist, der von Klaus Schwab, dem Orakel von Davos ausgeheckt (…) wurde. Es handelt sich um eine komplexe historische Krise, eine Machtergreifung durch die weltweit herrschende Klasse. Die offizielle Darstellung dessen, was um uns herum geschieht, ist in hohem Maße unrichtig und wird irgendwann zusammenbrechen.« Umschlagstext von Kees van der Pijl, Die Belagerung der Welt. Corona: Die Mobilisierung der Angst – und wie wir uns daraus befreien können, a.a.O.

112 Ebd., S.?

113 https://​www​.rubikon​.news/​a​r​t​i​k​e​l​/​m​a​c​h​t​m​i​t​t​e​l​-​c​o​r​ona, vom 22.2.2022.

114 Van der Pijl, a.a.O., S. 38 f.

115 Ebd., S. 39. – Das erklärt auch, warum die Reaktionen seitens der Exekutive in der zur Beruhigung der umstürzlerischen Lage ausgerufenen Pandemie so brüsk gegenüber all jenen ausfielen, die die Eliten‐​Pläne »durchkreuzten«. Die Vehemenz, mit der sämtliche Kritiker der Pandemiepolitik als »rechts« beziehungsweise »rechtsextrem« geframed werden, muss daher als verzweifelte ultima ratio eines weitgehend gescheiterten Pandemie‐​Coup d‘ état betrachtet werden und weist viel eher auf die Schwächen als Stärken der Urheberschaft des Corona‐​Narrativs hin.

116 https://​www​.faz​.net/​a​k​t​u​e​l​l​/​p​o​l​i​t​i​k​/​i​n​l​a​n​d​/​u​n​-​e​x​p​e​r​t​e​-​s​i​e​h​t​-​s​y​s​t​e​m​v​e​r​s​a​g​e​n​-​b​e​i​-​p​o​l​i​z​e​i​g​e​w​a​l​t​-​i​n​-​d​e​u​t​s​c​h​l​a​n​d​-​1​7​9​7​1​633. html://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/corona-un-experte-melzer-zu-polizeigewalt-demos-100.html, beide vom 21.4.2021. – Den Mainstream‐​Medien war das in der Regel nur eine Agenturmeldung wert. Investigativer Journalismus: Fehlanzeige.

117 https://​www​.zdf​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​p​o​l​i​t​i​k​/​c​o​r​o​n​a​-​a​e​r​o​s​o​l​-​f​o​r​s​c​h​e​r​-​a​n​s​t​e​c​k​u​n​g​e​n​-​b​r​i​e​f​-​m​e​r​k​e​l​-​1​0​0​.​h​tml, 12.4.2021.

118 https://​www​.fr​.de/​m​e​i​n​u​n​g​/​g​a​s​t​b​e​i​t​r​a​e​g​e​/​c​o​r​o​n​a​-​c​o​r​o​n​a​d​e​m​o​s​-​q​u​e​r​d​e​n​k​e​r​-​b​i​l​l​-​g​a​t​e​s​-​p​o​l​i​z​e​i​-​v​e​r​s​c​h​w​o​e​r​u​n​g​s​t​h​e​o​r​e​t​i​k​e​r​-​r​e​c​h​t​s​e​x​t​r​e​m​i​s​m​u​s​-​p​o​l​i​z​e​i​-​9​0​3​1​4​7​2​6​.​h​tml, 9.4.2021.

119 Sabine Beppler‐​Spahl, Grundrechte auf der Intensivstation, https://​www​.novo​-argumente​.com/​a​r​t​i​k​e​l​/​g​r​u​n​d​r​e​c​h​t​e​_​a​u​f​_​d​e​r​_​i​n​t​e​n​s​i​v​s​t​a​t​ion, 16.4.2020

120 https://​www​.sueddeutsche​.de/​m​e​d​i​e​n​/​m​a​r​t​e​n​s​t​e​i​n​-​t​a​g​e​s​s​p​i​e​g​e​l​1​.​5​5​3​2​6​5​5​,​2​0​.​2​.​2​022

121 Dem Framing des »Verschwörungstheoretikers‐​oder Verschwörungsideologen« bin ich argumentativ in »Die Pandemie ist – nicht – zu Ende. Von der Post‐​Corona‐​Gesellschaft in den totalitären Reset«, auf den S. 16 – 18 in Bezug auf die Kritik am Corona‐​Notstandsregime begegnet. https://​www​.gew​-ansbach​.de/​d​a​t​a​/​2​0​2​2​/​0​7​/​S​c​h​o​e​p​e​_​T​o​t​a​l​i​t​a​e​r​e​r​_​R​e​s​e​t​.​pdf .

122 Hier sei nur der reißerische Anfang des oben bereits erwähnten, als Meinungsbeitrag gekennzeichneten, für einen Kommentar allerdings ungewöhnlich langen Textes von Stephan Anpalagan aus der Frankfurter Rundschau wiedergegeben. Über den Gast‐​Autor der FR erfahren wir nichts – meine Recherche hat ergeben, dass Anpalagan studierter Diplom‐​Theologe ist und als freier Journalist für verschiedene Zeitungen und öffentliche Rundfunk‐​und Fernsehanstalten arbeitet: »Ein Virus hat die Gesundheitssysteme der wohlhabendsten Länder dieser Erde zusammenbrechen lassen. Das soziale Leben ist durch das Coronavirus zum Stillstand gekommen. In den Nachrichten waren Bilder aus Italien zu sehen, wo das Militär die Coronatoten aus Bergamo abtransportierte, weil die örtlichen Friedhöfe überfüllt waren. In New York sterben die Menschen derart schnell, dass Strafgefangene Massengräber ausheben müssen. In deutschen Krematorien stapeln sich die Särge. Standesamtmitarbeiterinnen müssen an Weihnachten arbeiten, um im Akkord Sterbeurkunden ausstellen zu können. Es ist ernst. Verdammt ernst. Inmitten all dieser Geschehnisse marschieren Menschen durch die Innenstädte Deutschlands und protestieren gegen Maßnahmen gegen das Coronavirus, die diese Pandemie eindämmen könnten. Sie marschieren in grober Missachtung des Infektionsschutzgesetzes. Ohne Abstand. Ohne Maske.« – Wer danach noch weiterlesen mag, wird feststellen, dass sich Anpalagan nicht nur eines alarmistischen, sondern – gegenüber den Maßnahmenkritikern – noch dazu recht martialischen Stils bedient und damit, bis an das fürchterliche Ende seines Artikels, an dem Kritiker der nicht pharmazeutischen Maßnahmen gegen das SARS‐​CoV‐​2‐​Virus zu Demokratie‐​und Verfassungsfeinden erklärt werden, ein manichäisches Weltbild transportiert, das für einen diplomierten Theologen des 21.Jahrhunderts (Anpalagan ist Jahrgang 1984) sich doch erstaunlich voraufklärerisch liest. Jedenfalls fühlte ich mich beim Lesen in die Zeit der Ketzerverfolgungen und Hexenverbrennungen zurückversetzt. Im Übrigen hätte man zum Stichtag 21.4.2021 (Veröffentlichungsdatum) das meiste von dem, was Anpalagan in seinem Text insinuiert, bereits besser wissen können.

Diesen Artikel habe ich hier nur herausgegriffen, da er leider exemplarisch für die während der Corona‐​Zeit vorherrschende Arbeits‐​und Darstellungsweise in den Leitmedien steht. Umfassend vgl. dazu auch Timo Rieg, Fallsammlung zu den Qualitätsdefiziten in der Corona‐​Berichterstattung: https://​www​.researchgate​.net/​p​u​b​l​i​c​a​t​i​o​n​/​3​6​8​2​8​9​9​4​7​_​Q​u​a​l​i​t​a​t​s​d​e​f​i​z​i​t​e​_​i​m​_​C​o​r​o​n​a​-​J​o​u​r​n​a​l​i​s​m​u​s​_​E​i​n​e​_​k​o​m​m​e​n​t​i​e​r​t​e​_​F​a​l​l​s​a​m​m​l​ung.

Zum Framing der Corona‐​Maßnahmenkritiker vgl. auch ein frühes und rares Beispiel eines Plädoyers für eine kontroverse Debattenkultur, leider und bezeichnenderweise aus einer im Inland kaum beachteten medialen Nische stammend: https://www.dw.com/de/kommentar-die-bequeme-schublade-für-kritiker-der-corona-maßnahmen/a‑53456662

123 https://​www​.evangelisch​.de/​i​n​h​a​l​t​e​/​1​7​0​7​5​6​/29 – 05‐​2020/​verfassungsschutz‐​relativ‐​wenige‐​rechtsextreme‐​bei‐​corona‐​demos. Das soll nicht heißen, dass nicht Rechte und Rechtsextreme immer wieder versucht haben – und es weiter versuchen – die Proteste ideologisch zu vereinnahmen. Sie hatten damit aber bislang keinen Erfolg. Das gleiche gilt für die Proteste der neu erstarkenden Friedensbewegung, der »Rechtsoffenheit« vorgeworfen wird. So rief der rechte Publizist Jürgen Elsässer dazu auf, die Friedens‐​Kundgebung von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht »mit Deutschland‐​Fahnen zu fluten«. Tatsächlich waren am 25.2.2023 vor dem Brandenburger Tor fast gar keine Deutschland‐​Fahnen zu sehen, der Autor hat dies selbst als Teilnehmer an der Veranstaltung gesehen. Jede oder jeder kann das aber auch leicht anhand nahezu jedes beliebigen Videos über das Ereignis selbst überprüfen.

Auch die AfD konnte das Protestpotential der Corona‐​Maßnahmenkritiker nicht an sich binden. Das zeigt zum Beispiel ihr im Vergleich zu 2017 schwächeres Abschneiden bei der Bundestagswahl im September 2021 (2021: 10,3 Prozent, 2017: 12,6 Prozent).

124 https://​www​.muenchen​-steht​-auf​.de/​b​r​i​e​f​w​e​c​h​s​e​l​-​z​w​i​s​c​h​e​n​-​2​-​p​r​o​t​e​s​t​k​u​l​t​u​r​en/

125 https://​www​.information​-philosophie​.de/​?​a​=​1​&​t​=​4​7​7​7​&​n=2 – Kritisch zur Begründung eines Supergrundrechts und den Fallstricken einer solchen Begründung: https://​democracy​.blog​.wzb​.eu/​2​0​1​3​/​0​8​/​3​0​/​s​u​p​e​r​s​u​p​e​r​g​r​u​n​d​r​e​c​ht/

126 Ebd.

127 Arendt, Die Freiheit, frei zu sein, München 2018, S. 16.

128 https://​beruehmte​-zitate​.de/​a​u​t​o​r​e​n​/​h​a​n​n​a​h​-​a​r​e​n​dt/, S. 1, zuletzt zugegriffen am 14.01.2023.

129 Elisabeth Wehling, Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht, Köln 2016.

130 https://​www​.spiegel​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​d​e​u​t​s​c​h​l​a​n​d​/​s​a​s​k​i​a​-​e​s​k​e​n​-​d​a​r​f​-​d​e​m​o​n​s​t​r​a​n​t​e​n​-​c​o​v​i​d​i​o​t​e​n​-​n​e​n​n​e​n​-​a​-​c​6​9​7​e​f​3​d​-​d​0​4​b​-​4​1​f​4​-​a​8​b​4​-​d​2​f​3​5​0​f​a​7​138, 2.9.2020

131 René Pikarski, Rezension zu Hannah Arendt. Sokrates – Apologie der Pluralität, https://​re​-visionen​.net/​r​e​n​e​-​p​i​k​a​r​s​k​i​-​z​u​-​s​o​k​r​a​t​e​s​-​v​o​n​-​h​a​n​n​a​h​-​a​r​e​n​dt/

132 Giorgio Agamben, Freiheit und Unsicherheit, https://​tkp​.at/​2​0​2​3​/​0​1​/​1​1​/​f​r​e​i​h​e​i​t​-​u​n​d​-​u​n​s​i​c​h​e​r​h​e​it/, 11.1.2023.

133 https://www.britannicircacom/topic/war-on-terrorism. Unter hybrider Kriegsführung versteht man »eine Kombination regulärer und irregulärer, politischer, wirtschaftlicher, medialer, geheimdienstlicher, cybertechnischer und militärischer Kampfformen.« Sie »verwischen die rechtlichen und moralischen Grenzen zwischen Krieg und Frieden. (…) Die einhegende (…) Wirkung dieser Grenzen, Normen und Regeln geht verloren.« https://​www​.bpb​.de/​t​h​e​m​e​n​/​k​r​i​e​g​e​-​k​o​n​f​l​i​k​t​e​/​d​o​s​s​i​e​r​-​k​r​i​e​g​e​-​k​o​n​f​l​i​k​t​e​/​5​0​4​2​7​3​/​h​y​b​r​i​d​e​-​k​r​i​e​g​s​f​u​e​h​r​u​ng/

134 Bernd Schoepe, Die Aufarbeitung der Corona‐​Vergangenheit und ihre Tabus, https://​www​.gew​-ansbach​.de/​2​0​2​2​/​0​6​/​d​i​e​-​a​u​f​a​r​b​e​i​t​u​n​g​-​d​e​r​-​c​o​r​o​n​a​-​v​e​r​g​a​n​g​e​n​h​e​i​t​-​u​n​d​-​i​h​r​e​-​t​a​b​us/

135 https://​www​.infosperber​.ch/​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​/​d​i​e​-​a​n​g​a​b​e​n​-​z​u​-​p​l​o​e​t​z​l​i​c​h​e​n​-​t​o​d​e​s​f​a​e​l​l​e​n​-​s​i​n​d​-​w​i​d​e​r​s​p​r​u​e​c​h​l​i​ch/, vom 31.12.2022.

136 https://​www​.infosperber​.ch/​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​/​p​u​b​l​i​c​-​h​e​a​l​t​h​/​c​o​r​o​n​a​-​i​m​p​f​n​u​t​z​e​n​-​b​e​r​s​e​t​-​u​n​d​-​b​a​g​-​v​e​r​b​r​e​i​t​e​t​e​n​-​u​n​w​a​h​r​h​e​i​t​en/, vom 1.11.2022.

137 https://​www​.aerzteblatt​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​1​1​9​9​3​3​/​E​U​-​K​o​m​m​i​s​s​i​o​n​-​v​e​r​w​e​i​g​e​r​t​-​P​a​r​l​a​m​e​n​t​-​w​e​i​t​e​r​-​E​i​n​s​i​c​h​t​-​i​n​-​I​m​p​f​s​t​o​f​f​v​e​r​t​r​a​ege, vom 7.1.2021. https://​www​.mdr​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​w​e​l​t​/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​c​o​r​o​n​a​-​e​u​-​s​t​a​a​t​s​a​n​w​a​l​t​s​c​h​a​f​t​-​e​r​m​i​t​t​l​u​n​g​e​n​-​i​m​p​f​s​t​o​f​f​-​v​e​r​t​r​a​e​g​e​-​1​0​0​.​h​tml, vom 15.10.2022.

138 https://​www​.tagesschau​.de/​i​n​l​a​n​d​/​c​o​r​o​n​a​-​i​m​p​f​s​t​o​f​f​-​b​u​n​d​e​s​r​e​g​i​e​r​u​n​g​-​1​0​1​.​h​tml, 23.12.2022.

139 Arendt, Macht und Gewalt, a.a.O., S.81 f.

140 Arendt sieht, gleichsam als Schnittpunkt ihrer Existenzialdiagnose des Zeitlichen wie des menschlichen Urteilsvermögens, den »Wohnort« des Denkens »zwischen Vergangenheit und Zukunft« als gegeben an. Siehe dazu das Vorwort »Die Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft« in Arendt, Zwischen Vergangenheit und Zukunft, a.a.O., S. 7 – 19.

141 »Und Zarathustra sprach also zum Volke: Ich lehre Euch den Übermenschen! Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden?« https://www.deutschestextarchiv/de/nietzsche_zarathustra01_1883. Entgegen Zarathustras Rat an seine Brüder: »bleibt der Erde treu«, korreliert die Überwindungsideologie‐ und Überwindungspraxis transhumanistischer Provenienz auffallend mit der Merkmalsbestimmung, welche Hannah Arendt für den Totalitarismus unternimmt:

»Das eigentliche Ziel totalitärer Ideologie ist nicht die Umformung der äußeren Bedingungen der menschlichen Existenz und nicht die revolutionäre Neuordnung der gesellschaftlichen Ordnung, sondern die Transformation der menschlichen Natur selbst, die, so wie sie ist, sich dauernd dem totalitären Prozess entgegenstellt. (…) was in der totalen Herrschaft auf dem Spiel steht, ist wirklich das Wesen des Menschen.« Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, a.a.O., zitiert nach dem empfehlenswerten, die Zusammenhänge von Arendts Totalitarismusbegriff mit dem transhumanistischen Denken gut ausleuchtenden Essay »Die Abschaffung der Seele« von Julia Weiss, https://​multipolar​-magazin​.de/​a​r​t​i​k​e​l​/​d​i​e​-​a​b​s​c​h​a​f​f​u​n​g​-​d​e​r​-​s​e​ele, 10.5.2022.

142 Genauso luzide geht es weiter: »Wenn Macht im Unterschied zum bloßen Können meint: wir‐​wollen‐​und‐​wir‐​können, dann liegt in der heutigen sich ständig noch steigernden Macht der Menschen auf der Erde ein seltsames Element der Ohnmacht; denn der Fortschritt der Wissenschaft ist von dem, was wir tun wollen, fast unabhängig geworden; seine Rasanz ist, wie die Wissenschaftler uns immer wieder erklären, nicht mehr zu stoppen, so wenig wie die scheinbar unaufhaltsame Entwicklung der Technik. Der Fortschritt folgt seinen eigenen unerbittlichen Gesetzen und zwingt uns, ohne Rücksicht auf die Folgen zu tun, was immer wir tun können. Sollte das Ich‐​will und Ich‐​kann sich voneinander getrennt haben? (…) Wiederum wissen wir nicht, wohin diese Entwicklung uns führen wird. Aber wir wissen oder sollten wissen, daß jeder Machtverlust der Gewalt Tür und Tor öffnet, und sei es nur, weil Machthaber, die fühlen, daß die Macht ihren Händen entgleitet, der Versuchung sie durch Gewalt zu ersetzen, nur sehr selten in der Geschichte haben widerstehen können.« Arendt, Macht und Gewalt, a.a.O.., S. 86.

Bild: Screenshot aus dem Video der Bundeskunsthalle zur Austellung »Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert« (Quelle: https://​www​.bundeskunsthalle​.de/​h​a​n​n​a​h​-​a​r​e​n​d​t​.​h​tml)

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